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Spuren natürlicher Verbindungen und Unterscheidungen folgten, so haben sie ihrerseits aber auf das allgemeine Bewußtsein und den in der Sprache sich ausprägenden Vorstellungsinhalt desselben mächtig zurückgewirkt.

b. Gut und Böse.

Die deutlichen Spuren dieser Rückwirkung tragen namentlich diejenigen Begriffe an sich, die, noch bevor der Gesamtbegriff des Sittlichen entstand, zu einem Umfang erweitert wurden, in welchem sie im wesentlichen mit den Gegensätzen des Lobens- und des Tadelnswerten sich deckten. Es sind dies die Gegensatzbegriffe des Guten und Bösen. Keiner Sprache scheinen sie zu fehlen, aber in keiner haben sie ursprünglich genau die nämliche Bedeutung. Während der Inder das Gute mit dem Wahren, das Böse mit dem Falschen zusammenfließen läßt, hat der Grieche bei dem àɣaðós namentlich die Tapferkeit und andere rühmenswerte Eigenschaften im Auge, eine Beziehung, welche die dem griechischen Geiste eigentümliche Verbindung des Guten mit dem Schönen nahe legt. In dem lateinischen bonus tritt hinwiederum ursprünglich wohl mehr die Segnung mit äußeren Glücksgütern und die damit verbundene Vornehmheit der Geburt hervor, indes das deutsche „gut“ mit der nämlichen Wortsippe zusammenhängt, aus der unser Gatte" entsprungen ist, so daß sich etwa passend" als die nächste Bedeutung ergibt, ein Begriff, der auf die besondere Wertschätzung der gemeinnützigen Tüchtigkeit hinzuweisen scheint *). Ähnlich verschiedene Färbungen haben in denjenigen Wörtern sich ausgeprägt, welche die Gesamtheit der lobenswerten Eigenschaften in einem abstrakten Gegenstandsbegriff zusammenfassen. Während hier z. B. in der griechischen àpetý die Nebenbeziehung auf den äußeren Glanz der Tapferkeit und sonstigen sittlichen Tüchtigkeit hervortritt, ist in der römischen virtus auf die Mannhaftigkeit und Charakterfestigkeit der Hauptwert gelegt, und das deutsche Wort „Tugend" enthält hier in einer unserem heutigen Sprachbewußtsein noch fühlbareren Weise als das Eigenschaftswort „gut“ den Hinweis auf das Taugliche und Passende.

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So wird die alte Erfahrung, daß die Wörter einer Sprache im

*) Bezüglich des Indischen vgl. Abel Bergaigne, Religion védique d'après les hymnes du Rig-Veda, p. 179. Über das Griechische Leop. Schmidt, Die Ethik der alten Griechen, I, S. 289. Über das Deutsche Schade, Altdeutsches Wörterbuch, 3. Aufl., S. 358.

Grunde genommen immer unübersetzbar sind, vielleicht nirgends so sehr als im Gebiet der ethischen Terminologie bestätigt. Freilich aber würde es übereilt sein, wenn man daraus schließen wollte, daß ursprünglich überhaupt keinerlei Übereinstimmung hinsichtlich des sittlich Lobens- und Tadelns werten geherrscht habe. Gewiß hat dem Inder die Charakterfestigkeit ebenso gut als eine Tugend gegolten wie dem Römer oder Germanen die Wahrhaftigkeit. Nur die relative Wertschätzung der verschiedenen sittlichen Eigenschaften ist eine abweichende. Doch hat sich auch dieser Unterschied schon im natürlichen Entwicklungsgang des Völkerbewußtseins allmählich vermindert, indem die Wortbedeutungen, einer verbreiteten Tendenz der Begriffsbildung Folge gebend, sich fortwährend erweiterten. Die vornehmste unter den lobenswerten Eigenschaften diente so mehr und mehr zur Bezeichnung des Lobenswerten überhaupt. Schon die Einheit der sittlichen Persönlichkeit, die stets verschiedene Tugenden gleichzeitig zur Darstellung bringt, mußte zu einer solchen Übertragung herausfordern, indem sie es nahe legte, den Namen des Guten wie ein äußeres Zeichen zu gebrauchen, das die Vereinigung aller jener persönlichen Vorzüge andeutete. Den letzten Schritt hat aber auch hier erst die philosophische Ethik getan. Wie sie die Gesamtbezeichnung des Sittlichen geschaffen, so gewannen durch sie die Begriffe des Guten, des Schlechten und der Tugend einen allgemeineren Wert, in welchem die ursprüngliche nationale Färbung der sittlichen Anschauungen bis auf jene unvertilgbaren Spuren verschwunden war, deren sich schließlich auch die Philosophie nicht völlig entäußern kann. So erscheint die allmähliche Ausgleichung der spezifischen Bevorzugungen einzelner sittlicher Eigenschaften als ein Vorgang, der durchaus mit der Ausbildung eines Allgemeinbegriffs des Sittlichen zusammenfällt und gleich diesem erst in der von der Wissenschaft geübten ethischen Reflexion sein Ende findet.

