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Schatten nicht. Was die religiöse Seite gewinnt, das droht die ethische zu verlieren. Wenn der Wille des Menschen nicht die Macht hat, sich den Himmel zu verdienen, ist dann nicht die sittliche Handlung in Gefahr, ihren Wert einzubüßen? Was ist eine einzige gute oder schlechte Handlung mehr als ein Tropfen in dem Meer der Schuld, in das durch den Abfall von Gott und durch die fortwirkende Erbsünde die Menschheit versunken ist? Eine tatlose Resignation, zu der diese düstere Weltanschauung herausfordert, ist der zum Handeln angelegten sittlichen Natur des Menschen allzu sehr entgegen, als daß sie auf die Dauer bestehen könnte. Je mehr die werktätige Sittlichkeit verhältnismäßig wertlos erscheint, um so mehr wird daher der nicht auszurottende Trieb, dennoch durch eigene Handlungen die bleibende Glückseligkeit zu erringen, in die äußere Kultushandlung den Schwerpunkt des sittlichen Lebens verlegen. So fern Augustin dieser Folgerung steht, so ist er es doch selbst, der durch das abschließende Werk seines Lebens, durch seinen Staat Gottes", nicht wenig dazu beigetragen hat, diese Richtung zu stärken.

Noch einmal leiht aber bei diesem Werke die platonische Philosophie dem christlichen Denker die Waffen. Es ist das platonische Staatsideal auf christlichen Boden verpflanzt, das uns in der "Civitas Dei" begegnet. Doch sind es zwei, in der Stellung des Christentums zum weltlichen Leben und in seiner geschichtlichen Vergangenheit wie in seinem zukünftigen Beruf begründete Bedingungen, die von vornherein dieses Werk von seinem Vorbilde scheiden. Dem Staatsideal der „Civitas Dei" steht der Weltstaat, die auf den natürlichen und sinnlichen Bedürfnissen beruhende Vereinigung der Menschen, gegenüber; und der Gottesstaat selbst ist kein in festen Formen gegebenes Ideal, sondern das werdende und sich vollendende Reich Gottes. Damit gewinnt das Werk den Charakter einer Geschichtsphilosophie, der ersten, die ein zusammenfassendes Bild der Entwicklung der Menschheit zu geben sucht; und dieser Geschichtsphilosophie wird hinwiederum durch den Kampf des Gottesreiches mit der Welt und durch die Verherrlichung des Sieges, den jenes über diese zu erringen berufen ist, sein Charakter aufgeprägt. Hatte das Christentum von frühe an den Juden das Recht auf den Besitz des alten Testaments bestritten, weil der alte Bund nur die Vorbereitung auf den neuen, von den Propheten geweissagten und in Christus zum Vollzug gelangten Bund sei, so verwandelt sich in der Verfolgung dieses Gedankens für Augustin

die nationale Geschichte des jüdischen Volkes mit der gesamten alttestamentlichen Mythengeschichte in den Hauptinhalt der Geschichte der Menschheit, die sich, wie die Schöpfung der Welt, in sechs Tagewerken abspielt: von Adam bis Noah, von Noah bis Abraham, von diesem bis David, dann bis zum babylonischen Exil, endlich bis zu Christus, mit dem der sechste Welttag anbricht, mit ihm die Gründung der Kirche, des Gottesstaats, dem zunächst noch der weltliche Staat gegenübersteht, bis am siebenten Tag mit der Wiederkunft Christi das Reich dieser Welt mit der Welt selbst untergehen und das Reich Gottes in unvergänglicher Herrlichkeit erstehen wird *). So ist diese zeitliche Welt eine Zeit des Kampfes zwischen dem Gottesreich und dem Weltreich, in dem jenem der endliche Sieg gewiß ist. Dieses Bild des Kampfes zwischen Gottesreich und Weltreich, in dem sich die Geschicke der Menschheit erfüllen, schwankt jedoch sichtlich bei Augustin selbst noch zwischen zwei Bedeutungen. Einmal erscheint der Gottesstaat als jenes übersinnliche Reich Gottes, das dereinst kommen wird und in dieser sinnlichen Welt in der geistigen Gemeinschaft der Gläubigen vorbereitet wird, und dem das staatliche Leben als das dem sinnlichen, weltlichen Bedürfnis dienende Reich gegenübersteht. Hier verhalten sich Gottesstaat und Weltstaat nicht wesentlich anders zueinander als wie die religiösen Tugenden und die bürgerlichen Tugenden: beide ergänzen sich und schließen sich nicht aus. Sodann aber wird dem Reich Gottes, das da kommen wird, die Kirche, als der Staat Gottes, der darauf vorbereiten soll, zugeordnet, und dieser steht nun der Weltstaat als der Inbegriff aller weltlichen Triebe, die vom Reich Gottes hinwegführen, darum aber auch als der Vertreter der Sünde, gegenüber**). Hier verhalten sich Gottes- und Weltreich wie Christ und Antichrist, und der endliche Sieg des Guten über das Böse bereitet sich darin vor, daß die Kirche dem weltlichen Staat übergeordnet ist. Mochte dieser Dualismus zunächst noch vorwiegend in der ersten, geistigeren Form gedacht werden, in dem Maße, als die Kirche tatsächlich eine Weltmacht wurde, mußte sich die zweite, realistische Auffassung in den Vordergrund drängen. Damit wurde dann in den kommenden Jahrhunderten die Geschichtsphilosophie Augustins zu einem Ausdruck der zunehmenden Verweltlichung der Kirche, die, ein so glänzendes Zeugnis für die ungeheure Macht der

