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dabei des Zusammenhangs mit den ihre Zeit beherrschenden Anschauungen und Trieben entbehren könnte. Doch wie bei der Naturreligion diese letzteren vorwalten, indem sie alles, was der Einzelne zu der Gemeinschaft der Ideen beitragen mag, als ein an und für sich unselbständiges Eigentum, das ebenso gut von jedem anderen beigesteuert werden könnte, in sich aufnehmen, so gibt umgekehrt in der Kulturreligion erst der Religionsstifter dem, was alle unausgesprochen bewegt, einen klaren und energischen Ausdruck, in den zugleich seine eigene Persönlichkeit in ihrer trotz des Zusammenhangs mit Zeit und Umgebung doch nicht zu verkennenden individuellen Bestimmtheit mit übergeht.

Wie nun aber in den Naturreligionen das Religiöse und Ethische allmählich sich von den mythischen Bestandteilen zu lösen strebt, ohne daß eine solche Scheidung jemals ganz gelingt, so verbindet sich auch früher oder später die ethische Religion mit mythischen Elementen, sei es, daß diese aus dem früher vorhandenen Naturmythus in sie übergehen, sei es, daß sie aus der nie erlöschenden Kraft der mythenbildenden Phantasie neu entstehen. Meistens sind wohl beide Faktoren, Übertragung und Neubildung, nebeneinander wirksam. Aus dem längst unverständlich gewordenen indischen Naturmythus hat die Buddhalegende manche Züge herübergenommen, so daß moderne Mythologen sogar Buddha selbst in einen Sonnenheros verwandeln wollten *). Innerhalb des Christentums ist dieser Einfluß mindestens in der Übertragung altheidnischer Sagen in christliche Vorstellungen zu spüren. Der Hauptantrieb für solche sekundäre Mythenbildungen bleibt aber doch die Persönlichkeit des Religionsstifters, dessen Gestalt von der Phantasie mit einem Sagenkranz umflochten wird, der das ideale Bild desselben zumeist gerade in seinem ethischen Werte hervorzuheben strebt. Wo daher eine solche einheitliche Persönlichkeit fehlt, wo, wie im Brahmanentum, die Begründung einer ethischen Religion von einer ganzen Priestergenossenschaft ausging, da ist die ethische Form lediglich aus einer allmählichen philosophischen Umgestaltung und Umdeutung der ursprünglichen Naturreligion hervorgewachsen, und der Übergang zu einer ethischen Weltanschauung gehört eigentlich nicht mehr der Religion, sondern der Philosophie an. Überdies fehlt hier vollständig jener wichtige ethische Faktor des persönlichen sittlichen.

*) Vgl. hierzu Oldenburg, Buddha, S. 73 ff.

Vorbildes, der an die Existenz eines persönlichen Stifters der Religion gebunden bleibt.

In den vier größten Kulturreligionen der Welt, in der Lehre des Konfuzius, in dem Buddhismus, dem Christentum und dem Mohammedanismus, hat diese Idee einer sittlichen Persönlichkeit, in der die Religionsanschauung ihren einheitlichen Mittelpunkt findet, und die zugleich als das höchste Vorbild sittlichen Lebens gilt, ihre vollendetste Ausbildung erreicht. Das Ideal, das in dem Heroentum der antiken Volksreligionen in einseitiger und darum überall der Ergänzung bedürftiger Weise zum Ausdruck gelangte, konzentriert sich hier auf eine bestimmte historische Persönlichkeit, deren Bild zwar vielfach durch die Legende entstellt sein mag, deren sittliche Spuren aber allzu deutlich in der Geschichte erhalten sind, als daß dadurch der Wert ihrer alle mythologischen Phantasiegebilde überstrahlenden Wirklichkeit beeinträchtigt werden könnte. Kann die Taten der Heroen jeder Dichter erfinden, so bilden die überlieferten Lehren jener Religionsschöpfer durch den Geist sittlich-religiöser Intuition, der sie durchdringt, ein nicht zu fälschendes Zeugnis des Daseins ihrer Urheber. Daß Wort und Tat hier für den Gläubigen vollständig zusammenfallen, verleiht diesen Propheten und Mittelwesen zwischen Gott und der heilsbedürftigen Menschheit ihre ungeheure vorbildliche Bedeutung. Da Teilung eines Wertes überall den Wert selber beeinträchtigt, so kann das höchste Ideal nur ein einziges sein. Daß das sittliche Ideal, wenn es wirksam sein soll, ein persönliches und mit den Zeugnissen der Wirklichkeit ausgestattetes sein muß, ergibt sich aus der Natur der sittlichen Vorstellungen, die überall die handelnde Persönlichkeit des Menschen zu ihrem Mittelpunkt haben. Daß endlich in der idealen sittlichen. Persönlichkeit Wort und Tat im vollendeten Einklang stehen, liegt in jener Betätigung des sittlichen Lebens in Gesinnung und Handlung begründet, die uns nach der durchgängigen Uebereinstimmung beider den Wert des Charakters ermessen läßt.