Wie es nun ein allgemeiner Charakterzug in der Geschichte des Bedeutungswandels der Wörter ist, daß äußere sinnliche Eigenschaften die Bezeichnungen für das Innere und das Geistige hergeben, so tragen insbesondere auch die Namen des Guten und Bösen deutlich noch die Spuren eines solchen sinnlichen Ursprungs an sich; ja dieser Ursprung ist hier augenfälliger als sonst, weil sich beide Bedeutungen, die sinnliche und die sittliche, bleibend neben einander erhalten haben. Wir reden noch heute ebensowohl von einer guten Mahlzeit wie von einer guten Handlung, von einem

bösen Finger wie von einem bösen Gewissen, und die nämliche Erscheinung wiederholt sich bei den entsprechenden Wörtern auf allen Sprachgebieten. Wo man jedoch irgend der Spuren des ursprünglichen Wortsinnes habhaft werden kann, da liegt dieser stets dem Sinnlichen näher als dem Sittlichen. Hieraus ergibt sich aber mit größter Wahrscheinlichkeit, daß die letztere Anwendung immer erst aus einer wenn auch noch so frühen Übertragung hervorging. Es ist möglich, daß gerade die Frühzeitigkeit dieser Übertragung hier das Fortbestehen der sinnlichen Bedeutung gesichert hat. Denn diese dauernde Verbindung beider Bedeutungen bildet einen merkwürdigen Kontrast zu anderen verhältnismäßig neueren Bestandteilen des ethischen Wortschatzes, wo irgend ein dem Sittlichen fremdartiger Begriff der ursprünglichere war, und dieser durch den ethischen Gebrauch völlig verdrängt wurde*).

Mit der Tatsache, daß bei den Bezeichnungen des Guten und Bösen in sehr früher Zeit schon der Übergang des Sinnlichen in das Sittliche stattfand, hängt möglicherweise noch eine andere Eigenschaft zusammen, durch die fast ausnahmslos, wie es scheint, die Attribute des Guten und Bösen sich auszeichnen. Sie besteht darin, daß namentlich die Wortbezeichnung des Guten, zumeist aber auch die des Bösen, ursprünglich keine Steigerungsformen besitzt, und daß sich daher die Sprache bei ihrer Bildung der Entlehnung von anderen Wortstämmen bedient hat. Man denke an das deutsche gut und besser, an das lateinische bonus und melior, an das griechische ἀγαθός und βελτίων oder ἀμείνων u. s. w. Bei dem Begriff des Bösen oder Schlechten ist die Erscheinung nicht ganz so konstant. Zu dem lateinischen malus tritt zwar auch hier die Form peior, aber das Griechische hat bereits frühe auf die Entlehnung verzichtet: schon Homer bildet die Steigerungen κακίων, κάκιστος, und im Deutschen ist nur eine gewisse Neigung zur Vermeidung der unmittelbaren Komparative erhalten geblieben. So sind die Formen böser, der böseste erst im Mittelhochdeutschen aufgetreten, und noch heute werden sie gerne durch fremde Ableitungen, wie schlechter, in der Sprache Luthers durch ärger, ersetzt. Man hat

*) Eines der auffallendsten Beispiele dieser Art ist das Wort „Egoismus“, das um das Jahr 1700 in der Schule des französischen Cartesianismus entstand zunächst um im Sinne von Subjektivismus oder Skeptizismus gebraucht zu werden, und erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts seine heute allgemein gewordene moralische Bedeutung annahm. Vgl. hierüber meinen Aufsatz „Das Sittliche in der Sprache", Deutsche Rundschau 1886, XII, S. 70.

