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oder nach der anthropologischen Anschauung den Satz der Theologen:,,Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde", umkehren und sagen: „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde"; das Wesentliche an der Sache bleibt, dass Religion auf einem Zuge im Menschen nach einem höhern vollkommnern Wesen und in der Anerkennung einer höhern Macht, als die des Menschen ist, beruht.

Der Anthropologe hat hierin recht, dass jede Vorstellung von Gott Spuren des menschlichen Bewusstseins an sich trägt, wie schon Luther bemerkt, wenn er sagt: „,Wie das Herz, so der Gott", was wol so viel sagen will als: nach der mehr oder minder entwickelten Bildungsstufe wird auch die menschliche Vorstellung vom höchsten Wesen eine mehr oder weniger sinnliche oder geläuterte sein. Die schlagendsten Beweise bieten die religiösen Vorstellungen der Naturvölker, welche eigentlich in der Personificirung derjenigen Dinge in der Natur bestehen, von denen der Mensch seine Existenz und sein Schicksal abhängig glaubt, und dessen günstige oder ungünstige Wendung der Wirkung selbständiger Geister zugeschrieben wird. Auf diesem Standpunkte fällt die Naturansicht mit der religiösen Ansicht der Dinge zusammen, und diese Geister sind ganz nach der Analogie der menschlichen Individualität gedacht.

Aber auch die Vertreter des absoluten Abhängigkeitsgefühls von Gott haben die Wahrheit für sich, dass das Gefühl ein Wesensbestandtheil des religiösen Glaubens ist, ohne welches Religion weder unter dem Gesichtspunkte des Glaubens noch des Handelns lebendig oder wirksam sein kann. Ausserhalb des Zusammenhangs der geschichtlichen sowol als der begrifflichen Entwickelung steht nur diejenige Ansicht, welche eine Religion ungeahnt und historisch unvorbereitet urplötzlich einem Meteorsteine gleich über die Menschen herabfallen lässt. Dem Denker ist die Entstehung dieser Ansicht wol erklärlich, obschon diejenigen selbst, die sie hegen, dieselbe für unbegreiflich halten.

Bei erweiterter Fassung des Begriffs Religion wird deren Element überall erkannt werden, wo ein Streben nach Idealem sich kundgibt, ob dieses in einer Naturkraft besteht oder im Schönheitsideal, ob im Patriotismus oder in der Wissenschaft, es bleibt immer eine Beziehung zu etwas, das über dem End

lichen und Alltäglichen liegt und deshalb stets in irgendeiner Hinsicht etwas Erhebendes in sich trägt. Weil jeder Religionsform der Zug nach Idealem zu Grunde liegt, hat auch jede ein bildendes Moment in sich, und weil es keinen Menschenstamm gibt, bei dem nicht Spuren von Religion vorhanden wären, lebt auch keiner ein reines Thierleben, sowie kein Stamm der Sprache entbehrt, weil jeder zum vorstellenden Bewusstsein sich erhebt.

2. Die Gegensätzlichkeit in der religiösen Anschauung der Naturvölker.

Das alte Sprichwort: ,,Noth lehrt beten" enthält zwar, wie alle Sprichwörter, nicht die ganze Wahrheit, ist aber auch nicht aller Wahrheit bar. Ob der Satz dahin erklärt wird: die Noth sei als Mutter der Religiosität zu betrachten oder ob man dabei an die Worte des Goethe'schen Harfners erinnert:,,Wer nie sein Brot in Thränen ass, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte"; soviel ist gewiss, das religios-gläubige Gemüth fühlt in Augenblicken der Bedrängniss am meisten das Bedürfniss, seinem Gott sich zu nahen und ihm sich zuzuwenden. In der Noth überkommt den Menschen das Gefühl seiner Schwäche, hervorgerufen durch einen Gegensatz, der unüberwindlich zu sein droht und daher mit Furcht erfüllt.

