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wohl im stande, diesen Wandel der Anschauungen zu befördern. Immerhin ist es bemerkenswert, daß in Griechenland wie in Rom die direkte Beziehung des Heroentums zu der Verehrung der Verstorbenen erst einer späteren Zeit angehört, welcher der Ursprung dieser Entwicklungen fremd geworden war, und die bereits unter dem mitwirkenden Einfluß orientalischer Religionsanschauungen stand.

Für die Erhaltung der mythischen Elemente des Denkens ist nun aber jene historische Umdeutung und ihre Vermengung mit wirklicher Geschichte von großer Bedeutung. Der Glaube an die Heroen überdauert lange den an die wirklichen Götter. Zeus und Apollo, Hera und Athene waren schon zu Gegenständen einer zweifelhaften Verehrung geworden, als noch die Taten des Theseus, der Pelopiden, des Odysseus für historische Wahrheit galten. Teils ist es die Zurückführung des Übermenschlichen auf menschliche Verhältnisse, die unmittelbare Anlehnung der Handlungen an menschliche Motive, teils die Vermengung mit den Begebenheiten und Persönlichkeiten der wirklichen Geschichte, die der Heroensage diese größere Glaubhaftigkeit und dadurch höhere Widerstandskraft gegen die zersetzenden Einwirkungen des philosophischen Denkens und des sonstigen Wandels der Anschauungen verleihen. Bei dieser besonders von der griechischen und der deutschen Heldensage freigebig geübten Einfügung historischer Landschaften und Persönlichkeiten in einen mythischen Stoff, dessen Elemente nicht selten zugleich auf einen einstigen Naturmythus zurückweisen, folgt das mythenbildende Bewußtsein dem Triebe nach einer lebendigeren Vergegenwärtigung der Gegenstände, und es ist so, ohne sich dieser Absicht bewußt zu werden, fortan geschäftig, den mythischen Stoff den sich ändernden Bedürfnissen des Bewußtseins anzupassen. Auf zwei Wegen verwandelt sich hierbei der Mythus in geglaubte Geschichte: teils indem ein der Naturanschauung entlehnter mythischer Inhalt durch die Ausstattung mit historischen Beziehungen dem Verständnisse näher gerückt, teils ndem ein wirkliches historisches Ereignis mythisch ausgeschmückt und verändert wird. Die erste dieser Umgestaltungen ist wieder die ursprünglichste, die zweite aber ist diejenige, die am längsten andauert, da sie sich bis tief hinein in die vom Licht der Geschichte. erhellten Zeiten als eine Quelle neuer Sagenbildungen betätigt und so ein Zeugnis dafür ablegt, daß die mythenbildende Kraft nie ganz erlischt.

In allen diesen Beziehungen üben nun zugleich die mit dem Heroenkultus verbundenen Vorstellungen eigentümliche und nach

haltige ethische Wirkungen aus, in denen manche Seiten des religiösen Lebens, die auf der Stufe des Naturmythus noch wenig entwickelt sind, ihre vollendetere Ausbildung erfahren. Der Gedanke, daß der Gott ein ideales Vorbild menschlichen Strebens sei, gewinnt erst durch die Vermenschlichung der Heroengestalten und durch die Beseitigung aller jener auf die Weltordnung bezüglichen Elemente, die an die Übermenschlichkeit der Göttererscheinungen geknüpft waren, seine volle Bedeutung. Man könnte sagen: der Naturmythus hat diesen Gedanken eigentlich nur insofern zu entwickeln vermocht, als bei ihm die Götter selbst schon im Begriffe stehen, in Heroen überzugehen. So tritt denn auch erst in der Heroensage das Streben ethischer Idealisierung in so greifbarer Weise hervor, daß schon im Altertum vielfach die Philosophie sich desselben bemächtigen konnte, um mit bewußter Absicht das Bild des Heroen und seiner Taten bald zur allgemeinen Versinnlichung eines sittlichen Ideals, bald zur Einprägung einzelner moralischer Lehren zu benutzen. Während die Philosophen die Naturgötter wegen der unsittlichen Ausschmückungen bekämpften, mit denen sie die dichterische Phantasie versehen hatte, billigten sie unter Umständen den Heroenkultus als ein wirksames Mittel sittlicher Nacheiferung, gewiß ein sprechendes Zeugnis ebensowohl für die längere Lebensfähigkeit dieser mythologischen Form, wie für ihren ethischen Wert.