Wie das Heroentum ein notwendiges Entwicklungsprodukt der polytheistischen Naturmythologie, so ist das in der Einheit einer machtvollen Persönlichkeit verwirklicht gedachte sittliche Menschheitsideal das Korrelat eines ethisch geläuterten Monotheismus. Indem das Christentum Jesus als den Mittler zwischen Gott und der heilsbedürftigen Menschheit bezeichnet, hat es dieser Stellung einen selbst durch mythologische Trübungen nicht zu verdunkelnden Ausdruck gegeben.

3. Die Religion und die sittliche Weltordnung.

a. Die Vorstellungen vom Leben nach dem Tode.

Die Idee, daß die Götter die Träger einer idealen sittlichen Weltordnung seien, hat sich erst allmählich aus verschiedenartigen Elementen des mythologischen Denkens entwickelt. Zu den wichtigsten dieser Elemente gehören die Vorstellungen vom Fortleben der Seele nach dem Tode. Ursprünglich aus selbständigen Motiven hervorgegangen und daher zumeist ganz außer Beziehung stehend zu ethischen Anschauungen, sind sie allmählich mit diesen in eine innige Verbindung getreten, indem sie sich einem der wichtigsten Bestandteile der Idee einer sittlichen Weltordnung, den Vergeltungsvorstellungen, als Stütze darboten. Auf einer späteren Stufe kann es daher leicht so erscheinen, als habe in diesen der Gedanke des Fortlebens nach dem Tode seine einzige Triebfeder. Mag aber auch anerkannt werden, dass er, einmal entstanden, jenen seine lange Erhaltung und zum Teil seine späteren Umgestaltungen verdankt, so ist es doch ein bedeutsames Zeugnis für die vielverzweigten Wurzeln des religiösen Gefühls, daß diese Elemente zunächst geschieden sind und erst auf einer späteren Stufe, sich gegenseitig unterstützend und stärkend, zu einer einheitlichen Kraft zusammenfließen.

Allen Völkern ist ursprünglich die Ansicht eigen, daß der menschliche Geist ein von dem Körper abtrennbares sinnliches Wesen sei. Zwei Quellen hat dieser noch in die Anfänge der Philosophie hinüberreichende naive Materialismus: die Erscheinungen des Todes und die des Schlafes. Der Eindruck des mit dem letzten Hauch des Atems dahinschwindenden Lebens ist hier das ursprünglich Bestimmende, wie uns noch heute die Bezeichnungen des Geistes und der Seele in den verschiedensten Sprachen verraten. Geist, animus, spiritus, þvý, ruach, alle diese Wörter weisen auf die Vorstellung hin, daß mit dem letzten Atemzug die Seele entfliehe*). Demnach wird sie noch heute im Volksglauben als ein Windhauch, ein Rauch

*) Über Geist vgl. Hildebrand in Grimms Wörterbuch, IV, S. 2623, über das hebr. ruach Gesenius, Handwörterbuch, 7. Aufl., S. 797. Eine Zusammenstellung der Wörter noch anderer Sprachen mit gleicher Bedeutung gibt schon F. A. Carus, Geschichte der Psychologie. Nachgelassene Werke, III, S. 51. Der Ursprung des deutschen Wortes Seele ist unsicher.

oder ein Wölkchen vorgestellt. Die weitere Umbildung der Ideen knüpft sodann an das Traumbild an. Die Seele ist ein Schatten, dem Auge sichtbar, aber vor der tastenden Hand in Luft zerrinnend. Wie schon während des Traumes die Seele den Körper zeitweise verlassen und etwa in Gestalt eines Schmetterlings, einer Maus oder Schlange weite Wanderungen vollführen kann*), so wird sie auch nach dem Tode zuweilen in Tieren verkörpert gedacht, namentlich in solchen, die durch die Geschwindigkeit ihrer Bewegungen, ihr plötzliches Kommen und Verschwinden ein unheimliches Grauen erregen, das nun dem Eindruck des Todes als ein verwandtes Gefühl entgegenkommt. Daß solche Vorstellungen für die späteren planmäßig ausgebildeten Seelenwanderungsideen die natürlichen Anknüpfungspunkte darboten, ist nicht zu verkennen. Für die herrschende Entwicklung der Vorstellungen ist aber dieser Glaube der Verkörperung in Tieren oder auch in anderen, selbst leblosen Gegenständen von verhältnismäßig untergeordneter und vorübergehender Bedeutung. Die Erinnerung an den Lebenden bleibt so mächtig, daß sie immer wieder dem Geist des Verstorbenen sein Bild leiht.

