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zugleich gefordert, dass diese Idee nicht in unverhüllter Gestalt dem Bewusstsein gegeben sei, sondern ebenfalls in einer sinnlichen Form, aus der erst das dialektische Denken den der Idee adäquaten Begriff erzeugt. Diese sinnliche Form des Guten ist nach Plato das Schöne. So führt er hier den alten hellenischen Gedanken einer inneren Einheit des xaλóv und des àradóv in seine Philosophie ein. Im Phädrus knüpft er diesen Gedanken an das mythologische Bild des Eros, des Liebesgottes, an, der als ein von den Göttern stammender Wahnsinn, von dem Liebenden Besitz ergreife, indem er an dem Anblick des Schönen die Liebe entzünde, die eine Sehnsucht der Seele nach dem unvergänglichen Urbild des Schönen sei. Unter allen Ideen ist die der Schönheit die strahlendste, daher sie auch in ihren irdischen Abbildern durch den klarsten unserer Sinne, durch das leuchtende Auge erkannt wird. So entzündet sich an dem Anblick der Schönheit die Erinnerung an die Ideenwelt. Aber diese durch das schöne Objekt erweckte Erinnerung legt selbst wieder eine Entwicklung zurück, ähnlich wie sich ja auch die Erkenntnis von der sinnlichen Wahrnehmung allmählich zum Begriff erhebt. Die niederste Stufe ist die Liebe zum einzelnen schönen Körper; die zweite die Liebe zum Schönen in mannigfachen Gestalten, die noch am Sinnenschein haftet, doch in ihm schon dem Allgemeinen sich zuwendet. Die dritte ist die Liebe zur Schönheit der Seele, zur sittlichen Schönheit. Auch sie ist zuerst dem Einzelnen, der einzelnen sittlichen Persönlichkeit zugewandt, erhebt sich dann aber auf der vierten und höchsten Stufe zu jenem allgemeinen Sein, das der Inhalt der Wissenschaft und als solcher das vollkommenste Abbild der Ideenwelt selbst ist. Schon die sinnliche Liebe enthält jedoch diese letzte Form in ihrem Keime. Denn die Liebe des Freundes zum Freunde, durch die körperliche Schönheit angefacht, erhebt sich zur geistigen Liebe, und indem diese durch das gemeinsame Streben nach Wissen gepflegt wird, entspringt aus ihr endlich die Liebe zur Idee des Guten und Schönen selbst, das so als der wahre, wenngleich nur dunkel erkannte Gegenstand auch jener niederen Formen erscheint *).

Dieser erste Versuch, zwischen dem Ethischen und dem Ästhetischen eine innere Beziehung zu suchen, ist für Platos Ethik folgenreich. Durch sie ist diese vor einer Gefahr bewahrt geblieben, mit welcher der Gegensatz zwischen der Vollkommenheit der Ideen

*) Phädrus 237-257.

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welt und der Unvollkommenheit des sinnlichen Daseins sie bedrohte. Daß gleichwohl auch Plato dieser Gefahr, der Neigung zur Askese und Weltflucht, nicht ganz entging, dafür bildet namentlich der unter dem mächtigen Eindruck der Sterbestunde des Sokrates stehende Phädon" ein sprechendes Zeugnis. Hier wird ausgeführt, daß die Seele, da sie dereinst wieder in ihre übersinnliche Heimat zurückkehre, schon auf Erden der Trennung von dem sinnlichen Leibe so viel als möglich sich nähern solle, indem sie, der Sinnenlust entsagend, sich auf sich selber zurückziehe*). Wenn diese Stimmung auf die Dauer nicht die Übermacht gewinnen konnte, so ist dies vielleicht in erster Linie dem lebendigen Gefühl für die ethische Macht des Schönen und der Überzeugung zuzuschreiben, daß die schöne Idee der sinnlichen Form zu ihrer Betätigung nicht entbehren könne. Unter dem mäßigenden Einfluß dieser Überzeugung steht daher die sittliche Lebensanschauung seiner reiferen Jahre, wie sie vor allem in seinem größten ethischen Werke, in dem „Staat“, niedergelegt ist.

