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ihrem praktischen Erfolg besteht, mit sich, daß nur der Zweckeffekt ausgesprochen, das Zweck motiv aber verschwiegen wird. Kein Strafgesetz sagt, warum bestimmte Handlungen gestraft werden, kein Verfassungsgesetz erörtert, warum der Vollzug der Gesetze, die Führung der Verwaltung und die Rechtspflege von gewissen Bürgschaften umgeben werden.

So werden demnach die in der Rechtsordnung enthaltenen sittlichen Normen in ihr selbst nicht direkt, sondern indirekt ausgedrückt. Es wird in ihnen im allgemeinen nicht gesagt, welches die Aufgabe der staatlichen Rechtsordnung sei, sondern durch welche Maßregeln sie ausgeübt und geschützt werden solle. Frägt man nach dem wirklichen sittlichen Inhalt jener Normen, so läßt sich aber hierauf nicht eindeutig antworten; denn dieser Inhalt ist mit der Entwicklung der Rechtsordnung selbst ein veränderlicher. Die Existenz des Staates an sich weist bloß auf eines hin, was er, wie unvollkommen immerhin seine Zustände sein mögen, zum Ausdruck bringt auf die Gemeinschaft des Lebens. Wie jedoch diese Gemeinschaft zu gestalten sei, darauf geben die im Lauf der Geschichte entstandenen Staatsordnungen die verschiedensten Antworten. Nur ein Zug ist dieser Entwicklung gemein, den wir daher wohl als den ausschlaggebenden betrachten dürfen; jedenfalls ist er es, der sich schon in den politischen Anschauungen des Altertums, wenngleich getrübt durch nationale Vorurteile, allmählich emporarbeitet, und der dann in der Rechtsordnung des modernen Staats immer mehr sich zu vollenden strebt. Es ist die Forderung der Rechtsgleichheit, hinter der als ihre selbstverständliche Voraussetzung die der sittlichen Gleichberechtigung steht. Natürlich schließt die erstere so wenig wie die letztere die faktische Gleichheit der Menschen in sich. Da vielmehr die Begabungen und insbesondere auch die sittlichen Begabungen verschieden sind, und da jenes Postulat der sittlichen Gleichheit Aller in einem unaufhörlichen Kampf mit entgegenwirkenden Kräften, besonders mit dem das fremde Recht mißachtenden Egoismus liegt, so ist die Aufgabe der Rechtsordnung eine äußerst verwickelte, nur allmählich erreichbare. Vorbereitet aber wird die Vollendung dieser Aufgabe dadurch, daß der Staat die bewußte Erkenntnis der Pflichten, die der Einzelne gegenüber der Gesamtheit zu erfüllen hat, immer mehr in seinen Gesetzen und Einrichtungen zum Ausdruck bringt. Die staatliche Rechtsordnung ist die mächtigste Schutzwehr gegen die Selbstsucht. Daß an diesem Schutze die Selbstsucht mitgearbeitet hat, kann nicht

zweifelhaft sein; denn der Kampf verschiedener Interessen findet erst seine Lösung in einem annähernden Gleichgewichtszustand, der den Forderungen der Gleichheit der Rechte notdürftig entsprechen kann. Aber daß dieser Kampf der Interessen der einzige Motor gewesen sei, der schließlich einen solchen Erfolg herbeigeführt, diese Hypothese ist gleichwohl psychologisch unmöglich. Jener Effekt konnte denkbar erscheinen auf dem Standpunkt einer Reflexionstheorie, die dem Menschen eine Voraussicht der Zwecke zutraute, die er weder jetzt besitzt noch jemals besessen hat. Das Motiv, das ursprünglich den Willen des Einzelnen unter einen über ihm stehenden Willen beugt, ist nicht die kluge Voraussicht, daß ein kleiner Verzicht auf eigene Freiheit vorteilhafter sei als ein ungezügelter Kampf selbstsüchtiger Triebe, sondern der Gehorsam gegen Gebote, die der Mensch als göttliche verehrt, und die Pietät, die er für das Haupt der Familie und für die Hervorragenden unter seinen Genossen empfindet. Erst in dem Konflikt dieser Gefühle, in denen als unentwickelter Keim der Gemeinsinn schlummert, mit den selbstsüchtigen Trieben offenbart es sich mehr und mehr, daß die zweckwidrigen und schädlichen Wirkungen den förderlichen und nützlichen unterliegen müssen. Aber erst nachdem dieser Erfolg in unzähligen Fällen als tatsächlicher eingetreten ist, gelangt eine spätere Stufe zur Erkenntnis der Zwecke, die bis dahin aus andern Motiven erstrebt wurden. Damit ist die Rechtsordnung in jenes Stadium zweckbewußter Rechtsbildungen eingetreten, die nun ihrerseits wieder auch die ursprünglichen unegoistischen Antriebe zu geordnetem Zusammenleben in wachsendem Maße verstärken, indem sie die Lebensgüter, die allen Einzelnen durch die Rechtsordnung gesichert werden, zu immer höherer Schätzung gelangen lassen. Diese Schätzung selbst ist jedoch, wie das ganze sittliche Leben des Menschen, eine zwiespältige. Auf der einen Seite schätzt jeder von uns den Wert der sittlichen Lebensgemeinschaft als einen solchen, der ihm selbst zu gute kommt, an dem das eigene Ich sich erfreut, und durch den es in seinen Bestrebungen gefördert wird. Auf der andern Seite gelten jene Lebensgüter jedem als wertvoll durch das, was sie allen anderen, was sie der Menschheit bedeuten. Diese Seite der Betrachtung, ursprünglich in die unbestimmten Stammesgefühle eingeschlossen, gewinnt einen immer größeren Wert und Umfang. Bleiben gleich die Rückschläge, die reicheren Hilfsmittel, die eine gesteigerte Kultur auch dem Egoismus zur Befriedigung seiner Interessen bietet, nicht aus, so ist es

