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typisches Beispiel gelten, das sich nur durch sein höheres Alter von manchen andern Formen der Höflichkeit unterscheidet. Eben deshalb beginnt aber bei den letzteren die Entwicklung meist erst an einem späteren Punkte; und dies wird wiederum dadurch möglich, daß alle hier in Frage kommenden Äußerungen der Sitte Ausdrucksformen von verwandtem Gefühlsinhalte sind. Wenn wir unsere Briefe in der Anrede mit der Versicherung der Hochachtung beginnen, und vor der Unterschrift mit dem Ausdruck der Ergebenheit schließen, wenn wir unserem Bekannten beim Hinaustreten aus dem Hause den Vortritt lassen, wenn wir in den modernen Sprachen statt des einfachen Du Pluralformen wie Ihr oder Sie bei der Anrede gebrauchen, oder wenn umgekehrt der Chinese sein Ich im Gespräch mit möglichst erniedrigenden Attributen ausstattet so sind dies alles Symbole, die den mehr oder minder tiefen Bückling des Grußes in eine andere zur Gelegenheit passende Form übersetzen. Darum konnten wohl manche dieser Erscheinungen so spät entstehen, daß bei ihnen die ursprünglichen Motive der Sitte nicht mehr direkt wirksam waren. Umsomehr aber konnten sie dies indirekt sein, indem die neuen Formen lediglich als angemessene Ergänzungen der ursprünglichen empfunden wurden. Denn die Entwicklung der Sitte gleicht einem Baume, der immer neue Sprossen ansetzt, die ihre Nahrung zunächst nur von dem Zweig empfangen, auf dem sie gewachsen sind, durch diesen aber schließlich doch mit der Wurzel zusammenhängen. Diese Wurzel bilden hier, wie bei allen Erscheinungen, die irgendwie den Charakter eines festen Regeln folgenden Zeremoniells an sich tragen, zumeist religiöse Gefühle und Kultushandlungen, die zu den Gefühlen der Demut, Verehrung und Achtung, die allen hier in Rede stehenden Sitten zu Grunde liegen, eine nahe Affinität besitzen.

In der Gestalt, in der sich jene Gefühle in den menschlichen Umgangsformen betätigen, sind sie sicherlich nicht ursprünglich. Im Naturzustande kennt der Mensch keine Rücksichten auf seinen Nebenmenschen, am allerwenigsten solche, die er sich freiwillig gegenüber dem Gleichgestellten auferlegt. Aber es ist ebenso undenkbar, daß jene sozialen Verkehrsnormen entstanden sein sollten, ohne daß sie mindestens in entwicklungsfähigen Keimen schon vorgebildet waren. Hier ist nun die Furcht vor den Mächten, die den Lauf der Natur

modernen Kulturvölkern übliche Entblößung des Hauptes, die wohl aus der als Friedenszeichen gebrauchten Abnahme des Helms hervorgegangen ist und demnach auf den Mann beschränkt blieb. Dabei verbinden sich dann zugleich Symbole verschiedenen Ursprungs: wir ziehen den Hut, während wir uns grüßend verneigen.

und das eigene Schicksal lenken, das früheste Motiv, das den Willen demütigt, indem es ihn einer höheren Gewalt unterordnet. Von da überträgt sich diese Unterwerfung zuerst auf die an Kraft und Ansehen Hervorragenden unter den Stammesgenossen, um dann allmählich auf die Gleichgestellten, und endlich bis zu einem gewissen Grad auf den Nebenmenschen als solchen, ganz abgesehen von der Stellung, die er einnimmt, überzugehen. So entwickelt sich die Grundregel der sozialen Verkehrsformen: „Begegne, ohne deiner eigenen Würde zu vergeben, deinem Nächsten mit Achtung und, wenn er es verdient, mit Verehrung; mit deiner eigenen Person aber tritt, soweit die Sache, der du dienst, es zuläßt, bescheiden zurück!"

