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Chronologie der Faustdichtung wissen, mindestens zweifelhaft'). Versuchen wir es, das Schema des Dichters aus dem vollendeten Werke zu rekonstruieren, so erhalten wir folgende grofse Dispositionsmassen:

Erster Teil.

1. Faust vor der Weltfahrt (Nacht. Vor dem Thor. Studirzimmer 1 und 2). 2. Die vorbereitenden Schritte Mephistos zur Entsittlichung Fausts (Auerbachs Keller. Hexenküche).

3. Gretchens Verführung bis zu ihrem Fall (Strafse. Abend. Spaziergang. Der Nachbarin Haus. Strafse. Garten. Ein Gartenhäuschen).

4. Gretchens Fall (Wald und Höhle. Gretchens Stube. Marthens Garten. Am Brunnen. Zwinger).

5. Fausts Mord und Untreue (Nacht. Dom. Walpurgisnacht. Walpurgisnachtstraum).

6. Gretchens Untergang (Trüber Tag. Nacht. Kerker).

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2. Sein Ringen nach dem Kunstideal.

3. Im Besitz des Schönen.

4. Im Kriege.

5. Der Schöpfer eines neuen Staatswesens.

Was dieses Schema von dem dramatischen Gefüge des Fragments, soweit es mit ihm verglichen werden kann, wesentlich unterscheidet, ist die Anordnung der Scene,,Wald und Höhle". In der Dichtung vom Jahre 1790 ist Gretchen bereits der Leidenschaft Fausts zum Opfer gefallen, als er sich in die Einsamkeit zurückzieht. Der Wortlaut von Wald und Höhle", namentlich das Gespräch mit Mephisto, steht damit keineswegs im Widerspruch). Ja, wir verstehen bei der Anordnung des Fragments um so besser die Scene Zwinger", welche die Verzweiflung des unglücklichen Mädchens darstellt, des Mädchens, das die volle Gewifsheit ihrer Schande erlangt hat und sich von dem Geliebten verlassen sieht. Die Einreihung von „Wald und Höhle" hinter der Scene „Ein Gartenhäuschen" bleibt in jedem Fall unbefriedigend. Gewöhnlich wird vorausgesetzt, dafs Faust aus Gretchens Nähe flieht, weil sie noch unschuldig ist, und er sie nicht der Schande preisgeben will; aber dann bedürfen die Worte.

So tauml' ich von Begierde zu Genufs,

Und im Genufs verschmacht' ich nach Begierde

und manche andere einer höchst gezwungenen Erklärung. Nimmt man dagegen mit Kern an, dafs Fausts Selbstanklage und seine Unterredung mit Mephistopheles Gretchens Fall zur Voraussetzung hat, so ist die dramatische Steigerung, welche in der ursprünglichen Scenenfolge liegt, und die in dem Augenblick ihren Höhepunkt erreicht, wo Faust der

1) Auf die Scenen des Urfaust pafst auch der Ausdruck, welchen Goethe in dem Briefe vom 24. Juni 1797 braucht, wo er sie als ,,die grofsen erfundenen und halb bearbeiteten Massen“

bezeichnet.

2) Vgl. Kern: Drei Charakterbilder aus Goethes Faust, 2. Ausg., S. 42 ff.

Geliebten den Schlaftrunk für die Mutter aufnötigt, zerstört, und die Scene ,,Am Brunnen" ist völlig überflüssig geworden. Denn diese ist nur unter der Voraussetzung verständlich, dafs wir von der noch jungen Schuld Gretchens Gewissheit erhalten und die Gefallene. unter dem frischen Eindruck ihrer Sünde vor uns sehen').

Auch von der Scenenfolge des Urfaust weicht das Schema der fertigen Dichtung ab. Valentins Tod, welcher dort auf die Domscene folgen sollte, ist ihr hier vorausgeschickt. Dem jungen Dichter schwebte ein lebendiges, in rascher Folge sich abspielendes dramatisches Gemälde vor: auf Gretchens Fall folgt der Tod ihrer Mutter; die Seelenqual, welche die Domscene schildert, ist um so verständlicher, da es sich um die Leichenfeier der Gestorbenen handelt; die Ermordung des Bruders durch den Geliebten und die Flucht Fausts steigert darauf das Elend des Mädchens ins unendliche; dafs sie zuletzt zur Mörderin an ihrem Kinde wird, begreifen wir so gut wie den Schlufs der erschütternden Tragödie. Im Fragment fehlt die Valentinscene gänzlich, es fehlt aber auch. neben der Überschrift „Dom" der Zusatz „Exequien der Mutter Gretchens"; schon 1790 scheint also Goethe beabsichtigt zu haben, die beiden Scenen umzustellen. Der Grund zu dieser Änderung ist vielleicht darin zu suchen, dafs bei der ursprünglichen Anordnung in drei aufeinanderfolgenden Scenen lediglich Gretchens Schuld behandelt wird, während Faust völlig im Hintergrund bleibt; denn den Eindruck der Domscene dadurch noch zu steigern, dafs auch Valentins Blut vor der Seele des Mädchens aufsteigt, ist schwerlich allein die Absicht des Dichters gewesen.