in diesen sprachlichen Erscheinungen einen Hinweis darauf gesehen, daß das Völkerbewußtsein geneigt sei, namentlich dem Guten eine unbedingte Wertschätzung zuzumessen, die den Gedanken eines Mehr oder Minder ausschließe*). Dagegen ist jedoch zu bemerken, daß nicht bloß das Böse, sondern auch das Große und Kleine bis zu einem gewissen Grade an dieser Eigenschaft teilnehmen, und daß die Bildung von Ableitungen aus verschiedenen Wortstämmen für zusammengehörige Begriffe überhaupt eine Erscheinung ist, die noch sonst, z. B. bei der Bildung des Hilfszeitwortes sein, sich wiederholt hat. Wohl aber scheint diese Erscheinung nur bei sehr alten Wortbildungen vorzukommen, die einer Zeit angehören, in der die Sprache Begriffe von verwandter Bedeutung noch verschiedenartigen sinnlichen Anschauungen entlehnen konnte. Darum mag auch diese Tatsache, ähnlich wie die oben erwähnte der dauernden Fortexistenz der sinnlichen Nebenbedeutung, ein wertvolles Zeugnis bilden für den frühen Ursprung sittlicher Anschauungen. Übrigens ist es charakteristisch, daß dieser Wechse! der Steigerungsformen sich auf eine Gruppe von Eigenschaftswörtern beschränkte, die zur unmittelbaren Bezeichnung eines Menschen Verwendung finden konnten, ohne daß dabei eine Vergleichung mit anderen Objekten von ähnlichen Eigenschaften beabsichtigt war**). In diesem Sinne läßt sich dann allerdings auch von einem absoluten Werte reden, den die Sprache den Benennungen der Gute, der Böse, der Große, der Kleine beilegte. Diese haben hier aber nur in ähnlichem Sinne eine absolute Bedeutung wie etwa der Eigenname. Indem sie gleich dem letzteren und manchmal vielleicht geradezu in Vertretung desselben zur festen Bezeichnung bestimmter Persönlichkeiten dienten, lag diesem Gebrauch der Gedanke an eine quantitative Vergleichung so ferne, daß in den davon gänzlich verschiedenen Fällen, wo eine solche in Frage kam, leicht abweichende Wortbildungen entstehen konnten. Immerhin wird man es auch von diesem Standpunkte aus als ein Zeichen einer besonders häufigen Hervorhebung gerade der lobenswerten Eigenschaften der Persönlichkeiten betrachten können, daß unter allen jenen Bezeichnungen wieder der Name des Guten in der Regelmäßigkeit des Mangels normaler Steigerungsformen den Vorrang behauptet hat.

*) Schmidt, Die Ethik der alten Griechen, I, S. 289.

**) Osthoff, Vom Suppletivwesen in den indogermanischen Sprachen, 1888; bes. S. 20 ff. Dazu meine Bemerkungen im Anzeiger für indogermanische Sprach- und Altertumskunde, XI, S. 1 ff.

Dieser Vorrang tritt schließlich noch in einer anderen Erscheinung hervor: in der Beharrlichkeit nämlich, mit der sich das Wort gut, im Unterschiede von seinen weit mehr dem Wandel unterworfenen Gegensatzbegriffen, in der Sprache behauptet. So lassen sich im Deutschen nicht weniger als drei allmählich einander ablösende Stufen in der vorherrschenden Bezeichnung der schlimmen Eigenschaften unterscheiden. Das Althochdeutsche kennt ursprünglich, wie es scheint, gleich dem stammverwandten Gotischen, nur das Wort übel. Allmählich tritt diesem das Böse zur Seite, um es dann im Mittelhochdeutschen mehr und mehr aus seiner ursprünglichen Stelle in die objektivere, vorwiegend substantivische Bedeutung, in der wir es heute noch gebrauchen, zu verdrängen. Endlich erst in neuhochdeutscher Zeit macht wiederum dem Bösen das Schlechte den Rang streitig. Bei all diesem Wandel hat sich dagegen das Gute in seiner Stellung behauptet*).

2. Die Entwicklung der sittlichen Einzelbegriffe.

a. Die Lösung der ethischen Begriffe von ihrem Substrat.

Die allmähliche Lösung der einzelnen ethischen Begriffe von dem Substrat sittlicher Persönlichkeiten und Handlungen, an das sie ursprünglich gebunden sind, ist ein Vorgang, der mit der Bildung der ethischen Allgemeinbegriffe in innigstem Zusammenhange steht. Ein Gesamtbegriff des Sittlichen wird ja dann erst möglich sein, wenn sich dieser Prozeß der Trennung im einzelnen bereits vollzogen hat. Darum ist die Unterscheidung der Gegensätze des Guten und Bösen, die den Keim zu jenem Gesamtbegriff in sich schließt, zunächst vollständig verschmolzen mit der sinnlichen Vor

*) Vgl. hierzu die Stellensammlungen von Ulfilas, Tatian, Otfrid, Notker an bis auf Freidank bei Franz Schmidt, Zur Geschichte des Wortes "gut". Diss. Leipzig 1898. Daß die Etymologien, die Fr. Nietzsche im ersten Stück seiner „Genealogie der Moral" von den Begriffswerten „, Gut und Böse", "Gut und Schlecht" gibt, unhaltbar sind, braucht wohl kaum noch bemerkt zu werden. Das „,Gute" hat jedenfalls so wenig mit den Goten wie mit den Göttern etwas zu tun, mit denen es Nietzsche in Verbindung bringt, am ehesten aber wohl, wie schon Jak. Grimm vermutete, mit dem „Passenden", „Nützlichen", von dem jener es so weit wie möglich entfernen möchte; und das „Böse" hat wahrscheinlich einen ähnlichen Weg vom ,,Niedrigen", ,Possenhaften“ u. s. w. zu seiner späteren Bedeutung zurückgelegt. Vgl. Kluge, Etymol. Wörterbuch der deutschen Sprache, 6. Aufl., S. 54.

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