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der attischen Periode die persönlichen Eigenschaften, die das Ansehen bewirken, den Vorrang. Endlich in der philosophischen Ethik sind es unter diesen persönlichen Eigenschaften wieder solche, die sich auf allgemein menschliche und soziale Pflichten beziehen, auf die Ehrfurcht vor den Eltern, die Ausübung der Gastfreundschaft, die Leistungen für den Staat, die vorzugsweise zum Begriff der Arete erfordert werden, wogegen die mehr äußerlichen Vorzüge der Schönheit, Stärke, Unerschrockenheit u. dergl., auf die einst der Hauptwert gelegt wurde, zurücktreten.

Eine ähnliche Entwicklung hat der römische Begriff der Virtus zurückgelegt. Ursprünglich deckt er sich, wie schon Cicero bemerkt, fast völlig mit dem der männlichen Festigkeit, der Fortitudo. Allmählich ist dann auch hier unter dem Einfluß der Dichtung und Philosophie, die freilich ihrerseits durch das griechische Vorbild mitbestimmt waren, eine Vertiefung der Bedeutung eingetreten, durch die das Wort den Sinn der moralischen Vortrefflichkeit annahm. Vielleicht aber verrät sich die äußere, dem eigentlichen Volksbewußtsein fremde Beeinflussung dieses Vorgangs in der merkwürdigen Tatsache, daß das römische Wort mehr als das deutsche und selbst das griechische neben seiner neuen die ältere und äußerliche Bedeutung bewahrt hat. So wird fortan nicht nur die Tapferkeit des Soldaten, sondern auch die Geschicklichkeit des Redners oder selbst die Gesundheit des Körpers gelegentlich eine Virtus genannt. Der erste Schritt der Vertiefung ist hier geschehen: zur ursprünglich äußeren ist eine innere Bedeutung hinzugetreten, und diese hat allmählich sogar den Vorzug errungen; aber der zweite Schritt, die völlige Abstreifung der äußeren Bedeutung, hat sich noch nicht vollzogen. Gleichwohl erhellt aus diesen drei verschiedenen Entwicklungen der Tugend, der Arete und der Virtus, daß sie auf eine Aufhebung der anfänglichen nationalen Unterschiede ausgehen. Indem dieses Ziel endlich in dem Sprachgebrauch der neueren Kulturvölker im wesentlichen erreicht ist, wird es aber hier allmählich von einer anderen Erscheinung abgelöst, in der sich vielleicht eine neue Differenzierung der Begriffe vorbereitet. Die „Tugend“ und ihre Wortäquivalente in neueren, modernen Sprachen haben für den heutigen Menschen den ethischen Wert teilweise eingebüßt, den sie noch für das 18. Jahrhundert besaßen. Das verrät sich nicht bloß in dem weit sparsameren Gebrauch des Wortes in der Literaturund Umgangssprache, sondern vielleicht mehr noch in dem halb ironischen Sinne, den sie gelegentlich mit ihm verbindet. Selbst

die Moralphilosophie trägt dem bereits Rechnung, indem sie es vorzieht, den Gesamtbegriff der Tugend durch die einzelnen sittlichen Eigenschaften zu ersetzen, die noch nicht an dieser Entwertung teilgenommen haben.

Bei allen diesen Wörtern, die einzelne Seiten des sittlichen Charakters oder der ethischen Wertschätzung ausdrücken, begegnet uns aber im übrigen eine ähnliche Bedeutungsentwicklung. So, wenn wir uns hier auf das Gebiet des Deutschen beschränken, abgesehen von den schon besprochenen Gegensätzen des Guten und Bösen, bei Wörtern wie gerecht, fromm, stolz, tückisch, schlecht, die Achtung, die Würde, die Ehre u. a. Gerecht ist ursprünglich, übereinstimmend mit dem lateinischen rectus, wer den geraden Weg geht. Es wird in der älteren Sprache im Sinne von geschickt oder tauglich angewandt und führt zurück auf die Wurzel reg, deren Urbedeutung wohl in dem lateinischen regere, lenken, am treuesten erhalten ist. Aus ihr ist auch das Substantivum Recht in der Bedeutung der äußerlich gesetzten sozialen Ordnung hervorgegangen. Der Begriff des Rechts hat dann aber wieder auf die Auffassung des Gerechtseins zurückgewirkt: als gerecht gilt, wer dem Rechte gemäß handelt, der Schuldlose, und damit ist nunmehr der moralische Inhalt des Begriffs gesichert.

