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darum noch nicht das Recht, in ihnen, wie es geschehen ist, Zeugnisse eines ursprünglichen Monotheismus zu sehen, oder aus ihnen einen besonderen Henotheismus“ zu machen, der den Anfang aller Religion bilden soll*).

Jene naive Betrachtungsweise, die ungestört Gegensätze vereinigt, weil sie, während ihr die eine Seite gegenwärtig ist, an die andere nicht denkt, wird aber hinfällig, sobald die Kritik sich der mythologischen Vorstellungen bemächtigt und deren innere Widersprüche zum Bewußtsein bringt; und damit beginnt notwendig ein Prozeß der Zersetzung der bisherigen Vorstellungen, der mit den religiösen zugleich die ethischen Grundlagen des Lebens in Frage zu stellen scheint. In dem Maße jedoch, als dieser Zersetzungsprozeß fortschreitet, werden nun dem mythologischen Denken mancherlei neue Hilfsmittel verfügbar, durch die es sich einer reiferen Bewußtseinsstufe anzupassen sucht, der eine solche naive Vereinigung nicht mehr genügt.

Ein erstes Hilfsmittel dieser Art liegt an sich außerhalb des Mythus und ist diesem vielmehr durch die ihn zersetzende Kritik aufgedrängt: es besteht darin, daß die Elemente, die man störend empfindet, als fremdartige Zutaten und willkürliche Ausschmückungen preisgegeben werden. Innerhalb einer jeden Kulturreligion hat es eine derartige Zeit der Auslese gegeben, und wir selbst leben heute noch mitten in einer solchen. Bei den Griechen hat sich dieser Prozeß müheloser vollzogen, als es uns beschieden ist, weil die religiösen Anschauungen ihnen nicht in einer besonders geheiligten Form überliefert waren. Dadurch wurde es ihnen leicht gemacht, alles, was von dem mythischen Stoff dem gereifteren Bewußtsein nicht mehr genügen mochte, den Dichtern aufzubürden, und es blieb einem jeden bis zu einem gewissen Grade freigestellt, nach eigenem Bedürfnis von dem Überlieferten beizubehalten was ihm zusagte. Dieser Zustand der Dinge war offenbar während der attischen Periode eingetreten. In ungleich höherem Grade hat die römische Religion, dem auch hier auf die Begründung fester Rechtsordnungen gerichteten Sinn des römischen Volkes nachgebend, in streng geregelten Kultvorschriften und in einer zu deren Ausführung und Überwachung eingesetzten Priesterschaft von frühe an den Charakter strengerer Gebundenheit angenommen. Aber hier wirkte nun, gewissermaßen als ein Äquivalent für jene dem griechischen Geiste eigene freiere

*) Max Müller, Vorlesungen über den Ursprung und die Entwicklung der Religion, 2. Aufl., S. 291 ff.

Beweglichkeit, die Einwirkung fremder Religionskulte, vor allem der griechischen, dann in der späteren Zeit, der Ausbreitung der römischen Weltherrschaft folgend, auch der orientalischen, ausgleichend, und ließ mehr und mehr auch dem Einzelnen einen freieren Spielraum in der Betätigung seiner Überzeugungen.

Ein wirksameres Mittel für den nämlichen Erfolg besitzt jedoch das mythologische Denken selbst in der Schaffung neuer Göttervorstellungen, die von den Mängeln der älteren Mythen frei sind. Dieses Mittel ermöglicht es dem Bewußtsein, auch noch auf einer höheren sittlichen Entwicklungsstufe den religiösen Ideen eine die Phantasie ansprechende Form zu geben, während jene philosophische Kritik, die an den vorhandenen Göttergestalten nur das bewahren möchte, was ihr standhält, sehr bald in die Gefahr gerät, die religiöse Anschauung zum reinen Begriff zu verflüchtigen. In Griechenland und Rom tritt namentlich die Umwandlung gewisser ursprünglicher Attribute der Götter oder untergeordneter Dämonen in selbständige Göttervorstellungen von vorwiegend oder ausschließlich ethischem Charakter bedeutsam hervor. So die Tyche, die Dike, die Nemesis, das Dämonion, das Fatum, die Fides, Felicitas, Fortuna u. a. Die Tyche, anfangs noch im Dienste des Zeus gedacht, wurde allmählich zu einer Art Gegengöttin, die umsomehr in die Rolle der schicksallenkenden, den Göttern selbst übergeordneten Macht eintrat, je mehr diese Götter durch das Spiel der poetischen Phantasie ethisch entwertet waren. Der Jupiter Fulgur, der Blitzgott, wird, indem der Blitzstrahl zuerst als Rache für den Ungehorsam gegen den Willen Gottes, dann als Strafe für sittliche Schuld überhaupt gedeutet wird, zum Schützer des Eidschwures, dessen verpflichtende Kraft dem Römer als ein äußeres Symbol der Pflicht überhaupt gilt, zum Jupiter Fidius; und aus diesem Attribut löst endlich die Fides als eine selbständige Gottheit sich ab. Ähnlich sind der Venus Felix und Victrix die Felicitas und die Victoria gefolgt. Nachdem einmal solche Attribute zu selbständigen Göttern erhoben waren, bedurfte nun aber bald dieser Prozeß überhaupt nicht mehr der Anknüpfung an einen ursprünglichen Naturgott. Der Begriff, das Wort selbst wurde zum Gott hypostasiert. So folgten die Spes, die Pietas, die Concordia, die Virtus, der Honos, der Bonus Eventus u. a. Indem aber bei allen diesen göttlichen Wesen die abgeleitete oder neue Bildung der Namen unmittelbar die Bedeutung lebendig erhält, werden zugleich diese neuen spezifisch ethischen Götter vor einem ähnlichen Geschick bewahrt, wie es den Göttern

