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hatte seufzen hören.') Alles, was in den innersten Winkeln seiner Seele bisher geschlummert hatte, wurde rege. Er bildete aus den vielerlei Ideen mit Farben der Liebe ein Gemälde auf Nebelgrund, dessen Gestalten freilich sehr in einander flossen, dafür aber auch das Ganze eine desto reizendere Wirkung that.

Zehntes Capitel.

Er saß nun zu Hause, kramte unter seinen Papieren und rüstete sich zur Abreise. Was nach seiner bisherigen Bestimmung schmeckte, ward bei Seite gelegt; er wollte bei seiner Wanderung in die Welt auch von jeder unangenehmen Erinnerung frei sein. Nur Werke des Geschmacks, Dichter und Kritiker, wurden als bes kannte Freunde unter die Erwählten gestellt; und da er bisher die Kunstrichter sehr wenig genugt hatte, so erneuerte sich seine Begierde nach Belehrung, als er seine Bücher wieder durchsah und fand, daß die theoretischen Schriften noch meist unaufgeschnitten waren. Er hatte sich, in der völligen Ueberzeugung von der Nothwendigkeit solcher Werke, viele davon angeschafft und mit dem besten Willen in keines auch nur bis in die Hälfte sich hineinlesen können. Dagegen hatte er sich desto eifriger an Beispiele gehalten und in allen Arten, die ihm bekannt worden waren, selbst Versuche gemacht.

Werner trat herein, und als er seinen Freund mit den bekannten Heften beschäftigt sah, rief er aus: „Bist du schon wieder über diesen Papieren? Ich wette, du hast nicht die Absicht, eins oder das andere zu vollenden! Du siehst sie durch und wieder durch, und beginnst allenfalls etwas Neues."

„Zu vollenden ist nicht die Sache des Schülers, es ist genug, wenn er sich übt."

1) Das erste deutsche Nationaltheater war 1767 in Hamburg von zwölf dortigen Bürgern als „Hamburger Entreprise“ gegründet worden. Aus Lessing's Theilnahme an demselben ging die,,Hamburgische Dramaturgie" hervor. Doch zerfiel dies Institut bereits wieder im Mai 1769. Aehnliche Pläne suchten in Wien 1776 Kaiser Joseph II., in Mannheim 1779 der Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz zu verwirklichen. In Berlin wurde Ende 1786 von Friedrich Wilhelm II. ein sogenanntes ,,Nationaltheater“ geschaffen.

„Aber doch fertig macht, so gut er fann."

„Und doch ließe sich wohl die Frage aufwerfen: ob man nicht eben gute Hoffnung von einem jungen Menschen faffen könne, der bald gewahr wird, wenn er etwas Ungeschicktes unternommen hat, in der Arbeit nicht fortfährt und an etwas, das niemals einen Werth haben kann, weder Mühe noch Zeit verschwenden mag."

„Ich weiß wohl, es war nie deine Sache, etwas zu Stande zu bringen; du warst immer müde, eh' es zur Hälfte kam. Da du noch Director unsers Puppenspiels warst, wie oft wurden neue Kleider für die Zwerggesellschaft gemacht, neue Decorationen ausgeschnitten! Bald sollte dieses, bald jenes Trauerspiel aufgeführt werden, und höchstens gabst du einmal den fünften Act, wo Alles recht bunt durch einander ging, und die Leute sich erstachen.“

„Wenn du von jenen Zeiten sprechen willst: wer war denn Schuld, daß wir die Kleider, die unsern Puppen angepaßt und auf den Leib festgenäht waren, herunter trennen ließen, und den Aufwand einer weiläufigen und unnüßen Garderobe machten? Warst du's nicht, der immer ein neues Stück Band zu verhandeln hatte, der meine Liebhaberei anzufeuern und zu nußen wußte?“

Werner lachte und rief aus: „Ich erinnere mich immer noch mit Freuden, daß ich von euren theatralischen Feldzügen Vortheil zog, wie Lieferanten vom Kriege. Als ihr euch zur Befreiung Je= rusalems rüstetet, machte ich auch einen schönen Profit, wie ehemals die Venetianer im ähnlichen Falle. Ich finde nichts vernünftiger in der Welt, als von den Thorheiten Anderer Vortheil zu ziehen."

