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seiner vorstehenden Unterhandlung nach. Er kehrte in das Haus der verlassenen Eltern zurück, wo man ihn mit Verwunderung aufnahm. Er trug sein Anbringen bescheiden vor und fand gar bald mehr und weniger Schwierigkeiten, als er vermuthet hatte. Geschehen war es einmal, und wenn gleich außerordentlich strenge und harte Leute sich gegen das Vergangene und Nichtzuändernde mit Gewalt zu sehen und das Uebel dadurch zu vermehren pflegen, so hat dagegen das Geschehene auf die Gemüther der Meisten eine unwiderstehliche Gewalt, und was unmöglich schien, nimmt sogleich, als es geschehen ist, neben dem Gemeinen seinen Plaß ein. Es war also bald ausgemacht, daß der Herr Melina die Tochter heirathen sollte; dagegen sollte sie wegen ihrer Unart kein Heirathsgut mitnehmen und versprechen, das Vermächtniß einer Tante noch einige Jahre gegen geringe Interessen in des Vaters Händen zu lassen. Der zweite Punkt, wegen einer bürgerlichen Versorgung, fand schon größere Schwierigfeiten. Man wollte das ungerathene Kind nicht vor Augen sehen, man wollte die Verbindung eines hergelaufenen Menschen mit einer so angesehenen Familie, welche sogar mit einem Superintendenten verwandt war, sich durch die Gegenwart nicht beständig aufrücken lassen; man konnte eben so wenig hoffen, daß die fürstlichen Collegien ihm eine Stelle anvertrauen würden. Beide Eltern waren gleich stark dagegen, und Wilhelm, der sehr eifrig dafür sprach, weil er dem Menschen, den er geringschäßte, die Rückkehr auf das Theater nicht gönnte und überzeugt war, daß er eines solchen Glückes nicht werth sei, konnte mit allen seinen Argumenten nichts ausrichten. Hätte er die geheimen Triebfedern gekannt, so würde er sich die Mühe gar nicht gegeben haben, die Eltern überreden zu wollen. Denn der Vater, der seine Tochter gerne bei sich behalten hätte, haßte den jungen Menschen, weil seine Frau selbst ein Auge auf ihn geworfen hatte, und diese konnte in ihrer Stieftochter eine glückliche Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und so mußte Melina wider seinen Willen mit seiner jungen Braut, die schon größere Lust bezeigte, die Welt zu sehen und sich der Welt sehen zu lassen, nach einigen Tagen abreisen, um bei irgend einer Gesellschaft ein Unterkommen zu finden.

Goethe. VI.

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Fünfzehntes Capitel.

Glückliche Jugend! Glückliche Zeiten des ersten Liebebedürfnisses! Der Mensch ist dann wie ein Kind, das sich am Echo stundenlang ergeßt, die Unkosten des Gespräches allein trägt und mit der Unterhaltung wohl zufrieden ist, wenn der unsichtbare Gegenpart auch nur die lezten Silben der ausgerufenen Worte wiederholt.

So war Wilhelm in den frühern, besonders aber in den spätern Zeiten seiner Leidenschaft für Marianen, als er den ganzen Reichthum seines Gefühls auf sie hinüber trug und sich dabei als einen Bettler ansah, der von ihren Almosen lebte. Und wie uns eine Gegend reizender, ja allein reizend vorkommt, wenn sie von der Sonne beschienen wird, so war auch Alles in seinen Augen verschönert und verherrlicht, was sie umgab, was sie berührte.

Wie oft stand er auf dem Theater hinter den Wänden, wozu er sich das Privilegium von dem Director erbeten hatte! Dann war freilich die perspectivische Magie verschwunden, aber die viel mächtigere Zauberei der Liebe fing erst an zu wirken. Stundenlang konnte er am schmußigen Lichtwagen stehen, den Qualm der UnschlittLampen einziehen, nach der Geliebten hinausblicken und, wenn sie wieder hereintrat und ihn freundlich ansah, sich in Wonne verloren dicht an dem Balken- und Latten - Gerippe in einen paradiesischen Zustand versezt fühlen. Die ausgestopften Lämmchen, die Wasserfälle von Zindel, die pappenen Rosenstöcke und die einseitigen Strohhütten erregten in ihm liebliche dichterische Bilder uralter Schäferwelt. Sogar die in der Nähe häßlich erscheinenden Tänzerinnen waren ihm nicht immer zuwider, weil sie auf Einem Brette mit seiner Vielgeliebten standen. Und so ist es gewiß, daß Liebe, welche Rosenlauben, Myrthenwäldchen und Mondschein erst beleben muß, auch sogar Hobelspänen und Papierschnißeln einen Anschein belebter Naturen geben kann. Sie ist eine so starke Würze, daß selbst schale und ekle Brühen davon schmackhaft werden.

