ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub
[ocr errors]

inneren Überzeugung beimißt, kommt aber darin zum Ausdruck, daß unter allen Tugenden als die höchste die Wahrheit gepriesen wird. De veritate" nennt Herbert von Cherbury sein Werk, und Giordano Bruno schon läßt in seiner symbolischen Dichtung „Spaccio" den Zeus eine neue Götterordnung einsetzen, bei der er dem leuchtendsten der Gestirne den Namen der Wahrheit gibt*).

Wie die Religion den Denkern dieser Zeit nicht mehr an Autorität und Tradition gebunden ist, so gilt ihnen aber auch der Staat als eine freie menschliche Schöpfung. Wie er am besten einzurichten sei, um seiner Aufgabe eines gesicherten und der Wohlfahrt Aller dienenden Zusammenlebens zu dienen, das ist nun umsomehr ein viel verhandeltes Problem, als die religiösen und politischen Wirren der Zeit den Wunsch nach einer festen staatlichen Ordnung vielfach rege machen. Hier kommt die von der Scholastik gepflegte Vertragstheorie den neuen Ideen zu statten. Aber in wie ganz anderem Sinne wird sie hier ausgeführt als dort! Der kirchlichen Wissenschaft war es darum zu tun gewesen, den Staat an seine zeitliche Bedingtheit gegenüber der auf ewige Ordnungen gegründeten Kirche zu erinnern. Den freien Denkern der Renaissance ist nur das Universum ewig und unendlich. Der mittelalterlichen Kirche gehört die Vergangenheit, dem Staat die Gegenwart. In der Kirche herrscht die Gebundenheit der Überlieferung, im Staat die Freiheit der Neuschöpfung. Hier haben daher in den Gedanken einer Zeit, in der die Herrscher und gelegentlich auch die Herrschaftsformen von heute auf morgen wechseln, Verstand und Phantasie freien Spielraum. Der Gedanke einer neuen, frei zu schaffenden Staatsordnung führt aber schon um seiner das Bestehende rücksichtslos nichtachtenden Willkür willen von selbst zu weitreichenden Ideen einer neuen Gesellschaftsordnung, in der die Unterschiede von arm und reich, von vornehm und gering ausgeglichen sind, in der jeder gleich dem andern arbeiten, besitzen und genießen soll. Die „Utopia" des englischen Kanzlers Thomas Morus, der Sonnenstaat", die in deutlicher Parallele zur „Civitas Dei" erdachte Civitas Solis" des Thomas Campanella, sie sind sprechende Zeugnisse dieser mächtig sich regenden, zum Teil wieder durch den platonischen Staat" an

[ocr errors]

*) Joannes Bodinus, Colloquium heptaplomeres de abditis rerum sublimium arcanis, um 1580. Auszug daraus von Guhrauer, 1841. Giordano Bruno, Spaccio de la bestia trionfante, 1584. Herbert von Cherbury, Tractatus de veritate, 1624.

geregten neuen Ideen über Staat und Gesellschaft*). Mitten zwischen ihnen liegen, scheinbar in ihrer Tendenz Gegensätze, aber in der ganz und gar modernen, der Vergangenheit abgewandten und rein weltlichen Richtung der Grundgedanken miteinander einig, das absolutistische Staatsideal eines Nicolo Machiavelli und das demokratische, zum ersten Male das Prinzip des unumschränkten Volkswillens mit logischer Konsequenz durchführende des deutschen Rechtslehrers Johannes Althusius**).

Ein Zeitalter, das in seinen Gedanken über Religion, Staat und Gesellschaft so wie dieses die Last der Tradition von sich abgeworfen hat, um kühn nach eigener Willkür die alten Ordnungen zu erneuern, und das sich über die Hemmnisse, die das wirkliche Leben solchen Plänen in den Weg legt, nichtachtend hinwegsetzt, ein solches Zeitalter bedarf aber schließlich auch einer neuen sittlichen Lebensanschauung. Und wie das sittliche Leben selbst ein durch und durch weltliches, von weltlichen Plänen, Interessen und Kämpfen erfülltes geworden ist, so verlangt die Zeit nach einer rein weltlichen Ethik, die, frei von der Gebundenheit an die Theologie, frei von dem Erbübel der doppelten Moral, den Menschen als ein Geschöpf dieser sinnlichen Welt, in den Eigenschaften und Handlungen, die aus seiner eigenen Natur fließen, zu ihrem Gegenstand hat. Da ist es denn diejenige Seite der Menschennatur, die schon der antiken Ethik nicht entgangen war, die aber doch diesem leidenschaftlich bewegten Zeitalter vor allem nahe liegt: es ist das Gebiet der Affekte und Triebe, dem sich die ersten Versuche einer neuen Ethik zuwenden. Mächtig regen sich diese ethischen Gedanken vor allem in dem bewegtesten und ideenreichsten Denker der Renaissance, in Giordano Bruno. Wie er, der dem Kloster entflohene Dominikanermönch, den Wandel der Zeiten am tiefsten in sich durchlebt hat, so findet auch in seinem Gemüt die treibende ethische Kraft dieser Zeit ihre mächtigste Resonanz. Wohl ist seine Schrift „über