Wohl bleibt auch hier der Grundgedanke der Ideenlehre der vorwaltende, daß die Sinnenwelt in einem übersinnlichen, rein geistigen Sein ihren bleibenden Hintergrund habe, dessen dunkle Erinnerung die Seele in sich trage, und in das sie als in ihre Heimat zurückstrebe. Aber die sinnliche Welt ist zugleich ein Bild der Ideenwelt, und sie wird dies umsomehr, je mehr es dem von der Weisheit geleiteten sittlichen Handeln gelingt, die Idee des Guten in die Wirklichkeit überzuführen. Indem der Mensch dies vollbringt, gleicht seine Tätigkeit der des Weltschöpfers, der, selbst eins mit jener herrschenden unter den Ideen, die Natur in ihren verschiedenen Gestaltungen geschaffen hat, indem er die Ideen an ihnen teilnehmen ließ, wie dies Plato in dem Timäus" in mythischer Form ausführt. Wie aber die Idee des Guten hier nicht in einer einzelnen Naturgestaltung, sondern nur in dem Zusammenhang des Weltganzen zu ihrer Verwirklichung gelangt, so ist auch der Mensch in der beschränkteren Sphäre seines sittlichen Handelns nicht als Einzelner, sondern nur als Gesamtheit, im Staate befähigt, das Gute hervorzubringen. Nach dem Maß, in dem der Staat diesen Zweck erreicht, bestimmt sich sein sittlicher Wert. Von diesem Gesichtspunkte aus zeichnet Plato ein Staatsideal, bei dem ihm die Weltschöpfung und besonders die Schöpfung des

*) Phädon 79-84, 107.

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Menschen in gewissem Sinn ein Vorbild der durch den Menschen zu vollbringenden Staatsschöpfung ist. Wie die menschliche Seele in drei Teile geschieden ist, in die erkennende, die fühlende und die begehrende, von denen die erste die Herrschaft über die beiden letzteren führt, so soll der Staat in drei diesen Seelenteilen entsprechende Stände geschieden werden: in den der Regierenden, dem als dem Träger des Vernunftprinzips die Pflege der Gerechtigkeit, die Obhut über die Staatseinrichtungen und die Erziehung der Jugend in die Hand gegeben ist; den Stand der Krieger, der den Schutz des Staates nach außen zu sichern hat; und endlich den Stand der Landbebauer und Gewerbetreibenden, dem die niederen, für die Notdurft des Lebens unerläßlichen, doch an sich nach der Meinung des aristokratischen Philosophen ethisch wertlosen Beschäftigungen obliegen. Diesen drei Ständen entsprechen drei Haupttugenden, zugleich die Betätigungen jedes der drei Teile der Seele: die Weisheit, die Tugend der Vernunft, die Tapferkeit, die Tugend des mutigen Seelenheils, des douós, die Besonnenheit, die Tugend der begehrenden Seele, der eπidopía. Diese Tugenden sind freilich, ebenso wenig wie die ihnen entsprechenden Teile der Seele, getrennt voneinander zu denken. Zwar kann von den niederen Ständen nicht die höhere, wohl aber muß von den Regierenden zugleich jede der niederen Tugenden verlangt werden. So entsteht durch die Vereinigung dieser drei Tugenden in ihrem richtigen Maßverhältnis die vierte, die Gerechtigkeit. Sie ist es, auf deren Betätigung ganz und gar die Erhaltung der Staatsordnung beruht; denn sie sorgt dafür, daß die einzelnen Teile, jeder auf seinem besonderen Gebiete und nach seiner besonderen Tugend, harmonisch zu einem Ganzen sich fügen*).

Zwei Züge sind es, die dieser platonischen Ethik, so sehr sie auch zunächst auf einen kleinen Kreis Auserwählter beschränkt bleiben mochte, doch als einem geistigen Symptom dieser Zeit, vor allem aber um ihrer Wirkung auf kommende Zeiten willen ihre hohe Bedeutung sichern. Der eine besteht in der engen Verbindung von Religion und Philosophie. Aus dem langen Kampf der Philosophie gegen die Götter des Volksglaubens waren hier als bleibende. Errungenschaften eine philosophisch geläuterte Religion und eine von religiösem Gefühl getragene Philosophie erstanden. So ist die platonische Ideenlehre, indem sie diese beiden Seiten vereinigt,

*) Rep. IV. VI.

