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werden müßte. Um nur Eines zu berühren, so haben Faust und Wilhelm dieses Bedeutsame mit einander gemein, daß sie, um zur Befriedigung des Lebens zu gelangen, ihren Durchgang durch die Kunst nehmen müssen. Was am Faust symbolisch vollbracht wird, das erfährt Wilhelm an sich in der Wirklichkeit. In Beiden wird die ethische Erziehung durch die ästhetische vermittelt. Wie Faust, von der Sehnsucht nach dem Schönheitsideal hingerissen und durch unablässiges Streben in den Besiß desselben gelangt, dennoch nicht in ruhigem Genuß bei demselben verweilen darf, sondern den Begriff der schönen Menschlichkeit, den er dadurch errungen, in edler Thätigkeit zum Besten eines freien Volkes bewähren muß, so läßt auch Wilhelm die Welt des schönen Scheins, in der er das Ziel seiner Ausbildung gesucht, hinter sich, um als Mitglied einer frei organisirten gemeinnüßigen Gesellschaft die Befriedigung seines menschlichen Strebens in der wirklichen Welt zu finden.

Bot sich so für „Wilhelm Meister“, um den Uebergang vom Bild des Lebens in das Leben selbst zu vermitteln, die Schauspielkunst als innerlicher Anknüpfungspunkt von selbst dar, so gab sie dem Dichter nicht minder die äußere Anregung zu seinem Werke. Dasselbe weist auch darin eine Aehnlichkeit mit dem „Faust“ auf, daß seine Keime in eine frühe Zeit zurückreichen und seine Ausführung mit verschiedenen Unterbrechungen eine beträchtliche Anzahl von Jahren in Anspruch nahm. Wenn wir hier von den „Wanderjahren“ noch absehen, so liegen zwischen der Vollendung des eigentlichen Romans, Ende 1796, und der Niederschrift des Anfanges, welcher in den Beginn des Jahres 1777 fällt, nicht weniger als volle zwei Jahrzehnte. Als Goethe im Jahre 1775 nach Weimar übersiedelte, war die deutsche Schauspielkunst, deren Geburt kaum über dreißig Jahre zurückdatirte, in voller kräftiger Jugendblüthe. Jhr Begründer Eckhof kam zu derselben Zeit in des Dichters Nähe nach Gotha; Schröder stand auf dem Gipfel seines Ruhmes; Iffland und Fleck verließen aus Liebe zur Kunst beide im Jahre 1777 das Studium der Theologie und betraten, Jener ebenfalls in Gotha, Dieser in Leipzig, die Bühne. Andere unterrichtete Jünglinge fühlten sich, mehr durch den Drang nach Ruhm und freierer Bewegung als durch wahres Talent, begeistert, ihrem Beispiele zu folgen. Goethe selbst empfand von Jugend auf eine lebhafte Neigung

für das Theater und wurde gleich in der ersten Zeit seines Weimarer Aufenthaltes veranlaßt, auf der herzoglichen Liebhaberbühne, für die er als Dichter thätig war, auch als Schauspieler aufzutreten. Er hatte sich mit allen Einzelheiten der Schauspielkunst genau bekannt gemacht, nicht weil er sich einen Beruf zu deren Ausübung zuschrieb, sondern um seine Erfahrungen gelegentlich zur dichterischen Darstellung dieses Wesens zu verwenden. Dies wollte er denn in seinem „Wilhelm Meister“ thun. In einem Briefe vom 5. Juni 1778 bittet er seinen Freund Merck, welcher eben in seiner „Geschichte des Herrn Oheims“ das Wirthschaftswesen des Landedelmannes behandelt hatte, ihm „weder mittelbar noch unmittelbar ins theatralische Gehege zu kommen", da er selbst das Theaterwesen in einem Roman vorzutragen gedenke, dessen erstes Buch bereits fertig sei. Den Anfang desselben hatte er Merck schon im September des vorangegangenen Jahres gezeigt. Vom Theater muß also damals darin noch nicht die Rede gewesen sein. In der That geht aus einer Aeußerung Herder's hervor, daß der Beginn des Romans, abweichend von seiner jeßigen Fassung, mit der Erzählung von Wilhelms früherm Leben weiter ausholte. „Man lernte den jungen Menschen von Kindheit an kennen, interessirte sich für ihn allmählich und nahm an ihm Theil, auch da er sich verirrte." Aus Rücksichten der künstlerischen Form wurde dieser Eingang dann verändert, der Leser gleich mitten in das Verhältniß Wilhelms zu Marianen versezt und aus dessen Kinderleben, so viel nöthig schien, nachgeholt. Wenn eine Andeutung, die von Goethe's Mutter herrührt, zuverlässig ist, so sollte nach dem ursprünglichen Plane der Roman mit einer Heirath Wilhelms und Marianens abschließen. Sei dem, wie ihm wolle, so ist doch soviel gewiß, daß der Dichter von vornherein. nicht die Absicht hatte, sein Werk auf den engen Kreis des Theaterwesens allein zu beschränken und Wilhelm etwa nur durch den Dilettantismus zur wahren Kunstübung zu führen. Vielmehr bezeugt Goethe in seinen Annalen 1781-86 ausdrücklich, daß schon die Anfänge des „Wilhelm Meister", die lange geruht hatten, mit der Tendenz angelegt waren, daß der Held seine Theaterlaufbahn später als eine falsche Richtung erkennen sollte. Sie entsprangen", heißt es dort, „aus einem dunkeln Vorgefühl der großen Wahrheit, daß der Mensch oft etwas versuchen möchte, wozu ihm Anlage von der