Solch einer Würze bedurft' es freilich, um jenen Zustand leidlich, ja in der Folge angenehm zu machen, in welchem er gewöhnlich ihre Stube, ja gelegentlich sie selbst antraf.

In einem feinen Bürgerhause erzogen, war Ordnung und

Reinlichkeit das Element, worin er athmete, und indem er von seines Vaters Prunkliebe einen Theil geerbt hatte, wußte er in den Knabenjahren sein Zimmer, das er als sein kleines Reich ansah, stattlich auszustaffiren. Seine Bettvorhänge waren in große Falten aufgezogen und mit Quasten befestigt, wie man Throne vorzustellen pflegt; er hatte sich einen Teppich in die Mitte des Zimmers und einen feinern auf den Tisch anzuschaffen gewußt; seine Bücher und Geräthschaften legte und stellte er fast mechanisch so, daß ein niederländischer Maler gute Gruppen zu seinen Stillleben hätte heraus nehmen können. Eine weiße Müße hatte er wie einen Turban zurecht gebunden und die Aermel seines Schlafrocks nach orientalischem Costüme kurz stußen lassen. Doch gab er hiervon die Ursache an, daß die langen weiten Aermel ihn im Schreiben hinderten. Wenn er Abends ganz allein war und nicht mehr fürchten durfte, gestört zu werden, trug er gewöhnlich eine seidene Schärpe um den Leib, und er soll manchmal einen Dolch, den er sich aus einer alten Rüstkammer zugeeignet, in den Gürtel gesteckt und so die ihm zugetheilten tragischen Rollen memorirt und probirt, ja, in eben dem Sinne sein Gebet knieend auf dem Teppich verrichtet haben.

Wie glücklich pries er daher in jenen Zeiten den Schauspieler, den er im Besiz so mancher majestätischen Kleider, Rüstungen und Waffen und in steter Uebung eines edlen Betragens sah, dessen Geist einen Spiegel des Herrlichsten und Prächtigsten, was die Welt an Verhältnissen, Gesinnungen und Leidenschaften hervorgebracht, darzustellen schien. Ebenso dachte sich Wilhelm auch das häusliche Leben des Schauspielers als eine Reihe von würdigen Handlungen und Beschäftigungen, davon die Erscheinung auf dem Theater die äußerste Spiße sei, etwa wie ein Silber, daß vom Läuterfeuer lange herumgetrieben worden, endlich farbig schön vor den Augen des Arbeiters erscheint und ihm zugleich andeutet, daß das Metall nunmehr von allen fremden Zusäßen gereinigt sei.

Wie sehr stuzte er daher anfangs, wenn er sich bei seiner Geliebten befand und durch den glücklichen Nebel, der ihn umgab, neben aus auf Tische, Stühle und Boden sah. Die Trümmer eines augenblicklichen, leichten und falschen Pußes lagen, wie das glänzende Kleid eines abgeschuppten Fisches, zerstreut in wilder Unordnung durch einander. Die Werkzeuge menschlicher Reinlichkeit, als Kämme,

Seife, Tücher, waren mit den Spuren ihrer Bestimmung gleichfalls nicht versteckt. Musik, Rollen und Schuhe, Wäsche und italiänische Blumen, Etuis, Haarnadeln, Schminktöpfchen und Bänder, Bücher und Strohhüte, keines verschmähte die Nachbarschaft des andern, alle waren durch ein gemeinschaftliches Element, durch Puder und Staub, vereinigt. Jedoch da Wilhelm in ihrer Gegenwart wenig von allem Andern bemerkte, ja vielmehr ihm Alles, was ihr gehörte, sie berührt hatte, lieb werden mußte, so fand er zuleßt in dieser verworrenen Wirthschaft einen Reiz, den er in seiner stattlichen Prunkordnung niemals empfunden hatte. Es war ihm hier ihre Schnürbrust wegnahm, um zum Clavier zu kommen, dort ihre Röcke aufs Bette legte, um sich seßen zu können, wenn sie selbst mit unbefangener Freimüthigkeit manches Natürliche, das man sonst gegen einen Andern aus Anstand zu verheimlichen pflegt, vor ihm nicht zu verbergen suchte es war ihm, sag? ich, als wenn er ihr mit jedem Augenblicke näher würde, als wenn eine Gemeinschaft zwischen ihnen durch unsichtbare Bande befestigt würde.