„Ich weiß nicht, ob es nicht ein edleres Vergnügen wäre, die Menschen von ihren Thorheiten zu heilen."

„Wie ich sie kenne, möchte das wohl ein eitles Bestreben sein. Es gehört schon etwas dazu, wenn ein einziger Mensch klug und reich werden soll, und meistens wird er es auf Unkosten der Andern.“

„Es fällt mir eben recht der Jüngling am Scheidewege in die Hände", versezte Wilhelm, indem er ein Heft aus den übrigen Papieren herauszog; „das ist doch fertig geworden, es mag übrigens sein wie es will."

"Leg' es bei Seite, wirf es ins Feuer!" verseßte Werner. „Die Erfindung ist nicht im geringsten lobenswürdig; schon vormals ärgerte mich diese Composition genug und zog dir den Unwillen

des Vaters zu. Es mögen ganz artige Verse sein; aber die Vorstellungsart ist grundfalsch. Ich erinnere mich noch deines personificirten Gewerbes, deiner zusammengeschrumpften erbärmlichen Sibylle. Du magst das Bild in irgend einem elenden Kramladen aufgeschnappt haben. Von der Handlung hattest du damals keinen Begriff; ich wüßte nicht, wessen Geist ausgebreiteter wäre, ausgebreiteter sein müßte, als der Geist eines echten Handelsmannes. Welchen Ueberblick verschafft uns nicht die Ordnung, in der wir unsere Geschäfte führen! Sie läßt uns jederzeit das Ganze über= schauen, ohne daß wir nöthig hätten, uns durch das Einzelne verwirren zu lassen. Welche Vortheile gewährt die doppelte Buchhal= tung dem Kaufmanne! Es ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und ein jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirthschaft einführen.“

„Verzeih mir“, sagte Wilhelm lächelnd, „du fängst von der Form an, als wenn das die Sache wäre; gewöhnlich vergeßt ihr aber auch über eurem Addiren und Bilanciren das eigentliche Facit des Lebens."

„Leider siehst du nicht, mein Freund, wie Form und Sache hier nur eins ist, Eins ohne das Andere nicht bestehen könnte. Ordnung und Klarheit vermehrt die Lust, zu sparen und zu erwerben. Ein Mensch, der übel haushält, befindet sich in der Dunkelheit sehr wohl; er mag die Posten nicht gerne zusammenrechnen, die er schuldig ist. Dagegen kann einem guten Wirthe nichts angenehmer sein, als sich alle Tage die Summe seines wachsenden Glücks zu ziehen. Selbst ein Unfall, wenn er ihn verdrießlich überrascht, erschreckt ihn nicht; denn er weiß sogleich, was für erworbene Vortheile er auf die andere Wagschale zu legen hat. Ich bin überzeugt, mein lieber Freund, wenn du nur einmal einen rechten Geschmack an unsern Geschäften finden könntest, so würdest du dich überzeugen, daß manche Fähigkeiten des Geistes auch dabei ihr freies Spiel haben können."

„Es ist möglich, daß mich die Reise, die ich vorhabe, auf andere Gedanken bringt.“

„O gewiß! Glaube mir, es fehlt dir nur der Anblick einer großen Thätigkeit, um dich auf immer zu dem Unsern zu machen; und wenn du zurückkommst, wirst du dich gern zu Denen gesellen,

die durch alle Arten von Spedition und Speculation einen Theil des Geldes und Wohlbefindens, das in der Welt seinen nothwendigen Kreislauf führt, an sich zu reißen wissen. Wirf einen Blick auf die natürlichen und künstlichen Producte aller Welttheile, betrachte, wie sie wechselsweise zur Nothdurft geworden sind! Welch eine angenehme, geistreiche Sorgfalt ist es, Alles, was in dem Augenblicke am meisten gesucht wird und doch bald fehlt, bald schwer zu haben ist, zu kennen, Jedem, was er verlangt, leicht und schnell zu verschaffen, sich vorsichtig in Vorrath zu seßen und den Vortheil jedes Augenblickes dieser großen Circulation zu genießen! Dies ist, dünkt mich, was Jedem, der Kopf hat, eine große Freude machen wird."

