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rungen über die Freundschaft - den Anforderungen der bürgerlichen Gesellschaft und der Bedeutung der werktägigen Tugenden gerecht zu werden sucht, so kommt doch sichtlich die persönliche Neigung des Philosophen darin zum Durchbruch, daß er dem beschaulichen vor dem praktischen Leben, und demnach auch der Tugend, die diesem beschaulichen Leben seinen wertvollen Inhalt gibt, der Weisheit, vor allen andern den Vorzug einräumt. Wie hoch er immer das politische Leben schätzt: wenn die Tätigkeiten des Politikers und des Philosophen nach ihrem inneren Werte bestimmt werden sollen, so ist ihm nicht zweifelhaft, daß die letztere höher zu stellen sei. Nicht nur gewährt die Weisheit die höchste Befriedigung, weil sie die Tugend des vornehmsten Seelenvermögens, der Vernunft, ist, sondern sie allein ist unabhängig genug von äußern Bedingungen, daß ihre Ausübung eine dauernde sein und der äußern Glücksgüter entbehren kann. Der Freigebige bedarf des Reichtums, der Tapfere der Gesundheit; der Weise ist nur auf sich selbst gestellt. Auch den Göttern, meint Aristoteles, kann man keine nach außen gerichtete Tätigkeit zuschreiben. Wie ihr Glück ein rein beschauliches ist, so besteht nicht minder für den Menschen in dem Genuß der Weisheit die höchste Glückseligkeit *). Hier klingt in der aristotelischen Ethik bereits eine Saite an, die kommende Zeiten vorausverkündet.

f. Die Entwicklung der humanen Lebensideale.

Die aristotelische Weltanschauung steht im Wendepunkt zweier Zeitalter. Sie zeichnet in der Ethik ein Bild hellenischer Geistesart, wie es wohl nicht von allen, sicherlich aber von den besten der Zeit als das, was unter Menschen erstrebenswert und wahrhaft beglückend sei, anerkannt werden mochte. Die Politik faßt in dem Augenblick, wo das griechische Staatsleben selbst dem Untergang nahe ist, dessen reifsten Ertrag zusammen und bringt dabei noch einmal jenes Staatsbewußtsein zum Ausdruck, wie es in den Gesinnungen der Besten der vorangegangenen Zeit leben mochte, der Gegenwart aber schon mehr und mehr als ein entschwundenes Gut galt. Die gewaltigen Umwälzungen, die sich nun in dem staatlichen Leben vollzogen, die nationalen Wechselwirkungen, die sich in ihrem Gefolge einstellten, verbunden mit der Steigerung der Bedürfnisse, der weiteren Ausbreitung einer verfeinerten Bildung, wie sie die

*) Nik. Eth. X, 7—10.

fortschreitende Kultur mit sich führte, sie wirkten unaufhaltsam auch auf das sittliche Bewußtsein zurück. Die politische Selbständigkeit der Hellenen war verloren gegangen. Jenen Tugenden des Gemeinsinns, die einen Hauptinhalt des sittlichen Lebens der Vergangenheit gebildet, war damit die Grundlage abhanden gekommen. Die Eroberungen Alexanders hatten den Gesichtskreis der nationalen Anschauungen erweitert. Orientalische Religionsvorstellungen und Sitten hatten ihren Einzug gehalten. Je mehr die Griechen die Schätze ihrer Bildung den andern Völkern mitteilten, umsomehr wurden sie selbst die Träger einer kosmopolitischen Lebensanschauung, die auf die allgemeinen humanen Güter einen höheren Wert legte, damit aber notwendig zugleich die sittlichen Interessen des Einzelnen über die der staatlichen Gemeinschaft stellte. Dieser Wandel der Anschauungen findet auch darin seinen Ausdruck, daß in der Philosophie von nun an die ethischen Probleme die herrschende Rolle spielen, eine Richtung, die durch die allmählich beginnende Verselbständigung der einzelnen theoretischen Wissenschaften, von denen manche in der alexandrinischen Periode zu einer hohen Blüte gelangen, begünstigt wird. Es sind vornehmlich zwei Schulen oder Sekten, wie man nach der Bedeutung, die sie gewinnen, diese Richtungen auch nennen kann, in denen die veränderte Stimmung der Zeit zum Ausdruck gelangt: die Stoa und die Schule Epikurs.