Zu fromm hat sich in unserem Verbum „frommen“ für nützen, fördern noch einigermaßen die Urbedeutung erhalten. Der Fromme ist der Nützliche, Treffliche, in einer noch früheren Zeit vielleicht der Vorderste, da das gotische fruma dem lateinischen primus entspricht: der allgemeine Begriff des Vorrangs hat sich also hier zuerst zu dem des Vorzugs durch persönliche Eigenschaften, und dieser endlich zu dem der gottesfürchtigen, religiösen Gesinnung verengt*). Einen ähnlichen Wandel hat der Begriff edel erlebt, nur daß sich die Beziehung auf den Adel der Geburt, mit dem das Wort ursprünglich zusammenhängt, neben der überwiegend gewordenen moralischen Bedeutung, wenn auch in seltenerem Gebrauche, erhielt.

Der nämliche Rückgang vom Äußeren auf das Innere begegnet uns bei den Ausdrücken der sittlichen Mißbilligung. Das Eigenschaftswort stolz bezieht sich in älterer Zeit ausschließlich auf einen eiteln, prahlerischen Menschen, so daß man sogar, obgleich wohl mit Unrecht, an eine Entlehnung aus dem lateinischen stultus

*) Grimms Wörterbuch, IV, 1, S. 239.

oder, vielleicht mit größerem Recht, an eine Beziehung zu dem altgermanischen Wort Stelze gedacht hat. Die Tücke ist ein mißverstandener Plural zu dem älteren Wort Tuck, und dieses bezeichnet einen rasch und unversehens ausgeführten Schlag. Ein erlaubtes Mittel im Kampf oder Kampfspiel, hat das Wort, wie so manches andere, seine üble Nebenbedeutung erst durch die Übertragung auf die inneren Eigenschaften des Charakters erhalten. Ein merkwürdiges Paar ähnlicher moralischer Eigenschaftswörter sind endlich schlimm und schlecht. Heute bedeuten sie uns ungefähr das nämliche, ursprünglich sind sie Gegensätze. Schlimm (mittelhochd. slimp) ist schief, und schlecht (sleht) ist gerade. Durch die Zwischenbedeutungen des Einfachen, Schlichten, Geringen hat, wie man annimmt, das Schlechte seinen Übergang in malam partem gefunden. Die Verbindung schlecht und recht" hat sich aus der Sprache Luthers noch heute im Sinne einer verstärkenden Häufung synonymer Attribute erhalten. Daß beide Wörter von einer fast übereinstimmenden Bedeutung aus sich zu Gegensätzen entwickelten, ist nur durch jene Übertragung von außen nach innen möglich, bei der ein und dasselbe sinnliche Bild je nach der Beleuchtung, in der es gesehen wird, einen völlig abweichenden Gefühls- und Begriffswert gewinnen kann. Im einen Fall wird das Gerade zum Ausdruck eines guten, Trug und Winkelzüge verschmähenden Charakters; im anderen Fall wandelt sich das Einfache in das Beschränkte, das Niedrige und endlich vermöge der gleichen von außen nach innen. gerichteten Bedeutungsentwicklung in die niedrige Gesinnung um.

Wie in diesen Beispielen die Vertiefungen und der Wandel der Begriffe darauf beruhen, daß äußere persönliche Eigenschaften in innere übergehen, so kann aber das nämliche auch bei solchen Wörtern geschehen, die sich auf die Wertbeurteilung solcher Eigenschaften beziehen. Dabei kann nun bei dieser zweiten Klasse sittlicher Begriffe noch die weitere Veränderung stattfinden, daß Bezeichnungen, die ihr angehören, in Begriffssymbole erster Art sich umwandeln, also ihre objektive gegen eine subjektive Bedeutung eintauschen, eine Veränderung, die dann im allgemeinen ebenfalls dem Prozess der Verinnerlichung der sittlichen Anschauungen zuzurechnen ist. Denn die sittliche Charaktereigenschaft hat unter allen Umständen einen höheren ethischen Gefühlswert als der ihr entsprechende Ausdruck des Lobes oder Tadels oder der sonstigen äußeren Folgen der sittlichen Gesinnungen und Handlungen. An dem Edelmut des Charakters haftet ein intensiveres Gefühl als

an Lob und Billigung; und ähnlich überragen Sünde und Schuld die Vorstellungen von Sühne und Strafe. Während der Begriff der Tugend von Anfang an subjektiv ist, aber sich vertieft durch die Verinnerlichung der Eigenschaften, auf die er sich bezieht, wirkt so bei dem Laster zu dem nämlichen Erfolg noch das andere Moment mit, daß das Wort ursprünglich nur den Tadel bezeichnete, der über irgend etwas ausgesprochen wird, und allmählich erst auf die tadelnswerten Eigenschaften selbst überging.

