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sich die römischen Rechtsideen in der Übertragung auf die Provinzen den veränderten Verhältnissen anpassen mußten, worauf dann die so entstandenen umfassenderen Begriffe auf das römische Recht selber zurückwirkten, bis schließlich auch in Rom neue Sitten und Lebensanschauungen ihren Einzug hielten. Damit gehen diese Wechselwirkungen in die allgemeinere geistige Bewegung über, die in der griechisch-römischen Bildung, wie sie aus dem Zusammenströmen der geistigen Errungenschaften der beiden Kulturvölker des Altertums entstand, auf alle folgenden Zeitalter gewirkt hat.

b. Die griechisch-römische Bildung.

In so vieler Hinsicht auch die Eigenart des römischen Geistes dem griechischen Wesen trotz aller Wandlungen, die dieses erfahren, fremd gegenübersteht, so hat es doch der Gang der Geschichte gefügt, daß die nachhaltigsten Wirkungen auf die kommenden Zeiten zunächst nicht von der reicheren und tieferen griechischen Bildung, sondern von der innigen Verbindung ausgehen sollten, die diese seit dem 2. Jahrhundert vor Chr. mit der römischen Geistesart eingegangen hatte. Gerade im Hinblick auf die im Ausgang des Altertums sich entwickelnde sittliche Weltanschauung wäre es ungerecht, wollte man hier, wie es ja auf dem Gebiet des künstlerischen Schaffens bis zu einem gewissen Grade zutreffen mag, die Griechen fast nur als die Gebenden, die Römer vorzugsweise als die Empfangenden betrachten. Dazu war doch die sittliche Begabung der Römer eine zu energische und selbständige, als daß sie nur die Nachbeter jener Lebensweisheit hätten sein sollen, die das untergehende Griechentum in den stoischen, epikureischen oder akademischen Lehren zu bieten wußte. Schon das Recht, dieses äußere Abbild der sittlichen Lebensanschauungen, ist ein sprechendes Zeugnis gegen diese Auffassung, zu der die Unselbständigkeit der theoretischen Reflexion der Römer so leicht verführt. Ist doch die Fortbildung des Rechts zur Wissenschaft ein echtes Produkt wechselseitiger Assimilation römischen und griechischen Wesens. Die Substanz dieser Wissenschaft entstammt durchaus dem römischen Rechtsbewußtsein. Aber die Männer, die das Recht in festen Begriffen fixierten, gehörten der späteren, von griechischer Bildung getragenen Zeit an, und sie waren von Gajus und Ulpian bis herab auf die Mitarbeiter der Justinianeischen Kodifikation zumeist selbst Griechen oder Orientalen aus dem weiten Länderkreise, der sich griechische Sprache und Bildung zu eigen

gemacht hatte. Ganz so verhält es sich nun freilich nicht auf ethischem Gebiet. Hier war, wie in so manchem andern, das geistige Leben der Römer noch zu wenig aus dem Stadium naiver Ursprünglichkeit zur Stufe zielbewußter Betätigung in Kunst und Wissenschaft emporgedrungen, als es mit einem Male von der Fülle der reifen Erzeugnisse griechischer Kultur überflutet wurde. Darum ist es vielleicht nicht ganz gerecht, die Römer ein von Hause aus unpoetisches und unphilosophisches Volk zu nennen, da ja niemand wissen kann, was aus ihnen geworden wäre, wenn das Schicksal ihnen vergönnt hätte, ihr geistiges Wesen ähnlich aus innerer Kraft zu entfalten, wie es vor ihnen die Griechen getan hatten. Aber, wie dem auch sein möge, ohne bedeutsame Rückwirkungen ist auch der römische Charakter auf jenes Mischprodukt griechisch-römischer Bildung, das in den Zeiten des Niedergangs der Republik und in der Kaiserzeit entstand, nicht geblieben. So wenig der lateinische Hexameter, den die römischen Dichter nachahmten, mit dem homerischen identisch war, ebensowenig ist die Ethik der Römer ein bloßer Niederschlag griechischer Lehrsysteme, sondern überall kommt der Einschlag römischen Wesens zum Vorschein, und das umsomehr, je weniger noch das römische Volkstum selbst in dem zum Weltreich heranwachsenden Staat seine Eigenart eingebüßt hatte. Mögen uns darum heute Marc Aurels Meditationen unendlich mehr anziehen als die ganze, zwischen den überlieferten Moralsystemen der Griechen umhertastende Literatur der älteren Zeit, so daß wir die gesamten philosophischen Werke Ciceros für dieses eine Buch hingeben würden, für die Würdigung des Einflusses römischer Geistesart auf den Gesamtcharakter griechischrömischer Bildung ist die Sachlage doch eine andere. Da sind es vornehmlich Männer, die noch hinreichend im Wendepunkt der Zeiten zwischen der national beschränkteren römischen und der universellen griechischen Kultur stehen, welche die Spuren jenes Einflusses deutlich erkennen lassen. Solche Männer sind der philosophische Dichter Lucretius Carus und allen voran Cicero, der Redner und Staatsmann, der, in der unfreiwilligen Muße seines Lebensabends zum Philosophen geworden, den Ertrag griechischer Lebensweisheit mit römischem Geist zu durchdringen suchte. Lucrez und Cicero, sie repräsentieren zugleich die beiden Richtungen der griechischen Moral, die in der römischen Welt, als die für das Leben brauchbarsten, am meisten Anklang fanden: den Epikureismus und den Stoizismus. Aber dem altrömischen Wesen war unter ihnen