Natur versagt ist, unternehmen und ausüben möchte, wozu ihm Fertigkeit nicht werden kann; ein inneres Gefühl warnt ihn, abzustehen, er kann aber mit sich nicht ins Klare kommen und wird auf falschem Wege zu falschem Zwecke getrieben, ohne daß er weiß, wie es zugeht."

Aber stand auch diese Absicht schon damals im Allgemeinen fest, so bot doch die Ausführung im Einzelnen so große Schwierigkeiten, daß der Roman vier Jahre lang nur sehr wenig gefördert wurde, obwohl Frau von Stein den Dichter unablässig zur Fortseßung des Werkes mahnte. In einem Briefe an sie vom 7. Juni 1780 sagt er von einer „Lieblingssituation“, deren ganzen Detail er unterwegs auf einer Reise nach Gotha in sich hatte entstehen lassen: „Ich wollt gern Geld drum geben, wenn das Capitel von Wilhelm Meister aufgeschrieben wär'; aber man brächte mich eher zu einem Sprung durchs Feuer.“ Wahrscheinlich handelte es sich um das Schlußcapitel des jeßigen ersten Buches, welches wohl auch das damalige zweite Buch mit umfaßt. Erst im August 1782 ward dieses zweite Buch vollendet. Doch hatte der Dichter inzwischen auch schon für spätere Theile Studien nach der Natur gemacht, wie ebenfalls aus seinen Briefen an Frau von Stein hervorgeht.

So hatte er in dem Grafen und in der Gräfin Werthern, die er in Begleitung des Herzogs Karl August zuerst im Februar 1780 und dann wieder im März 1781 auf ihrem Schloß Neunheiligen besuchte, die Vorbilder zu seinem gräflichen Ehepaar gefunden, auf dessen Schloß die Handlung des dritten Buches spielt. Der Graf Werthern, welcher früher Gesandter in Spanien war, trug bei reichen Kenntnissen eine selbstgefällige Weisheit und Vornehmheit zur Schau, hatte in seinem Hause ein seltsam ceremonielles Wesen eingeführt und machte sich oft durch paradoxe Grillen lächerlich. „Seine Narrheit", schreibt Goethe am 7. März 1781, nehm' ich für bekannt, und toll ist er noch nicht gewesen." Seine bedeutend jüngere Gemahlin, eine Schwester des preußischen Ministers von Stein, „ein zierliches Wesen“, dabei „krank und für dies Leben verloren“, hatte, „an den leidigsten Narren geschmiedet“, in ihrer Ehe das Glück, das sie verdiente, nicht gefunden und flößte dem Herzog durch die großen Eigenschaften ihrer Seele eine tiefe Neigung ein. „In ihr“, heißt es in einem Briefe Goethe's an seine Freundin

Welt haben u. s. w. denken können. . . Diese hat Welt oder

.....