Nicht immer bewahrt die Sitte die Grenzen, die in dieser Regel angedeutet sind. Das Gleichgewicht zwischen der Achtung vor dem Nächsten und der eigenen weiß sie nicht überall einzuhalten. Es liegt in der Natur der Höflichkeit, daß sie zu Übertreibungen neigt. Indem ihre Normen gebieten, in Jedem die Menschen würde zu achten, kann es nicht fehlen, daß dieses Gebot zuweilen mit der moralischen Schätzung des Einzelnen in Konflikt gerät. Sind wir genötigt, in manchen Fällen die konventionellen Achtungsbezeigungen der Höflichkeit als eine Form zu betrachten, hinter der sich kein entsprechender Inhalt birgt, so ist es begreiflich, daß ein sicheres Verhältnis zwischen Form und Inhalt hier überhaupt verloren geht. Die Gewohnheit stumpft aber gegen solche Übertreibungen ab und macht sie unschädlich. Was die Zeitgenossen für passend und natürlich gehalten hatten, erscheint dann einer späteren Zeit, über die jene Gewohnheit keine Macht mehr hat, lächerlich. So sehen wir heute in dem „in Demut ersterbenden Diener und Knecht" aus dem Briefstil des 18. Jahrhunderts eine abgeschmackte Übertreibung, und es ist wahrscheinlich, daß künftigen Generationen unser verschwenderischer Gebrauch der Hochachtung und Ergebenheit" in keinem anderen Lichte erscheinen wird. Vermöge dieses Einflusses der Gewohnheit, der zu allen Übertreibungen der Form die stillschweigende Korrektur bildet, bleibt der innere Gehalt der Umgangsformen während verhältnismäßig großer Zeiträume annähernd unverändert. Nur die größten Epochen in der Entwicklung der Kultur zeigen hier tiefere Unterschiede. Die hauptsächlichsten Stadien dieser Entwicklung sind die drei: der ausschließlichen Ehrfurchtsbezeigungen des Niedrigeren gegen den Höheren, der Achtungsbeweise Gleichstehender untereinander, endlich der Achtung Aller gegen Alle.

Diese Erweiterung würde nicht entstehen können, ohne daß sich das ursprüngliche Motiv allmählich veränderte und mit andern Motiven verbände. Das früheste Motiv ist aber hier, wie bei den religiösen Gefühlen, mit denen diese Erscheinungen in ihrer Wurzel zusammenhängen, die Furcht. Wie der Mensch seine Götter zuerst fürchtet, dann verehrt und zuletzt liebt, so ist es auch die Furcht, die den Rücken des Sklaven krümmt, wenn er vor seinem Herrn erscheint; erst unter dem Einfluß milderer Sitten, die ein Band der Anhänglichkeit zwischen allen Mitgliedern des Hauses knüpft, ermäßigt sie sich zu dem Gefühl der Achtung. Damit aber dieses auf Gleichgestellte und endlich sogar auf niedriger Stehende sich ausdehnen könne, dazu bedarf es anderer Beweggründe als der Furcht, die hier ihre Geltung verloren hat. Ein solcher liegt in jener persönlichen Haltung, die, um der eigenen Würde nichts zu vergeben, die Äußerung egoistischer Wünsche zurückdrängt. Wie aus der Furcht die Achtung, so entspringt aus dem Streben nach Würde allmählich der Wunsch, Anderen im Verkehr nicht lästig zu fallen durch das aufdringliche Geltend machen eigener Interessen. Der Zwang, den sich der Mensch durch dieses Zurückhalten seiner persönlichen Zwecke auferlegt, ist nicht das Resultat einer Reflexion, die sich sagt, daß der Verkehr dann am bequemsten sein werde, wenn jeder sich gewisse Schranken setzt: dies ist der Erfolg, nicht das Motiv der Sitte. Wohl aber werden die unangenehmen Gefühle, die dem nicht erspart bleiben, der überall seine eigene Person vordrängt, von frühe an einen wirksamen Regulator des Verkehrs zwischen Gleichgestellten bilden. So entstehen die Wirkungen der Achtung, ehe diese selbst das tatsächliche Motiv der Handlungen geworden ist. Doch die Wirkung wandelt sich in ein Motiv um, neben dem freilich das frühere und niedrigere, der Wunsch nicht anzustoßen durch Vordrängen der eigenen Person, fortan seine Macht bewahrt. Nur gewinnt auch dieser Wunsch eine durch die soziale Verkehrsnorm ihm aufgeprägte spezifische Färbung: die Zurückhaltung gilt nun weniger deshalb als geziemend, weil das Gegenteil zu unerfreulichen Konflikten führen kann, sondern weil es gegen die Sitte verstößt. Obgleich dies Motiv an sich weniger stark ist als das ursprüngliche, so ist es doch das wirksamere. Jenes ist nicht immer gegenwärtig; es versagt nur zu leicht unter dem Druck egoistischer Interessen. Wie oft geht noch den Helden der Ilias oder des Nibelungenliedes in der Leidenschaft jede Rücksicht auf Andere in Worten wie Handlungen verloren! Die Sitte aber wacht

unablässig, und sie wird zu einer umso unwiderstehlicheren Macht, je mehr sie in die individuellen Gewohnheiten des Handelns eingedrungen ist. Haben so die symbolischen Ausdrucksmittel der Achtung erst in den Verkehr der Gleichgestellten allgemeinen Eingang gefunden, so ist ihrer weiteren Ausdehnung nach unten hin in angemessen abgeschwächten Formen kein Hindernis mehr gesetzt. Dazu genügt das einmal entstandene Motiv der Menschenachtung, unterstützt von dem natürlichen Antrieb, durch ein Zeichen anzudeuten, daß die empfangene Achtungsbezeigung bemerkt worden sei. Darum unterscheidet die Sprache der Höflichkeit von dem Gruß den Dank für denselben. Aber da der Gruß selbst in Achtungsbezeigungen verschiedenen Grades bestehen kann, bis herab zu der symbolischen Andeutung, daß man die Anwesenheit eines Andern bemerkt habe, so muß naturgemäß der Dank für den Gruß ebenfalls wieder ein Gruß sein.

