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c. Die Wohlfahrtsmoral und der Positivismus in England und Frankreich.

In England knüpft die Entwicklung der neueren Moraltheorien an den Empirismus und Utilitarismus der Lockeschen Schule an; sie ist aber mitbeeinflußt von den schottischen Philosophen der Vergangenheit, einem Hume und Adam Smith, und sie verstattet daher auch dem Gefühlsmoment einen gewissen Einfluß, obgleich Lockes Standpunkt der Reflexion der vorwaltende bleibt. Nur in der einen Beziehung geht sie entschieden über denselben hinaus, daß sie auf das Gesamtwohl den entscheidenden Wert legt. In dieser universellen Tendenz geht sie wieder auf den ersten Begründer der englischen Moralphilosophie, auf Bacon, zurück, und sie verläßt zugleich, wenigstens in Bezug auf die Zwecke des Sittlichen, die Bahnen des seitherigen Empirismus, indem sie diese Zwecke bis zu einem gewissen Grade als ideale, erst in der Zukunft zu realisierende betrachtet. Infolge dieser Richtung auf die Zukunft vollzieht sich mehr und mehr der Übergang zu einer evolutionistischen Ethik, die mit den Bestrebungen der früheren deutschen Aufklärungsphilosophie und selbst mit denjenigen des neueren deutschen Idealismus manches Verwandte darbietet. Von diesem scheidet sie aber nicht nur die völlig empirische Behandlung der Motive des Sittlichen, sondern auch die realistische Auffassung der Zwecke. Indem sie unter der Gesamtheit niemals etwas anderes versteht als die Summe der Individuen, fällt ihr auch der Begriff des Gesamtwohls mit dem Wohl Aller oder der Mehrheit der Einzelnen zusammen. Ihr Universalismus bewahrt also stets eine individualistische Färbung.

Bahnbrechend für diese Entwicklung sind die Werke Jeremias Benthams*). Wie dereinst bei Bacon, so sind auch bei ihm politische und juristische Gesichtspunkte vorwaltend. Er geht von vornherein davon aus, daß die Ethik auf dasselbe allgemeine Prinzip zu gründen sei wie die Gesetzgebung, wonach von selbst das Gemeinwohl in den Vordergrund des ethischen Interesses tritt. Diesen

L. Büchner, Kraft und Stoff, 1855, 13. Aufl., 1874. Häckel, Die Welträtsel, 1899 (seitdem in zahlreichen Auflagen und Übersetzungen verbreitet).

*) Oeuvres de J. Bentham, Bruxelles 1829, t. I-III. Darin besonders: Traité de législation, par E. Dumont, Principes, in t. 1, und Théorie des peines et des récompenses, in t. II. Beide Werke sind freie Bearbeitungen, nicht Übersetzungen; das erstgenannte hat Ed. Beneke ins Deutsche übertragen, 2 Bde., Berlin 1830.

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Begriff des Gemeinwohls sucht nun aber Bentham begrifflich bestimmter zu fixieren, Er definiert dasselbe als das größtmögliche Wohl der größtmöglichen Zahl", oder, wie er es kürzer auch ausdrückt, als die „Maximation der Glückseligkeit". In dieser Definition liegt, wie Bentham anerkennt, eine Unbestimmtheit. Abgesehen davon, daß dadurch selbstverständlich die Größe der allgemeinen Wohlfahrt von den an und für sich dem Wechsel unterworfenen Existenzbedingungen abhängig gemacht wird, erhebt sich namentlich die Frage, ob bei dem Maß der maximalen Glückseligkeit die Intensität der Lust oder ihre extensive Ausbreitung von höherem Werte, ob es also vorzüglicher sei, daß sich eine kleinere Zahl einer hohen Wohlfahrt, oder daß sich eine größere einer verhältnismäßig geringeren Wohlfahrt erfreue. Bentham sucht dies Problem zu lösen, indem er zunächst die Hauptformen von Lust und Unlust der Untersuchung unterwirft, von den einfachen Freuden der Sinne ausgehend und bei den verwickelteren Freuden, welche die Beziehung zu andern Menschen und das Leben in der Gesellschaft gewähren, endend. Diese Untersuchung ergibt, daß die Freuden des Reichtums insofern eine zentrale Stellung einnehmen, als er die Mittel an die Hand gibt, um die übrigen Freuden, wie sinnliche Genüsse, Unabhängigkeit, Macht, Wohlwollen u. dgl., überhaupt genießen zu können. Auch die Gesetzgebung hat daher, abgesehen davon, daß sie die Erhaltung der Existenz der Einzelnen möglich machen muß, neben der Sicherheit und der Gleichheit der Staatsbürger vor allem deren Wohlstand zu fördern. Vermöge der wichtigen Stellung, welche der Wohlstand in dem System der Güter einnimmt, indem er nicht sowohl selbst ein Gut als das Hilfsmittel zur Erwerbung der Güter ist, reduziert sich also die Frage nach dem Verhältnis von Intensität und Extension des Wohles auf die andere, ob das Gemeinwohl dann ein größeres sei, wenn Wenige einen großen, oder dann, wenn Viele einen mäßigen Wohlstand genießen. Bentham antwortet durch eine Betrachtung, die an Dan. Bernoullis mensura sortis" erinnert. Dieser hatte mit Rücksicht auf das Glückspiel bemerkt, der Zuwachs an Wohlbefinden, den ein bestimmter Gewinn hervorbringe, sei umgekehrt proportional dem bereits vorhandenen Besitz. Bentham deduziert allgemeiner, aber unbestimmter, jedem Quantum Reichtum entspreche ein Quantum Glück, von zwei Individuen mit ungleichem Besitz sei daher unter sonst gleichen Bedingungen der Reichere jedenfalls der Glücklichere; doch der Überschuß des Reichen an Glück sei nicht so groß wie

