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schien, in Naturstudien und der Beschäftigung mit der Gartenkunst Ersatz suchte. Mochte er, von der Welt verkannt und in seinem Wirken nicht verstanden, ein einsames Leben führen, mochten ihn schwere Schicksalsschläge getroffen haben, nie vermochte die Sorge seinen Geist in Fesseln zu schlagen.

Doch deine Macht, o Sorge, schleichend grofs,

Ich werde sie nicht anerkennen,

so hat wohl auch Goethe oft zu sich gesprochen. Und wie er seinen Faust am Ende seiner Laufbahn immer leidenschaftlicher die Fortführung seines Werkes betreiben lässt, so scheint auch sein Drang nach Thätigkeit in den letzten Monaten seines Lebens noch zu wachsen. Wieder sind es die Naturwissenschaften, die ihn in Anspruch nehmen, und charakteristisch ist, was er noch am 1. Dezember 1831 an Wilhelm von Humboldt schreibt: „Wir wollen sehen, was auch da (in der Metamorphose der Pflanzen) zu thun ist, und das Übrige der Folgezeit überlassen, der wir, unter uns gesagt, ein beschwerlicheres Tagewerk zuschieben, als man glauben sollte." So ist der Entwickelungsgang des Faust der fertigen Dichtung nur ein Abbild des Lebensganges des Dichters, und die Formel, in die sich der Inhalt seines Wesens zusammenfassen läfst, ist der Satz: „Nur rastlos bethätigt sich der Mann.")

Dafs der Dichter des Jugendfaust bereits beabsichtigt haben sollte, durch den Entwickelungsgang seines Helden einen Gedanken darzustellen, der sich als das Ergebnis eines ganzen Lebens erweist, wird schwerlich jemand glauben wollen. Und doch schreibt Goethe an Wilhelm von Humboldt am 17. März 1832: „Es sind über 60 Jahre, dafs die Conception des Faust bei mir jugendlich, von vornherein klar, die ganze Reihenfolge hin weniger ausführlich vorlag." Stände dieses Zeugnis vereinzelt da, so würde man sich. vielleicht darüber hinwegsetzen und dem zweiundachtzigjährigen Dichter einen verzeihlichen Irrtum zu gute halten. Aber am 1. Juni 1831 schreibt er, auch mit Beziehung auf den zweiten Teil des Faust, an Zelter:,,Es ist keine Kleinigkeit, das was man im zwanzigsten Jahre concipiert hat, im zweiundachtzigsten aufser sich darzustellen und ein solches inneres lebendiges Knochengeripp mit Sehnen, Fleisch und Oberhaut zu bekleiden." Niemand wird natürlich verlangen, dafs bei solchen abgerundeten Angaben genau das Jahr herauskomme, in welchem zum ersten Mal die Faustidee in dem Kopfe ihres Schöpfers entsprang. Gleichwohl sind zwei andere Datierungen auffällig, eine bei Eckermann (6. Dezember 1829), wonach der Entwurf der ersten Scene des 2. Aktes dem Jahre 1779 angehörte, eine andere in dem Briefe an Wilh. v. Humboldt vom 1. Dezember 1831, welche die Conception des gesamten zweiten Teiles auf das Jahr 1781 zurückführt. Beide Angaben erwecken starken Zweifel, die zweite würde ohnehin den beiden zuerst genannten Briefstellen widerstreiten; die runde Zahl von 50 Jahren, die Goethe beidemal nennt, scheint also sehr willkürlich gewählt zu sein. Doch soviel geht mit Sicherheit aus den angeführten Belegstellen hervor, dafs der Dichter, als er zuerst den Plan zum Faust entwarf, schon eine Fortsetzung, über die Gretchentragödie hinaus, ins Auge fafste. Auch die Bemerkung in dem römischen Briefe vom 1. März 1788, dafs es

1) Eine andere Auffassung scheint Kuno Fischer zu haben (Die Erklärungsarten des Goetheschen Faust). Er sagt: „Das Leben hat die Bedeutung einer Prüfung, die durch fortschreitende Läuterung bestanden sein will: dies ist der religiöse Grundgedanke, den Goethe mit dem Prolog im Himmel in die Fausttragödie eingeführt und zum Thema derselben gemacht hat."

ein ander Ding sei, das Stück jetzt oder vor funfzehn Jahren auszuschreiben, könnte in diesem Sinne gedeutet werden. Es fragt sich nun, wie jene Fortsetzung gedacht war, und welcher Gedanke dem Ganzen ursprünglich zu Grunde gelegt sein konnte.