Allerdings wird die Religiosität, durch Noth und Bedrängniss veranlasst, eine unfreie sein und die daraus entspringenden Handlungen auch das Merkmal der Unfreiheit an sich tragen, indem sie als Opfer zur Sühnung oder zur freundlichen Stimmung des göttlich verehrten Wesens dargebracht werden; ungeachtet dessen muss doch das religiöse Moment dabei anerkannt werden und die unfreie Religionsform wird dem geistig entwickeltern Religionsbegriffe gegenüber eben als niedrigere Stufe erscheinen.

1 Kraft, Die Religionsgeschichte in philosophischer Darstellung, S. 19.

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Im dunkeln Gefühle, ein einheitliches Ganze zu sein, betrachtet der Mensch zunächst alles, was er in der Aussenwelt wahrnimmt, in Beziehung auf sich, inwiefern es seinem Wohle zuträglich ist oder entgegensteht, und unterscheidet das Angenehme, als mit seinem Gemeingefühl übereinstimmende, von dem Widersprechenden, dem Unangenehmen. Weil Harmonie das Grundgesetz sowol des grossen Ganzen, des Makrokosmos, als auch der menschlichen Natur, des Mikrokosmos, ist, sucht der Mensch unbewusst nach angenehmen Empfindungen und alles mit sich in Uebereinstimmung zu bringen. Der Naturmensch nimmt seine mikrokosmische Auffassungsweise auch zum Masstabe seiner Handlungsweise und erhebt das eigene Wohl, das ihm Angenehme zum Hauptgrundsatz der Moral und erachtet nur das für recht und gut, was seiner Selbsterhaltung dienlich, seinem Zustande angenehm ist. Ein treffendes Beispiel gibt jener Buschmann, der, über den Unterschied von gut und böse befragt, für böse erklärt, wenn ihm ein anderer seine Frauen raube, für gut hingegen, wenn er die Frauen eines andern raube. Der Naturmensch wird alles, was in sein einheitliches Sein störend eingreift, für böse und übelthätig ansehen, während er das mit ihm Uebereingestimmte wohlthätig und gut nennt. Mit dem Naturleben im innigsten Zusammenhange, in die Sinnlichkeit versenkt, ist auch seine geistige Thätigkeit von dieser abhängig. Der Sinneseindruck bringt eine gewisse Stimmung hervor, und diese vertritt beim Naturmenschen die Stelle des Urtheils. Solange dem Menschen der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, Grund und Folge ein unaufgelöstes Räthsel ist, erfüllt ihn die staunende Furcht vor jeder Erscheinung, die ihm fremd entgegenkommt. Der Naturmensch und das Kind sind daher am meisten von der Furcht heimgesucht, daher auch für ,,grosse" Furcht das Epitheton ,,kindisch" als synonym gebraucht zu werden pflegt. Das Kindesalter weist auf den Urzustand des Menschen hin und ,,noch immer ist die Menschheit im kleinen das fortlebende Bild der Menschheit im grossen" ,, ein jeder von uns war also einmal auch Naturmensch, hat da angefangen, wo der erste Mensch seine Entstehung anfing“ 2

1 Bastian, Der Mensch in der Geschichte, II, 83.

2 Fr. Aug. Carus, Ideen zur Geschichte der Menschheit, S. 195.

Der Satz:,, Die Kindheit der Natur bleibt immer das Symbol aller ersten Entwickelung“, dürfte freilich nur auf die erste Zeit des Kindesalters zu beschränken sein, denn ein Kind, das in einem civilisirten Lande, in einem gebildeten Familienkreise sechs Jahre alt geworden, wird mit einem sechsjährigen Indianerkinde im Urwalde kaum mehr auf gleicher Linie stehen. Die Eindrücke, die auf das Kind civilisirter Aeltern von Geburt an eingewirkt haben, sind ganz verschieden von denen, welche der kleine Urwaldbewohner in sich aufgenommen hat, demnach wird auch das Geistesleben beider verschieden sein, ja schon die Dämmerung des werdenden Bewusstseins in dem einen wird nicht ganz gleich sein dem Traumleben des andern. Vor dem Erwachen des Bewusstseins verschwimmen beide Kinder mit der Aussenwelt, die sie umgibt; aber eben diese ist bei beiden eine verschiedene und bringt eine verschiedene Wirkung hervor. Beide Kinder entwickeln sich allerdings nach demselben Gesetze des menschlichen Geistes, und in dieser Beziehung ist die Beobachtung des Kindeslebens sowie des Lebens des Naturmenschen von wesentlichem Werthe für den Psychologen; betrachtet man aber die Summe, d. h. das zum Bewusstsein entwickelte Kind, so wird niemand in Abrede stellen können, dass es im Bewusstsein des kleinen Europäers anders aussieht als in dem des kleinen Waldindianers. Da in der Natur nichts sprungweise vor sich geht, jede Erscheinung viel mehr das Resultat von unabsehbaren nothwendigen Vorbereitungsstufen ist, da dasselbe Gesetz auch bezüglich der menschlichen Natur in Kraft steht, wonach jede Form des geistigen Lebens eine ganze Reihenfolge von Factoren voraussetzt, deren Product sie ist: so muss die Verschiedenheit der Factoren auch ein verschiedenes Facit hervorbringen.