der alten Mythen widerfahren war. In einer Tyche, Fortuna, Fides, Virtus und anderen späteren Objekten des Kultus ist der Hinweis auf das Schicksal, das Glück, die Treue, die Tugend so zwingend enthalten, daß die Personifikation dieser Begriffe die erste und letzte Veränderung bleibt, welche die mythenbildende Phantasie mit ihnen vornehmen kann.

In diesen späteren Gestaltungen der mythologischen Vorstellungen hat sich nun aber zugleich eine vollständigere Trennung der Richtungen vollzogen, in denen sich der religiöse Inhalt des Mythus betätigt. Von jenen früher bezeichneten beiden Bestandteilen des religiösen Ideals, nach deren einem die Götter ideale Vorbilder menschlichen Handelns, und nach deren anderem sie Träger einer idealen Weltordnung sind, bleibt für zahlreiche Gestalten des späteren Mythus nur der zweite bestehen, und namentlich die Personifikationen der verschiedenen Schicksals-, Tugend- und Rechtsbegriffe schließen jede andere Beziehung von selbst aus. In gleichem Maße pflegt das vorbildliche Moment teils überhaupt zurückzutreten, teils auf gewisse Mittelgestalten zwischen Menschen- und Götterwelt oder schließlich sogar völlig auf menschliche Persönlichkeiten, die in der Erinnerung in idealisierter Form fortleben, überzugehen.

e. Die psychologische Entwicklung des Mythus.

Daß alles mythologische Denken aus einer Quelle hervorgegangen sei, scheint vielen Mythologen als eine selbstverständliche Voraussetzung zu gelten. Da der Mythus ursprünglich, wie oben bemerkt, die gesamte Weltanschauung des Menschen in sich schließt, so würde danach der Mensch der Urzeit bei der Gestaltung seiner Weltanschauung nur von einem Motive bestimmt worden sein. Nach den in der klassischen Mythenforschung zur Herrschaft gelangten Ansichten soll dieses Motiv in der Deutung der Naturerscheinungen bestehen, so als wenn der Mensch auf dieser frühen Stufe völlig von dem Interesse der Naturerklärung beherrscht worden wäre, die dann freilich nur in einer phantastischen oder poetischen Form gelingen konnte. Dieser Auffassung hat zuerst die Anthropologie der Naturvölker den Geister- und Dämonenglauben als den Anfang aller Mythenbildung gegenübergestellt, und mehr und mehr hat diese Ansicht auch bei den Vertretern der klassischen Mythologie Zustimmung gefunden. Von dem Geisterglauben nimmt man aber an, daß er teils durch den Eindruck des Todes, teils durch die Erscheinungen des Traumes seine Anregungen empfangen habe, daher

er sich überall mit einem Seelen- und Ahnenkultus vereine. Der Naturmythus, der bei den Mythologen der klassischen Richtung den Ausgangspunkt bildet, wird dann hier zum Ende der ganzen Entwicklung; und zuweilen läßt man ihn auf irgend eine Weise, etwa mittels der Vorstellung eines Übergangs der Seelen Verstorbener in die Naturobjekte, aus dem Ahnenkultus hervorgehen.