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Unter den Stücken des ersten Teils der Dichtung, welche nach dem Jahre 1797 hinzugekommen sind, haben die ,,Walpurgisnacht" und der ,,Walpurgisnachtstraum“ nur einen losen Zusammenhang mit dem Entwickelungsgang des Dramas. Sie sollen augenscheinlich die abgeschmackten Zerstreuungen" vertreten, in denen Mephistopheles sein Opfer wiegt, während Gretchen im Elend verzweifelt. In der Walpurgisnacht die Fortsetzung kommt kaum in Betracht werden die menschlichen Laster und Schwächen in phantastischen Bildern gezeichnet, für welche die Natur den gespenstischen Hintergrund bildet. Faust ergötzt anfangs das tolle Treiben, in das er geraten ist, und da ihn der Gefährte nicht, wie er es wünscht, auf den Gipfel des Blocksberges führt, wo der Böse in eigner Person thront, begnügt er sich, ihm auf Seitenwegen zu folgen. Aber plötzlich tritt er aus dem Kreis der jungen Schönen, mit denen er getanzt, heraus, eine Vision hat ihn erschreckt: er glaubt Gretchen zu sehen, die mit geschlossenen Füssen, den Hals mit einem roten Schnürchen geschmückt, sich langsam fortbewegt. So bricht mitten in dem Taumel des wüstesten Genusses seine bessere Natur hervor.

Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der beiden Hauptcharaktere, insbesondere zu der Frage, wie sich der Faust des dritten Entwurfs von dem der beiden früheren Bearbeitungen unterscheidet, so werden wir auf diejenigen Partieen hingewiesen, welche zur Ausfüllung der grofsen Lücke des Fragments (Vers 606 bis 1769 des fertigen Dramas) gedichtet worden sind. Jener Faust, wie er aus dem Verkehr Goethes mit Schiller her

1) Der Zweck der Brunnenscene kann nicht der sein, in Gretchen die Besorgnis zu erwecken, dass der Geliebte sie im Stich lassen könnte; dies zeigen die Schlufsworte des Mädchens, namentlich die Verse:

Doch alles was dazu mich trieb,
Gott! war so gut! ach war so lieb!

Graues Kloster 1891.

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vorgegangen, ist ein reifer Mann, „zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein", wie derjenige, welchen die Dichtung vom Jahre 1790 darstellt, aber er ist noch in anderem Sinne gereift zu nennen als der weltscheue Gelehrte des Fragments. Er hat keineswegs nur in der Zurückgezogenheit gelebt. Sein Vater war ein Alchimist, der zwar ganz in den Vorurteilen seiner Zeit befangen war, aber doch die Ergebnisse seiner Kunst in gutem Glauben zur Heilung seiner Mitmenschen verwertete. Ihn unterstützte der Sohn, und erschüttert von dem Elend, welches eine Pest über seine Heimat brachte, und von dem brennenden Wunsch zu helfen beseelt, quälte er sich oft mit Beten und Fasten, um Gottes Beistand zu erflehen. Aber gerade damals wurde zuerst sein Glaube erschüttert, sein Glaube an Gott, seine Kunst und das menschliche Können überhaupt. Denn er sah, wie trotz alles Betens, aller Bemühungen die Menschen hinstarben, ja wie sogar das Heilmittel, welches sein Vater mit gröfster Sorgfalt bereitet hatte, verderblich wirkte, während er sich als Retter preisen lassen musste. Andere Enttäuschungen kamen später hinzu; weder hat ihm seine wissenschaftliche Thätigkeit Geld und Gut eingebracht, noch ist sein Streben nach Wahrheit immer von Erfolg belohnt gewesen. Daher ist das Ergebnis seiner Erfahrungen, dass das Leben,,ein Meer des Irrtums" sei und ewig den einen Gesang dem Ohr des Menschen wiederhole: ,,entbehren sollst du! sollst entbehren!" Und doch kann er sich weder von der Welt losreifsen, noch auf das Streben nach den höchsten Idealen verzichten:

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.

