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Soll nun die Aufgabe des geistlichen Amtes eine Veränderung erleiden um der Verhältnisse der Gegenwart willen? Ich habe schon oben gezeigt, daß der Auftrag, den Gott dem geistlichen Amte an die Welt gegeben hat, immer derselbe bleibt. Anders verhält es sich mit den Wegen, auf welchen diese Aufgabe zu lösen ist. Zwar im Wesentlichen können auch die Thätigkeiten, welche jest im geistlichen Amte vereinigt sind, nicht verändert werden, aber einmal ist es wohl möglich, einzelne Thätigkeiten des Amtes, wenn es von den Zeitverhältnissen gefordert würde, loszulösen (cfr. Act. 6, 1 ff.), sodann die Aufgaben den Bedürfnissen der Zeit entsprechend, nach einer bestimmten Richtung hin zu betonen und ihnen in der Form der Ausführung eine neue Gestalt zu geben. Gehen wir zu diesem Zwecke die einzelnen Aufgaben des geistlichen Amtes durch.

Die erste und hauptsächlichste Thätigkeit des geistlichen Amtes ist die Verwaltung des Wortes und zwar zunächst als Lehrwort. Hier kann von einer Veränderung der Aufgabe insofern nicht die Rede sein, als der Inhalt des Evangeliums ewige, unveränderliche Wahrheit in sich schließt. Dieser ist vielmehr fester, denn je zu halten. Gegen über den vielgestaltigen Anschauungen der Gegenwart, gegenüber der Meinung, daß es keine absolute Wahrheit gebe, muß das geistliche Amt den Anspruch erheben, daß die Gemeinde Jesu Christi, deren Mund das Amt ist, Inhaberin einer ewigen Wahrheit ist, welche neben sich keine andere duldet. In diesem Sinne gilt das ernste Wort des Apostels: „So wir oder ein Engel vom Himmel auch würden Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht." Gal. 1, 8. Namentlich hat das geistliche Amt mit allem Ernste darauf zu halten, daß nicht die objektiven Thatfachen der Offenbarung unterschäßt und an ihre Stelle subjektive, schwankende Erfahrungen gesezt, erstere vielmehr festgehalten und_in ihrer Bedeutung für den christlichen Glauben der Gemeinde zum Be wußtsein gebracht werden. Ich kann mir nicht versagen, die treffenden Worte Warned's im 2. Teile seiner Evangelischen Missionslehre p. 151 hier anzuführen: Eine sophistische Kunst glaubt einem wunderscheuen Zeitalter den christlichen Glauben zu retten, indem sie die Thatsachen der evangelischen Geschichte preisgiebt. Der Glaube, welchen Jesus bei seinen Zeugen vorausseßt, ist freilich innere Lebenserfahrung, aber diese subjektive Erfahrung würde künstliche Täuschung sein, wenn sie sich nicht auf objektive Realitäten gründete. Der Glaube, den der Zeuge ... besißen muß, verlangt gebieterisch die persönliche Überzeugung von der Thatsächlichkeit der evangelischen Geschichte, da ohne dieselbe die an sie geknüpften Lehren, Tröstungen, Hoffnungen in der Luft schweben."

Es kann aber nötig sein bestimmte Thatsachen, bestimmte Glaubenslehren heute ganz besonders zu betonen, weil sie einem besondern Bedürfnisse der Gegenwart entgegenkommen. Welche möchten das sein?

Großer Nachdruck ist in der Verkündigung darauf zu legen, daß wir rechte Gemeinden haben müssen, daß unsere Gemeinden mit seltener Ausnahme keine Gemeinden im biblischen Sinne find.

Sodann möchte auf folgende Punkte in der Verkündigung hinzuweisen sein.

