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stellung einer Persönlichkeit, die durch ihre Handlungen die Bewunderung oder die Mißbilligung ihrer Mitmenschen wachruft.

Gerade die persönlich gebrauchten Eigenschaftsbezeichnungen scheinen nun aber in diesem Falle in einer verhältnismäßig frühen Zeit schon in die sachlich gedachten Begriffe des Guten und des Bösen übergegangen zu sein, indem die Beziehung auf begehrensund verabscheuenswerte Gegenstände ein Mittelglied bildete, durch das sich der sachliche Gebrauch dieser Wörter allmählich befestigte, so daß der Schritt zu ihrer noch abstrakteren sittlichen Verwertung leichter geschehen konnte. So ist das Gut, bonum, tò àɣadóv im Sinne von Glücksgütern, bezogen also auf sinnliche Gegenstände, sicherlich der Anwendung des nämlichen Wortes auf sittliche Handlungen und Gesinnungen vorangegangen, und es mag wohl sein, daß dies ursprünglich als eine ähnliche Art metaphorischer Übertragung empfunden wurde, wie wir es heute noch tun, wenn wir z. B. die Tugend ein Gut nennen.

Aber wie in der Mannigfaltigkeit ihrer Bedeutungen die Bezeichnungen des Guten und Bösen eine gewisse Ursprünglichkeit bewahrt haben, so ist dies auch darin geschehen, daß sie gerade in ihrer ethischen Anwendung als abstrakte Gegenstandsbegriffe noch deutlich den Charakter substantivierter Adjektive besitzen. In vielen anderen Fällen hat dieser Ursprung aus der Eigenschaft sich verwischt, weil die Ableitung einer älteren, unserem Sprachgefühl entrückteren Periode der Sprachgeschichte angehört. Nichtsdestoweniger ist sie immer vorhanden: wo überhaupt ein abstrakter ethischer Begriff auf seine Anfänge zurückverfolgt werden kann, da ist ihm dieser Ausgangspunkt an die Stirn geschrieben. So trägt die Tugend von dem Taugenden (althochd. tugan taugen), das Laster von dem Tadelnswerten (lahan tadeln), die virtus (Mannheit) von dem vir ihren Namen. Am deutlichsten aber wird die Gebundenheit der ethischen Begriffe an den Tatbestand der sittlichen Persönlichkeiten und Handlungen in denjenigen Bezeichnungen fühlbar, welche, durch Zusammensetzung gebildet, einer verhältnismäßig späten Periode der Sprachentwicklung angehören. So bildet der Grieche aus dem ἀγαθός die ανδραγαθία, aus dem δίκαιος die δικαιοσύνη, aus dem εὐσεβής die εὐσέβεια, aus dem σώφρων die owppoovn u. s. w. Nächst dem Griechischen erfreut sich besonders das Deutsche einer fast unbeschränkten Fähigkeit zur Bildung solcher Zusammensetzungen. Diese sind aber, wahrscheinlich infolge der hier noch später vor sich gegangenen Differenzierung

der Begriffe, vorherrschend nicht bloß wie dort durch unmittelbare Ableitung von einem persönlich gebrauchten Eigenschaftsbegriff, sondern häufiger noch aus bereits vorhandenen substantivischen Formen hervorgegangen, die nun zumeist erst durch die Zusammensetzung ihre spezifisch ethische Eigenschaft angenommen haben. So, neben der Sittlichkeit selbst, der Edelmut, das Mitleid, die Schadenfreude, der Eigennutz, die Selbstliebe, die Selbstsucht und manche andere. In vielen Fällen sind dann wieder, sozusagen in einer rückwärtsschreitenden Begriffsbewegung, aus diesen spät entstandenen Begriffen Eigenschaftsbezeichnungen gebildet worden, wie der Edelmütige, Mitleidige, Eigennützige u. dergl. Sichtlich aber haben wir es hier überall mit einem Wortschatze zu tun, der bereits unter dem starken Einflusse der wissenschaftlichen Reflexion. steht, so daß nur die Bestandteile, aus denen die ethischen Begriffe gebildet wurden, nicht diese selbst als Eigentum des ursprünglichen Völkerbewußtseins in Anspruch zu nehmen sind.

Man hat einen bedeutsamen ethischen Zug der Sprache darin gesehen, daß sie zur Bezeichnung der Formen des Unsittlichen vorzugsweise die negative Ausdrucksform gewählt habe, und daß sie zwar überall die Tugenden durch Hinzufügung einer Negation in Laster, nicht aber umgekehrt auf demselben Wege diese in jene verwandeln könne. So stelle sie dem Recht das Unrecht, dem Frieden den Unfrieden, der Sitte die Unsitte gegenüber; so bilde sie ferner aus der Tugend die Untugend, aus der Ehre die Ehrlosigkeit, aus der Treue die Untreue u. s. w.; zu Laster, Geiz, Haß, Stolz u. dergl. habe sie aber keine Negationen gebildet. Man meint hierin einen Beweis dafür zu erblicken, daß einerseits vielfach der Begriff des sittlich Lobenswerten früher vorhanden gewesen sei als sein Gegenteil, und daß anderseits dem Sprachbewußtsein zwar das Laster als eine bloße Negation der Tugend erscheine, nicht aber umgekehrt*).