doch der Stoizismus am meisten kongenial. Epikurs Lebensauffassung blieb immer ein fremdes Gewächs auf römischem Boden, das Eigentum einzelner poetisch gestimmter Gemüter, die das heitere Gleichmaß des Geistes, dem gelegentlich auch eine Beimischung resignierter Stimmung nicht fehlte, der düstern stoischen Apathie vorzogen. Darum hat das Lehrgedicht des Lucrez seine Hauptwirkung erst in einer sehr viel späteren Zeit getan, in der Renaissance, wo es nun die Mission erfüllte, die Weltanschauung Epikurs, deren ursprüngliche Quellen verschüttet waren, der neuen Zeit wieder zugänglich zu machen. Der wahre Repräsentant römischer Geistesart in dem Zustand, in den sie durch die mächtigen Einflüsse des Griechentums gekommen, und darum der wahre Repräsentant der durch diese Wechselwirkung entstandenen griechisch-römischen Bildung, ist und bleibt, trotz aller Schwächen seiner Philosophie, kein anderer als Cicero.

Will man aber die Eigenart kennzeichnen, durch die gerade in Ciceros ethischen Schriften der sittliche Charakter des Römers zum Vorschein kommt, so ist es nicht sowohl der Inhalt der Anschauungen, zu denen er sich namentlich sobald das Gebiet der Religion berührt wird, manchmal unbestimmt genug bekennt, sondern das Wesentliche liegt vielmehr in der Richtung, die er zwischen den widerstrebenden Schulmeinungen der Griechen einzuhalten sucht. Das gerade, was seinen uns heute mit Recht oberflächlich erscheinenden Eklektizismus ausmacht, das entspringt durchaus jenen ethischen Grundgedanken, von denen das Rechtsbewußtsein der Römer getragen war. Auch auf dem weiteren Gebiet des sittlichen Lebens sind die Aequitas und die Utilitas, diese wichtigen Korrektive des jus strictum", für Cicero die Leitsterne, von denen er sich zwischen den widerstreitenden Meinungen den Weg zeigen läßt. Die brauchbarste Maxime für das menschliche Handeln ist ihm, wie er am Schluß des ergebnislos auslaufenden Gesprächs „über die Natur der Götter“ andeutet, nicht das theoretisch Gewisse, sondern das aus praktischen Gründen Wahrscheinliche. Darum ist er selbst in theoretischen Fragen ein zweifelnder Akademiker, in der Moral aber im wesentlichen ein Stoiker, und in der Theologie keines von beiden, weil ihm die stoische Religionsphilosophie dem Aberglauben zu viel Zugeständnisse macht, während Skeptizismus und Epikureismus beide die Religion vernichten, jener weil er den Gottesglauben, dieser weil er die Gottesfurcht beseitigt. So ist ihm denn in Moral wie Religion schließlich der praktische Wertmaßstab der entscheidende. An sich ist,

Wundt, Ethik. 3. Aufl. I.