Vor allen an der Hauptgestalt der griechischen Heroensage, an Herakles, treten diese Eigenschaften klar hervor. Wie in ihm verschiedene landschaftliche Gottheiten und allmählich sogar fremdländische mythische Elemente zusammengeflossen sind, so hat eigentlich der hellenische Nationalgeist an jedem Ort und zu jeder Zeit aus diesem Urbild eines Helden das gemacht, was ihm jeweils groß und bewundernswert erschien. Damit verbindet sich namentlich ein wahrscheinlich dem Naturmythus entstammender, dann aber ethisch besonders bedeutsam gewordener Zug: Herakles ist der arbeitende, leidende, durch Mühen und Verfolgungen gequälte, doch in allem Mißgeschick mutig ausharrende Held, dessen Tugend schließlich durch seine Erhebung unter die Götter belohnt wird. So spiegelt sich in dem Heraklesmythus eine das Leben und seine Aufgaben ernst nehmende, aber im ganzen heitere und hoffnungsfreudige Lebensanschauung. Herakles ist nicht ein Mühseliger und Beladener, der unter der ihm auferlegten Last ohne göttliche Hilfe zusammenbricht, sondern ein Gewaltiger, der sich selbst hilft durch seine Stärke und Ausdauer. Dazu ist dieses Lebensbild reich genug, daß jede Zeit

und beinahe auch jede ethische Richtung ihr entnehmen oder in sie hineinlegen kann, was ihr selbst als Ideal erscheint. Wie die Athleten der Gymnasien und die Wettkämpfer in Olympia in ihm, dem Vorbild männlicher Kraft und allesbezwingender Stärke, ihren Schutzheros verehren, so gilt er den Sophisten, den Erfindern der Fabel von Herakles am Scheideweg, als ein Beispiel kluger Vorsicht und bedachtsamer Überlegung, und so sehen schließlich die Schulen der Cyniker und Stoiker in ihm das Ideal eines den Schmerz verachtenden, Mühe und Entbehrung dem Lebensgenusse vorziehenden Weisen.

Abgesehen von diesem Streben, alles, was nur überhaupt lobenswert erscheinen mag, auf eine einzige ideale Persönlichkeit zu übertragen, fehlt es aber auch dem Heroenkultus nicht an jener Teilung der sittlichen Eigenschaften, die schon bei der Trennung der vermenschlichten Naturgötter eine so wichtige Rolle spielt. An die Naturgrundlage des Heroenmythus anknüpfend, wird sie zugleich das Mittel, verschiedene Heroengestalten in wechselvolle Beziehungen zu einander zu bringen, und so der Sage jenes geschichtliche Leben zu verleihen, das ihrer Vermengung mit der wahren Geschichte in wirksamster Weise Vorschub leistet. Man denke nur an die Verteilung der Charaktereigenschaften zwischen den Helden des trojanischen Sagenkreises oder der Nibelungensage! Die Gestalten eines Achilleus und Odysseus, eines Siegfried und Hagen bewahren, obgleich sie anscheinend absichtlich ausgeprägte Gegensätze sind, doch jede in ihrer Weise ihre ideale Bedeutung. Mag auch die epische Dichtung viel dazu beigetragen haben, die Lebendigkeit dieser Gegensätze zu erhöhen, so ist sie doch dabei ebenso den Impulsen gefolgt, die sie von der Volkssage empfangen, wie diese ihrerseits auf der Grundlage einer der bewußteren Gestaltung der Sage vorausgegangenen Übertragung von Naturanschauungen in sittliche Gegensätze erwachsen ist. So gewinnt auch hier der mythische Stoff seinen ethischen Wert durch ursprüngliche Gefühlsbeziehungen, die zwischen dem menschlichen Tun und der äußeren Natur bestehen.

Mehr noch als in seinen Göttern verkörpert aber ein Volk in den Helden seiner Sage seine eigensten sittlichen Anschauungen. Auch nach ihrer Vermenschlichung behalten die Götter etwas Unnahbares. Nicht bloß ihren Zorn, sondern auch ihre Gnade empfindet der Mensch als Schickungen, die er mit Demut zu empfangen hat, ein Gefühl, dem die Griechen in sinniger Weise in jenem Mythus Ausdruck gaben, der von den verhängnisvollen Folgen berichtet, die

Wundt, Ethik. 3. Aufl. I.

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ein allzu naher Verkehr mit den Göttern über das Haupt des Tantalos brachte. Das ist anders mit den Heroen. Wenn auch ihr eigener Ursprung auf die Götter zurückführt, so haben sie selbst. doch unter Menschen menschlich gelebt und ein Geschlecht hinterlassen, zu dessen letzten Sprossen zu gehören vielleicht mancher sich rühmen mag. So erscheinen sie als erreichbare Ideale menschlicher Tugenden, ein Wert, der reichlich ersetzt, was ihnen im Vergleich mit den Göttern an Erhabenheit abgehen mag; und neben diesem Vorzug fällt noch der andere ins Gewicht, daß an die geschichtliche Wahrheit der Heroen fester und darum länger geglaubt wird als an die der Götter selbst.