Doch, wenn es schon mißlich ist, auf sprachliche Erscheinungen, die vielfach nur unserem neueren deutschen Sprachgebrauch angehören, so weittragende Schlüsse zu bauen, so sind hier nicht einmal die Tatsachen vollständig zutreffend. Abgesehen davon, daß gerade die fundamentalsten Gegensätze, wie Gut und Böse, Tugend und Laster, in positiver Form sich ausgeprägt haben, lassen sich

*) R. v. Jhering, Zweck im Recht, II, S. 78 ff.

den Beispielen, wo die sittlich lobenswerte Eigenschaft durch eine Negation aufgehoben wurde, zahlreiche andere gegenüberstellen, in denen das Umgekehrte eingetreten ist. So bildet die Sprache aus der Schuld die Unschuld, aus der Sünde die Sündlosigkeit, aus dem Neid die Neidlosigkeit, aus der Selbstsucht die Selbstlosigkeit. Sie wählt die Ausdrücke arglos, harmlos, furchtlos, unschädlich, unbescholten, unbestechlich, unbefleckt, unanstößig u. s. w., Ausdrücke, die sämtlich eine lobenswerte sittliche Eigenschaft durch die Negation ihres Gegenteils bezeichnen. Wenn nun gleichwohl ein geringes Übergewicht auf seiten der negativ benannten Laster bleiben dürfte*), so ist dies aber sicherlich keine den ethischen Begriffen als solchen zukommende Eigenschaft, sondern eine Tatsache, die sich über alle die Dinge erstreckt, die des Menschen Lust oder Unlust erregen können. Wo nicht besondere und in der Regel leicht erklärliche Bedingungen zu einer Abweichung vorliegen, da wird mit Vorliebe das Lusterregende positiv, das Unlusterregende negativ bezeichnet. Mit Unrecht würde man aber hieraus schließen, daß die Lust früher gewesen sei als der Schmerz. Ist es doch eine alte psychologische Bemerkung, daß diese Gegensätze innig aneinander gebunden sind; jedenfalls wird man annehmen dürfen, daß sie so alt oder sogar älter sind wie der Mensch selber, da sich uns die deutlichsten Spuren dieser Gefühle schon bei den Tieren verraten. Lange bevor die Sprache sich entwickelt hat, waren also die Gegensätze schon da, um deren Bezeichnung es sich handelt. Daß dann der eine von je zwei kontrastierenden Begriffen durch die Negation des anderen ausgedrückt wurde, war umso naheliegender, je mehr man dieselben als Gegensätze empfand. Wenn nun hierbei vorzugsweise häufig das Unlusterregende mit der Negation verbunden wird, so ist dies allerdings kein Zufall. Gewiß liegt aber der Grund nicht darin, daß nur der positiv bezeichnete Begriff einen positiven Inhalt hat, der negative als seine bloße Verneinung erscheint. Ist doch mit Bezug auf die sinnlichen Gefühle, wo wir ebenfalls das Unangenehme

*) Ich habe mit Hilfe einiger Wörterbücher eine kleine Statistik der im Deutschen mit „Un" anfangenden Wörter, welche sittliche Begriffe bezeichnen, ausgeführt. Es ergab sich, daß die auf diese Weise negativ bezeichneten tadelnswerten Eigenschaften zu den lobenswerten ungefähr im Verhältnisse von 32 stehen. Noch größer ist, wenn man die mit dem privativen „In" gebildeten Wörter zum Maßstabe nimmt, der Unterschied im Lateinischen, wo das nämliche Verhältnis annähernd 3:1 erreicht. Über die mutmaßlichen psychologischen Gründe für die reichere Bezeichnung von Unlustaffekten überhaupt vgl. Physiol. Psychol., 5. Aufl., III, S. 223 f.

dem Angenehmen, das Unglück dem Glück gegenüberstellen, gerade im Gegenteil mehrfach behauptet worden, daß die Lust der Hauptsache nach nur in dem Fehlen von Unlust und Schmerz bestehe. Wenn das auch eine Übertreibung nach der anderen Seite ist, so bleibt doch so viel mindestens wahr, daß im allgemeinen jeder der beiden Gegensatzbegriffe, und im einzelnen Fall bald mehr der eine bald mehr der andere, einen positiven Inhalt besitzt. Die Tugend ist mehr als eine bloße Negation des Lasters, aber auch das Laster ist keine bloße Negation der Tugend, ebensowenig wie der Schmerz eine bloße Negation der Lust ist.