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In der Gegenwart begegnen wir nicht den erschrockenen Gewissen" der Reformationszeit. Das religiöse Bedürfnis der Gegenwart ist vor allem eine Sehnsucht nach wahrem Glücke, wahrem Leben, nach sittlicher Verklärung des Gesamtlebens, nach ewigem Leben. Das gegenwärtige Geschlecht ist innerlich nicht glücklich, es hat in der Hingabe an die Welt sein Glück zu finden gemeint, hat aber nicht gefunden, was es suchte. Weltüberdruß ist die natürliche Folge. Bereits fühlt man das. Ich führe dafür einen unverdächtigen Zeugen Emile Zola an. Er sagt: Wenn es nicht irgendwo eine andere Welt giebt, wo Gerechtigkeit herrscht, und wo die Schlechten bestraft und die Guten belohnt werden, wie soll man ohne Empörung dieses abscheuliche, menschliche Leben leben?.. Es giebt kein anderes Heil, als der Erde zu entfliehen, Vertrauen in das Jenseits zu seßen und zu hoffen, daß man dort endlich finden wird die Glückseligkeit und die Befriedigung unseres Bedürfnisses nach Brüderlichkeit und Gerechtigkeit." An diese Gedanken müssen wir anknüpfen. Darum dürfen wir zwar nie aufhören, die Vergebung der Sünde zu predigen, aber, um der Verhältnisse der Gegenwart willen, müssen wir vor allem predigen, daß das Christentum eine segnende Macht für den Menschen ist, daß er in ihm die Sicherstellung gegenüber der Welt findet, die Freiheit von der Natur- und Menschenangst, daß es ihm den Frieden des Daseins giebt, daß in ihm Kräfte fittlicher Erneuerung liegen und in diesen die Ges währ, ja die Keime für ein ewiges, seliges Leben. Die Auferstehung Jesu Christi ist in ihrer ganzen religiös-sittlichen Tiefe zu erfassen und in der Verkündigung darzubieten.

Der in unsern Tagen im Berufe, in der Wissenschaft, im Weltverkehr, in dem Bildungsstreben an die Vielheit hingegebenen Menschheit muß die Predigt entgegenkommen durch die Betonung des Gedankens vom Reiche Gottes als der Einheit des Vielen und des Entgegengesetten, des Leiblichen und Geistigen, des Geistlichen und Weltlichen, des Jrdischen und Himmlischen, des Menschlichen und Gött lichen, des Allgemeinen und Einzelnen, des Gegenwärtigen und Vergangenen. Dies würde auch auf die Wissenschaft den Einfluß haben, daß sie sich wieder mehr der Synthese zuwendet.

Unsere Zeit will keine Theologie in der Verkündigung, sondern Religion. Unserer Verkündigung ist noch zu viel Theologie beigemischt. Es ist das große Verdienst Luthers, das Christentum wieder als Religion zur Geltung gebracht, es aus den Fesseln mittelalterlicher Theologie befreit zu haben. Seine herrlichsten Bücher: Von der Freiheit eines Christenmenschen und sein Großer Katechismus enthalten nur Religion. Aber Luther hat manche altkatholischen Vorausseßungen

und Dogmen (cfr. Loofs Dogmen-Geschichte §. 79) beibehalten. Diese Lehrschlacken Luthers und nicht das lautere Gold seiner religiösen Grundgedanken hat die nachfolgende Theologie wesentlich behandelt. Das geistliche Amt wurde davon beeinflußt und so ist wieder zu viel Theologie in die Verkündigung hineingekommen. Mit Recht knüpft man jeßt wieder mehr an Luthers religiöse Grundgedanken an, wobei man sich nur ernstlich zu hüten hat, daß man nicht für Schlacken hält, was lauteres Gold ist.

Vor allem will unser Geschlecht, daß die Wahrheiten des Christentums für das innere Leben fruchtbar gemacht werden. Was hilft es z. B., wenn man mit allem Nachdruck das göttliche Wesen unseres Herrn aus der h. Schrift nachgewiesen, aber nicht gezeigt hat, welche religiöse Bedürfnisse durch diese Wahrheit befriedigt werden. Unsere Zeit fragt stets und mit Recht: Was habe ich von meinem Glauben? Welches Heil giebt er mir?

Die Gegenwart hat für den Wert des irdischen Lebens in seiner vollen Entfaltung ein entwickeltes Gefühl. Dem muß die Verkündigung gerecht werden und, allen falschen Pietismus, alle Verneinung des kreatürlichen Lebens abstreifend, zeigen, wie dem Christentum nichts Menschliches fremd ist, wie es das Menschliche nicht verneint, sondern verklärt.

