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geführt wurde, das Gebiet des theoretischen Erkennens, das in die Schranken der Sinnlichkeit gebannt bleibt, zu dem der praktischen Freiheit, das aus der intelligibeln Natur des Menschen hervorgeht, in einen Gegensatz zu bringen. Aber diesem Gegensatze widerstreitet es nun ganz und gar, daß die bei der Erfahrungserkenntnis gefundene Unterscheidung von Form und Inhalt nicht nur auf das Reich der intelligibeln Freiheit übertragen, sondern daß hier sogar nur die Form auf intelligiblem, der Inhalt aber auf sinnlichem Gebiete gesucht wird. Dieser Unterschied führt den weiteren mit sich, daß sich in diesem Fall Form und Inhalt wesentlich anders zueinander verhalten als beim Erkennen. Wir müssen das Sittengesetz nicht auf jeden empirischen Inhalt sinnlicher Handlungen anwenden, wie die Raumform auf jeden Inhalt sinnlicher Wahrnehmungen, sondern wir können es, weil das Sittengesetz für die intelligible Freiheit gilt. Doch wenn wir ihm nicht folgen, so folgen wir Neigungsmotiven, die aus dem sinnlichen Inhalt der Erfahrung entspringen, wie Lust, Eigennutz u. dergl. So kommt es, daß der kategorische Imperativ einerseits als a priori gültige Form aufgefaßt wird für jeden Inhalt empirischer Handlungen, und daß er anderseits doch im Streit liegen soll mit diesem Inhalt. Nun ist ein solcher Kampf des Sittlichen mit dem Sinnlichen allenfalls auf dem platonischen Standpunkte denkbar, dem beide als einander gegenüberstehende reale Mächte gelten, nicht aber auf dem kantischen, dem das Sittengesetz ein bloßes Formprinzip ist, das an dem Tatbestand unserer Handlungen seinen empirischen Inhalt findet. So gravitiert diese Anschauung unvermeidlich zu der Voraussetzung, daß das Sittengesetz doch nicht bloße Form sei, sondern daß es einen Inhalt besitze, der durch die kantische Formulierung verhüllt wird. Nur wenn es in allgemeingültiger Form den Inhalt sittlich-guter Handlungen bezeichnet, kann es in der Tat in Konflikt treten mit andern Maximen, die wir unsittliche nennen.

Dies bestätigt sich nun auch sofort bei der Prüfung der kantischen Formel. Daß ein Prinzip, das nicht bloß das tätige Ich, sondern eine Vielheit gleichartiger handelnder Wesen voraussetzt, kein rein apriorisches sein könne, ist einleuchtend. In dieser Beziehung verhält es sich ja ganz anders mit den Anschauungsformen und Kategorien, wo nichts vorausgesetzt wird als ein Stoff von Empfindungen, die bloß als Affektionen des Ich gedacht zu werden brauchen. Der Begriff einer Vielheit sittlicher Persönlichkeiten ist dagegen sicherlich eine verhältnismäßig spät im Bewußtsein auf

tretende äußere Erfahrung; bis zu dem Moment, wo diese Erfahrung entstand, müßte das Sittengesetz latent bleiben. Doch gibt man selbst diese Möglichkeit zu, so würde nun keineswegs mit dem Auftreten jener Erfahrung dieselbe auch sofort der Form des Sittengesetzes sich einfügen, ähnlich etwa wie die wahrgenommenen Empfindungen der Form des Raumes oder die in der Zeit beharrenden Wahrnehmungen dem Begriff der Substanz. Denn indem das Sittengesetz so zu handeln gebietet, wie es zu einer allgemeinen Gesetzgebung erforderlich ist, stellt es eine Frage, die erst beantwortet werden muß, bevor wir es auf irgend einen Erfahrungsinhalt anwenden können. Welche Beschaffenheit der Handlung ist zu einer allgemeinen Gesetzgebung geeignet? Kant sagt, es sei an und für sich klar, daß ich z. B. ein allgemeines Gesetz zu lügen nicht wollen könne, weil es dann überhaupt kein Versprechen gäbe, da Andere einem solchen nicht glauben oder, wenn sie es übereilter Weise doch täten, mich mit gleicher Münze bezahlen würden, so daß eine solche Maxime sich selbst zerstören müsse *). Sind nun diese Antworten Resultate einer wenn auch noch so einfachen Reflexion, so ist das Sittengesetz kein reines Formprinzip mehr, das unmittelbar und a priori auf den empirischen Inhalt der Handlungen angewandt werden kann, sondern diese Anwendung setzt in jedem Fall seiner Anwendung eine Überlegung über die allgemeine Durchführbarkeit einer bestimmten Handlungsweise voraus. Dann aber scheint es unvermeidlich, daß bei einer solchen Reflexion das Wohl und Wehe des eigenen Ich zum Maßstab für die Möglichkeit einer allgemeinen Gesetzgebung genommen wird. So gehören denn auch Kants eben erwähnte. Ausführungen im einzelnen dem egoistischen Utilitarismus an. Dak Kant diese Konsequenz nicht gewollt, ja daß er ihr auf das äußerste widerstrebt hat, ist unzweifelhaft. Nicht als Motive des sittlichen Tuns wollte er offenbar jene Utilitätsrücksichten betrachtet wissen, sondern als Exemplifikationen dafür, daß die Stimme unseres Gewissens stets mit dem übereinstimme, was im Interesse des menschlichen Zusammenlebens notwendig sei. Eine solche Übereinstimmung würde aber wieder allein unter der Voraussetzung möglich sein, daß das Gewissen jedesmal unter dem Einfluß einer unmittelbaren Inspiration dasjenige zu tun befehle, was dann auch die nachträgliche Reflexion als das dem Handelnden selbst Nützliche erkennt.

*) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 24, 48 ff. Kritik der prakt. Vernunft, S. 159 ff.

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Das würde nun im wesentlichen auf die nominalistische Auffassung zurückführen, nach welcher das Gute nicht an sich, sondern deshalb gut ist, weil es von Gott gewollt wird, womit in der Tat auch Kants religiöse Formulierung des Sittengesetzes übereinstimmt, es sei die Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote". So nimmt denn Kant eine eigentümliche Mittelstellung ein zwischen dem weltlichen und theologischen Utilitarismus seiner Zeit. Dem ersteren gehören durchaus die Einzelausführungen über die Anwendung des Sittengesetzes an. Nach dem letzteren gravitiert der Gegensatz, in den er das Pflichtgebot zu der natürlichen Neigung bringt, und der transzendente Eudämonismus, die Aussicht auf ein übersinnliches höchstes Gut, der sich damit verbindet. Kant eigentümlich ist aber die formale Apriorität des kategorischen Imperativs, die an seiner eigenen Erkenntnistheorie ihre Anlehnungen findet. Indem diese formale zugleich eine transzendente Apriorität ist, die auf unsere übersinnliche Natur als ihre Quelle zurückweist, berührt sie sich dann teils mit der christlichen Mystik, teils wiederum mit der theologischen Utilitätsmoral. Diese Anlehnung vervollständigt sich durch Kants Religionsphilosophie. Nur kehrt sich das Kausalverhältnis zwischen dem Sittengesetz und der Gottesidee um. sollen das Sittengesetz nicht darum als ein unbedingt verpflichtendes achten, weil es von Gott gegeben ist, sondern wir sollen es als ein göttliches Gesetz achten, das uns selbst die Wahrheit unseres Glaubens an Gott verbürgt, weil wir es als ein unbedingt verpflichtendes in uns finden *). Diesen Beziehungen entsprechen auch ganz seine religionsphilosophischen Bestrebungen, eine Verwandtschaft seiner eigenen Ethik mit bestimmten kirchlichen Lehren zu finden, wie mit dem Dogma der Erbsünde, der Rechtfertigung durch den Glauben, der Erlösung durch Christus, ethische Umdeutungen, in denen sich die Bestrebungen eines Leibniz, nur in einer noch mehr rationalisierten, nüchterneren Form, erneuern. Ebenso bleibt seine Rechtslehre überall in den willkürlichen, ausschließlich von egoistischen Nützlichkeitserwägungen ausgehenden Konstruktionen der Verstandesmoral seiner Zeit befangen **).

Wir

Trotz dieser Schwächen hat die kantische Ethik einen tiefen Einfluß ausgeübt. Sie verdankt dies vor allem der Strenge ihres Pflichtbegriffs, der energischen Abwehr eudämonistischer und

*) Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, S. 69.
**) Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Werke Bd. 9.

utilitarischer Motive. Eine je größere Verbreitung die letzteren innerhalb der englischen, französischen und schließlich auch der deutschen Aufklärung gewonnen hatten, umsomehr mußten sich alle, denen diese äußere Alltagsmoral mit ihren auf egoistische Berechnung oder bestenfalls auf Weltklugheit gegründeten Erwägungen widerstrebte, von der Strenge der ethischen Grundsätze Kants angezogen fühlen. In seinem Pflichtbegriff lebt etwas von dem asketischen Geist der christlichen Ethik und von Luthers werktätigem Christentum, und spiegelt sich zugleich die ernste Lebensauffassung des deutschen Nordens der Friderizianischen Zeit. Darum führt auch in dieser Beziehung die Ethik Kants nur zur Vollendung, was in der deutschen Aufklärung selbst von frühe an lebendig geblieben war, und worin sie sich, für die treibenden Kräfte in beiden Ländern charakteristisch genug, von der gleichzeitigen französischen Aufklärung scheidet. Schon bei Wolff bildet die Lehre von den Pflichten den umfangreichsten Teil der Moral, und Friedrich der Große redet von der Pflicht in Worten, die lebhaft an Kants berühmte Apotheose erinnern*). Als dagegen in Frankreich die gesetzgebende Versammlung von 1792 die allgemeinen Menschenrechte" proklamierte, da wurde ein schüchterner Vorschlag, neben ihnen auch der bürgerlichen Pflichten zu gedenken, mit überwältigender Mehrheit niedergestimmt.

