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einigen, die er jeweils für vortrefflich hält, und diejenigen beseitigen, die ihm hassenswert dünken. Doch so mangelhaft dieses Ideal sein mag, in der Wirkung, die es ausübt, liegt zugleich die Anlage zu seiner eigenen Vervollkommnung und so die Möglichkeit einer unbegrenzten Entwicklung.

Aber noch in einer zweiten Beziehung wirkt das idealisierende Licht, das ein ehrendes Gedächtnis über vergangene Geschlechter verbreitet, zurück auf die Gegenwart. Auf den Greis, der am Abend seines Lebens steht, fällt schon ein Schimmer der Verehrung, die ihm nach seinem Hinscheiden gezollt wird. Der Kultus der Toten, ursprünglich aus der Furcht, dann allmählich zugleich aus den Gefühlen der Ehrfurcht und der Pietät hervorgegangen, wirkt durch die religiöse Färbung, die er diesen Gefühlen verleiht, verstärkend auf sie zurück und erweckt so auch bei der Verehrung der lebenden Eltern und der hervorragenden Stammesgenossen Affekte, die denen der religiösen Verpflichtung verwandt sind. Der Egoismus, der den Nebenmenschen allein nach dem geleisteten Nutzen schätzt, vermag in dem hilflosen Alter nur eine Last zu erblicken, deren man sich zu entledigen sucht, sobald die harte Not des Daseins dazu zwingt. Wo dieser Egoismus mit jenem Pietätsgefühl in Streit gerät, da liegen darum in dem Leben des Naturmenschen nicht selten die stärksten Gegensätze, rücksichtslose Roheit und rührende Aufopferung, dicht beieinander. Daɓ in diesem harten Kampf die Pietät den Sieg davontragen kann, und daß sie, wo die tiefste Stufe der Roheit überwunden ist, meist ihn errungen hat, ist eines der stärksten Zeugnisse für die ethische Macht der Gefühle, die den Menschen an sein Geschlecht binden. Doch darf man vielleicht zweifeln, ob diese Gefühle ohne die Hilfe, die sie zuerst in der Furcht vor der Rache der Seele und dann in dem Ahnenkultus gewonnen, sich jemals entwickelt hätten.

Daß übrigens der Ahnenkultus vorzugsweise den Seelen der im Leben durch Tugenden oder durch Rang hervorragenden Verstorbenen seine Verehrung widmet, ist ebenso psychologisch begreiflich, wie für die ideale Bedeutung dieser Kultusform wesentlich. Tugend und Rang pflegen sich aber, wenn die Erfahrung keinen allzu dringenden Widerspruch erhebt, in der Vorstellung der Mitlebenden und umsomehr der Nachlebenden innig zu verbinden. Wie auf das Greisen alter, so geht bei den Naturvölkern auf die Häuptlinge und Fürsten schon während des Lebens etwas von jener religiösen Verehrung über, die ihnen nach dem Tode zu teil wird, und

sie verbindet sich nun mit der natürlichen Furcht vor der Macht der Gebietenden. Entzieht doch auch die Sitte nicht selten den lebenden Häuptling wenigstens für das Alltagsleben fast ebenso den Blicken seiner Untertanen, wie der Tote ihnen für immer entzogen ist. Sie rechnet dabei, sei es mit Absicht, sei es aus Instinkt, auf die nämliche Neigung, das Unbekannte zu idealisieren, dem der Ahnenkultus einen Teil seiner Macht über die Gemüter der Menschen verdankt. Die Scheu vor dem Herrscher verrät sich aber nicht bloß in Bezeigungen der Unterwürfigkeit, die in ihrer Form unmittelbar ihren religiösen Ursprung aus dem Gebet und aus der Erniedrigung vor der Gottheit verraten, sondern zuweilen geht sie in bewußte religiöse Anbetung über. Daß sich das Verhältnis des Menschen zum Menschen durch den Affekt, der solche Zeugnisse äußerster Unterwürfigkeit begleitet, im Grunde von selbst in das des Menschen zum Gotte umwandelt, das beweisen noch auf einer weit fortgeschrittenen Kulturstufe die Beispiele der Imperatorenvergötterung. Und auch darin sind solche scheinbar weit voneinander abliegende Formen wiederum nahe verwandt, daß wohl immer zugleich religiöse Vorstellungen an ihnen beteiligt sind. Dort ist es der künftige glück- oder unglückbringende Dämon, hier der schützende Genius, den man in der Person des Häuptlings oder des Imperators anbetet. Die religiöse Färbung, die auf solche Weise schon frühe das Verhältnis zwischen Oberhaupt und Untertanen gewinnt, hat aber sichtlich nicht bloß zur Befestigung der sittlichen Rechtsordnung wesentlich beigetragen, sondern wohl auch bei der Erweckung aller jener Triebe mitgewirkt, die sich in der selbstlosen Hingabe für fremde und für allgemeine Zwecke betätigen. Pflichtgefühl und Vaterlandsliebe in der Form, wie der Kulturmensch sie kennt, sind dem Naturmenschen fremd, bei dem alle Gemeinschaftsgefühle in die Schranken persönlicher Neigung und Abneigung eingeengt bleiben. Von der Pietät gegen die Eltern, der Demut vor den Gebietenden und der Bewunderung der Tüchtigsten können allmählich erst die allgemeineren sozialen und humanen Triebe sich ablösen, die jedoch im einzelnen Fall immer wieder nach einer persönlichen Verkörperung streben.

