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ihre Aufgabe betrachtet. Gleichwohl bereitet jener Reichtum ethischer Tatsachen, der die spekulative Ethik beeinträchtigt, der empirischen Behandlung nicht geringere Schwierigkeiten. Auch bei ihr ist es in der Regel ein bestimmter Kreis von Erfahrungen, der ausschließlich oder doch vorwiegend Berücksichtigung findet. So kommt es, daß die empirische Methode zunächst wieder in zwei Richtungen sich spaltet: in die subjektive, welche die in der inneren Wahrnehmung sich darbietenden Bedingungen unserer Willkürhandlungen bevorzugt, und in die objektive, die von den in Gesellschaft und Geschichte gegebenen Erscheinungen ausgeht. Damit nicht genug kämpfen innerhalb jeder dieser Richtungen wieder verschiedenartige Standpunkte gegeneinander. Die subjektive Methode leidet unter der verbreiteten Einseitigkeit psychologischer Betrachtung, indem sie bald auf die Reflexion, bald auf die Gefühlsmotive des Handelns das Hauptgewicht legt. Die objektive Methode stützt sich, um nicht der erdrückenden Vielgestaltigkeit sittlicher Tatsachen zu erliegen, entweder auf die Geschichte und Naturgeschichte der Sitte oder auf die allgemeine Kulturgeschichte, oder sie sucht die in den objektiven Rechtsbildungen zum Ausdruck gelangten Normen oder auch die in den Erscheinungen des wirtschaftlichen Verkehrs nachzuweisenden Beweggründe des Handelns für ihre Zwecke zu verwerten. So entspringt aus der subjektiven Methode eine Reflexions- und eine Gefühlsethik, die untereinander wieder lebhaft im Streite liegen, und die objektive spaltet sich in eine anthropologische, historische, juristische, nationalökonomische Ethik, wobei es übrigens an Verbindungen dieser besonderen Richtungen nicht ganz gefehlt hat.

Nun ist es freilich leichter, gegenüber einer solchen Zersplitterung die Einheit und den Zusammenhang aller Arten ethischer Erfahrung zu betonen, als der Forderung nach einer gleichmäßigen Berücksichtigung derselben wirklich nachzukommen. Mag aber immerhin vermöge der unvermeidlichen Beschränkung des individuellen Gesichtskreises das einzelne Unternehmen mangelhaft bleiben, so wird doch verlangt werden müssen, daß man wenigstens die Frage erwäge, inwieweit die von einem speziellen Erfahrungsbereich aus gezogenen Schlußfolgerungen einer Berichtigung oder Erweiterung durch die auf anderen Gebieten gesammelten Erfahrungen bedürfen. Je mehr diese letzteren selbst schon in ethischem Interesse verwertet sind, um so leichter wird es dann geschehen können, daß die Ethiker verschiedener Richtung, statt miteinander im Kampf zu liegen, sich zu gemeinsamer erfolgreicher Arbeit verbinden.

Was hier für die einzelnen Verzweigungen der empirischen Betrachtung gilt, das findet nun aber in gewisser Beziehung sogar auf das Verhältnis derselben zur spekulativen Ethik seine Anwendung. Selbst wenn nämlich alle jene Tatsachen, die uns subjektive und objektive Erfahrung zur Verfügung stellen, erschöpfend berücksichtigt sind, so ist damit doch an sich die wissenschaftliche Aufgabe der Ethik noch nicht erledigt. Denn diese Aufgabe besteht in der Feststellung der Prinzipien, auf welche die sittlichen Tatsachen zurückgeführt, oder als deren besondere, durch das Zusammentreffen mit gewissen äußeren Bedingungen bestimmte Anwendungen sie betrachtet werden können. Nun glauben freilich zumeist die Vertreter der empirischen Methode, mittels der letzteren selbst jene Prinzipien finden zu können, indem sie es als ausgemacht ansehen, daß dieselben psychologischer Art, also durch die unmittelbare innere Erfahrung zu ermitteln seien. So kommt es, daß die subjektive empirische Methode stets ein Übergewicht über die objektive behauptet hat, da bei der Beantwortung der ethischen Grundprobleme schließlich ihr allein die entscheidende Stimme zufiel.