Tritt er abends, wenn er von seinem Spaziergang heimkehrt, in sein Studierzimmer, so freut er sich wohl, beim traulichen Schein der Lampe mit seinen Büchern Zwiesprache halten zu können. Aber bald erwachen die unbefriedigten Sinne und stören ihm den Genufs an der Forschung, das Wissen ekelt ihn an1). Auf diese Weise wird ihm endlich das Leben zur Last, er will die Bürde von sich werfen, wenn auch nicht, um in das Nichts zu tauchen, sondern um ein höheres Dasein dafür einzutauschen, in ,,neue Sphären reiner Thätigkeit" zu gelangen. Schon setzt er die Giftschale an den Mund, da geben ihn die Osterglocken, welche die Erinnerung an die fromme Kinderzeit in ihm wachrufen, noch einmal dem Leben wieder. Dafs Glockenklang und Chorgesang soviel über den vermag, der selbst gesteht:

Zu jenen Sphären wag' ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt,

ist ein neuer Zug, der ihn von dem Faust der Jugenddichtung unterscheidet. Sein Glaube ist gewifs nicht kirchlicher, als die Weltansicht desjenigen, der die Religion ins Gefühl legt, und dem Gott mit Glück, Herz, Liebe gleichbedeutend ist. Aber während die Jugend kampflustig ist und ein ,,leider" nicht unterdrücken kann, wenn sie von dem

1) „Mir ekelt lange vor allem Wissen" sagt er zu Mephistopheles (Vers 1749).

Studium der Theologie redet, ist das Alter pietätvoller, und weichen, frommen Stimmungen mag es sich nicht entziehen ').

Freilich werden wir nicht erwarten, dafs die Osterstimmung lange in der Seele Fausts vorherrscht. Gäbe es ein Mittel aufser dem Selbstmord, dem ewig sich erneuenden Kampf in seiner Brust zu entfliehen, so würde ihm gewifs kein Preis zu hoch dafür sein. Da greift er zur heiligen Schrift. Vielleicht findet sich auch für ihn eine Offenbarung darin, die seine kranke Seele heile, die ihr wenigstens Hoffnung auf Befriedigung gebe. Er schlägt den Anfang des Johannisevangeliums auf, dort liest er: v άex v ó lóros und übersetzt die Worte nach mehreren unbefriedigenden Versuchen: ,,Im Anfang war die That!"") So ist ihm wirklich die gehoffte Offenbarung zu teil geworden; denn ein Leben der That zu beginnen, das wäre es, was ihm Rettung bringen könnte! Aber ehe er sich der Bedeutung seiner Übersetzung bewusst werden kann, tritt der Versucher auf. Der Pudel, der sich ihm auf dem Spaziergang in so auffälliger Weise genähert, der seine Anwesenheit im Zimmer bisher nur durch Knurren und Bellen bemerkbar gemacht hat, kommt in dem Augenblick, wo Faust das erlösende Wort gefunden zu haben scheint, als Teufel hervor. Mephistopheles weifs sehr gut, dafs er dem Manne gegenüber, der mit Geistern umzugehen gewohnt ist, sehr vorsichtig sein muss, dass er nur allmählich auf sein Ziel lossteuern darf. Daher sucht er erst die Lust, mit ihm zu verkehren, in Faust zu wecken, indem er sich stellt, als sei er ungern gefangen und wünsche, so bald wie möglich seine Freiheit wiederzuerlangen. Darauf müssen Geister auf seinen Befehl mit verführerischem Gesange die Sinne des Arglosen einschläfern, während er selbst dadurch Gelegenheit erhält, zu entschlüpfen und so zugleich seine Überlegenheit zu zeigen. Als er von neuem bei Faust erscheint, tritt er mit der gröfsten Sicherheit auf und findet auch sein Opfer seinen Zwecken entsprechend vorbereitet. Mehr denn je ist Faust von der Begrenztheit des menschlichen Daseins, der Ohnmacht des menschlichen Geistes, der Eitelkeit der menschlichen Freuden erfüllt. Er wirft sich in die Arme des Teufels, unbekümmert um das, was im Jenseits aus ihm wird, weil er hofft, mit seiner Hilfe mehr als bisher dem verzehrenden Verlangen seines Innern nach ewig neuer Nahrung Genüge thun zu können. Dementsprechend lautet die Wette, die er mit dem Teufel eingeht, das Thema des dritten Entwurfs:

Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,

So sei es gleich um mich gethan!