Es gibt einen anderen Grund, der, wie ich glaube, diese Anziehungskraft, welche das Unlusterregende und Tadelnswerte auf die Negation ausgeübt hat, vollkommen begreiflich macht: er liegt in der psychologischen Verwandtschaft der Unlustaffekte und der logischen Funktion der Verneinung. Wie die Verneinung eine als möglich vorgestellte Behauptung zurückweist, so wendet der Unlustaffekt sich ab von dem schmerzerregenden Gegenstand. In beiden Fällen handelt es sich um Willensrichtungen von abwehrendem Charakter; auch die logische Negation ist daher und bei energischen Urteilsakten sogar in sehr ausgeprägter Weise - von einer Gefühlsfärbung begleitet, die den Charakter eines Unlustgefühls an sich trägt. Unter diesen Umständen ist es wohl begreiflich, daß die sittliche Mißbilligung leichter mit dem Ausdruck der Negation sich verbindet als die sittliche Anerkennung. Wenn aber hieraus überhaupt auf die Entwicklung der sittlichen Vorstellungen ein Schluß gemacht werden kann, so ist es der, daß dieselben, wie dies noch jetzt ihre Ausprägung in gegensätzlichen Begriffen andeutet, mit der Betätigung des Bewußtseins in Lust- und Unlustaffekten innig zusammenhängen.

In der Tat weisen nun mannigfache andere sprachliche Erscheinungen darauf hin, daß diese Beziehung der sittlichen Billigung und Mißbilligung zu den sinnlichen Gefühlen nicht etwa bloß eine äußere Analogie ist, sondern daß sie auf einer ursprünglichen Einheit beruht, indem aus dem sinnlichen Gefühlsinhalt des Bewußtseins die sittlichen Gefühle durch eine spezifische Differenzierung hervorgegangen sind. Die fortwirkende Kraft dieser Differenzierung, deren erste Anfänge sich selbstverständlich der Nachweisung entziehen, verrät sich in einer Verinnerlichung der sittlichen Begriffe, mit der ein stetiger und in der Regel in gleicher Richtung stattfindender Bedeutungswandel des ethischen Wortschatzes verbunden ist.

b. Die Vertiefung der sittlichen Anschauungen.

Im Vergleich mit der bei den Allgemeinbegriffen des Guten und Bösen besprochenen Übertragung sinnlicher Bedeutungen auf das sittliche Gebiet könnte man den hier in Frage kommenden Bedeutungswandel einen latenten nennen. Der Gesamtcharakter der Begriffe bleibt erhalten, aber die tieferen Beziehungen derselben und ihr Gefühlswert verändern sich. Dabei geschieht diese Veränderung so langsam, daß man meist verhältnismäßig weit voneinander abliegende Kulturperioden vergleichen muß, um ihr Vorhandensein überhaupt zu entdecken. Und doch entstehen auf diesem Wege im Laufe der Zeiten so gewaltige Unterschiede, daß schließlich die übereinstimmend bezeichneten ethischen Begriffe fast nur noch durch den Zusammenhang der Entwicklung und durch den allgemeinen Sinn der sittlichen Billigung und Mißbilligung verbunden erscheinen.

Einen sprechenden Beleg für diesen stetigen Wandel der Anschauungen bietet die Allgemeinbezeichnung der Tugend selbst. Offenbar von Anfang an vorzugsweise im Sinne der sittlichen Billigung gebraucht, ist doch die begriffliche Färbung des Wortes zunächst, dem nationalen Charakter entsprechend, bei den verschiedenen Kulturvölkern eine abweichende. Während das deutsche Wort, wie schon erwähnt, die Tauglichkeit, wahrscheinlich im Sinne der Brauchbarkeit für die Geschäfte des Kriegs wie des Friedens, hervorhebt, weisen die griechische Arete wie die römische Virtus auf andere, auch unter sich wieder verschiedene Grundbedeutungen hin. Am nächsten steht dem Deutschen das Griechische. Aber wie das Zeitwort apetá die Bedeutungen des Taugens und des Gedeihens in sich vereinigt, so unterscheidet sich auch die Arete von der Tugend von Anfang an dadurch, daß sich in ihr der Begriff der Tüchtigkeit mit dem des durch sie bewirkten Ansehens bei anderen vereinigt. Dem Griechen genügt nicht der Wert der Person oder der Handlung an sich; beide müssen auch die ihnen gebührende Stellung in den Augen der Welt einnehmen. Nur wenn sich die Tüchtigkeit des Charakters mit der Schönheit der Erscheinung verbindet, hat sie Aussicht sich Geltung zu verschaffen. Darum spielen in dem Begriff der Arete die Elemente der Tüchtigkeit, der Schönheit und des äußeren Ansehens ineinander. Ursprünglich ist unter diesen Elementen das äußerlichste, dasjenige des Ansehens, sichtlich das überwiegende. Dann gewinnen bei den Dichtern und Rednern

Wundt, Ethik. 3. Aufl. I.

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