vom 10. März, „ist eine Richtigkeit der Beurtheilung, ein unzerstör liches Leben und eine Güte, die mir täglich neue Bewunderung und Freude machen. Sie ist dem Herzog sehr nüßlich.“ Und am folgenden Tage: Wie oft habe ich die Worte Welt, große Welt, hören müssen und habe mir nie was dabei Dieses kleine Wesen hat mich erleuchtet. vielmehr sie hat die Welt, sie weiß die Welt zu behandeln (la manier) .... Sicher ihres Werths, ihres Rangs, handelt sie zugleich mit einer Delicatesse und Aisance, die man sehen muß, um sie zu denken. Sie scheint Jedem das Seinige zu geben, wenn sie auch nichts giebt.... sie lebt nur unter den Menschen hin, und daraus entsteht eben die schöne Melodie, die sie spielt, daß sie nicht jeden Ton, sondern nur die auserwählten berührt. . . . . es kleidet sie Alles, was sie sich von Jedem zueignet, und was sie Jedem giebt, thut ihm wohl... Ich habe noch drei Tage und nichts zu thun, als sie anzusehen; in der Zeit will ich noch manchen Zug erobern." Ueber den Grafen fügt er nur hinzu: „So viel kann ich sagen, er macht mir meine dramatische und epische Vorrathskammer um ein Gutes reicher.“ Endlich am 30. März 1782, nachdem das Ehepaar längere Zeit in Weimar zu Besuch gewesen, berichtet er: „Die schöne Gräfin ist heute früh weg. Sie sieht aus und ist wie eine schöne Seele, die aus den lezten Flammenspißen eines nicht verdienten Fegefeuers scheidet und sich nach dem Himmel sehnend erhebt“. Man wird aus diesen Aeußerungen die Aehnlichkeit mit den Gestalten des Romans leicht wiedererkennen.

Das dritte Buch, nicht ganz bis zur Hälfte des jeßigen zweiten reichend, wurde am 12. November, dem Geburtstag der Frau von Stein, fertig, der Goethe versprach, von da an jedes Jahr zu demselben Tage ein neues Buch zu vollenden. Auch gelang es ihm in der That, mit den nächsten drei Büchern diese Fristen einzuhalten. Dabei fuhr er eifrig fort, aus dem wirklichen Leben neuen Stoff für sein Werk zu gewinnen. Während eines Aufenthaltes in Leipzig im December 1782 sammelte er „recht schöne Data“ und ergänzte „verschiedene Lücken, die ihm fehlten“. Eine abenteuerliche Liebschaft, welche der Prinz Constantin, der jüngere Bruder des Herzogs, in Paris mit einer schönen Französin, Namens Darsaincourt, ange

fnüpft hatte, gab im Frühjahre 1783 die Grundzüge zu dem vie! später geschilderten Verhältnisse zwischen Lothario und Lydie. Die Französin, welche der Prinz nach Weimar vorausgeschickt hatte, war vorläufig in der Oberförsterei Tannroda untergebracht worden, wo Goethe, von ihr um Rath und Beistand angerufen, sie anfangs Mai besuchte. Sie fehrte später, von ihren Hoffnungen enttäuscht, nach Frankreich zurück. Im nächsten Jahre kam der Prinz Heinrich von Preußen, welcher am 5. Juli 1784 mit Gefolge in Eisenach eintraf und über Tafel verweilte, eben zurecht, um dem Dichter für das fünfte, jezt dritte Buch, an welchem er gerade arbeitete, zu einer raschen Skizze seines Prinzen zu sizen.

Als er das sechste Buch, welches dem jeßigen vierten entspricht, am 11. November 1785 abgeschlossen seiner Freundin übersandte, schrieb er ihr: „Möge es Euch so viel Freude machen, als es mir Sorge gemacht hat, ich darf nicht sagen Mühe; denn die ist nicht bei diesen Arbeiten, aber wenn man so genau weiß, was man will, ist man mit der Ausführung niemals mit sich selbst zufrieden.“ Wie weit aussehend die Ausführung des Ganzen in seinem Geiste war, zeigen seine weiteren Worte: „wenn es so fort geht, werden wir alt zusammen, ehe wir dieses Kunstwerk beendet sehen“. Das Werk war auf zwölf Bücher berechnet; den Plan zu den sechs noch ausstehenden schrieb Goethe noch am 8. December desselben Jahres auf und begann die Ausführung des siebenten, zu dem er die Hamletstudien bereits im Sommer beendet hatte, im Mai 1786. Bald aber wurde der Dichter neben dem „zerstreuten Leben“ und „tausendfach zerstückelten Arbeiten", worüber er gegen Knebel flagte, noch von einer Durchsicht seiner früheren Werke für eine Gesammtausgabe ganz in Anspruch genommen; die Fortseßung des Romans gerieth ins Stocken, und kurz darauf brachte die italienische Reise vollends eine Unterbrechung auf mehrere Jahre. Zwar nahm Goethe außer den Manuscripten von „Faust“, „Iphigenie“, „Egmont“ und „Tasso“ auch das des „Wilhelm Meister" in das gelobte Land mit, nach welchem ihn selbst jene heiße Sehnsucht zog, die er in Mignons Lied: „Kennst du das Land" wohl zu gleicher Zeit so unwiderstehlich aussprach; allein der Aufenthalt daselbst, so große Bedeutung er in der Folge namentlich durch die Läuterung der Anschauungen über Kunst auch für die leßten Bücher des Romans ge

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