sein Überschuß an Reichtum. Je mehr sich daher das Verhältnis des Besitztums der Bürger eines Gemeinwesens der Gleichheit nähere, desto größer sei die Summe der Glückseligkeit. Diese Folgerung würde direkt zum Kommunismus führen, wenn nicht gleichzeitig noch ein anderer Gesichtspunkt zur Geltung käme. Nicht bloß den Wohlstand und die Gleichheit, sondern auch die Sicherheit der Bürger hat nämlich der Staat zu wahren; ja die Sicherheit ist das höhere Gut, weil, sobald sie in Gefahr ist, auch alle anderen Güter gefährdet sind. Nichts widerspricht aber mehr dem Prinzip der Sicherheit als die Antastung des Privateigentums. So gelangt Bentham zu der merkwürdigen, von ihm selbst freilich nicht ausgesprochenen Folgerung, daß die „Maximation der Glückseligkeit“, die sein Moralprinzip fordert, nie zu erreichen ist, weil eine möglichst gleiche Verteilung des Besitzes, die dazu die notwendige Bedingung wäre, wegen der mit ihr verbundenen politischen Gefahren nicht hergestellt werden kann.

Obgleich nun Bentham nicht daran denkt, im Sinne des Hedonismus die Glückseligkeit der sinnlichen Lust gleichzusetzen, so gravitieren doch seine Anschauungen nach dieser Seite durch die wichtige Stellung, die er dem materiellen Besitz einräumt. Denn so sehr er es betont, daß der Reichtum das Hilfsmittel sei, durch das wir uns nicht bloß sinnliche, sondern auch geistige Genüsse verschaffen können, so leidet es doch keinen Zweifel, daß die letzteren nicht in so unbedingter Abhängigkeit von demselben stehen wie die ersteren. Dieser einseitige Gesichtspunkt, daß die äußern Güter die Hilfsmittel zur Hervorbringung der innern sind, gibt aber seinen Gedanken ihre utilitarische Richtung. Das Nützliche ist nicht um seiner selbst, sondern um der Objekte willen da, denen es dient. In diesem Sinne ist vor allem der Reichtum nützlich. In ähnlicher Weise können aber auch die andern Freuden, die sich an der menschlichen Glückseligkeit beteiligen, wechselseitig fördernd ineinander eingreifen, wie die Geschicklichkeit, die Freundschaft, die Macht, das Wohlwollen u. s. w. Hinter dieser Untersuchung der Zwecke tritt die der psychologischen Motive des Sittlichen ganz zurück. Lust und Unlust gelten offenbar als Zwecke und Motive zugleich. Sie bestimmen sowohl, was wir tun werden, als was wir tun sollen." Als Motive treten sie aber in den Dienst der Vernunft, die uns die richtigen Wege anweise, wie durch unser Handeln und durch eine zweckmäßig eingerichtete Gesetzgebung unser eigenes Glück und das der Mitmenschen gefördert werde. Die Ver

