3. EINE ALTSUMERISCHE SINTFLUTERZÄHLUNG Der vielleicht noch aus dem 3. Jahrtausend stammende Text ist leider sehr fragmentarisch. Nachdem im Anfang die Erschaffung der Menschen und Tiere durch die Götter Anu, Enlil, Enki (= Ea) und die Muttergöttin Ninhursag, sowie die Gründung heiliger Städte kurz berührt worden ist, führt uns der Text nach einer Lücke in die Ereignisse vor der großen Flut. Ut-napischti hat hier den sumerischen Namen Ziusuddu. 100 Da schrie Nintu1 wie eine Gebärende2, 105 110 115 Die hehre Innanna1 erhob Wehgeschrei um ihr Volk! Die Götter von Himmel und Erde klagten zu Anu und Damals war Ziusuddu König und Oberpriester der Götter : An heiliger Götterstätte war eine Mauer gebaut; O mein Frommer, dein Ohr öffne! Von unserer Hand wird ein Zyklon über das Land Ver= nichtung bringen; Den Samen der Menschheit zu vernichten, zu zerstören die Erde Ist Entschluß und Entscheidung der Götterversammlung..“ 2 1 Bezeichnung der Muttergöttin Ninhursag. Vgl. Gilg. Ep. XI, 117. Hier kann es sich aber nur um Klagen vor der Flut handeln: Nintu und Enki hatten wohl im Götterrat vergeblich gegen die Flut gestimmt. Vgl. Gilg. Ep. XI, 19 ff. 3 150 155 160 190 Die gewaltigen Sturmwinde allesamt kamen, Der vernichtende Zyklon wütete mit ihnen. Als sieben Tage und sieben Nächte Und die gewaltige Arche auf dem großen Wasser vor Das Licht des Helden Schamasch Ziusuddu, der König, Warf sich nieder vor Schamasch; ließ er in die gewaltige Arche hineingelangen. Der Königschlachtete ein Rind, opferte reichlich Schafe.... Ziusuddu, der König, Warf sich nieder vor Anu und Enlil: Unsterblichkeit gleich einem Gotte gaben sie ihm, 4. EINE WEITERE REZENSION DER SINTFLUTSAGE Der folgende Text, der das Gespräch zwischen dem Hochgescheiten (Ut-napischti) und dem Gotte Ea in andrer Form bringt als das große Zwölftafelgedicht, entstammt der Bibliothek König Assurbanipals. Ea spricht: (5),,Zu dem Zeitpunkt, den ich dir angeben werde, Geh hinein ins Schiff und verschließ des Schiffes Tür! werker; 1 Der Sonnengott. Vieh des Feldes, Getier des Feldes, soweit sie Grünes fressen, (10) Werde ich dir angeben, daß sie deine Tür hüten.“ Der Hochgescheite tat seinen Mund auf und spricht, ,,Noch nie habe ich ein Schiff gemacht.... Auf den Erdboden zeichne eine Zeichnung von ihm! (15) Die Zeichnung will ich mir ansehen und das Schiff da Der aus Assurbanipals Bibliothek stammende Text erzählt von Plagen, die augenscheinlich vor der Sintflut über die Menschheit kamen, aber mehrfach durch die Bitten des Atrachasis, des Hochgescheiten, (d. i. Ut-napischtis,) wieder abgewendet wurden. Der Anfang fehlt. I. Als das dritte Jahr herbeikam, Empörten sich die Menschen in ihren Städten. Als das vierte Jahr herbeikam, wurden ihre Vorräte knapp... (30) Niedergeschlagen gingen einher die Menschen auf der Straße. Als das fünfte Jahr herbeikam, schaut scheel die Tochter auf das Kommen der Mutter; Die Mutter öffnet der Tochter nicht ihre Tür. Die Wage der Mutter Die Wage der Tochter beobachtet die Tochter, beobachtet die Mutter. (35) Als das sechste Jahr herbeikam, bereitet man die Tochter Zur Nahrung bereitet man das Kind . . . . zum Mahle, In der folgenden Lücke wurde wohl erzählt, wie durch Fürbitte des Atrachasis die Not ein Ende nimmt, wie dann aber die Frevel von neuem überhandnehmen, so daß sich die Plagen wiederholen: II. Oben ließ Adad1 seinen Regen selten werden, Unten wurde gehemmt die Hochflut, so daß sie sich am Es verminderte das Feld seinen Ertrag; (30) Es wandte sich weg die Brust der Nisaba2; nachts wurde das Gefilde weiß. Das weite Feld gebar Salz . . . . . Kraut ging nicht auf, Getreide wuchs nicht. Unglück ward dem Volke zuteil; Der Mutterleib war verschlossen, ließ kein Kind gedeihen. (Kleine Lücke.) Als das dritte Jahr herbeikam, (40) Empörten sich die Menschen in ihren Städten. Als das vierte Jahr herbeikam, wurden ihre Vorräte knapp, . Niedergeschlagen gingen einher die Leute auf der Straße. (45) Die Mutter öffnet der Tochter nicht ihre Tür. Zur Nahrung bereitet man das Kind . . . . zum Mahle, Der Kluge, der Hochgescheite, der Mensch, (55) Er redet mit seinem Gotte; Sein Herr Ea redet aber nicht mit ihm. 1 Wettergott. 2 Vegetationsgöttin. Da ging er hinaus zum Tore seines Gottes; Angesichts des Stromes schlägt er sein Lager auf. Wie es scheint, gelingt es ihm wieder, die Götter zu versöhnen. Doch von neuem beginnt das üble Tun der Menschheit. III. Wegen des Volkes Gelärmes ward Enlil' betrübt . . . . Enlil berief seine Versammlung (5) Und sagt zu den Göttern, seinen Kindern: ,,Es ärgert mich das Gelärme der Menschen; Wegen ihres Gelärmes bin ich betrübt worden. . Strafen will ich sie: Schüttelfrost soll eintreten! (10) Eilends soll ihrem Gelärme die Pest den Garaus machen! Gleich einem Sturme sollen gegen sie wehen Krankheit, Seuche, Schüttelfrost, Unglück!" Da strafte er sie: Schüttelfrost trat ein, Eilends machte ihrem Gelärme die Pest den Garaus, (15) Gleich einem Sturme wehten gegen sie Krankheit, Seuche, Schüttelfrost, Unglück. Der Kluge, der Hochgescheite, der Mensch, (20) Sein Herr Ea redet mit ihm. Der Hochgescheite öffnete seinen Mund (25),,O Herr, in Jammer sind die Menschen, O Herr Ea, in Jammer sind die Menschen, O Herr, der du uns geschaffen, (30) Laß aufhören Krankheit, Seuche, Schüttelfrost, Unglück!" Abermals scheint durch die Fürbitte des Atrachasis die Not ein Ende zu nehmen, jedoch ohne eine Besserung des sündigen Volkes zu bewirken. 1 Gott von Nippur und Herr der Länder. |