*) Thomas Morus, De optimo reipublicae statu deque nova insula Utopia, 1516. Einen Auszug gibt: K. Kautsky, Thomas More und seine Utopie, 1888. Thomas Campanella, De civitate Solis, 1636.

**) Nicolo Machiavelli, Il Principe, 1514. (Seit 1532 oft aufgelegt und übersetzt.) Joannes Althusius, Politica methodice digesta etc., Herborn 1603. (Vgl. über ihn O. Gierke, Joh. Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880.) Zwischen beiden steht wieder Jean Bodin als Vertreter einer beschränkten, konstitutionellen Monarchie in seinen Six livres de la république, 1577.

die heroischen Affekte" keine Ethik von streng wissenschaftlichem Charakter. Dazu ist sie allzusehr ein Werk der Stimmung, dabei auch noch allzusehr von platonischen und neuplatonischen Ideen abhängig. Aber die beiden Gedanken, daß der Affekt die Quelle alles menschlichen Tuns, und daß der Gegensatz von Lust und Schmerz, von Gut und Böse der Ursprung nicht nur der Übel, sondern auch der höchsten Güter des menschlichen Daseins sei, diese beiden Gedanken sind der kommenden Entwicklung unverlierbar geblieben *).

Vielleicht war das Zeitalter der Renaissance zu reich an neuen Ideen gewesen, um einheitliche Weltanschauungen planmäßig und folgerichtig durchzuführen. Ein heute neu auftauchender Gedanke verdrängt den gestrigen bei dem Einzelnen wie in den allgemeinen geistigen Strömungen. Erst als sich diese Zeit ihrem Ende zuneigte, an der Schwelle zu dem Übergang in die Periode der Verstandesaufklärung, von der es allmählich abgelöst wird, gestalten sich einzelne ethische Richtungen, die den Ertrag dessen, was diese ganze Zeit der Befreiung des neuen Geistes erkämpft hat, zu klaren und freilich zugleich einseitigen Lebensanschauungen gestalten. Zwei Motive sind es hier, die dieser Zusammenfassung der Ideen der Renaissance in der Philosophie des 17. Jahrhunderts ihr Gepräge geben. Das eine ist der moderne Staatsgedanke, der, gegründet auf den Willen des einzelnen Menschen und auf die diesen Willen lenkende vernünftige Überlegung, die volle Autonomie der Moral dem autoritativen Prinzip der vorangegangenen Zeit gegenüberstellt, dabei nun aber im Bewußtsein der neu gewonnenen Freiheit das Motiv des aus dem eigensten Wesen des Einzelnen entspringenden Denkens und Handelns folgerichtig zu einer Moral des eigennützigen Interesses ausgestaltet. Nach einer ganz andern Richtung weist eine zweite Gedankenreihe, die in den inneren seelischen Erlebnissen das eigentliche Wesen des Menschen und zugleich die Zeugnisse seiner Einheit mit dem Universum erblickt. Sie berührt sich mit der religiösen Weltanschauung, und sie gravitiert trotz mancher entgegenwirkender Momente der Zeit immer wieder nach dem alten mystischen Gedanken der inneren Erleuchtung und der Einheit des endlichen Geistes mit dem Unendlichen. In dem Gegensatz, in den auf solche Weise die beiden Richtungen miteinander treten, werfen

*) Giordano Bruno, Degli eroici furori, 1585. Deutsche Ausgabe von L. Kuhlenbeck, 1898.

bereits die Meinungsunterschiede und die Kämpfe späterer Zeiten ihre Schatten voraus. In der Moral des eigennützigen Interesses, wie sie, ausgehend von der neuen Auffassung von Staat und Gesellschaft, das 17. Jahrhundert gestaltet, sind, in einer freilich noch einigermaßen rohen Form, aber doch in ihrem Grundcharakter klar ausgeprägt, alle die Lebensanschauungen der neuen Zeit vorgebildet, die in die rein weltlichen Motive der Wohlfahrt des Einzelnen oder der Gesamtheit oder beider zugleich das Wesen des Sittlichen verlegen. In der Moral des Gemüts und der religiösen Erhebung sind dagegen die wiederum in den verschiedensten Spielarten in der neueren Zeit auftretenden ethischen Richtungen angedeutet, die dem Sittlichen eine bloß subjektive, von der Aussenwelt abgekehrte Bedeutung beimessen und es dadurch abermals in eine unmittelbare Beziehung bringen zu den religiösen Ideen. Auf diese Weise ist es jener Begriff der Lux naturalis", der sich hier nach seinen zwei Hauptbedeutungen entfaltet, die in ihm von Anfang an ineinander spielen dort steht die Beurteilung des nach außen gerichteten Handelns nach Motiven verstandesmäßiger Reflexion im Vordergrund; hier besteht der Wert des Lebens in der inneren, von der Außenwelt abgekehrten geistigen Freiheit des Menschen und in seiner Einheit mit dem unendlichen Sein.