Je ausschließlicher aber diese Theorien eine Quelle als die einzige für die Gesamtheit der mythologischen Vorstellungen wie der religiösen Gefühle voraussetzen, umso unverkennbarer ist es, daß sie ein spät entstandenes Einheitsbedürfnis der Vernunft auf die frühesten Zustände des menschlichen Denkens übertragen. Auch ist es hierfür bezeichnend, daß sich damit zuweilen psychologische Erklärungen verbinden, die an die Versuche des alten Mythendeuters Euhemeros lebhaft zurückerinnern. Erblickt auch der moderne Euhemerismus nicht mehr in Zeus einen vormaligen König von Kreta und in Aeolus einen in Wetterprophezeiungen erfahrenen Seemann, so ist er doch darin mit seinem antiken Vorbilde einverstanden, daß er die Annahme für absurd erklärt, es könne dem menschlichen Geiste mit einer so phantastischen Auffassung der Wirklichkeit, wie sie der Mythus zu enthalten scheint, ursprünglich Ernst gewesen sein*). Demgemäß gelten den Euhemeristen unter den klassischen Mythologen sprachliche Metaphern, bei denen man allmählich das Bild für die Sache genommen habe, als der Anfang aller Naturmythologie. Zuerst seien etwa in dichterischer Rede die Sonnenstrahlen, weil sie dem Sonnenaufgang vorausgehen, die Rosse oder im Hinblick auf ihre todbringende Wirkung die Pfeile der Sonne genannt worden, und daraus habe dann der Mythus die Vorstellung eines im rossebespannten Wagen mit Bogen und Pfeil dahinfahrenden Gottes gemacht**). Dem Anthroprologen drängt sich begreiflicherweise ein minder günstiges Bild von dem primitiven Zustand des Menschen auf. Nicht die dichterische Metapher, sondern der noch heute verbreitete Gespenster- und Zauberglaube scheint ihm der wahrscheinlichste Ausgangspunkt mythologischer Vorstellungen. Der Euhemerismus behält hier wie dort die Oberhand; denn die nahe

*) Vgl. hierzu die miteinander übereinstimmenden Bemerkungen von Max Müller, Essays, II, S. 10 ff., und Herbert Spencer, Soziologie, I, S. 159, die umso charakteristischer sind, als diese beiden Forscher im übrigen auf völlig entgegengesetzten Standpunkten stehen.

**) Kuhn, Über Entwicklungsstufen der Mythenbildung, Abhandl. d. Berl. Akademie, 1873, S. 123. M. Müller a. a. O. S. 66 ff.

liegendste psychologische Motivierung bleibt es immer, wenn wir den Erscheinungen der Vergangenheit die Anschauungen unserer eigenen Zeit und Umgebung unterschieben. Auch ist ja nicht zu leugnen, daß in einzelnen Fällen mythologische Ausschmückungen auf Grund sprachlicher Anklänge und populärer Etymologien wirklich vorgekommen sind, und daß der Geister- und Zauberglaube, wie er als letzter Rest einst ausgebildeter Mythen erhalten bleibt, so nicht minder überall bis in die Anfänge der mythologischen Entwicklung zurückreicht.

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Nun ist es merkwürdig, daß der Euhemerismus in diesen beiden Formen, ähnlich wie es schon seinem antiken Vorbilde widerfahren. ist, die Verständigkeit der primitiven Mythenbildung rettet, um einer späteren Entwicklungsstufe jenen phantastischen Wahnsinn" aufzubürden, als der ihm das mythologische Denken erscheint. Die Vorfabren Homers", meint Max Müller, „können nicht solche Idioten gewesen sein, um die Sonnenstrahlen wirklich für Rosse oder für Pfeile zu halten," und doch kann er nicht umhin, einem Homer und Hesiod selbst ähnliche Vorstellungen zuzuschreiben, da bei diesen Dichtern die Beziehung, in der die Götterwelt des Olymp zu den Naturerscheinungen steht, sicherlich kein bloßer poetischer Schmuck ist. Sollen wir annehmen," fragt Herbert Spencer, der primitive Mensch sei weniger intelligent gewesen als die Säugetiere, Vögel, Reptilien und Insekten, da diese Tiere doch das Lebende vom Nichtlebenden in der Regel zu unterscheiden wissen?" Und gleichwohl muß auch er zugeben, daß dieses Herabsteigen unter die Stufe des Tieres irgend einmal stattgefunden habe, da der Naturmythus denn doch irgend einmal entstanden ist. Ob die Vorstellung, die Seele eines Ahnen habe sich die Sonne zum Sitz auserkoren, oder die andere, ein übermenschlicher Gott sei in dieser Himmelserscheinung verkörpert, auch intellektuell die höherstehende sei, das bleibe dahingestellt. Nicht zu bezweifeln aber ist es, daß die zweite Vorstellung die phantasievollere ist. Wenn sich die Tiere die Sterne, Flüsse und Berge nicht als lebende Wesen denken, so liegt der Grund wohl darin, daß sie überhaupt über diese Dinge nicht nachdenken. Auch scheint die Tatsache, daß der intelligente Haushund gelegentlich den Mond, einen Felsen oder eine hervorsprudelnde Quelle anbellt, dem rationalistischen Philosophen merkwürdigerweise entgangen zu sein. Oder sollte etwa auch der Hund in diesen Naturerscheinungen die Seele eines Ahnen vermuten? Und dürfte nicht die Annahme wahrscheinlicher sein, daß jene ihm, sei es wegen der Bewegung, die er

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