Kannst du mich schmeichelnd je belügen
Dafs ich mir selbst gefallen mag,

Kannst du mich mit Genufs betrügen;

Das sei für mich der letzte Tag!
Werd' ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!

1) Die Worte, welche Faust zu den Bauern spricht:

Vor jenem droben steht gebückt,

Der helfen lehrt und Hülfe schickt,

können für die Beurteilung seines religiösen Standpunktes nicht in Betracht kommen. Sie sind schwerlich mehr als eine Redewendung, die er gebraucht, weil sie der Anschauung der einfachen Landleute entspricht. 2) Vgl. zu dieser Übersetzung Kern in Kreyfsigs Vorlesungen. Anm. 17.

Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn!

Dann mag die Todtenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,

Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,

Es sei die Zeit für mich vorbei!

Die Aufgabe, die sich hier der Dichter stellt, ist eine wesentlich andere als im ersten und zweiten Entwurf. Im Urfaust ist das Programm der Dichtung der Ausdruck des überschäumenden Kraftgefühls eines Jünglings, im Fragment der Wunsch des bisher mit der Welt unbekannten Mannes, alles Menschenglück und Menschenweh nachempfinden. zu können, in dem fertigen Drama der ungestüme Drang des Menschengeistes nach rastloser Bewegung, dargestellt durch die Ruhelosigkeit des immer unbefriedigten Mannes. Urfaust und Fragment konnten, wenn sie ihrem Programm entsprechend zum Abschlufs gebracht worden wären, in dem Rahmen einer Tragödie ausgeführt werden, der dritte Entwurf erweiterte sich, um mich des von Kreyfsig gebrauchten Ausdrucks zu bedienen, zum Lebensgedicht; die Bezeichnung Tragödie, die Goethe unter den Titel des vollendeten Werkes gesetzt hat, scheint zu dem Ganzen nicht zu passen. Der Entwickelungsgang dieses Lebensgedichtes und die damit zusammenhängende Idee der Dichtung soll im folgenden Abschnitt dargestellt werden.

Zuvor haben wir noch den Gefährten Fausts und das Verhältnis, in dem beide in der fertigen Dichtung zu einander stehen, ins Auge zu fassen. Der Mephistopheles des dritten Entwurfs weist in den meisten seiner Züge auf den Urfaust zurück, ohne dafs ihm gewisse Eigenschaften fehlen, welche ihm im Fragment eigentümlich sind. Der Skeptiker verwandelt sich allerdings mehr und mehr in den Schalk. Aber seine Kenntnis der Welt, die ihn dem Faust des Fragments unentbehrlich machte, kommt am Hofe des Kaisers zu voller Geltung, und seine Lust am Gemeinen zeigt er ausreichend in der Walpurgisnacht, unter den thessalischen Hexen und noch zuletzt bei dem Kampf um Fausts Seele. Wie im Urfaust ist er von Luzifers Geschlecht (Vers 11770), aber er ist keiner von den Grofsen der Hölle (V. 1641), weshalb er auch in der Walpurgisnacht keine Lust zeigt, den Gipfel des Blocksberges zu erklimmen. Dem Charakter des volkstümlichen Teufels entsprechend, ist sein Erscheinen und Verschwinden an gewisse Schranken. gebunden: das schlecht gezogene Pentagramm auf Fausts Schwelle verschafft ihm den. Eintritt in sein Zimmer; da er aber dort, wo er hereingeschlüpft, auch wieder hinaus mufs, so bedarf er einer Ratte, welche das Pentagramm zerstört. Ebenso erinnert es an den Urfaust, wenn er im 4. Akt des zweiten Teils der Dichtung den Feldherrnstab des Obergenerals nicht mag, weil er ein Kreuz daran entdeckt hat.

Seinem Opfer gesellt er sich als Diener zu, der jederzeit des Winkes seines Herrn gewärtig sein will, und es pafst zu dieser Rolle, dafs er sich ihm in der Gestalt des Pudels zuerst genähert hat. Was aber den Einflufs betrifft, den er auf den Gefährten ausübt, so ist ein grofser Unterschied zwischen den einzelnen Teilen der Dichtung zu erkennen. Im ganzen ersten Teil führt er die Herrschaft und leitet Faust in diejenigen Bahnen, die seinen Zwecken entsprechen. Im zweiten Teil dagegen, von der Scene,,Finstere Galerie" des 1. Aktes an, tritt Faust, dem Gesamtplan der fertigen Dichtung gemäfs, in seine Rechte als Gebieter ein, Mephistopheles sieht sich bis zum

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