b. Das politische Motiv und die Moral des Egoismus.

Politische Projekte und neue Ideen über den Staat und seine Aufgabe erfüllen von dem Wendepunkt des 16. und 17. Jahrhunderts an die Länder Europas. Die Kämpfe zwischen Kirche und Staat, der Wetteifer der religiösen Parteien um politischen Einfluß erwecken das Streben nach neuen Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung, die den Einen die persönliche Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen, den Andern die allgemeine Sicherheit verbürgen sollen. Dazu legt die neu aufblühende Naturwissenschaft die Idee nahe, die Methoden naturwissenschaftlicher Betrachtung auch auf Recht, Staat und Gesellschaft und auf die sittlichen Eigenschaften des Menschen selbst anzuwenden. In diesem Sinne erfaßt Hugo Grotius den Gedanken eines über die Grenzen des einzelnen Staates übergreifenden, in der allgemein menschlichen Natur begründeten Rechts. Der diesem Gedanken entspringende Entwurf des Völkerrechts als einer neuen, den friedlichen Verkehr der Nationen fördernden und den Krieg humanisierenden Rechtsordnung greift dann

von selbst auf das innere Recht der Staaten, auf ihre Verfassung und Verwaltung, auf Privat- und Strafrecht über*). So wird in dieser Zeit der sich zu ihrem Ende neigenden Renaissance der Gedanke des Naturrechts lebendig, um in der ganzen folgenden Periode der allbeherrschende zu bleiben. Im Zusammenhang mit ihm erheben sich aber nicht nur die Fragen nach der Entstehung des Staates, sondern mehr noch die nach dem Zweck des staatlichen Lebens und nach seinem Wert für den Menschen. Typisch für die unter weltlichen Gelehrten und Politikern und, wie man wohl annehmen darf, bei einem großen Teil der Gebildeten überhaupt verbreiteten Anschauungen sind hier die Äußerungen Francis Bacons, des philosophierenden Staatsmannes, der in seinen ethischen Maximen so wenig wie in seiner wissenschaftlichen Methodenlehre den praktischen Juristen verleugnen kann. Dem Konflikt mit der Theologie geht er, wie so manche seiner Zeitgenossen, vorsichtig aus dem Wege, indem er jene auf das jenseitige Leben verweist und darum auch die alte Frage nach dem höchsten Gut von der weltlichen Sittlichkeit ausschließt, die es nur mit den beschränkten und relativen Gütern zu tun habe, die diese Erde biete. Denn die praktische Sittlichkeit ist, wie er meint, von religiösen Überzeugungen unabhängig: auch der Atheist kann sie sich aneignen, wenn auch freilich die Vollendung des Menschen erst dadurch erreicht werde, daß die religiöse Gesinnung zur sittlichen hinzukomme und veredelnd auf sie zurückwirke. Aber nicht minder scheinen ihm die abergläubischen Verirrungen der Religion sittlich verderblich; ja der Aberglaube und der aus ihm hervorgehende religiöse Fanatismus seien gefährlicher als der Unglaube. Doch ist es ihm überhaupt nicht um eine Begriffsbestimmung des Guten und der Tugenden zu tun, sondern um die Aufsuchung der Quellen und Motive des Sittlichen und vor allem um die Anwendungen desselben. Denn auch hier besteht ihm der Hauptmangel der bisherigen Philosophie darin, daß sie es versäumt habe, den Weg von der Erfindung zu nützlichen Anwendungen zurückzulegen. Als die Quelle des Sittlichen bezeichnet aber Bacon die jedem Menschen innewohnende „Lux naturalis", über deren Ursprung er freilich keine weitere Rechenschaft gibt, so daß dahingestellt bleibt, ob er darunter ein angeborenes Vermögen oder eine erst durch die Erfahrung entstandene Einsicht versteht. In dieser

*) Hugo Grotius, De jure belli ac pacis, 1625. Übers. von Kirchmann, 2 Bde., 1869.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »