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stempeln ihn zu einem Fünfzigjährigen. Er hat sein Leben nur hinter den Büchern verbracht, in die Welt weifs er sich nicht zu schicken und gerät vor Fremden in Verlegenheit, selbst sein Äufseres hat er vernachlässigt:

Allein mit meinem langen Bart

Fehlt mir die leichte Lebensart.

Es wird mir der Versuch nicht glücken;

Ich wufste nie mich in die Welt zu schicken.

Vor andern fühl' ich mich so klein;

Ich werde stets verlegen sein.

Ihm ist das wüste Treiben der Leipziger Studenten ebenso zuwider wie das tolle Zauberwesen der Hexenküche, er verhält sich gegen beide Reizmittel ablehnend. Wenn ein solcher Mann endlich der Leidenschaft zum Opfer fällt, so werden sicher auch die Stunden der Ernüchterung nicht ausbleiben, und dann wird er zur Wissenschaft zurückkehren, die ihm von neuem Befriedigung gewähren wird. In der Scene ,,Wald und Höhle" tritt uns in der That Faust als derselbe Klausner vor Augen, der in der fertigen Dichtung von seinem Spaziergang abends heimkehrt und in der Stille seines Studierzimmers das höchste Glück findet. Aber dieser Klausner besitzt einen hochfliegenden Geist, das Studium der Wissenschaften war ihm nicht Selbstzweck, sondern nur ein Mittel, in den Zusammenhang der Dinge einzudringen:

Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,

Der ungebändigt immer vorwärts dringt,

Und dessen übereiltes Streben

Der Erde Freuden überspringt.

Daher verstehen wir es, dafs es ihm schier das Herz bricht, zu sehen, dafs wir nichts wissen können. Sein brennender Durst nach Erkenntnis verlangt jedoch Befriedigung: er ergiebt sich der Magie, und wirklich gelingt es ihm, die Geheimnisse des Makrokosmus zu ergründen, in die Gesetze des Weltalls einen Blick zu thun, so dafs er, berauscht von seiner Vorstellung, ausruft;,,Bin ich ein Gott?" Doch in dem Hochgefühl dieses Erfolges verlangt sein Geist bereits nach neuer Erkenntnis. Die Welt der Gedanken hat sich ihm erschlossen, wie noch keinem Sterblichen, aber völlig fremd blieb ihm bisher die Welt der Sinne. So erscheinen ihm plötzlich die Freuden des Geistes schal gegen die Genüsse des Erdenlebens, und es erwacht ebenso plötzlich der Wunsch in ihm, sich in die Welt zu wagen und unmittelbar aus den Quellen des Lebens zu trinken. Die Worte, in die sich dieser Wunsch kleidet, sind zwar im Monolog des Fragments genau dieselben wie diejenigen, welche wir als das Thema des Urfaust und als einen Ergufs jugendlicher Überhebung bezeichnet haben. Aber die Dichtung vom Jahre 1790 hat daneben, an der Spitze der Scene,,Faust. Mephistopheles", eine andere Fassung, welche dem Programm eines gereiften, wenn auch leidenschaftlichen Mannes besser entspricht:

Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst geniefsen,
Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu Ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End' auch ich zerscheitern.

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Hier hat der Schlufs eine versöhnlichere Form; denn Faust ist sich bewufst, dafs seine zügellose Begier mit seinem Untergange enden müsse. Wie in diesen Versen, so erscheint in der ganzen Unterredung mit Mephistopheles Faust reifer als in dem inhaltlich verwandten Zwiegespräch mit dem Erdgeist. In jugendlicher Vermessenheit stellt er sich in der Scene, welche auf den Monolog folgt, dem Gotte an die Seite, und obgleich er unter der Wucht der Worte,,Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!" zusammenbricht, läfst doch die Fülle der Gesichte", deren er gewürdigt worden ist, das Bewusstsein titanischen Vermögens in ihm zurück. Der Faust des Fragments spricht und empfindet menschlicher. Er will alles, was die Brust eines Sterblichen bewegen kann, in seinem eignen Innern erleben und fragt wohl auch: ,,Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist, der Menschheit Krone zu erringen?" Aber als ihm Mephistopheles antwortet: ,,Du bist am Ende was du bist", da ist er völlig entmutigt und klagt, dafs er fühle, wie alles Wissen ihn dem Unendlichen um nichts näher gebracht habe.

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Mit grofsem Geschick läfst der Dichter gerade an dieser Stelle den Versucher sein Werk beginnen. Betrachten wir die Rolle, welche der Lügengeist im Fragment spielt, genauer, so werden wir finden, dafs sie der veränderten Persönlichkeit Fausts entsprechend umgestaltet ist. Mephistopheles ist selbstverständlich der Teufel geblieben, mit dem der ruhelose „Übermensch“ einen Vertrag geschlossen hat; es genügt, zum Beweise hierfür auf die Hexenküche, wo er ,,Junker Satan" genannt wird, und auf die Verse, welche der Schülerscene unmittelbar vorausgehen, hinzuweisen:

Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,

Er müfste doch zu Grunde gehn!

Aber um einem in rastlosem Wissensdrang sich verzehrenden Gelehrten beizukommen, mufste er mit der ganzen Ruhe und Überlegenheit des welterfahrenen Mannes ausgestattet werden. Überschwenglicher Idealismus und nüchterne Kritik, das ist daher der neue Gegensatz, in welchen im Fragment Faust und Mephistopheles zu einander treten. Wie wahr sind die Worte, durch welche der Skeptiker den Phantasten von der Unausführbarkeit seines Verlangens zu überzeugen weifs:

Glaub' unser einem, dieses Ganze

Ist nur für einen Gott gemacht!

Setz' dir Perrücken auf von Millionen Locken,

Setz' deinen Fufs auf ellenhohe Socken,

Du bleibst doch immer was du bist.

Und wie fein weifs er seinen Gedanken in ein Gleichnis zu kleiden: so wenig des Löwen Mut und des Hirsches Schnelligkeit, des Italieners feurig Blut und des Nordens Dauerbarkeit sich in einem Wesen vereinigt findet, und Grofsmut mit Arglist sich verbinden läfst, so wenig werden sich die Träume des Idealisten verwirklichen. Da tritt der Augenblick ein, wo Faust sein bisheriges, der Wissenschaft geweihtes Leben als zwecklos verurteilt, wo ihn Mephistopheles, wie er sich später ausdrückt, vom Kribskrabs der Imagination geheilt glaubt. Wie einst die Schlange in Eva Mifstrauen gegen Gott zu erwecken wufste, so ist es Mephistopheles gelungen, den Menschen

geist in den Augen seines Opfers seiner Würde zu entkleiden, und triumphierend kann er ausrufen:

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,

Des Menschen allerhöchste Kraft,

Lafs nur in Blend- und Zauberwerken

Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab' ich dich schon unbedingt.

Es ist daher keineswegs seine wahre Meinung, wenn er in ,,Wald und Höhle" den Gefährten, der sich als Forscher wiedergefunden hat, verspottet, dafs er wie eine Kröte aus dumpfem Moos und triefendem Gestein Nahrung schlürfe, so wenig, wie es ihm Ernst ist, wenn er dem Schüler jede Wissenschaft verächtlich macht. Worauf es ihm dem Schüler wie Faust gegenüber ankommt, ist, ihnen den Satz eindringlich vor die Seele zu führen:

Grau, theurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.

Hat er erst die Lust nach der Welt in ihnen geweckt, so können sie ihm nicht mehr entgehen, und er wird seine Freude daran haben, den hochstrebenden Gelehrten durch die schalsten Vergnügungen zu führen und seinen Sinnen keine Ruhe zu gönnen, bis er in dem wilden Leben zu Grunde geht. Mephistopheles wird in der That der Führende. Schon die Frage Fausts: ,,Wie fangen wir das an?", mit der er dem Versucher auf den Vorschlag antwortet, alles Denken zu fliehen und sich mitten in den Strudel der Welt zu stürzen, deutet an, dafs er, der mit dem Leben völlig unbekannt ist, sich dem Gefährten, dessen eigentliches Element die Erde mit ihrem Thun und Treiben ist, unterordnet. Die folgenden Scenen aber, ,,Auerbachs Keller" und die ,,Hexenküche", liefern den Beweis, dafs im Fragment von vornherein Mephistopheles der Handelnde ist, während Faust sich willenlos leiten läfst. Dafs sich der Teufel seiner führenden Rolle bewufst ist, zeigen auch die Verse aus,,Wald und Höhle":

Und wär' ich nicht, so wär'st du schon
Von diesem Erdball abspatzirt,

die verständlich sind, auch ohne dafs ein Selbstmordversuch Fausts vorhergegangen ist. So scheinen im Fragment, verglichen mit der Jugenddichtung, die Rollen der beiden Hauptpersonen gewechselt.

Dazu kommt, dafs die Aufgabe Mephistos, sein Opfer von Stufe zu Stufe sinken. zu lassen, in der zweiten Bearbeitung eine schwierigere als im ersten Entwurf ist. In dem Forscher auf der Höhe des Lebens, dem so lange seine Bücher die Welt ausmachten, kann er nicht so schnell die Sinnenlust zu entfachen hoffen wie in dem leidenschaftlichen

Jüngling, dem die Wissenschaften nur ein Spiel waren. Er mufs sein Programm erweitern:,,Wir sehn die kleine, dann die grofse Welt". Von der Art, wie der Dichter die grofse Welt darstellen wollte, ist im Fragment nicht einmal eine Andeutung enthalten. Aber auch die kleine Welt ist aufser durch die Gretchentragödie nur durch das Bild aus dem Leipziger Studentenleben zur Anschauung gebracht. Es hat daher die Vermutung einiger Fausterklärer viel für sich, dafs die Hexenküche symbolisch die ganze Reihe der

Zerstreuungen darstellen soll, die Faust nach dem Plane seines bösen Dämons durchkosten muss, ehe er zur Sinnlichkeit und durch diese zum Verbrechen geleitet wird'). Der Hauptzweck der Hexenküche, Fausts Verjüngung, ist damit sehr wohl vereinbar. Es bedarf aufsergewöhnlicher Mittel, um den der Welt abgekehrten fünfzigjährigen Mann in jene sinnliche Erregung zu versetzen, die ihn Helenen in jedem Weibe sehen lässt. Darum mufs ihm das Bild der griechischen Heroine im Zauberspiegel gezeigt, darum der Zaubertrank gereicht werden, der sein Äufseres verändert 2) und ihn für weibliche Reize empfänglich macht. Dafs die Hexenküche uns zugleich einen neuen Zug Mephistos, seine Lust am Gemeinen, kennen lehrt, mag hier eingeschaltet werden.

Endlich ist es dem Teufel gelungen, sein Opfer in Leidenschaft und Sünde zu verstricken. Aber noch einmal versucht Faust vor dem Versucher und der eigenen Begierde zu fliehen, er zieht sich in die Einsamkeit zurück und findet in der Erforschung der Natur das Gleichgewicht der Seele wieder. Es ist freilich eine ganz andere, neue Art des Studiums, die sich ihm aufgethan hat; nicht mehr aus Büchern schöpft er sein Wissen, er beobachtet die Wesen, welche die Flur beleben, prüft sie auf ihre innere Natur und lernt so in ihnen seine Brüder kennen. Mufs ihm nicht auch hier der Erdgeist, dem er sein ganzes neues Leben verdankt, als der Wohlthäter erscheinen, der ihm dieses neue Wissensfeld erschlossen hat? Doch die Einsamkeit vermag noch mehr: sie veranlasst ihn, den eigenen Seelenkräften und den Gesetzen ihrer Thätigkeit nachzuforschen. Und ist er von der anstrengenden Arbeit des Geistes ermüdet, so bietet ihm die Erinnerung an die Gestalten der Vorwelt, welche der silberne Mond vor seine Blicke zaubert, eine wohlthuende Erholung. Dieses Leben führt Faust längere Zeit, nachdem er es bald nach Gretchens Fall begonnen hat. Mephistopheles hat ihn vielleicht selbst dazu veranlafst, um die Schuld, welche er der Geliebten gegenüber auf sich geladen, durch seine Entfernung von ihr zu vergröfsern. Aber als der Teufel merkt, dafs der unruhige Geist seines Gefährten in der stillen Naturbetrachtung Befriedigung findet, da fürchtet er, dafs er sein Opfer verlieren könnte.

Du bist schon wieder abgetrieben,
Und, währt es länger, aufgerieben
In Tollheit oder Angst und Graus

mit diesen Worten sucht er ihm sein neues Leben zu verleiden, und noch ist die Leidenschaft zu Gretchen nicht so völlig in dem Herzen des bethörten Mannes zurückgedrängt, dafs er neuen Lockungen des Versuchers widerstehen könnte. Gleichzeitig erwacht aber auch das Bewusstsein seiner Schuld, und indem ihm das Geschick der Geliebten vor die

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1) Vgl. Kreyfsigs Vorlesungen über Goethes Faust, herausgegeben von Franz Kern. S. 90 ff. und auch Kern scheint es entgangen zu sein, Kreyfsig hat übrigens übersehen dafs sechzehn der ,,Hexenküche" der fertigen Dichtung angehörige Verse (2366-2377 und 2390-2393) im Fragment noch fehlen. Er begeht also einen Irrtum, wenn er auch die ,,breiten Bettelsuppen", die fürs ,,grofse Publikum" gekocht werden, zu der Anschauungsweise Goethes, wie sie in den Dichtungen der Jahre 1787-1790 sich ausprägt, in Beziehung setzt.