Ihre nächsten Anknüpfungen sucht die Ethik der Stoa in der Vergangenheit, bei Sokrates und bei jenen Sokratikern, die nach ihrer Meinung dem Grundgedanken des Lebens und der Lehre des Meisters am treuesten geblieben waren, bei den Kynikern *). Dieses Zurückgreifen über die Entwicklungen der platonischen und aristotelischen Philosophie hinaus ist nicht bloß bezeichnend für die überwiegende Wertschätzung des Ethischen überhaupt, worin man sich Sokrates und seinen unmittelbaren Nachfolgern wieder verwandter fühlte, sondern auch für die persönliche Richtung der neuen Lebensanschauung. Was man an Sokrates und selbst an einzelnen seiner kynischen Nachfolger, wie an einem Diogenes, bewundert, das ist weniger der Inhalt ihrer Lehren, als das Bild ihrer Persönlichkeit. Je mehr nun das Bestreben der Stoiker darauf gerichtet war, ihre Ethik von besonderen politischen

*) Vgl. Paul Barth, Die Stoa, Frommanns Klassiker der Philosophie, Bd. 16, 1903, bes. S. 102 ff.

und sozialen Bedingungen loszulösen und sie so zu einer individuellen und zugleich allgemein humanen zu machen, umsomehr konnten sie hoffen, ihre Aufgabe am besten zu erfüllen, wenn sie unmittelbar jenem Urbild eines vollkommenen Menschen, wie sie es in Sokrates und späterhin wohl auch in hervorragenden Vertretern ihrer eigenen Sekte verehrten, den Begriff des Guten und der Tugend entnahmen. Darum waltet bei den Stoikern entschieden die Tendenz, bei dieser Begriffsbestimmung mehr den deskriptiven als den normativen Standpunkt einzuhalten, nicht sowohl Pflichtgebote aufzustellen, als die tatsächliche Beschaffenheit eines vollkommen tugendhaften Lebens zu schildern, ein Streben, das überdies durch die pantheistische und deterministische Richtung ihrer Theologie und Naturphilosophie verstärkt wird. Darum ferner erneuern sie nicht bloß die sokratische Einheit von Wissen und Tugend, sondern sie bemächtigen sich insbesondere auch der Lehre von der Einheit der Tugenden. Freilich ist ihnen diese Einheit nicht mehr, wie im platonischen Protagoras, eine innere Identität der Tugenden selbst, sondern vielmehr eine notwendige Verbindung derselben in der Einheit der sittlichen Persönlichkeit. In diesem Sinne wird dann aber wohl auch eine Tugend als die Wurzel der übrigen bezeichnet: so von Zeno die Einsicht, von Chrysippus die Weisheit, welcher dann, zum Teil unter Anlehnung an die platonisch-aristotelischen Einteilungen, die vier Kardinaltugenden der Einsicht, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit untergeordnet werden. In der Motivierung dieser Tugenden erheben sich die Stoiker nicht wesentlich über den sokratischen Standpunkt: das Gute ist ihnen das Nützliche und zugleich das Naturgemäße. Wie ihre ganze Weltanschauung eine teleologische ist, so entspricht dem auch ihre Ansicht, der ursprüngliche Trieb des Menschen sei es, das Naturgemäße und Nützliche zu erstreben, das Naturwidrige und Schädliche fern zu halten, und die Begründung dieser Ansicht auf dem Wege teleologischer Reflexionen. Demgemäß räumen sie gewissen äußeren Gütern, wie der Gesundheit oder dem Reichtum, wenigstens einen relativen und bedingten Wert ein. Für den Tugendhaften sind sie nützlich, für den Schlechten aber können sie durch ihren Mißbrauch schädlich werden. An sich also sind sie weder gut noch böse, sondern sie gehören zu den gleichgültigen Dingen, den Adiaphora, die zwischen den Gütern und Übeln mitten inne liegen. Doch indem vorzugsweise die sittlichen Gefahren betont werden, die solche an sich gleichgültige Dinge mit sich führen, und indem auf die Bedürfnislosigkeit des Weisen, der den Mangel jener

äußeren Güter nicht empfindet, ein hoher Wert gelegt wird, erscheint die negative Seite der Moral, die Vermeidung des Übels, von weit größerer Bedeutung, als der positive Inhalt des Tugendbegriffs.