*) De civitate Dei, XV-XVII, XXII, 30. **) De civitate Dei, XIX, 14-17; XX, 17.

religiösen Ideen sie war, dennoch, indem sich diese Macht mehr und mehr nach außen kehrte, die religiöse Wirksamkeit der Kirche allmählich schädigen mußte.

2. Das christliche Mittelalter.

a. Die Verweltlichung der Kirche und die Rationalisierung des Glaubens.

Innere und äußere Bedingungen hatten von frühe an die christliche Ethik einem Zwiespalt entgegengeführt, der sich zwischen der ursprünglichen Lebensanschauung des Christentums und der Aufgabe eröffnete, vor die es sich durch den Verlauf der Geschichte gestellt sah. Indem es sich aus einer weltüberwindenden in eine weltbekehrende Religion umwandelte, verband sich damit unaufhaltsam das Streben, eine weltbeherrschende Macht zu werden. Und indem es in Erfüllung seiner Mission Menschen aller Berufe und Stände in sich aufnahm, zu den Völkern der alten, ausgelebten, wie zu denen einer neuen, beginnenden Kultur das Evangelium trug, konnte es nicht ausbleiben, daß diese vielgestaltigen Elemente auf die Religion, die sie annahmen, bestimmend zurückwirkten. Schon der ambrosianischen Moral und dem augustinischen Gottesstaat sind deutlich die Züge dieses Zwiespaltes aufgeprägt. Dort zeigt er sich in der Durchführung der von lange her vorbereiteten Scheidung einer doppelten Moral. Hier verrät er sich in dem zwischen dem geistigen Reich Gottes und der äußeren Macht der Kirche schillernden Begriff der „Civitas Dei". Indem diese äußere jene innere Bedeutung allmählich zurückdrängte, mußte aber der Verweltlichung der Moral unvermeidlich die Verweltlichung der Religion folgen. An die Stelle des jenseitigen Gottesreichs tritt seine diesseitige Vertreterin, die als Universalstaat organisierte Kirche, an die Stelle der frommen Gesinnung der kirchliche Gehorsam und die Befolgung der äußeren Kultusvorschriften, an die Stelle der jenseitigen Sündenvergebung durch die Gnade Gottes die diesseitige Sündenvergebung durch die mit der Verwaltung der Sakramente betraute Kirche.

In Gegensätzen hatte sich auch die antike Ethik entwickelt. Aber einen tiefer greifenden Kontrast als der, der sich hier mit einer den geschichtlichen Bedingungen von Anfang an immanenten Notwendigkeit in der Ethik des christlichen Mittelalters herausbildete, hatte die Welt bis dahin noch nicht gesehen. Die innere Folgerichtigkeit, mit der sich diese Wandlungen vollziehen, erscheint

umso überwältigender, je heterogener dem endlichen Erfolg die einzelnen Anlässe sind, die hier den Gang der Dinge bestimmen. In der Tat, wenn von irgend einer geschichtlichen Entwicklung, so gilt von dieser der Satz, daß die Motive des menschlichen Tuns zumeist andere sind als die Wirkungen, die sie hervorbringen, und daß diese nicht selten das Gegenteil von dem sind, was ursprünglich beabsichtigt war.