2) Wenn Goethe bei einer Vorlesung im Jahre 1829 an der Stelle, wo Faust aus dem Zauberkreis der Hexe heraustritt und sein Verlangen nach dem Zauberspiegel ausspricht, aus dem tiefen Bass in einen hellen Tenor umschlug, so kann seine Intention nicht zweifelhaft sein: das Gebräu der Hexe soll ein Verjüngungstrank sein.

Seele tritt, will er mit ihr zu Grunde gehen '). Mephistopheles zieht ihn mit sich, doch sicherlich nicht, um ihn blofs in die Arme des unglücklichen Mädchens zurückzuführen. Das Verlassen der Einsamkeit soll Faust mit einer neuen Schuld, dem Morde Valentins, büfsen 2). Diese Scene fehlt jedoch im Fragment, und es schliefst, nach dem herzerschütternden Gebet Gretchens vor der Mater dolorosa, mit der Domscene.

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Verglichen mit dem ersten Entwurf, zeigt die Dichtung vom Jahre 1790 zwei entschiedene Abweichungen von der überlieferten Sage: Faust ist alles Zauberwesen verhafst, und Mephistopheles spielt nicht die Rolle eines untergeordneten Dieners, sondern er ist der welterfahrene Skeptiker, dem der Genosse, zum Teil widerstandslos, sich unterordnet. Ja Faust bekennt sogar in Wald und Höhle", dafs er den Gefährten schon nicht mehr entbehren kann, mag er damit meinen, dafs er ohne ihn nicht fertig zu werden glaubt, oder, wie es Düntzer erklärt, dafs derselbe bereits ein Teil seines Wesens geworden ist. Am Schlufs des Fragments aber drängt sich die Frage auf: wird es dem Teufel gelingen, den ernsten, wissensdurstigen Mann, der schon einmal seinen Schlingen entgangen zu sein schien, so zu entsittlichen, dafs er zuletzt der Hölle überantwortet werden mufs?

Hiernach sind wir wohl zu der Annahme berechtigt, dafs das Fragment nicht blofs den weiter ausgeführten Urfaust, sondern, da die Charaktere der beiden Hauptpersonen und ihr Verhältnis zu einander völlig verändert ist, einen neuen Entwurf darstellt.

Dafs in der dritten Bearbeitung des Faust, welche die fertige Dichtung vorstellt, ein dritter Entwurf vorliegt, folgt schon aus dem, was über ihre Entstehung gesagt ist. Es würde ohnehin zur Genüge aus der ,,Zueignung“ und dem,,Prolog im Himmel" hervorgehen; auch den Gegensatz zwischen dem jugendlichen Schaffen und der Dichtung des Alters, den das ,,Vorspiel auf dem Theater" hervorhebt, kann man in Betracht ziehen. Als Goethe das Schema zu seiner neuen Arbeit entwarf, löste er, wie wir wissen, das, was gedruckt war, also das Fragment, wieder auf und disponierte es mit dem, was schon fertig oder erfunden war, in grofse Massen. Zu den fertigen oder erfundenen Partieen, von denen er spricht, gehörten sicher die fünf letzten Scenen des Urfaust; ob ihm noch andere gröfsere Stücke zur Verfügung standen, ist nach dem, was wir über die

1) So gut auch dieser Gedankengang verständlich ist, hat doch der Dichter die Vereinigung des Schlusses der im Urfaust enthaltenen Valentinscene mit dem neu hinzugedichteten Gespräch von ,,Wald und Höhle" nicht einwandfrei zustande gebracht. Der Anfang des aus der alten Dichtung herübergenommenen Stückes:

Nur fort, es ist ein grofser Jammer!

Ihr sollt in eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod

pafst zu den vorhergehenden Worten Fausts und seinem Benehmen ganz und gar nicht. Und der Stimmungswechsel, der mit den Worten beginnt:,,Was ist die Himmelsfreud' in ihren Armen?" ist so plötzlich, dafs man glauben könnte, es seien Verse ausgefallen, wenn uns nicht der ganze Scenenschlufs aus der Göchhausenschen Abschrift bekannt wäre.

2) Vgl. E. Schmidt a. a. O. XXVIII. Anm.

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