Sind hiernach die Anschauungen, die sich an den Gedanken der Trennung der Seele vom Körper knüpfen, ähnlich den Dämonenvorstellungen, mit denen sie auf das engste zusammenhängen, ursprünglich ganz und gar frei von irgendwelchen unmittelbaren Motiven sittlicher Art, so überträgt sich nun diese Unabhängigkeit zumeist auch noch auf die primitiven Vorstellungen, die an die selbständige Existenz der Seele in Bezug auf die Art ihres Fortlebens geknüpft werden. Nur freilich beginnen sich hier zugleich frühe schon jene Affekte und Wünsche zu regen, von denen der Einzelne teils durch die Erinnerung an seine Verstorbenen, teils durch den Gedanken an den eigenen Tod ergriffen wird. Wo die erstere vorwiegt, da teilt sich allmählich auch den Vorstellungen vom Leben nach dem Tode etwas von jener Trauer mit, die der Zurückgelassene über den erlittenen Verlust empfindet. So wird es begreiflich, daß sich der lebensfreudige Grieche den Hades als eine düstere Stätte freudlosen Daseins dachte. Wo dagegen das Sinnen und Trachten des Menschen mit banger Erwartung dem zugewandt ist, was nach diesem Leben kommt, da wird im Gegensatze zu den Mühen des Diesseits zumeist die Zukunft nach dem Tode als eine unaufhörliche Folge jener Genüsse ersehnt, an denen die Wirklichkeit für den

*) Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Aufl., S. 905.

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begehrlichen Sinn zu arm ist. arm ist. So träumt der Indianer, der ein unstetes, in Entbehrungen abgehärtetes Jägerleben führt, von den glücklichen Jagdgründen im Westen, in denen die Geister der Verstorbenen ein im Überfluß schwelgendes Leben verbringen*). So glaubte der Germane, der in seinen rauhen Wäldern an Streit und Arbeit gewöhnt war, daß den Helden in Walhalla bei fröhlichem Trinkgelage und ergötzlichen Kampfspielen ein nie aufhörendes Glück erwarte**). Sobald in dieser Weise die eigenen Hoffnungen und Befürchtungen an den Vorstellungen von der Zukunft den überwiegenden Anteil haben, so wird aber damit zugleich die Idee der Vergeltung nahegelegt.

Nach ihrem Inhalte zerfallen übrigens die Vorstellungen vom zukünftigen Zustande wieder in zwei Gedankenreihen: in eine niedrigere, die an dem unmittelbaren Eindruck des Todes und dessen, was ihm vorausgegangen ist, haften bleibt, und in eine höhere, die den ferneren Schicksalen der Seele zugewandt ist, welche sich die Phantasie in einer von den Erinnerungen an die unmittelbaren irdischen Erlebnisse unabhängigeren Weise ausmalt. Beide Gestaltungen stehen zumeist, doch nicht ausnahmslos, mit den oben besprochenen verschiedenen Motiven dieser Vorstellungen in Zusammenhang.

Wo die Erinnerungsmotive vorwalten, da ist die erste Form der Anschauungen die herrschende. Nach ihr verbleiben die Geister an den Stätten ihres Lebens oder wenigstens in der Nähe derselben. Bald wird die Leiche als der dauernde Sitz der Seele angesehen, eine Vorstellung, der sichtlich die an den verschiedensten Orten entstandene Sitte der künstlichen Erhaltung des Leichnams ihren Ursprung verdankt. Bald sollen die Geister der Verstorbenen, nach dem schon erwähnten Glauben von dem Übergang der Seele beim Tode in äußere Objekte, Tiere oder selbst leblose Gegenstände in Besitz nehmen. Bald soll endlich der Geist unsichtbar oder als spukhafter Schatten, der nur in der Nacht sichtbar wird, die Lebenden umschweben. Alle diese Vorstellungen stehen zu dem Ahnenkultus, der ja aus den nämlichen Motiven entspringt, in einer leicht erkennbaren Beziehung. Wo der letztere, wie in Rom, von frühe an einen Grundzug des religiösen Lebens bildete, da hat daher selbst die Kultur jene primitiven Vorstellungen nicht überwinden können. Doch

*) Waitz, Anthropologie der Naturvölker, III, S. 197. Ratzel, Völkerkunde, II, S. 694 ff.

**) Grimm, Deutsche Mythologie, S. 682 ff.

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