Wilhelm schien nicht abgeneigt, und Werner fuhr fort: „Besuche nur erst ein paar große Handelsstädte, ein paar Häfen, und du wirst gewiß mit fortgerissen werden. Wenn du siehst, wie viele Menschen beschäftigt sind, wenn du siehst, wo so Manches herkommt, wo es hingeht, so wirst du es gewiß auch mit Vergnügen durch deine Hände gehen sehen. Die geringste Waare siehst du im Zusammenhange mit dem ganzen Handel, und eben darum hältst du nichts für gering, weil Alles die Circulation vermehrt, von welcher dein Leben seine Nahrung zieht.“

Werner, der seinen richtigen Verstand in dem Umgange mit Wilhelm ausbildete, hatte sich gewöhnt, auch an sein Gewerbe, an seine Geschäfte mit Erhebung der Seele zu denken, und glaubte immer, daß er es mit mehrerem Rechte thue als sein sonst verständiger und geschäßter Freund, der, wie es ihm schien, auf das Unreellste von der Welt einen so großen Werth und das Gewicht seiner ganzen Seele legte. Manchmal dachte er, es könne gar nicht fehlen, dieser falsche Enthusiasmus müsse zu überwältigen und ein so guter Mensch auf den rechten Weg zu bringen sein. In dieser Hoffnung fuhr er fort: „Es haben die Großen dieser Welt sich der Erde bemächtigt; sie leben in Herrlichkeit und in Ueberfluß. Der kleinste Raum unseres Welttheils ist schon in Besiz genommen, jeder Besiz befestigt, Aemter und andere bürgerliche Geschäfte tragen wenig ein; wo giebt es nun noch einen rechtmäßigern Erwerb, eine billigere Eroberung als den Handel? Haben die Fürsten dieser Welt die Flüsse, die Wege, die Häfen in ihrer Gewalt und nehmen von dem,

was durch- und vorbeigeht, einen starken Gewinn, sollen wir nicht mit Freuden die Gelegenheit ergreifen und durch unsere Thätigkeit auch Zoll von jenen Artikeln nehmen, die theils das Bedürfniß, theils der Uebermuth den Menschen unentbehrlich gemacht hat? Und ich kann dir versichern, wenn du nur deine dichterische Einbildungskraft anwenden wolltest, so könntest du meine Göttin als eine unüberwindliche Siegerin der deinigen kühn entgegenstellen. Sie führt freilich lieber den Oelzweig als das Schwert; Dolch und Ketten kennt sie gar nicht; aber Kronen theilt sie auch ihren Lieblingen aus, die, es sei ohne Verachtung Jener gesagt, von echtem, aus der Quelle geschöpftem Golde und von Perlen glänzen, die sie aus der Tiefe des Meeres durch ihre immer geschäftigen Diener geholt hat."

Wilhelmen verdroß dieser Ausfall ein wenig, doch verbarg er seine Empfindlichkeit; denn er erinnerte sich, daß Werner auch seine Apostrophen mit Gelassenheit anzuhören pflegte. Uebrigens war er billig genug, um gerne zu sehen, wenn Jeder von seinem Handwerk aufs Beste dachte; nur mußte man ihm das seinige, dem er sich mit Leidenschaft gewidmet hatte, unangefochten lassen.

„Und dir“, rief Werner aus, „der du an menschlichen Dingen so herzlichen Antheil nimmst, was wird es dir für ein Schauspiel sein, wenn du das Glück, das muthige Unternehmungen begleitet, vor deinen Augen den Menschen wirst gewährt sehen! Was ist reizender als der Anblick eines Schiffes, das von einer glücklichen Fahrt wieder anlangt, das von einem reichen Fange frühzeitig zurückkehrt! Nicht der Verwandte, der Bekannte, der Theilnehmer allein, ein jeder fremde Zuschauer wird hingerissen, wenn er die Freude sieht, mit welcher der eingesperrte Schiffer ans Land springt, noch ehe sein Fahrzeug es ganz berührt, sich wieder frei fühlt und nunmehr das, was er dem falschen Wasser entzogen, der getreuen Erde anvertrauen kann. Nicht in Zahlen allein, mein Freund, erscheint uns der Gewinn; das Glück ist die Göttin der lebendigen Menschen, und um ihre Gunst wahrhaft zu empfinden, muß man leben und Menschen sehen, die sich recht lebendig bemühen und recht sinnlich genießen."

Goethe. VI.

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