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wenn er

Nicht eben so leicht konnte er die Aufführung der übrigen Schauspieler, die er bei seinen ersten Besuchen manchmal bei ihr antraf, mit seinen Begriffen vereinigen. Geschäftig im Müßiggange, schienen sie an ihren Beruf und Zweck am wenigsten zu denken; über den poetischen Werth eines Stückes hörte er sie niemals reden und weder richtig noch unrichtig darüber urtheilen; es war immer nur die Frage: Was wird das Stück machen? Ist es ein Zugstück? Wie lange wird es spielen? Wie oft kann es wohl gegeben werden? und was Fragen und Bemerkungen dieser Art mehr waren. Dann ging es gewöhnlich auf den Director los, daß er mit der Gage zu karg und besonders gegen den Einen und den Andern ungerecht sei, dann auf das Publikum, daß es mit seinem Beifall selten den rechten Mann belohne, daß das deutsche Theater sich täglich verbessere, daß der Schauspieler nach seinen Verdiensten immer mehr geehrt werde und nicht genug geehrt werden könne. Dann sprach man viel von Kaffeehäusern und Weingärten, und was daselbst vorgefallen, wie viel irgend ein Kamerad Schulden habe und Abzug leiden müsse, von Disproportion der wöchentlichen Gage, von Cabalen einer Gegenpartei; wobei denn doch zuleßt die große und verdiente Aufmerksamkeit des Publikums wieder in Betracht

kam, und der Einfluß des Theaters auf die Bildung einer Nation und der Welt nicht vergessen wurde.

Alle diese Dinge, die Wilhelmen sonst schon manche unruhige Stunde gemacht hatten, kamen ihm gegenwärtig wieder ins Gedächtniß, als ihn sein Pferd langsam nach Hause trug, und er die verschiedenen Vorfälle, die ihm begegnet waren, überlegte. Die Bewegung, welche durch die Flucht eines Mädchens in eine gute Bürgerfamilie, ja in ein ganzes Städtchen gekommen war, hatte er mit Augen gesehen; die Scenen auf der Landstraße und im Amthause, die Gesinnungen Melina's, und was sonst noch vorgegangen war, stellten sich ihm wieder dar und brachten seinen lebhaften, vordringenden Geist in eine Art von sorglicher Unruhe, die er nicht lange ertrug, sondern seinem Pferde die Sporen gab und nach der Stadt zueilte.

Allein auch auf diesem Wege rannte er nur neuen Unannehmlichkeiten entgegen. Werner, sein Freund und vermuthlicher Schwager, wartete auf ihn, um ein ernsthaftes, bedeutendes und unerwartetes Gespräch mit ihm anzufangen.

Werner war einer von den geprüften, in ihrem Dasein bestimmten Leuten, die man gewöhnlich kalte Leute zu nennen pflegt, weil sie bei Anlässen weder schnell noch sichtlich auflodern. Auch war sein Umgang mit Wilhelmen ein anhaltender Zwist, wodurch sich ihre Liebe aber nur desto fester knüpfte; denn ungeachtet ihrer verschiedenen Denkungsart fand Jeder seine Rechnung bei dem Andern. Werner that sich darauf etwas zu Gute, daß er dem vortrefflichen, obgleich gelegentlich ausschweifenden Geist Wilhelms mitunter Zügel und Gebiß anzulegen schien, und Wilhelm fühlte oft einen herrlichen Triumph, wenn er seinen bedächtigen Freund in warmer Aufwallung mit sich fortnahm. So übte sich Einer an dem Andern, sie wurden gewohnt, sich täglich zu sehen, und man hätte sagen sollen, das Verlangen einander zu finden, sich mit einander zu besprechen, sei durch die Unmöglichkeit, einander verständlich zu werden, vermehrt worden. Im Grunde aber gingen sie doch, weil sie Beide gute Menschen waren, neben einander, mit einander nach Einem Ziel und konnten niemals begreifen, warum denn Keiner den Andern auf seine Gesinnung reduciren könne.

Werner bemerkte seit einiger Zeit, daß Wilhelms Besuche seltener

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