doch vor allem die Entwicklung des Rechtsbewußtseins, welche gegen die düstere Auffassung, die in solchen schädlichen Nebenerfolgen die eigentliche Signatur des sittlichen Zustandes der Zeit erblicken möchte, ihr Veto einlegt.

In diesem gemeinsamen Rechtsbewußtsein bereitet sich schließlich ein letzter und allgemeinster sittlicher Verband vor, dem freilich keine dauernde Gemeinschaft gesetzlicher Institutionen mehr entspricht, der aber nun wegen dieses Mangels zwingender Momente von besonderer Bedeutung ist. Es ist die von Stammesgenossenschaft, Familie und Staat immer unabhängiger sich gestaltende Verbindung der Humanität. Auf die natürliche Verwandtschaft ohne Rücksicht auf nähere Beziehungen gemeinsamer Herkunft und gemeinsamer Sitte gegründet, ist sie der letzte und umfassendste der Verbände, die den Menschen an den Menschen fesseln.

5. Die humanen Lebensformen.

a. Die allgemeine Entwicklung der Humanitätsgefühle.

Dem wilden Zustand sind unsere Humanitätsvorstellungen und das von ihnen getragene Gefühl allgemeiner Menschenliebe völlig fremd. Die Regungen, die der Naturmensch dem Stammesfremden gegenüber empfindet, bewegen sich meist zwischen Furcht und Verachtung. Am ehesten ist er noch der Regung des Mitleids fähig. Der Anblick des sinnlichen Schmerzes erweist sich überall als das stärkste Mittel zur Erzeugung von Mitgefühl. Wo andere leidenschaftlichere Motive nicht im Wege stehen, kann sich aber dies Mitgefühl selbst bei unbedeutenderen Anlässen als gutmütige Gefälligkeit, Gastlichkeit und Freigebigkeit äußern *).

Noch in dem sittlichen Bewußtsein der alten Kulturvölker ist der Humanitätsbegriff ein unentwickelter. Die griechische Philanthropia geht mehr auf die besonderen Beziehungen zwischen einzelnen, durch bestimmte Pflichten verbundenen Personen, die römische Humanitas mehr auf die äußere Form des Verhaltens im Verkehr, als auf eine unserem heutigen Begriff der Humanität entsprechende Gesinnung. Auch hier haben die Wörter eine Bedeutungsentwicklung erfahren, die sich dem veränderten sittlichen Bewußtsein anpaßte.

*) Vgl. einzelne Züge bei Waitz a. a. O. II, S. 217, III, S. 165, VI, S. 105 f.

Zwei Züge sind es namentlich, in denen jene beschränktere Auffassung der antiken Sitte sich ausspricht: erstens das Fehlen jeder humanen Rücksicht Menschen fremder Abstammung gegenüber, und zweitens die Anerkennung der Vergeltungsidee als bestimmend für den persönlichen Verkehr, und die damit zusammenhängende Billigung der Affekte der Rache und des Zorns innerhalb gewisser Schranken. Eine allmähliche Änderung dieser Anschauungen hat sich freilich schon in der alten Kultur vollzogen. Hier gerade haben Dichtkunst und Philosophie einen unverkennbaren Einfluß auf das Volksbewußtsein ausgeübt. Besonders die Philosophie war in dieser Beziehung mindestens ebensosehr die Führerin auf dem Wege zu reineren und allgemeineren Humanitätsideen, wie ein Spiegelbild geänderter Volksanschauungen.