Doch so selbstverständlich es ist, daß die objektiven Tatsachen des sittlichen Lebens zunächst einer psychologischen Prüfung zu unterwerfen und, soweit dies geschehen kann, psychologisch zu erklären sind, so wird gleichwohl die sittliche Welt in eine einseitige Beleuchtung gerückt, wenn man ihr sofort mit der Voraussetzung gegenübertritt, daß alle ihre Erscheinungen aus den Bedingungen des subjektiven Bewußtseins zu begreifen seien. Es ist denkbar, daß sich dies als Resultat der Untersuchung herausstellt; es ist aber unzulässig, ein mögliches Resultat als ein Axiom anzusehen, das man von vornherein der Erwägung eines jeden sittlichen Tatbestandes entgegenbringt. Auch der Einwand, daß die Ungültigkeit dieser Voraussetzung durch den Widerspruch mit den Tatsachen sich erweisen müßte, bildet keine Rechtfertigung für die Voreiligkeit des Verfahrens. Denn wenn überhaupt vorgefaßte Meinungen schwer durch Erfahrung zu widerlegen sind, so ist es fast unmöglich, daß im voraus angenommene Axiome auf diesem Wege beseitigt werden. Wo je einmal ein unlösbarer Widerspruch sich ergeben sollte, da weicht die Erfahrung dem Axiom, nicht das Axiom der Erfahrung, und dies ganz besonders dann, wenn es sich, wie hier, um verwickelte Tatsachen handelt, die, ehe sie an der Voraussetzung gemessen werden können, zuvor alle möglichen Stadien der Abstraktion und Interpretation zurückgelegt haben müssen. Die

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Abstraktion namentlich, so wenig wir sie entbehren können, ist leider zugleich ein Verfahren, das sich der Elimination unerwünschter Tatsachen gelegentlich als ein bequemes Werkzeug zur Verfügung stellt.

Wenn demnach eine einzelne, in den eigenen Bereich der empirischen Methode fallende Untersuchung an und für sich nicht die Prinzipien zu liefern vermag, von denen aus wir die Tatsachen der sittlichen Welt unserem Verständnisse näher bringen können, so bleibt nur übrig, daß wir diese Tatsachen selbst in möglichst weitem Umfang als Grundlagen der Untersuchung benützen. Voraussichtlich wird dann wohl auch hier, ähnlich wie im Gebiet der objektiven Naturerkenntnis, die empirische Beobachtung zu Postulaten führen, die selbst nicht unmittelbare Tatsachen der Erfahrung sind, sondern diesen hinzugefügt werden müssen, um sie in ihrem Zusammenhang begreiflich zu machen. Die Prinzipien, die den Charakter solcher Postulate besitzen, können nun überall durch die empirische Methode nur vorbereitet, nicht wirklich entdeckt werden. Ihre Auffindung bleibt daher Aufgabe der Spekulation, die jedoch nur dann einen bleibenden Erfolg ihrer Bemühungen erwarten darf, wenn sie sich den vollen Erwerb der kritisch geprüften wissenschaftlichen Erfahrung gesichert hat.

In diesem Sinne tritt die spekulative Methode neben der empirischen in ihre Rechte ein. Nicht daß sie, sondern wie sie angewandt wurde, bildet den begründeten Einwand gegen die herrschenden Richtungen der spekulativen Ethik. Die Ethik ist weder eine rein spekulative, noch eine rein empirische Disziplin, sondern sie ist, wie jede allgemeine Wissenschaft, empirisch und spekulativ zugleich. Aber nach dem naturgemäßen Gang unserer denkenden Betrachtung der Dinge muß auch in ihr der Spekulation das empirische Verfahren vorausgehen; es muß ihr die Bausteine in die Hand geben, mit denen sie ihr Gebäude errichtet.

Insoweit nun die Ethik der Spekulation sich bedient, ist sie metaphysische Disziplin. Denn metaphysisch ist jede Untersuchung, die sich auf die nicht unmittelbar der Erfahrung zugänglichen Voraussetzungen über das Wesen der Dinge bezieht. Insbesondere ergänzt hier die Ethik den metaphysischen Teil der Naturwissenschaft, der in einem analogen Verhältnisse zu der empirischen Naturforschung steht. In die natürliche und in die sittliche Weltordnung zerlegt sich uns der Begriff der Weltordnung überhaupt. Indem die Metaphysik die ethische wie die naturwissenschaftliche Betrachtung voraussetzt, wird es zu

gleich ihre Aufgabe, jene beiden Formen der Weltordnung in eine innere Übereinstimmung zu bringen, und auf diese Weise eine Weltanschauung zu begründen, die den Bedürfnissen unseres theoretischen Erkennens und den Forderungen unseres sittlichen Bewußtseins gleichmäßig gerecht wird.