Wenn die religiösen Anschauungen der Naturvölker hienach die Einflüsse der Ahnenverehrung auf das sittliche Bewußtsein kaum anders als in schwachen Spuren und Anlagen erkennen lassen, so erscheinen dagegen diese Einflüsse voll entwickelt bei jenen Kulturvölkern, bei denen die religiöse Erinnerung an die Vorfahren blei

bend zu einem hervortretenden Bestandteil von Kultus und Sitte geworden ist. Ein sprechender Zeuge ist hier das Chinesentum. Die Religion des Konfuzius hat, nach einem ihm selbst in den Mund gelegten Ausspruch, nur die in dem Volke ursprünglich lebenden Vorstellungen gesammelt und, wie wir nicht zweifeln dürfen, veredelt, indem sie die Anbetung der Vorfahren, vor allen der an Weisheit und Tugend hervorragenden Herrscher, zum Mittelpunkt, ja fast zum ausschließlichen Gegenstand des Kultus machte. Das pietätvolle Familienleben der Chinesen, die patriarchalische Ordnung von Staat und Gesellschaft, die Heilighaltung der überkommenen Sitte sind die Reflexe dieser nüchternen, aber durch die energische Hinweisung auf grosse Vorbilder tugendhafter Lebensführung sittlich wirkungsvollen Religionsanschauung. Ein erdrückender Despotismus und ein peinliches Festhalten am Herkommen, das die individuelle Geistesfreiheit in Fesseln legt, bilden die Kehrseiten dieses Einflusses. Unter den westländischen Kulturvölkern aber hat keines die Elemente einer ursprünglichen Ahnenverehrung, trotz vielfacher trübender Einwirkungen von außen, treuer bewahrt als die Römer. Ihre Genien, Laren, Penaten und Manen sind unverkennbar nur verschiedene Gestaltungen, in die sich die Vorstellung der Seele des Verstorbenen nach ihrer Beziehung zu den Lebenden scheidet, mag auch bei manchen dieser Gestaltungen die ursprüngliche Bedeutung hinter der sekundären des Schutzgeistes zurückgetreten sein*). Der altrömische Geschlechterstolz mit seinen Lichtund Schattenseiten, das Festhalten an ererbter Sitte, die erst unter griechischem Einflusse allmählich weichende Heilighaltung der Familienbande, die Würde der Frau, die das wünschenswerte Maß oft überschreitende Achtung der väterlichen Gewalt, endlich der Einfluß der Familienverbände auf Staat und Gesellschaft sind die äußeren Wirkungen, in denen sich jene religiöse Grundlage der römischen Gesittung verrät. Das Gedächtnis der Ahnen blieb bei dem Römer umsomehr als ein ethisches Motiv fortwährend wirksam, da ihm ein eigentlicher Heroenkultus ursprünglich fehlte, ein Mangel, der auch in späterer Zeit durch das Kunstepos und durch die Entlehnungen aus der griechischen Heroensage niemals in einer das nationale Bewußtsein tiefer durchdringenden Weise ersetzt werden konnte. Bei keinem Volke hat daher wohl die Erinnerung an die Größe der Vorfahren eine so 'gewaltige Rolle gespielt wie bei den

*) Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 1902, S. 15 ff.

Römern. Dieser Kultus historischer Vorbilder, die im Gedächtnis der Nachgeborenen in idealisierter Gestalt wiederaufleben, erscheint so als der natürliche Erbe des aus vorgeschichtlicher Zeit überkommenen Ahnenkultus, welcher letztere lange noch daneben in seiner ursprünglichen Form fortdauerte. Darum sind das historische und das mythische Heroentum nicht nur verschiedenen Quellen entsprungen, sondern auch die religiösen Anlehnungen sind für beide verschieden. Das historische Heroentum schöpft aus der mythisch ansgeschmückten wirklichen Geschichte, und es bleibt verknüpft mit der Ahnenverehrung, deren Grundmotive, nur durch Kultur und Geschichte verändert, in ihm fortwirken. Das mythische Heroentum entspringt aus dem Naturmythus, und wenn es sich auch späterhin mit der Sagengeschichte verbinden kann, so bleiben in ihm die vorherrschenden Züge des Naturmythus doch auch insofern erhalten, als der idealisierende ethische Trieb in der nämlichen Richtung fortwirkt, in der er in den anthropomorphischen Gestaltungen des Naturmythus bereits begonnen hat sich zu äußern.

b. Der anthropomorphische Naturmythus.