Dem historisch kritischen Zuge unserer Tage gegenüber, welcher jedes geistige Besigtum auf sein Recht hin prüft, hat das geistliche Amt die Aufgabe, der Gemeinde eine lebendigere Anschauung von der h. Schrift zu geben, namentlich zu zeigen, wie durch eine gesunde Kritik, gesund darum, weil sie ihren Maßstab nicht von andern Gebieten, sondern aus der Sache selbst nimmt, die in der h. Schrift niedergelegte Wahrheit in keiner Weise gefährdet ist, daß wir sie nicht als eine vom Himmel gefallene Dogmatik oder Ethik“ anzusehen haben, sondern, so sage ich mit Rothe troß des neuerlich dagegen erhobenen Widerspruchs, als die Urkunde der göttlichen Offenbarung, welche uns Spätgeborenen die eigene Erlebung der göttlichen Offenbarung vertritt und uns so in den Stand seßt, auch jezt noch eine unmittelbare, persönliche Erfahrung von derselben zu machen." (Zur Dogmatik p. 123.)

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Infolge der analytischen Behandlung der Wissenschaft ist unsere Zeit groß im Kritischen und in der speziellen Behandlung, aber arm an großen Gedanken. Darum erscheint es mir als eine Pflicht des geistlichen Amtes, die Gemeinde einzuführen in die großen Bedankengänge der h. Schrift. Unsere Litteratur, unsere Philosophie, unsere Kunst hat auf ihren Höhepunkten das Beste aus dem Christentum entnommen Ehrenfeuchter, in seinem Werke: Christentum und moderne Weltanschauung hat dies im Einzelnen nachgewiesen p. 411-416. Große Gedanken und ein reines Herz, das ist es, was wir uns von Gott erbitten müssen" sagt Göthe, geben wir unserer Zeit auf dem Wege des geistlichen Amts die großen Gedanken der h. Schrift und damit die Grundlage eines wahren Idealismus in Wissenschaft, Kunst und Leben!

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Ob nicht auch die Form unserer Verkündigung, namentlich unserer Predigt, eine andere sein muß als bisher? Unsere Zeit ist realistisch, sie will Leben, Anregung, alles Einförmige ist ihr zuwider. Müssen wir uns nicht in der Form unserer Predigt etwas danach richten? Es muß doch auffallen, daß Bücher wie die von Drummond, Spurgeon, Beecher, Talmage, Funcke, welche an Gedankentiefe vielen andern nachstehen, so viele Auflagen erleben, also doch gern gelesen werden. Ist uns hier nicht ein Wink gegeben, etwas realistischer zu sprechen?

Mehr als bisher geschehen, muß das geistliche Amt sich mit dem Leben in Beziehung seßen. Ein Verkündiger des Wortes Gottes muß das menschliche Herz, muß das Leben, die die Zeit bewegenden Gedanken kennen, wenn er wirksam lehren will. Die gejamte Weltbildung zu beherrschen ist nicht nötig. Der Herr wie seine Apostel beherrschten sie nicht. Paulus hat schwerlich das System des Plato und Aristoteles und die griechische Kunst gekannt. Wenn er 1. Kor. 9, 19-23 sagt: ich bin jedermann allerlei geworden, so hat er sich doch nur in die sittlich-religiösen Anschauungen der Juden und Heiden verseßt. Den Bildungsmenschen in Athen bietet er nur religiöse Gedanken und benußt ihre Wissenschaft und Kunst nur als Anknüpfungspunkte für seine religiösen Gedanken. Den Korinthern gegenüber betont er seine „thörichte Predigt". Die gesamte Weltbildung auch nur in dem für einen einzelnen Menschen erreichbaren Maße sich anzueignen ist nicht jedem möglich aus Mangel an Zeit oder auch an Begabung. Wer es aber kann, soll es thun. Die Bildung der Gegenwart fordert auch für das geistliche Amt ein größeres Maß weltlicher Bildung. In dieser Hinsicht kann durch Arbeitsteilung, wie sie die Pfarrervereine anstreben, viel geschehen und dadurch, daß der rechte Mann an den rechten Plag gestellt wird. Im ganzen kann man sagen: Auch der höchstgebildete, ja gelehrte Mann hat im Grunde dieselben religiösen Bedürfnisse, wie jeder andere Mensch. Sucht nicht gerade oft der Gelehrte einen schlicht predigenden Mann auf? Treffend sagt J. Müller (Abh. p. 657): Legt nur Gottes Wort treu und gründlich aus, so daß ihr uns in seinem Spiegel schauen laßt, was das menschliche Herz ist und was Gottes h. Liebe in Christus ist, und wie sie dieses Herz um= zuwandeln vermag in der Geschichte des einzelnen Lebens, sowie in der Geschichte der Menschheit und die Weisen und Gelehrten sollen demütig zu euern Füßen fißen und sich nicht schämen von euch zu lernen."