Obgleich aber die empirische und die spekulative Methode in die Bearbeitung der ethischen Probleme sich teilen, so darf nun deren Verhältnis doch nicht so aufgefaßt werden, als handle es sich hier um gänzlich voneinander verschiedene Formen des Denkens. Mit Rücksicht auf die letzteren bilden vielmehr beide nur die sich ergänzenden Bestandteile eines und desselben Verfahrens. Es gibt keine anderen Methoden als solche, die von der Bearbeitung der Erfahrung ausgehen, und keine, die nicht ausschließlich von den allgemeingültigen logischen Prinzipien Gebrauch machen. Nicht auf das logische Verfahren selbst gründet sich daher der Unterschied, sondern lediglich auf die Begriffe, mit denen das Denken operiert. Die Herrschaft der empirischen Methode reicht so weit, als diese Begriffe unmittelbare Abstraktionen und Induktionen aus der Erfahrung sind. Die Spekulation beginnt, sobald hypothetische Elemente in die Begriffsbildung eingehen, die nicht der Erfahrung entnommen, sondern ihr unter dem Einfluß der Einheitsbedürfnisse unseres Denkens hinzugefügt werden. In diesem Sinne ist die spekulative Methode so wenig wie irgend eine andere spezifisch philosophischer Art, sondern sie beginnt bereits in den Einzelwissenschaften, um dann in den prinzipiellen Teilen der Philosophie, und so auch in der Ethik, nur wo möglich mit umfassenderer Rücksichtnahme auf die mannigfaltigen Erfahrungsgrundlagen unseres Wissens, nochmals geübt zu werden.

3. Die Aufgaben der Ethik.

Obgleich die Ethik als Normwissenschaft der Logik nicht nur verwandt, sondern in gewissem Sinne sogar übergeordnet ist, so würde es doch wenig angemessen sein, wenn sie einen ähnlichen Weg der Untersuchung und Darstellung wie diese einschlagen wollte. Kann die Logik vermöge der einfachen Natur der Anschauungen, auf die ihre Prinzipien gegründet sind, diese ohne weiteres als gegeben voraussetzen, so muß umgekehrt der Aufstellung der ethischen. Normen ihre Aufsuchung vorausgehen. Sie aber erweist sich vermöge der verwickelten Beschaffenheit des ethischen Tatbestandes soWundt, Ethik. 3. Aufl. I.

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gleich als eine der schwierigsten und umfangreichsten ethischen Aufgaben. Jene Aufsuchung kann nun wieder auf doppelte Weise geschehen. Die ursprüngliche Quelle für die Erkenntnis des Sittlichen ist das sittliche Bewußtsein des Menschen, wie es in den allgemeinen Anschauungen über Recht und Unrecht und außerdem vornehmlich in den religiösen Vorstellungen und in der Sitte seinen objektiven Ausdruck findet. Der nächste Weg zur Aufsuchung der ethischen Prinzipien ist daher derjenige der anthropologischen Untersuchung, wobei wir den letzteren Ausdruck in einem weiteren als dem gewöhnlich gebrauchten Sinne verstehen: die Völkerpsychologie, die Ur- und Kulturgeschichte beschäftigen sich ja nicht weniger als die Naturgeschichte des Menschen mit anthropologischen Problemen. Für die Ethik treten jedoch diese Probleme in doppeltem Sinne in eine von derjenigen jener Hilfsgebiete wesentlich verschiedene Beleuchtung. Erstens wird unser Bemühen selbstverständlich überall darauf gerichtet sein müssen, aus der Mannigfaltigkeit ursprünglicher Lebensbedingungen die sittlichen auszusondern, ohne dabei deren Zusammenhang mit den sonstigen Erscheinungen geistiger Entwicklung aus dem Auge zu verlieren. Zweitens aber wird es sich zugleich darum handeln, den Spuren nachzugehen, die von den Anfängen ethischer Anschauungen zu den entwickelteren Gestaltungen derselben hinüberführen. In diesem Sinne erweitert sich also hier die Aufgabe zu einer Untersuchung der Tatsachen des sittlichen Lebens, wobei sich diese nur die Beschränkung auferlegt, daß sie diese Tatsachen vorwiegend mit Rücksicht auf die Frage nach ihren sittlichen Ausgangspunkten und, wo es nötig scheint, nach ihren vorsittlichen Bedingungen vor ihr Forum zieht.

Ein zweiter Weg eröffnet sich uns in der geschichtlichen Entwicklung der sittlichen Weltanschauungen. Diese Entwicklung selbst findet ihren deutlichsten Ausdruck in der wissenschaftlichen Reflexion über die Sittlichkeitsbegriffe, also in den ethischen Systemen der Philosophie. Denn vor allem auf ethischem Gebiet steht die Philosophie nicht außerhalb des allgemeinen Denkens, sondern sie schöpft aus dem sittlichen Bewußtsein der Zeit. Nur tritt in ihr zu dem unmittelbaren sittlichen Tatbestand die Selbstbesinnung und der Versuch einer Analyse und Unterordnung unter allgemeine Gesichtspunkte. Ist nun auch dieser Versuch zumeist mit der einseitigen Hervorkehrung einzelner Momente verbunden, so wird solche Einseitigkeit doch dadurch wieder ausgeglichen, daß die verschiedenen ethischen Richtungen eines Zeitalters,

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