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wie die Stoa lehrt, die Tugend selbst das höchste Gut. Aber da der Mensch aus Leib und Seele besteht, so bedarf er neben den geistigen auch der äußeren Güter. Neben die höchste treten dementsprechend die mittleren Pflichten", wie Cicero in einem den analogen Ausdruck der Stoa verändernden Sinn die gewöhnlichen Sittenregeln des praktischen Lebens nennt. Für die Beurteilung dieser mittleren Pflichten, welche demnach den Hauptinhalt der Moral bilden, gibt aber die sorgsame Erwägung dessen, was dem Einzelnen und was der Gesamtheit nützt, den Maßstab ab*); und wird das Nützliche in diesem universellen Sinne genommen, so fällt es nach Ciceros Meinung schließlich mit dem Guten selber zusammen. Das ist der Grundgedanke des Rechts, auf die Moral übertragen. In dieser Übertragung liegt der Ursprung jener utilitarischen Strömung, die von da an bis in unsere Tage herab einen wichtigen Faktor in der Gestaltung der sittlichen Lebensanschauungen gebildet hat. Ist hierin Cicero der Interpret einer einflußreichen ethischen Richtung, so wurzelt aber in eben dem, was die praktische Bedeutung dieser Lebensanschauung ausmacht, unverkennbar auch ihre Schwäche. Denn so eng die Beziehung zwischen Recht und Sittlichkeit sein mag, so fallen doch beide sicherlich nicht zusammen, und da das Recht besten Falls doch nur ein äußeres Gewand sein kann, in das sich das sittliche Bewußtsein kleidet, so mußte eine solche Übertragung des Rechtsgedankens auf den Begriff der Sittlichkeit unvermeidlich zu einer Veräußerlichung dieser selbst führen. Wenn Cicero das xaλoxàyaðóv, das Schöne und Gute, in dem der Grieche alles zusammenfaßte, was ihm am Menschen edel und rühmenswert erschien, mit „honestum et utile" (ehrbar und nützlich) übersetzte, so liegt in dem Bedeutungsunterschied dieser hier synonym gebrauchten Wörter diese unwillkürliche Veräußerlichung der Begriffe deutlich ausgedrückt. Die „Aequitas“ aber, eine so schätzbare Eigenschaft sie für den Richter ist, wenn die strenge Rechtsanwendung zum Unrecht zu werden droht, so unzulänglich ist sie für den Moralphilosophen. So treffend daher Cicero die Prinzipien, die ihm das Rechtsbewußtsein seiner Zeit bot, auf die Moral übertragen mochte, dem sittlichen Bewußtsein des römischen Volksgeistes selbst, wie er in Sitte und Religion der Vergangenheit lebte, konnte sein auf der Oberfläche bleibender Eklektizismus nicht gerecht werden.

*) De officiis, III, 6, 26: „Unum debet omnibus propositum, ut eadem sit utilitas uniuscuiusque et universorum".

Dasselbe Prinzip des Nutzens und der billigen Ausgleichung der Gegensätze machte aber in der Auffassung der Religion die Opportunität zum leitenden Gedanken. Der Glaube an eine göttliche Vorsehung und an die Unsterblichkeit der Seele ist nach Cicero für den Einzelnen nützlich und tröstlich, ein gemeinsamer Götterkultus für den Bestand des Staates erforderlich. Das sind die Grundmotive seiner Religionsphilosophie, soweit sie sich den Andeutungen entnehmen lassen, die er seinen in einen Streit der Parteien gekleideten Auszügen aus griechischen Schriftstellern beifügt. Hier wurzelt zugleich jene Unterscheidung einer doppelten Religion, die, wo immer es geschehen mochte, daß sich der Glaube der höher Gebildeten und der Volksglaube schieden, vorbildlich für kommende Zeiten geworden ist. Es gibt das ist der nicht sonderlich tiefe, aber eben deshalb um so wirksamere Gedanke zwei Religionen: eine private, für den Gebildeten die philosophische, die jeder für sich besitzt; und eine öffentliche, an deren Kultus sich jeder pflichtgemäß zu beteiligen hat, während er sich im übrigen die Symbole dieses Kultus nach seiner privaten Religion zurechtlegen mag. Das ist der religiöse Opportunismus, der, genau so wie der ihm geistesverwandte ethische Utilitarismus, auch in unsern Tagen wieder seine Anhänger zählt*).

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Auf allen Gebieten weltlichen Lebens und nicht zum wenigsten in allen Fragen praktischer Lebensführung sind es die Anschauungen dieser mit römischem Geiste erfüllten stoischen Philosophie, die in den nächsten Jahrhunderten auch die christliche Welt beherrschten. Wie das auf die Bildung der Kleriker im Mittelalter einflußreichste Werk, die drei Bücher des Bischofs Ambrosius de officiis ministrorum", wesentlich eine Übertragung der Bücher Ciceros über die Pflichten ins Christliche war, so bekennt der größte Lehrer der christlichen Kirche, Augustin, die Lektüre Ciceros habe ihm den ersten Anstoß zu jener ernsteren Lebensauffassung gegeben, die ihm dann, als ihm auch noch die Gedankenwelt Platos aufging, den Weg zur wahren Gotteserkenntnis gezeigt habe**). Dies Bekenntnis darf

*) Man vergleiche besonders den Schluß von De divinatione (II, 72). Auch dies, daß Cicero den oben gekennzeichneten Standpunkt aus der Art, wie er die Verteidiger der verschiedenen Systeme gegeneinander aufführt, und aus gelegentlichen Schluss- oder Zwischenbemerkungen mehr erraten läßt, als direkt ausspricht, darf man wohl gerade bei den religiösen Fragen als ein charakteristisches Symptom dieses Opportunismus und Relativismus ansehen.

**) Vgl. Th. Zielinski, Cicero im Wandel der Jahrhunderte, 1897, wo

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