gleichzeitig der erste Versuch einer Religionsphilosophie und das erste in der Geschichte hervorgetretene System des philosophischen Idealismus. Wie nahe fortan beide verbunden blieben, das bezeugte trotz seiner ungleich mehr der Wirklichkeit zugewandten Denkweise Aristoteles, als er seiner Metaphysik auch den Namen der Theologie beilegte. Der zweite hervorstechende Zug der platonischen Ethik, der für die Stellung zu den praktischen Fragen des Lebens maßgebende, ist sodann die Hintansetzung der individuellen sittlichen Zwecke gegenüber den allgemeinen, politischen. Wohl ist der Staat auch für den Einzelnen das Hilfsmittel, das ihn durch die Erziehung und eine vernunftgemäße Lebensordnung zur Tugend gelangen läßt. Doch über dieser individuellen Aufgabe steht doch der Staat selber, da nur er, niemals der Einzelne, die volle Harmonie der Tugenden erreichen kann. Auch die früher, auf dem beschränkteren sokratischen Standpunkt der individuellen Moral von ihm so stark betonte Forderung der Einheit der Tugenden wird daher nun wesentlich ermäßigt. Da der Einzelne fast nur noch als dienendes Glied des Ganzen erscheint, so kann es genügen, wenn er nur die eine der Tugenden, die seiner Lebensstellung entspricht, in sich entwickelt. Darin allein bleibt auch hier noch die Einheit gewahrt, daß bei den Lenkern des Staates alle Tugenden verbunden sein müssen. An die Stelle der früher bebaupteten Identität ist daher die Beherrschung der niedrigeren Tugenden durch die höchste, die Weisheit, und die Verbindung ihrer aller zu der harmonisierenden Tugend getreten, zur Gerechtigkeit.

e. Die Entdeckung des ethischen Wertes der Affekte.

Die sittlichen Lebensanschauungen, die sich bis dahin unter dem Einfluß der Philosophie entwickelt hatten, waren auf dem Boden jener natürlichen Reflexion entstanden, die in der vernünftigen Überlegung die Quelle aller menschlichen Handlungen, in der Erkenntnis des Nützlichen und Schädlichen den Zweck der sittlichen Erziehung erblickt. In dem sokratischen Satz, daß Tugend und Wissen eins seien, erscheint diese natürliche Reflexionsmoral in ihrer edelsten und zugleich in ihrer am schärfsten ausgeprägten Form. Auch die platonische Ethik bewegte sich umsomehr auf dem gleichen Boden, zu einem je mächtigeren Werkzeug indessen die dialektische Übung des Denkens geworden war. Wo dieses Hilfsmittel nicht zureichte, da nahm der philosophische Dichter zum symbolisierenden Mythus seine Zuflucht. Aber indem die platonische

Philosophie eine Vertiefung in die ethischen Probleme anregte, wie sie die vorangegangene Zeit und wie sie vor allem auch Sokrates nicht gekannt, konnte es nicht ausbleiben, dass die wirklichen seelischen Kräfte, die hinter den Erscheinungen des sittlichen Lebens verborgen liegen, allmählich die Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Diese Kräfte in dem Walten der Affekte, in der Selbsterhaltung des Willens und des Charakters entdeckt zu haben, ist das unvergängliche Verdienst des Aristoteles. Diese Entdeckung treibt ihn zugleich an, den Bedingungen nachzugehen, in denen das sittliche wie das politische Leben seine Wurzeln hat. So stellt er seine Ethik wie Politik auf den Boden der Erfahrung. Die Theologie wird in die Metaphysik verwiesen. Doch das Wollen und Handeln und das gemeinsame Leben gehören der diesseitigen. Welt an. Der Hauptgegensatz zwischen Plato und diesem seinem größten Schüler liegt darum nicht auf dem Felde der Metaphysik hier ist im letzten Grunde doch auch Aristoteles Theologe aus der platonischen Schule geblieben sondern auf praktischem Gebiet. Hier stand der aus der Ferne Hergewanderte, der Sprössling eines in der nüchternen Beobachtung des Menschen geübten Ärztegeschlechtes, von vornherein dem Leben und Treiben seiner Umgebung als ein unbeteiligter Beschauer, den menschlichen Leidenschaften als ein besonnener Beobachter gegenüber. So wurde er der Schöpfer einer realistischen Ethik und Politik, die auf die Philosophie und durch sie auf die sittlichen Weltanschauungen der kommenden Jahrhunderte nicht weniger gewirkt hat, wie der platonische Idealismus. Nicht was das Gute an und für sich oder in einer überirdischen Welt sei, sondern was es für den Menschen innerhalb der Bedingungen der wirklichen Welt bedeute, darin liegt demnach für Aristoteles das ethische Problem. Daß der Einzelne nicht für sich, sondern nur in der staatlichen Gemeinschaft das höchste Gut erreichen könne, darin ist er freilich auch von seinem Standpunkte aus mit Plato einig. Darum ist ihm die Politik der Abschluß der Ethik, und den Menschen definiert er als ein „politisches Wesen". Doch nicht bloß deshalb erscheint ihm das staatliche vollkommener als das einzelne Leben, weil es höhere Zwecke erreicht als dieses, sondern vor allem auch deshalb, weil die Zwecke des Einzelnen nur unter Mithilfe des Staates vollkommen erreichbar sind*). Hier wie dort bestehen ihm aber diese Zwecke in der

*) Nikom. Eth. I, 1. Polit. I, 1.

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