Bewahrt der ethische Begriff dauernd seinen objektiven Inhalt, so pflegen dann wiederum solche Ausdrücke, die nur eine Beurteilung des Äußeren einer Persönlichkeit enthalten, auf die ihres Innern übertragen zu werden. So bezeichnet die Achtung zunächst die Aufmerksamkeit, die man einem Menschen vermöge seines Vorrangs erweist, entsprechend dem noch heute erhaltenen Sinn von Wörtern wie beachten, achtgeben u. dergl. Die Würde hängt zusammen mit dem Wert. Würdig ist, was Wert besitzt. Der Wert bezieht sich daher, ähnlich dem gleichbedeutenden griechischen Wort tý, zunächst auf den Kaufpreis oder auf andere äußere Leistungen, um die ein schätzbarer Gegenstand erworben werden kann. Noch deutlicher ist die materielle Basis dieser Vorstellungen in dem lateinischen Wort aestimare erhalten geblieben, wo das aes (Erz, Geld) unmittelbar die Schätzung um Geldwert andeutet. Ähnlich verhält es sich wahrscheinlich mit dem deutschen Ehre, wo der charakteristische Bedeutungswandel mehrere Stufen zu umfassen scheint. Ursprünglich die Gabe bezeichnend, die nach dem Wert dessen sich richtet, was durch sie erreicht oder erkauft werden soll, hat sich die Bedeutung zuerst teilweise auf diesen Wert selbst zurückgezogen, also den Wandel aus dem Objektiven ins Subjektive erfahren, wobei aber doch die objektive Bedeutung miterhalten blieb. Wir reden noch heute von einem Mann von Ehre, ebenso wie von einem Mann, dem Ehre widerfährt. In diesen beiden nebeneinander beharrenden Bedeutungen hat sich dann aber der moralische Sinn des Wortes zusehends vertieft. Ursprünglich auf den äußeren Glanz gehend, den jemand um sich verbreitet, oder durch den er von anderen ausgezeichnet wird, ist es allmählich vorwiegend zur Charaktereigenschaft und ihrer Schätzung geworden, wenn auch in mannigfachen Formen des Gebrauchs, wie in dem Ehrengeschenk, dem Ehrentag, den Ehrenzeichen u. s. w., Merkmale jenes äußeren Glanzes noch sich erhalten haben.

Zugleich zeigt dieses Wort noch eine Beziehung, die auch

sonst in dem ethischen Wortschatz tiefe Spuren zurückließ. Eine der hervorragendsten Bedeutungen der Ehre aus der Zeit der vorwiegend objektiven Verwendung des Begriffs ist die der Gottesehre, des Kultus*), ähnlich wie in dem lateinischen honos und dem griechischen tu besonders in älterer Zeit der Sinn der Ehrenbezeigung gegenüber den Göttern im Vordergrund steht. So ist überhaupt bei allen den Ausdrücken, die dem Vorstellungskreis der sittlichen Billigung und Mißbilligung angehören, der religiöse Einfluß ein sehr allgemeiner, und er erstreckt sich namentlich auf die Gegensätze des Guten und Bösen selbst und andere ethische Attribute. Überall auf indogermanischem Sprachgebiet sind diese Beziehungen zum Kultus der Götter nachweisbar. Sie haben sich vielleicht am lebendigsten bei den Indern erhalten, entsprechend der ungeheuren Bedeutung, die hier Opfer und andere äußere Kultushandlungen besaßen.

So führt uns die Sprache auf verschiedenen Wegen zu dem Ergebnis, daß die sittlichen Vorstellungen in der Form, in der sie heute unser sittliches Bewußtsein kennt, die Erzeugnisse einer langen Entwicklung sind, bei der ihre fortschreitende Vertiefung und Verinnerlichung eingetreten ist; und zahlreiche Tatsachen weisen bereits darauf hin, daß Religion, Dichtung und Philosophie auf diesen Prozeß einen mächtigen Einfluß ausübten. Allerdings lassen sich die Erscheinungen der Sprache nicht unmittelbar in ethische Vorgänge zurückübersetzen, weil die Vorstellungen und Gefühle selbst immerhin von den Hilfsmitteln ihrer Bezeichnung verschieden sind. Aber da sich doch keine wichtigere Änderung des Bewußtseins vollziehen kann, ohne ihre Wirkungen auf den Gedankenausdruck zu üben, so dürfen wir jedenfalls annehmen, daß die Entwicklung der sittlichen Anschauungen im selben Sinne vor sich gegangen ist wie der Begriffswandel der Bestandteile des ethischen Wortschatzes. Der letztere zeigt uns aber namentlich zwei allgemeine Tatsachen, die wohl als die bedeutsamsten in diesem ganzen Prozeß anzusehen sind. Die erste besteht darin, daß von äußeren Vorzügen der körperlichen Anlage und Übung sowie von der äußeren Befolgung der Vorschriften des Kultus und der Sitte die Wertschätzung mehr und mehr auf die inneren Eigenschaften des Charakters und der Gesinnung übergeht; die zweite darin, daß die prak

*) Grimms Wörterbuch, III, S. 54.

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