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nunft werde dabei teils durch physische Einflüsse geleitet, indem wir an unserem eigenen Körper erfahren, was nützlich und was schädlich sei, teils durch politische Einflüsse, indem die schon bestehende Gesetzgebung auf den richtigen Weg führe; dazu treten endlich noch die gesellschaftliche und die religiöse Sanktion in der Form der öffentlichen Meinung und des religiösen Sittengebotes. In diesen verschiedenen Sanktionen des Nützlichkeitsprinzips wiederholen sich die entsprechenden Unterscheidungen Lockes; nur daß noch entschiedener das natürliche Sittengesetz, das jeder in seiner eigenen Vernunft findet, bevorzugt wird. So werden denn die intellektuellen Motive die vorwaltenden. In diesem Sinne gesteht Bentham bei der Untersuchung der Beweggründe des selbstlosen Handelns nicht bloß dem Wohlwollen, sondern auch dem Streben nach gutem Ruf, dem Verlangen nach Freunden und der Übereinstimmung mit den Vorschriften der Religion ihren Wert zu; und er entscheidet die Frage, warum wir das allgemeine Wohl dem eigenen vorziehen können, mit Hobbes und Locke dahin, daß ursprünglich der Egoismus allein das den Menschen treibende Motiv sei, aber die Überlegung ihn bald lehre, daß es nützlich ist, vor der Welt uneigennützig zu scheinen. Der bloße Schein bringe jedoch die Gefahr mit sich, als Heuchler entlarvt zu werden, und so stelle es sich schließlich als nützlich heraus, das wirklich zu sein, was man zuerst bloß geschienen habe. Dies ist eine Erneuerung der Theorie des Helvetius, dieser unhaltbarsten aller psychologischen Vorstellungen der Aufklärungszeit, in wenig veränderter Gestalt. (Vgl. oben S. 427.)

Natürlich ist es nicht diese wertlose Motivierung, der Benthams Moralphilosophie ihre nachhaltige Wirkung verdankte. Letztere entsprang vielmehr, abgesehen von einzelnen einsichtigen Bemerkungen des um die Gesetzgebung seines Landes verdienten Mannes, hauptsächlich der glücklichen Formulierung des Prinzips der Maximation der Glückseligkeit. In ihm hatte von da an der soziale Utilitarismus sein Stichwort gefunden, durch das die unerfüllbare Forderung des gleichen Glücks Aller zweckmäßig beschränkt wurde, und das außerdem unbestimmt genug war, um den mannigfaltigsten sozialen und politischen Anschauungen neben sich Raum zu lassen.

In jener Grundtendenz steht nun vor allem auch der französische Positivismus, wie er hauptsächlich von Auguste Comte vertreten wird, mit dem Grundgedanken der Wohlfahrtsmoral durchaus in Über

einstimmung. Auch für Comte beruht das Glück der Einzelnen auf dem Zustand der bürgerlichen Gesellschaft; und die verwickelten Gleichgewichtsbedingungen der letzteren lassen immer nur ein relatives, nie ein absolutes Maximum an Glück zu. Aber in seiner Auffassung des gesellschaftlichen Zustandes ergänzt er zugleich Bentham nach einer wichtigen Seite. Dieser ist, wie in der verstandesmäßigen Begründung der ethischen Motive, so in der ungeschichtlichen Auffassung von Staat und Gesellschaft, noch ganz ein Mann des 18. Jahrhunderts. Comtes Philosophie hat zwar ebenfalls in diesem ihre Wurzeln. Sie geht hier auf eine in den exakten Wissenschaften stark vorwaltende skeptische Richtung zurück, die aller „Ideologie“ abgeneigt ist, aber auch der vulgären Aufklärungsphilosophie eines Helvetius und Holbach kühl ablehnend gegenübersteht und in Männern wie d'Alembert und, auf soziologisch-historischem Gebiet, Turgot ihre Vertreter hat. Schon in Turgot, und dann namentlich in dem diese Traditionen weiterpflegenden St. Simon verbinden sich diese positivistischen Tendenzen mit geschichtsphilosophischen Anschauungen*). So ist denn auch Comtes Philosophie darin ein echtes Kind der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, daß sie, nicht weniger wie diejenige Hegels, von der Idee geschichtlicher Entwicklung erfüllt ist. Aber hatte bei Hegel das Schema der dialektischen Methode herhalten müssen, um den Gang der Geschichte unter allgemeine Vernunftgesetze zu bringen, so war es bei Comte eine der Erfahrung vielleicht mehr abgelauschte, dafür jedoch um so dürftigere Abstraktion, die nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und Zukunft ihre Regeln vorschreiben sollte. Nach seinem, übrigens von Turgot bereits in etwas beschränkterer Form ausgesprochenen „Gesetz der drei Stadien" soll die Menschheit zuerst von theologischen, dann von metaphysischen, zuletzt aber und definitiv von positiven, nur der wirklichen Welt entnommenen Ideen beherrscht sein. Dieses Gesetz gibt ihm nun nicht nur den äußeren Leitfaden ab, um die Entwicklung des wissenschaftlichen Geistes in einem bei aller Einseitigkeit der Betrachtung umfassenden Bilde zu zeichnen, sondern es ist ihm auch maßgebend für die politische Geschichte und die sozialen Zustände der Völker**). Hier wird dann freilich mehr als das ursprüngliche Gesetz die Hilfsannahme

*) Vgl. über die Beziehungen St. Simons zu Comte P. Barth, Die Philosophie der Geschichte als Soziologie, I, S. 23 ff.

**) Cours de Philosophie positive, T. I, Leç. 1, T. IV, Leg. 51.

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