Wenn jedoch seit der Ausbreitung des Christentums über die Welt diesem die Aufgabe gestellt war, mehr und mehr weltlichen Bedürfnissen und Interessen sich anzupassen, und wenn diese Aufgabe auf die Kirche selbst verweltlichend einwirken mußte, so stand der so sich eröffnende Zwiespalt zwischen der ursprünglichen Lebensanschauung des Christentums und derjenigen, die sich tatsächlich im Wandel der Zeiten herausgebildet hatte, unter einer ausgleichenden Bedingung, die, wo sonst in der Geschichte ähnliche Gegensätze gegeneinander wirken, zu fehlen pflegt. Die Anschauungen des Urchristentums, niedergelegt in den Schriften des Neuen Testaments, übten eine fortwirkende Macht aus, die vermöge der kanonischen Bedeutung jener Schriften nicht unterdrückt werden konnte. Von frühe an äußert sich diese Macht darin, daß Einzelne, den Zwiespalt zwischen dem Lebensideal des Christen und dem wirklichen Leben empfindend, sich von diesem zurückziehen, um ein vollkommenes Leben in Christi Sinne, ein Leben, das auf Besitz, Familie und weltliche Güter Verzicht leistet, zu führen. So entsteht das in die frühesten Jahrhunderte zurückreichende Anachoretentum, und aus diesem, als im Laufe der Zeit die Not des Lebens den Eremiten zu einem Zusammenschluß mit seinesgleichen zwingt, das Mönchtum. Außerhalb der Kirche, zum Teil sogar in feindlichem Gegensatze zu dem die Kirche vertretenden Priestertum entstanden, verfallen nun aber beide, Kirche und Mönchtum, gleicherweise dem Schicksal der Verweltlichung. Der Kleriker und der Klosterbruder, beide in den führenden Stellungen aus den Reihen des Adels hervorgegangen, konnten auf die Dauer die Lebensgewohnheiten und Lebensanschauungen ihres Standes nicht verleugnen. Strebte der Bischof nach Macht und Reichtum, um es weltlichen Fürsten gleich zu tun, so hatte der Mönch zwar für sich auf Besitz wie auf Ehe und Familie verzichtet. Das hinderte aber nicht, daß sich das Kloster durch Schenkungen und andere Stiftungen bereicherte, und daß, indem die asketische Ordensregel allmählich laxer gehandhabt wurde, bald Uppigkeit und Schlemmerei, bald aber auch die Freude

an allerlei weltlichen Künsten sich einstellte. Von den Klosterschulen, diesen ersten Stätten eines gelehrten Unterrichts, ging so die Pflege der Philosophie und einer zwar meist in lateinischer Sprache geschriebenen, aber doch in germanischen wie romanischen Ländern mit dem nationalen Leben in enger Fühlung stehenden Dichtung aus.

Die energische Reaktion gegen diese erste Ära der Verweltlichung, die geschichtlich mit der Suprematie des in dem römischdeutschen Imperium verkörpert gedachten Staats zusammenfällt, ist vom Mönchtum ausgegangen, in welchem sich unter jener fortwirkenden Macht der von ihm gepflegten älteren christlichen Literatur der Ruf zur Askese abermals erhob. Indem es nun mit diesem Ruf auch der verweltlichten und entsittlichten Kirche gegenübertrat, entspann sich jener denkwürdige Kampf zwischen Priestertum und Mönchtum, der, dem Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum parallel gehend, schließlich in dem Sinne geschlichtet wurde, daß das Mönchtum mit seiner Forderung des asketischen Lebens der Priester recht behielt, der Klerus aber die seinige nach Herrschaft durchsetzte. Damit hatte das Mönchtum über die Kirche gesiegt, aber es selbst war ein gefügiges Werkzeug der Kirche geworden, und jener Ruf nach Rückkehr zu dem urchristlichen, der Welt entsagenden Lebenswandel leitete jetzt eine neue Ära der Verweltlichung ein. War die Signatur der ersten Ära die Verweltlichung der Einzelnen gewesen, so war die der zweiten die Verweltlichung der Kirche selbst, die Vollendung der „Civitas Dei“ in irdischer Gestalt, und darum begleitet von allen den Folgen, die das Streben nach Macht und ihr Besitz mit sich bringt. Eines der wirksamsten Hilfsmittel der Kirche in diesem Streben ward nun das Mönchtum. Der Kirche selbst gab es durch die Ausdehnung des asketischen Prinzips auf den Priesterstand sein Gepräge; anderseits wurde es der hauptsächlichste Träger jener zivilisatorischen Mission, welche die mittelalterliche Kirche zu erfüllen hatte.

Indem der Mönch dem weltlichen Leben entsagt, wird ihm um so mehr der unbedingte Gehorsam gegen die Kirche zur Pflicht gemacht, und indem dieses Vorbild eines der Welt entsagenden Lebens die Normen bestimmt, denen auch der Stand der Priester wenigstens in dem Verzicht auf die Güter, die den Menschen vornehmlich an diese Welt fesseln, auf Ehe und Familie, sich fügen muß, gewinnt das hierarchische System ebensosehr an geschlossener Macht, wie es in seinen eigenen Trägern den wichtigsten, allgemein menschlichen Interessen entfremdet wird. Hat der Priester als der

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