In dieser Entwicklung liegt die ethische Bedeutung der Umgangsformen klar ausgesprochen. Sie ist eine doppelte. Auf der einen Seite ist das gesittete Benehmen in allen seinen Gestaltungen, als persönliche Würde wie als Höflichkeit im Verkehr, ein Symptom sittlicher Anschauungen, das umso wertvoller wird, je mehr die beiden Komponenten des Verhaltens, die Wahrung der eigenen Würde und die Unterdrückung des persönlichen Interesses, sich die Wage halten. Zugleich wird dadurch jene Neigung zur Übertreibung ermäßigt, die den Formen der Höflichkeit innewohnt. Zweitens aber ist das gesittete Benehmen eine der wichtigsten sittlichen Wirkungen, welche die Entwicklung der Kultur mit sich führt. Ursprünglich hervorgegangen aus Motiven, deren ethischer Wert noch gering ist, hat letzterer infolge jener Verlegung der Wirkung in das Motiv, die der psychologische Hebel dieser ganzen Entwicklung ist, fortwährend zugenommen. Hieran reiht sich eine subjektiv ebenfalls nicht beabsichtigte, vom Standpunkt der objektiven Betrachtung jedoch äußerst wichtige Folge. Obgleich die Regeln des gesitteten Benehmens und des Umgangs mit Andern zunächst nur eine formale Bedeutung besitzen, so üben sie doch, indem sie die Äußerungen der rohen Selbstsucht zurückhalten und in allen Fällen die Rücksicht auf den Nebenmenschen zur Norm des sozialen Verkehrs machen, auch auf die Gesinnung einen dauernden Zwang aus. Eindringlicher weil unablässiger als Moralpredigten und geschriebene Pflichtgebote rufen sie jedem die Mahnung zu: „Sei nicht selbstsüchtig und achte die Rechte des Nächsten!"

Unter den Hilfsmitteln, die, selbst zum Teil außerhalb der sittlichen Sphäre gelegen, die Hebel aller sittlichen Kultur bilden, nehmen aber auch hier wieder die religiösen Faktoren die erste Stelle ein. Jene Nützlichkeitsmotive, denen wir, wo wir unsere eigene Reflexion als Maßstab an die Dinge anlegen, so leicht den Hauptwert beimessen, bleiben zunächst völlig im Hintergrund; sind sie überhaupt wirksam, so sind sie es in anderer Weise als heute, namentlich als Furcht vor den verderblichen Folgen des Zorns der Götter bei der Verletzung von Kultusvorschriften und religiösen Geboten. So ist in den Anfängen des gesellschaftlichen Lebens dieses in allen seinen Äußerungen durchdrungen von dem Gedanken an jene übersinnliche und doch sinnlich vorgestellte Welt, von der sich der Mensch in glücklichen wie unheilbringenden Tagen abhängig fühlt. Das Streben, dieser idealen Welt in der wirklichen Ebenbilder und Symbole zu schaffen, hat den Sinn für das Schöne geweckt, um ihn dann auch für die Zwecke des alltäglichen Lebens nutzbar zu machen. Die Gemeinschaft der Götterverehrung hat die Freude am gemeinsamen Leben gefördert und so, durch die notwendig werdende Rücksicht auf den Genossen, der Roheit der individuellen Triebe einen Zügel angelegt. Die Gefühle der Verehrung und Demut, aus der Furcht vor der Übermacht der Götter erwachsen, sind auf den Mitmenschen, der durch körperliche und geistige Vorzüge Bewunderung erregte, übertragen worden, und aus diesen Gefühlen sind endlich unter der Wirkung gemeinsamen Lebens und gemeinsamer Arbeit die rein menschlichen Triebe der Achtung und des Wohlwollens hervorgewachsen. Erst die Entwicklung dieser sittlichen Triebe erfüllte auch die geselligen Verbände der Menschen allmählich mit einem sittlichen Inhalt. So haben diese, zunächst aus physischen Bedürfnissen entsprungen, unter dem Einfluß der individuellen Lebensformen und mit ihnen den Weg aus einem vorsittlichen in einen sittlichen Lebenszustand zurückgelegt.

4. Die Gesellschaftsformen.

a. Die Familie und der Stammesverband.

Da unter den sozialen Verbänden, welche die menschliche Gesellschaft zusammensetzen, die Familie der engste ist, so pflegte man anzunehmen, sie sei zugleich der ursprünglichste, und um sie seien die übrigen, der Stammesverband, der Staat, gleichsam in konzentrischen Kreisen entstanden. Dennoch entbehrt diese Voraussetzung Wundt, Ethik. 3. Aufl. I.

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