Zunächst steht soviel fest, dafs Goethe von vornherein beabsichtigt hatte, das Zusammenleben Fausts mit Helena, entsprechend der Überlieferung, als eine besondere Episode in seinem Drama darzustellen. Denn in dem zweiten der Entwürfe zur Ankündigung der „Helena" in ,,Kunst und Alterthum" sagt er'):,,Dem alten, auf die ältere von Faust umgehende Fabel gegründeten Puppenspiel gemäfs, sollte im zweiten Teil meiner Tragödie gleichfalls die Verwegenheit Fausts dargestellt werden, womit er die schönste Frau, von der uns die Überlieferung meldet, die schöne Helena aus Griechenland, in die Arme begehrt." An derselben Stelle fügt er hinzu: ,,Dieses Zwischenspiel war gleich bey der ersten Conception des Ganzen ohne Weiteres bestimmt."

Ausserdem besitzen wir aber in dem Paralipomenon 63 eine Skizze der Urdichtung, welche zwar einer viel späteren Zeit, dem Jahre 1824, angehört, aber durch den Zweck, für den sie bestimmt war, zu einer Quelle für die Rekonstruktion des ursprünglichen Faustplanes wird. Sie sollte nämlich ihre Stelle im 18. Buche von ,,Dichtung und Wahrheit", unter den poetischen Entwürfen des Jahres 1775, finden und wurde dann zurückgelegt, als der Dichter von neuem den Entschlufs zur Fortsetzung des Faust fafste2). Es würde freilich ein grofser Irrtum sein, wollte man diese Skizze ohne weiteres für das Schema des Jugendfaust halten. Mancherlei deutet vielmehr darauf hin, dafs hier Ursprüngliches mit Ideen, welche den Entwürfen des Jahres 1797 und der Folgezeit angehören, gemischt ist, alte Intentionen, wie Erich Schmidt sagt, durch die nachschaffende und verbindende Phantasie ergänzt sind; Goethe selbst macht zu seiner Mitteilung die Bemerkung: Dergleichen dichterische Seltsamkeiten, theils erzählt als Plan und Vorsatz, theils stellenweis fertig vorgelesen, gaben denn freilich eine sehr geistreiche und anregende Unterhaltung" ). Die älteren Die älteren von den jüngeren Bestandteilen etwa unterscheiden zu wollen, wäre aber auch ein vergebliches Beginnen. Immerhin erlaubt die Skizze, auf die Beschaffenheit des ersten Gesamtplanes der Dichtung einen Schlufs zu ziehen.

Es ist nämlich auffallend, dafs sie über das Ende Fausts keinen Aufschlufs giebt. ,,Indessen altert er," so klingt der Bericht aus, ,,und wie es weiter ergangen wird sich zeigen, wenn wir künftig die Fragmente, oder vielmehr die zerstreut gearbeiteten Stellen dieses zweiten Theils zusammen räumen und dadurch einiges retten was den Lesern interessant seyn wird." Was veranlafst den Dichter, müssen wir fragen, den Lesern seines Lebensabrisses das Bild des nie befriedigten, von immer neuem Streben erfüllten Greises und seine endliche Erlösung vorzuenthalten? Dafs jenes Bild für ihn längst feststand, als er die Skizze entwarf, ist nicht zweifelhaft; denn unter dem 2. Mai 1831 finden wir bei Eckermann mit Rücksicht auf den Anfang des 5. Aktes die Notiz: ,,Die Intention auch dieser Scenen" die übrigen Teile des 5. Aktes waren bereits am 24. Januar 1830 ,,ist über dreifsig Jahre alt." Wenn aber Goethe sich genau bewufst war, dafs

fertig

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1) Paralipomenon 123. XV2, 213.

2) Vgl. Eckermann unterm 10. August 1824.