Dem Menschen, der in den Jahren der Kindheit oder im Kindesalter der Geschichte steht, erscheint die Natur zunächst furchtbar. Denn das Fremde an sich erregt Schrecken, und alles Unbekannte, Unerklärte jagt Furcht ein. Man erzählt von Thomas Platter, der, bei Beginn seiner Laufbahn als fahrender Schüler am Berge Grimsel zuerst ihn aneifernde Gänse erblickend, dieselben für den Teufel haltend die Flucht ergriff. Weil jede unbekannte Erscheinung feindlich zu wirken droht, betrachten die Wilden jeden Fremden als Feind.

Roskoff, Geschichte des Teufels. I.

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Bevor der Mensch zum allgemeinen Denken emporwächst, fasst er nur die Einzelheiten, und sein Verständniss reicht so weit, als eben seine Sinne reichen. Der Algonkiner in Amerika, der auf dieser Stufe steht, hat keinen Ausdruck für den allgemeinen Begriff Eiche, weil er nicht verallgemeinern kann, und benennt daher jede der verschiedenen Eichen, die in seinen Wäldern wachsen, mit besondern Namen 1. Es ist ein Gesetz der menschlichen Natur, das Empfundene gegenständlich zu machen, das Innerliche nach aussen zu werfen. Da nun dem Naturmenschen so vieles unbekannt, fremd, unerklärlich ist, demnach so vieles furchtbar erscheint, bildet seine Phantasie, durch mächtige Erscheinungen oder gewaltige Ereignisse angeregt, furchtbare Gestalten, die er hinter jenen als Urheber erblickt. Die sinnliche Anschauung hat keinen Blick für den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der sich dem denkenden Geiste erschliesst; jene ahnt nur eine besondere Ursache und kleidet sie, ihrer Eigenartigkeit gemäss, in eine besondere sinnliche Form. Eigentlich spiegelt sich die ganze Summe der Empfindungen, die Totalität des Lebens in den Vorstellungen des Menschen. Ein treffendes Beispiel liefert die Ansicht des Grönländers von dem seligen Zustande nach dem Tode. Weil die Grönländer ihre meiste Nahrung aus der Tiefe des Meeres bekommen, so suchen sie den glückseligen Ort unter dem Meere oder unter dem Erdboden und denken, dass die tiefen Löcher in den Felsen die Eingänge dafür seien. Daselbst wohnen Torngansuk und seine Mutter, da ist beständiger Sommer, schöner Sonnenschein und keine Nacht, da ist gutes Wasser und ein Ueberfluss an Fischen, Vögeln, Seehunden und Rennthieren, die man ohne Mühe fangen kann oder gar in einem grossen Kessel lebendig kochend findet" 2. Klemm macht hierzu die Bemerkung, dass der Grönländer ebenso wenig über seinen Horizont hinausgehe wie jene beiden Schweinehirten, die einander frugen, was sie thun würden, wenn sie Napoleon geworden wären? Der eine meinte: er würde von da an braune Butter aus Bierkrügen trinken; der andere versicherte, er möchte dann seine Schweine zu Pferde hüten. Wir sehen, dass

1 Bastian, II, 35.

Klemm, Allgemeine Culturgeschichte, II, 310.

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