Unter all' den Bewegungen der Gegenwart ist der gewaltigsten unter ihnen, der sozialen, die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Das geistliche Amt als solches soll nicht in die Kämpfe mit eintreten, aber es soll die soziale Frage studieren, um kennen zu lernen, inwiefern die wirtschaftlichen Verhältnisse lähmend auf das sittlich-religiöse Verhalten einwirken, welches die sittlich berechtigten Momente in den wirtschaftlichen Bestrebungen sind, welche sittlich-religiöse Anschauungen zu

Kirchl. Monatsschrift. Jahrg. XII. Heft IV.

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grunde liegen, und um dann vom fittlich-religiösen Standpunkte aus die ganze Bewegung zu behandeln.

Dies alles aber seht voraus einen regen Verkehr mit der Gemeinde, damit der Träger des Amtes für sich Verständnis und von seiten der Gemeinde Vertrauen gewinne.

Daß alles, was bisher inbezug auf die Wort-Verwaltung des geistlichen Amtes gesagt ist, bloß für unsere Verkündigung von der Kanzel gelten soll, ist meine Meinung nicht. Vieles von dem Gesagten eignet sich gar nicht zur Verwertung auf der Kanzel. Die Verkündigung muß außer den bisherigen Wegen andere suchen. Dazu geben ihr die Verhältnisse der Gegenwart Mittel an die Hand, nämlich das Versammlungsrecht, das Vereinsrecht und die Presse.

Beginnen wir mit der leßteren. Es geschieht hier schon viel: durch die Predigt-Verteilung, durch die Erbauungs-Blätter u. s. w., es muß aber, namentlich wenn wir uns mit der römischen Kirche und der Sozialdemokratie vergleichen, noch viel mehr geschehen. Dem geistlichen Amte muß eine Presse zur Verfügung stehen, in welcher es sich über christliche Angelegenheiten, die auf der Kanzel nicht behandelt werden dürfen, aussprechen kann. Durch die Presse müssen wir immer wieder die Notstände, unter welchen das geistliche Amt leidet, zur Sprache bringen. Wir bedürfen dringend publizistisch geschulte Pfarrer, welche die Interessen des Christentums in Zeitschriften und Zeitungen vertreten.

Damit hängt ein anderes zusammen. Ich halte es für eine Aufgabe des geistlichen Amtes, aus der Reihe der Amtsträger Fachmänner für alles Wissen der Gegenwart, das theologische und das weltliche, zu bilden. Auf diese Weise kann jeder Zweig menschlichen Wissens von christlichem Standpunkte aus beurteilt, kann das gesamte moderne Leben mit dem Geiste Christi erfüllt werden, auf diese Weise sichert sich das geistliche Amt seine wissenschaftliche Unabhängigkeit. Wir haben ja schon solche Fachmänner, aber es sind noch rarae aves. Welche schöne Aufgabe bietet sich hier für manchen vereinsamten Pfarrer in einer toten Landgemeinde, welcher in Gefahr ist wie ein Baum im eigenen Safte zu ersticken, weil er sein geistiges Leben nicht verwerten kann!

Hinsichtlich der Vereine halte ich es für ein dringendes Bedürfnis, daß alle Vereinsthätigkeit, welche in einer Gemeinde geübt wird, sich konzentriert, damit man sich nicht entgegen, sondern in die Hände arbeitet. Dann erst werden sie eine wesentliche Stüße für das geistliche Amt sein, was sie doch sein wollen.

Das Recht der Versammlung muß auf's Äußerste ausgenußt werden. Familien-Abende bestehen wohl jezt in jeder Gemeinde und haben großen Segen. Aber auch Männerversammlungen, Frauenversammlungen, Ständeversammlungen, Gesellen-, Knechte-Versammlungen dürften anzustreben sein.

Für den Katechumenen-Unterricht erwächst dem geistlichen Amte die Aufgabe, denselben nach den Grundsäßen der wahren, modernen Pädagogik zu erteilen, alles bei Seite zu lassen, was dem

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