3) Das letzte Wort ist durch E. Schmidt ergänzt.

der Schlufs seiner Dichtung, wie er bei einer etwaigen Vollendung des Ganzen veröffentlicht werden sollte, erst um die Wende des Jahrhunderts entworfen war, so konnte er ihn nicht als ein Produkt oder einen Plan seiner Frühzeit ausgeben, also auch nicht in eine für das Jahr 1775 bestimmte Skizze des Dramas aufnehmen. Das Ergebnis, welches wir damit gewinnen, lautet: so wie die fertige Dichtung hätte der Urfaust, wenn er fortgesetzt worden wäre, nicht geschlossen. Bildete aber die Darstellung des selbst im höchsten Alter rastlos strebenden Mannes nicht das Ende des Werkes, so war auch das Trostwort der Engel:

Wer immer strebend sich bemüht,

Den können wir erlösen !

schwerlich die der Dichtung zu Grunde liegende Idee.

War überhaupt mit dem ursprünglichen Plan eine bestimmte Idee verknüpft, so könnte man diese nur aus der Gedankenwelt, in welcher Goethe zur Zeit der Conception des Werkes lebte, rekonstruieren. Der Seelenzustand des jungen Dichters entzieht sich nicht unserer Beurteilung; die gleichzeitigen Werke, Götz und Werther, geben davon Kunde, zu denen seine Briefe und die Nachrichten, die der alternde Meister aufgezeichnet hat, ergänzend hinzutreten. Es ist ein Zustand der Unbefriedigung, unter dem der Jüngling litt, und der ihn fast zum Selbstmord getrieben hätte. Unbefriedigt vom kirchlichen. Glauben, der Wissenschaft, der Gesellschaft und seinem Berufe, rang er nach geistiger Befreiung, die er endlich im dichterischen Schaffen fand. Aber er konnte sie seiner Natur nach nur dadurch erlangen, dafs er unmittelbar denjenigen Empfindungen, die ihn niederdrückten, poetische Gestalt gab. Lange schon hatte die Fabel vom Doktor Faust ,,gar vieltönig" in ihm wiedergeklungen; denn hier sah er einen verwandten Geist verwandte Empfindungen aussprechen. Der Faust der Überlieferung verlangt vom Teufel nicht nur ,,den Genufs aller Herrlichkeiten der Welt", sondern auch ,,die wahrhafte Beantwortung aller seiner Fragen"; denn er will,,im Wissen vollkommen" werden. Er hat mit der Theologie, d. h. mit Gott, gebrochen und sich der Magie ergeben und verschreibt sich endlich dem Teufel. Im Puppenspiel hält er sich längere Zeit am Hofe des Herzogs von Parma, im Volksbuch in der Umgebung des Kaisers Maximilian I. auf. Das letzte, was beide Überlieferungen von seinem Thun zu berichten wissen, ist sein Zusammenleben mit Helena; als seine Zeit um ist, mufs er dem Teufel zur Hölle folgen. Welchen Eindruck diese Fabel auf Goethe machte, hat er später in ,,Dichtung und Wahrheit" berichtet.,,Auch ich," sagt er, ,,hatte mich in allem Wissen umhergetrieben und war früh genug auf die Eitelkeit desselben hingewiesen worden. Ich hatte es auch im Leben auf allerlei Weise versucht und war immer unbefriedigter und gequälter zurückgekommen. Nun trug ich diese Dinge, so wie manche andre, mit mir herum und ergetzte mich daran in einsamen Stunden." Was ihn also an dem Faust der Sage, als seinem Wesen verwandt, anzog, war sein Auflehnen gegen Gott, Wissenschaft und Sitte, sein Niederreifsen aller Grenzen, welche die Natur und die Menschen dem Streben des Einzelnen setzen. Ein revolutionärer Gedanke war es daher zweifellos, der den Anstofs zur Conception des Werkes gab, ein solcher könnte es auch nur gewesen sein, den der Dichter dem Ganzen zu Grunde legte.

Hierzu würde aber die Skizze des Jahres 1824, wenn wir auch nur ihre äufseren Umrisse auf den Jugendentwurf übertragen, nicht passen. Drei Episoden sind es, welche

Graues Kloster. 1891.

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in derselben die Fortsetzung des ersten Teils der Tragödie bilden: Fausts Aufenthalt am Hofe des Kaisers Maximilian, seine Verbindung mit Helena und sein Kampf um Herrschaft und Besitz. Zwei von diesen Dispositionsmassen wären vielleicht mit einer revolutionären Grundidee vereinbar, die dritte aber, Fausts Kampf um Herrschaft und Besitz, scheint ihr eher zu widersprechen.