Nicht alle Gestaltungen des mythologischen Denkens, bei denen Gegenstände der Natur als die Träger von Göttervorstellungen auftreten, bezeichnen wir als Naturmythologie, sondern nur solche, bei denen die Naturanschauung selbst für die Gestaltung des Mythus bestimmend geworden ist. Darum gehört der Fetischismus nicht zum Naturmythus; denn bei ihm liegt das ursprüngliche Motiv stets in dem Schicksalsgedanken, und die Verkörperung geistiger und dämonischer Kräfte in äußeren Gegenständen ist erst eine Folgeerscheinung, bei der die Naturbeschaffenheit des zauberhaft wirkenden Objektes eine nebensächliche Bedeutung besitzt. Das nämliche gilt von der teils mit dem Ahnenkult und den Seelen wanderungsideen, teils mit dem Fetischismus zusammenhängenden Tierverehrung, bei der zwar der Charakter der Tiere einen größeren Einfluß gewinnt, aber die Eigentümlichkeit des ganzen Gedankenkreises doch nicht in ihm, sondern wiederum in den Vorstellungen liegt, die sich auf das zukünftige Geschick, namentlich auf das Leben nach dem Tode beziehen. Der Naturmythus in dem so begrenzten Sinne hat nun stets zu seinen Objekten die großen, der unmittelbaren Berührung unerreichbaren oder wenigstens in ihrem ganzen Zusammenhang von der sinnlichen Wahr

nehmung niemals ganz zu umfassenden Naturerscheinungen: den Himmel, die Gestirne, die Wolken, Blitz und Donner, den Regen, die Erde, das Meer, die Flüsse, die Berge. Hier vor allem bildet die personifizierende Apperzeption den Ausgangspunkt der Mythenentwicklung. Die Bewegung und der Wechsel der Naturerscheinungen kommen der Vorstellung, daß die Gegenstände belebt und beseelt seien, auf das wirksamste entgegen, während zugleich die Größe und Macht der Erscheinungen Staunen und Furcht erweckt. Darum ist der Naturmythus zwar der Vorläufer späterer naturphilosophischer Anschauungen; zu dem Versuch einer Art primitiver Naturerklärung treten aber in ihm religiöse und mit diesen allmählich auch ethische Motive, die in jenen Gefühlen des Staunens und der Furcht ihre Quelle haben und schon frühe der Anlaß werden, daß mit der mythischen Naturanschauung Gedanken an das künftige Schicksal in Leben und Tod sich verbinden.

In der ältesten Gestaltung des Naturmythus scheinen zumeist die Naturobjekte selbst Wesen von übermenschlicher Macht zu sein: der Blitz ist eine zuckende Schlange, die Sonne eine strahlende Gottheit, die Morgen- und Abend wolken sind rötliche Kühe, die Gewitterwolken himmelstürmende Riesen u. s. w. Es ist begreiflich, daß auf dieser Stufe die Bedeutung des sittlichen Ideals hinter der Macht der unmittelbaren Vorstellungen noch völlig zurücktritt. Mit dem Gedanken einer Art von Weltordnung mögen immerhin solche primitive Naturgötter in Beziehung gebracht werden; aber sie selbst sind zu unähnlich dem Menschen, als daß sie durch die Eigenschaften, welche die mythenbildende Phantasie ihnen beilegt, einen persönlichen Einfluß auf ihn gewinnen könnten. Damit hängt es wohl zusammen, dass man bei den Naturvölkern zwar selten die Elemente eines Naturmythus vermißt, ja daß gelegentlich ziemlich verwickelte kosmogonische Mythen bei ihnen vorkommen, daß sich aber die Naturgötter kaum jemals zu sittlichen Idealen erheben, sondern im Gegenteil oft genug infolge der abschreckenden Züge, die ihnen die Vorstellung der verderblichen Naturereignisse leiht, nur als furchtbare Wesen erscheinen, eine Richtung, die übrigens, namentlich wenn die Bedingungen der Naturumgebung dazu herausfordern, vielfach auch noch bei Kulturvölkern der Naturmythus nimmt. Einen Beleg hierfür bilden die altsemitischen Religionsvorstellungen, wie sie namentlich in dem von den Motiven des Schreckens und der Furcht ebenso wie von verstandesmäßiger Berechnung beherrschten syrischen und phönikischen Götterdienst sich

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