Doch auch das Heroentum hat seine Zeit, nach deren Ablauf es zwar in der Volkssage immer noch fortlebt, wo es aber die sittliche Wirkung, die ihm durch die ideale Bedeutung der Heroen zukam, allmählich einbüßt. Die Gründe dieses Verfalls liegen teils in dem stetigen Wandel der mythischen Vorstellungen, teils und vornehmlich in der Veränderung der sittlichen Anschauungen. Auf die Dauer kann der Heroenkultus den Verfall des Naturmythus nicht überleben. Es zeigt sich bald, daß er doch aus diesem seine Kraft schöpft, und daß der Heros, wenn der Gott, der hinter ihm steht, verschwindet, entweder völlig zum Menschen, zu einer erdichteten Persönlichkeit der Geschichte, oder zur Spukgestalt des Volksaberglaubens wird, die Kinder und Furchtsame schreckt, aber ihre ethische Bedeutung völlig verloren hat. Indessen ist das sittliche Leben ein anderes geworden. Der Heros ist das Ideal einer rauhen Zeit, in der selbst etwas von der wilden Naturgewalt lebt, die sich dereinst in der Heroensage verkörpert hatte. Mag auch der Versuch, seine Gestalt veränderten Anschauungen anzupassen, eine Zeitlang gelingen, endlich muß er doch fehlschlagen, sobald nur erst aus den veränderten sittlichen Bedürfnissen eine neue religiöse Weltanschauung entsprungen ist, die den Kampf mit den Überresten des Naturmythus mit Erfolg aufnimmt. Auch den so entstandenen Kulturreligionen fehlt das persönliche Ideal nicht. Aber es nimmt in ihnen die ethisch wirksamste Form an, indem es nicht bloß in einzelnen zufälligen Zügen, wie in der Heroensage, sondern in dem wesentlichsten Teil seines Gehaltes an eine wirkliche Persönlichkeit von ungewöhnlicher sittlicher Größe gebunden ist. Diese pflegt dann freilich der mythischen Umgestaltung ebenfalls nicht zu entgehen.

d. Das Ideal der ethischen Religionen.

Keiner der Religionsanschauungen fehlen, wie unsere bisherige Betrachtung gelehrt hat, die ethischen Elemente gänzlich, und die Motive des religiösen Gefühls liegen denen des sittlichen so nahe, daß eine Scheidung beider kaum möglich ist. Doch die Naturreligion, die mit einem vielfach fremdartigen Quellen entspringenden mythischen Inhalt innig vermischt ist, enthält das Sittliche immer nur als einen Bestandteil neben zahlreichen andern, die zum Teil sogar mit ihm in Widerstreit stehen. Den Namen ethische Religionen können wir daher im Gegensatze zu diesen Entwicklungen solchen Religionsanschauungen beilegen, in denen von Anfang an sittliche Motive die vorwaltenden sind. Damit, daß sie die vorwaltenden sind, ist übrigens nicht gesagt, daß sie die einzigen seien. Wie vielmehr die religiösen Anschauungen in ihren Anfängen von jeder irgend nachweisbaren Spur sittlicher Motive frei sein können, so geht umgekehrt auch die entwickelte Religion keineswegs ganz in den sittlichen Motiven auf, von denen sie erfüllt ist. Religion und Sittlichkeit sind, nachdem sie sich ursprünglich kaum berühren, auch in den Kulturreligionen immer erst zu Gebilden geworden, die sich kreuzen, die aber darum doch niemals völlig zusammenfallen. Denn wenn religiös die Vorstellungen und Gefühle sind, in denen der Mensch eine ideale Erfüllung seiner Wünsche und Hoffnungen erblickt (S. 50), so ist es selbstverständlich, daß für den sittlichen Menschen das religiöse Ideal auch sein sittliches Ideal in sich schließt. Aber da der Mensch allezeit nicht bloß ein sittliches, sondern auch ein sinnliches, ein ästhetisch genießendes und ein erkennendes Wesen ist, so wird selbst am Ende dieser Entwicklung das religiöse zwar das sittliche Ideal in sich schließen, aber es wird niemals mit ihm identisch sein.

Nur in diesem beschränkten Sinne fallen daher auch die Begriffe ethische Religion und Kulturreligion zusammen. Die Naturreligionen sind stets auf dem Boden jener ursprünglichen Weltund Lebensanschauungen erwachsen, in denen ein Volk ebensowohl seine Auffassung über die Natur und ihre Veränderungen wie über die sittlichen Eigenschaften des Menschen niedergelegt hat. Die Naturreligion ist niemals von einem Einzelnen geschaffen, wenn auch sicherlich einzelne Dichter und Denker an ihrer Ausgestaltung mitgewirkt haben. Die Kulturreligion ist dagegen von einer schöpferischen religiösen Persönlichkeit ausgegangen. Nicht als ob diese

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