Fassen wir alles, was wir über den ersten Entwurf wissen, zusammen, so wird es uns als das Wahrscheinlichste gelten, dafs der Dichter des Urfaust überhaupt nicht die Absicht hatte, eine bestimmte Idee darzustellen.

Ebenso ist es wenig glaubhaft, dafs die Fortsetzung von vornherein klar durchdacht, und namentlich das Ende des Helden festgestellt war, betont doch Goethe in in dem Briefe an Wilhelm von Humboldt vom 17. März 1832 ausdrücklich, dafs ihm der Faust bei seiner Conception jugendlich, die ganze Reihe hin weniger ausführlich vorlag. Halten wir uns in dem Rahmen des ersten Entwurfs, wie er durch die Göchhausensche Abschrift überliefert ist, so könnten wir annehmen, dafs das Ende Fausts ein tragisches sein sollte. Denn dem poetischen Empfinden des jungen Dichters entsprach es gewifs, dafs dem Übermut des Helden der Untergang folgte; dies zeigt z. B. der Stoff, den er sich für eine verwandte revolutionäre Dichtung, den Prometheus, wählte. Ob aber die Katastrophe durch einen Selbstmord oder eine Höllenfahrt Fausts oder sonstwie dargestellt werden sollte, das scheint eine müfsige Frage. Gleichwohl darf nicht verschwiegen werden, dafs eins der Schemata der Dichtung (Paralipomenon 1) mit den Worten schliefst:,,Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle", woraus soviel hervorgeht, dafs Goethe der Gedanke an eine Höllenfahrt nicht durchaus fern lag.

Noch weniger als beim ersten Entwurf wird sich beim Fragment die Frage, ob dem Dichter bei der Ausarbeitung der einzelnen Scenen eine bestimmte Grundidee vorgeschwebt habe, in bejahendem Sinne entscheiden lassen. Denn wenn Goethe in dem schon öfter citierten Briefe an Schiller vom 22. Juni 1797 schreibt, er wolle das, was gedruckt sei, wieder auflösen, um so die Ausführung des Planes, der eigentlich nur eine Idee sei, vorzubereiten, und wenn er dann fortfährt: „Nun habe ich eben diese Idee und deren Darstellung wieder vorgenommen und bin mit mir selbst ziemlich einig", so geht soviel daraus hervor, dafs er bisher mit seiner Idee nicht im Reinen war. Als völlig sicher aber ergiebt sich zugleich aus den angeführten Worten, dafs der Grundgedanke der fertigen Dichtung dem Fragment noch fremd war. War der Urfaust in den Dienst einer Idee gestellt, so würde diese für das Fragment erst recht nicht in Betracht kommen. Denn in denjenigen Scenen, welche im Fragment neu hinzugekommen sind, tritt das revolutionäre Element, welches für den ersten Entwurf charakteristisch ist, völlig zurück. Ja in der Ankündigung der ,,Helena" in ,,Kunst und Alterthum" spricht Goethe sogar seine Verwunderung aus, dafs diejenigen, welche eine Fortsetzung und Ergänzung seines Fragments unternahmen, nicht auf den so nahe liegenden Gedanken gekommen seien,,,man müsse bey Bearbeitung eines zweiten Theils sich nothwendig aus der bisherigen kummervollen Sphäre durchaus erheben und einen solchen Mann, in höheren Regionen, durch würdigere Verhältnisse durchführen." Den Faust von ,,Wald und Höhle" zuletzt in die Hölle fahren zu sehen -wem sollte dieser Gedanke nicht fremdartig scheinen?

So gewifs also das Fragment ein selbständiger Entwurf ist, so wenig wird man doch von einer Grundidee sprechen können, welche dem Dichter bei der Ausarbeitung desselben vorgeschwebt hätte. Er glaubte das Stück, welches er vor fünfzehn Jahren begonnen hatte, einfach fortzusetzen; dafs sich hierbei die Charaktere der beiden Hauptpersonen und damit der Charakter des Ganzen nicht unwesentlich veränderte, kam ihm wohl erst später zum Bewusstsein. An eine Ausführung des zweiten Teils hat er in der Zeit von 1787-89 wahrscheinlich überhaupt nicht gedacht, weshalb er an den Herzog Carl August schrieb: „Faust ist fragmentirt, das heifst in seiner Art für diesmal abgethan."

Druck von W. Pormetter in Berlin.

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