Die Quellen des Übels sind aber nach den Stoikern die menschlichen Leidenschaften, deren sie ebenfalls vier unterscheiden: die Lust, die Begierde, den Kummer und die Furcht. Sie sind Krankheiten der Seele, die nicht bloß, wie Aristoteles und seine Schüler es wollten, gemäßigt, sondern völlig ausgerottet werden müssen. Wichtiger als irgend eine der positiven Tugenden ist daher den Stoikern die negative der Apathie. Das ideale Bild des tugendhaften Weisen, das sie entwerfen, trägt vor allem diesen Zug von Gleichgültigkeit gegen Schmerz und Gefahr, gegen die Eitelkeit und Ehre der Welt an sich, einer Gesinnung, der selbst das Mitleid ferne liegt, da ja die Leiden, die unser Mitleid in Anspruch nehmen möchten, gar keine wirklichen Übel sind. Der stoische Weise ist daher strenge gegen andere wie gegen sich selbst. Damit es aber dem Einzelnen umso leichter gelinge, sich jene Seelenruhe zu bewahren, in der das wahre Glück besteht, zieht er sich am besten in die Einsamkeit zurück, wo den Leidenschaften jede Gelegenheit genommen ist, an ihn heranzutreten. Ganz anders noch als Aristoteles preist die Stoa das Glück des beschaulichen Lebens. Könige und Staatsmänner können nie wahrhaft gut und glücklich sein. Nur der Zustand des weltflüchtigen Philosophen, der allen Wünschen entsagt hat, ist ein Zustand vollkommenen Friedens. Droht dennoch etwa ein körperlicher Schmerz ihn zu übermannen, so scheidet er lieber freiwillig aus dem Leben, ehe er die Ruhe seiner Seele dahingibt. So erscheint den Stoikern der Selbstmord zwar nicht geradezu als eine Handlung der Tugend, aber doch umsomehr, je entschiedener bei ihnen eine düstere Lebensanschauung die Oberhand gewinnt, als ein lobenswertes Auskunftsmittel zur Vermeidung des Übels, und als eine Handlung, durch die der Weise bezeugt, daß ihm das Leben selbst zu den gleichgültigen Dingen gehöre.

Mit diesem Gedanken der Weltverachtung verbindet sich nun aber zugleich als seine Ergänzung die in der Moral der Stoiker hervortretende Idee der sittlichen Gleichheit der Menschen, Immer energischer betonen sie die Gleichgültigkeit der Standesunterschiede und der nationalen Verschiedenheiten. Alle Menschen sind einander verwandt, sind im Grunde Bürger eines Staates; auch in dem Sklaven ist der Mensch zu achten. So werden sie die ersten Verkünder eines Weltbürgertums, dem gegenüber ihnen die engeren

staatsbürgerlichen Pflichten verhältnismäßig untergeordnet erscheinen. Die Ehe erkennen sie in ihrer sittlichen Bedeutung an; höher gilt ihnen aber doch das Band der Freundschaft, das alle Weisen und Tugendhaften, selbst wenn sie sich nicht kennen, infolge der Gemeinsamkeit ihrer Gesinnung umschlingt. Diese Ausführungen stehen nicht immer mit der von den Stoikern gepriesenen Selbstgenügsamkeit des Weisen im Einklang. Doch je schwieriger diese in ihrer idealsten Form den allgemeinen Lebensbedürfnissen sich fügte, umsomehr mußte man sich entschließen, in der praktischen Moral der gewöhnlichen Lebensanschauung Zugeständnisse zu machen. In der Art, wie gerade der freieste unter den sozialen Verbänden, die Freundschaft, bevorzugt wurde, indem man sie sogar von dem unmittelbaren geistigen Verkehr bis zu einem gewissen Grade unabhängig machte, kommt aber immerhin der weltflüchtige Zug dieser Ethik wieder zum Durchbruch.

In dieser humanen Richtung ist nun auch Epikur der Stoa durchaus verwandt. Besonders in zwei Punkten tritt dies hervor: in der Bevorzugung des persönlichen Elementes, das auch hier in der Schilderung des die wahre Glückseligkeit genießenden, der Aufregung des öffentlichen Berufs entsagenden Weisen seinen Ausdruck findet; und in der starken Betonung der negativen Seite der Glückseligkeit, der Vermeidung aller jener unlustbereitenden Störungen, die sie trüben können. Wenn aber bei den Stoikern der individualistischen Tendenz durch kosmopolitische und allgemein humane Bestrebungen die Wage gehalten wird, so führt jene bei den Epikureern zu einem egoistischen Quietismus. Dabei erklärt man zwar den Staat für eine zum Schutz und zum Nutzen der Menschen geschaffene Einrichtung, betrachtet es jedoch gleichwohl als eine weise Lebensregel, sich nicht um den Staat zu kümmern. Diesen Sinn vor allem hat Epikurs Wahlspruch: „λáde Btwoas" (lebe in Verborgenheit). So fehlt denn auch den Epikureern jedes Interesse für positive politische Aufgaben. Das Band der Ehe gilt ihnen als eine lästige Fessel. Unter allen Verbindungen bevorzugen auch sie die Freundschaft, deshalb, weil sie als die freieste mit den meisten Vorteilen und mit den geringsten Nachteilen verknüpft sei. Immerhin spricht sich in dem Lob, das sie ihr spenden, noch einmal der hohe Wert aus, den das Hellenentum dem Freundschaftsbunde beilegte. Betonen ferner auch die Epikureer ähnlich den Stoikern die Ruhe des Gemüts als eine wesentliche Bedingung der Glückseligkeit, so gilt ihnen doch nicht wie jenen die Leidenschaft, sondern der Schmerz als

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