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3. Die Romantik.

a. Die Entwicklung der romantischen Geistesrichtung.

Wie das Wort „Romantik" für die Geistesrichtung, die es andeuten soll, beinahe willkürlich und zufällig gewählt scheint, so ist die Romantik selbst durch keine für ihre ganze Entwicklung feststehende Definition zu umfassen. Hierin bildet sie den vollen Gegensatz zu der vorausgegangenen Aufklärung, die, so sehr sie sich gewandelt und bei den verschiedenen Nationen zum Teil abweichende Wege eingeschlagen hat, doch in ihren Grundtendenzen immer dieselbe geblieben ist. Die Romantik ist sprunghaft, bisweilen launen

*) Chr. Wolff, Von der Menschen Tun und Lassen etc., 6. Aufl., 1736, II. Teil. Friedrich der Große: „Mein Körper und mein Geist haben sich meiner Pflicht zu fügen; ich muß nicht leben, aber ich muß handeln“ (Zeller, Friedrich d. Gr. als Philosoph, S. 69). Vgl. dazu Kant, Kritik der prakt. Vern., 3. Hauptst., Ausg. von Rosenkranz, S. 214 (,,Pflicht! Du erhabener großer Name" u. s. w.).

haft, sie bewegt sich in Gegensätzen, und wenn, wie Fr. Schlegel sagt, das Wort „romantisch“ von den schnörkelhaften Arabesken des romanischen Stils hergenommen ist, so liegt immerhin schon in dem Wort eine zutreffende Symbolik. Nur eines ist es, was die Romantik von Anfang bis zu Ende charakterisiert: der Haß gegen die Verstandesaufklärung. Hier wirkt das Gesetz der Kontraste vielleicht stärker und nachhaltiger als irgendwo sonst in der neueren Geistesgeschichte. Es ist ein ähnlicher Gegensatz, wie ihn die Renaissance gegenüber der Gebundenheit des mittelalterlichen Denkens empfunden hatte. Die Aufklärung hatte das Werk der Befreiung, das die Renaissance begonnen, endgültig zu vollenden gemeint. Die Romantik hatte das Gefühl, als wenn dadurch der Geist nur in neue, unerträglichere Fesseln geschmiedet worden sei. Denn was wollte aller Zwang der äußeren Autorität gegen diesen Zwang der verstandesmäßigen Reflexion bedeuten, die alle Dinge, die höchsten wie die niedersten, mit ihrem Netz umspannte, und die den Menschen wie eine nach den unwandelbaren Gesetzen des logischen Denkens handelnde Maschine betrachtete. So begann denn auch die romantische Bewegung nicht innerhalb der Wissenschaft, der von Hause aus die verstandesmäßige Reflexion ein adäquateres Medium blieb, sondern in der Dichtung, von der sich zugleich verborgene Fäden zu jenen Bekennern einer Religion des Gefühls zogen, die schon seit lange der aufgeklärten Theologie wie der dieser wesensverwandten starren Dogmengläubigkeit abhold waren. Klopstocks Messias wurde für diese Kreise ein Evangelium, an dem man Herz und Gemüt erquickte; und dieses Recht des Gefühls, das hier zunächst auf religiösem Gebiet sich regte, brachten nun die Stürmer und Dränger überall, in der weltlichen Dichtung wie im wirklichen Leben, zur Geltung. Gegen den kühl abwägenden Verstand setzten sie den Impuls der Leidenschaft, den heroischen Affekt, den schon der Philosoph der Renaissance den göttlichen Funken im Menschen genannt hatte, und der dieser nüchternen Zeit ganz und gar abhanden gekommen schien. Wieder entbrannte in der neuen Generation das Verlangen, daß jeder Mensch frei seine Kraft entfalte und in seiner Weise sich auslebe, statt einer starren Regel zu folgen, die auf dem Dogma von der Gleichheit der Menschen und von der Herrschaft ewig gleicher Gesetze des Denkens und Handelns aufgebaut war. Die freie Persönlichkeit, wie sie die Griechen gekannt, sie war ja schon von der Renaissance wieder entdeckt worden. Der Aufklärung aber, die diese Befreiung zu vollenden gemeint, war sie eben deshalb wieder abhanden gekommen. An die

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