In der heroischen Zeit der Griechen und Römer wie der Germanen gilt es als ein selbstverständlicher Grundsatz, daß eroberte Städte und Dörfer mit allem, was sie bergen, dem Sieger gehören. Waffenfähige Männer werden getötet, Kinder und Frauen mit der übrigen Beute verteilt und in die Sklaverei geschleppt. Daneben gilt es freilich, namentlich bei den Griechen, als eine Regel, deren Befolgung rühmlich ist, in der Unterwerfung des Besiegten Maß zu halten, ohne daß jedoch dieses Verhalten eine eigentliche Pflicht oder gar ein Recht ist, auf das der Unterliegende Anspruch erheben könnte. Weniger um der Schonung willen, die er übt, als wegen der Besonnenheit, die er damit betätigt, ist das Maßhalten des Siegers rühmlich, und es wird überdies als ein Akt der Klugheit geschätzt, da nur der, welcher Milde übt, selbst wieder, wenn das Kriegsglück sich wenden sollte, auf Schonung rechnen kann. Nie darf aber die Milde so weit gehen, daß erlittenes Unrecht ungerächt bleibt. Beleidigungen oder gar tätliche Mißhandlungen hinzunehmen, ohne sie mit gleichem zu vergelten, wird noch bis in die späteren Zeiten für ein Zeichen unrühmlicher Schwäche gehalten. Selbst die Philosophen erheben sich höchstens zu der Anschauung, daß es von einer großen Seele zeuge, wenn man kleine Unbill nicht beachte. So wird in näherer Ausführung des „Nichts zu sehr" (μŋòèv arav), des obersten Wahlspruchs der sieben Weisen, dem Chilon das Wort in den Mund gelegt: „Wenn du beleidigt wirst, so versöhne dich, wenn du aber mit Übermut behandelt wirst, so räche dich." Und ähnlich lautet der Ausspruch des Thales: „Ertrage Kleines von deinem Nächsten." Noch Aristoteles meint, es sei Sklavenart, sich selbst oder seine Angehörigen ruhig mißhandeln zu lassen, aber

tadelnswert sei es, nicht Maß zu halten in seinem Zorn*). Wenn im Gegensatze zu diesen augenscheinlich mit dem nationalen Bewußtsein im Einklang stehenden Äußerungen Plato schon ganz allgemein den Satz verteidigt, daß Unrechtleiden besser sei als Unrechttun, und wenn späterhin die Moral der Stoiker den Zorn unbedingt als eine unedle Leidenschaft verpönt, so reflektiert sich darin zwar eine allmähliche Änderung in dem sittlichen Bewußtsein der Zeiten. Dennoch sind die Lehren dieser Philosophen auch für ihre Zeit sicherlich weit über die allgemeine Anschauung hinausgegangen.

Die Veränderung in den Humanitätsvorstellungen, ohne die aber immerhin solche Lehren schwerlich möglich gewesen wären, hatte sich nun hauptsächlich von zwei Punkten aus vorbereitet. Diese einzelnen Gestaltungen, in denen die allgemeinere Humanität allmählich heranreifte, sind die Verhältnisse der Freundschaft und der Gastfreundschaft.

b. Die Freundschaft.

Welche große Rolle in der antiken, besonders der griechischen Welt die Freundschaft spielte, ist bekannt. Mythisch wird dieses Verhältnis verklärt in einem Theseus und Peirithoos, einem Achilleus und Patroklos, einem Orestes und Pylades. Dies Bild des Freundespaares, das in den verschiedensten Teilen der Mythengeschichte wiederkehrt, ist zugleich Abbild und Vorbild des wirklichen Lebens. Die Beschränkung des Verhältnisses auf zwei miteinander verbundene Freunde verrät die Intensität eines Gefühls, das dem Griechen höher stand als die Bande der Familie. Bezeichnend für die allgemeine Würdigung dieses Lebensverhältnisses ist die eingehende und von einer bei ihm seltenen Gefühlswärme getragene Untersuchung des Aristoteles über die Freundschaft, eine Untersuchung, die gerade wegen ihrer realistischen Färbung durchaus das Gepräge einer Theorie an sich trägt, welche aus den allgemeinen Lebensanschauungen der Zeit hervorgegangen ist**). Wenn Sokrates seinen Schülern riet, vor der Schließung einer Freundschaft das Orakel zu befragen, so erscheint die religiöse Weihe, die er ihr damit zu geben wünschte, vollkommen der Bedeutung entsprechend, die sie in der allgemeinen Schätzung einnahm. Umso charakteristischer aber ist dieser Zug,

*) Aristoteles, Eth. Nikom. IV, 11 und 12.
**) Aristoteles, Eth. Nikom. VIII u. IX.

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