Da sahen sie sich gegenseitig an und wunderten sich. Als Adapa sich dem Könige Anu näherte, sah ihn Anu und rief:,,Wohlan, Adapa, warum hast du des Südwinds Flügel zerbrochen?" Adapa antwortete Anu: ,,Mein Herr, für das Haus meines Herrn fing ich mitten auf dem Meere Fische. Als ich mitten auf dem Meere war, erhob sich der Südwind und brachte mich zum Kentern . . . . Im Zorn meines Herzens verwünschte ich sein Tun." Da traten Tamuz und Gischzida, sich an seine Seite stellend, für ihn ein; Gutes redeten sie zu Anu. Da wurde er ruhig, und sein Herz ward gewonnen:,,Warum1hat Ea der unreinen Mensch heit des Himmels und der Erde Inneres offenbart? Stark hat er ihn gemacht, einen ruhmvollen Namen ihm verliehen. Was können wir selbst noch tun? Lebensspeise holt ihm, damit er sie esse!" 2 Lebensspeise holten sie ihm: er aß nicht! Lebenswasser holten sie ihm: er trank nicht! Ein Kleid holten sie ihm: er zog es an. Öl holten sie ihm: er salbte sich! Als Anu es sah, wunderte er sich über ihn:,,Nun, Adapa, weswegen aẞest du nicht, trankst du nicht? Bist du nicht gesund?.... -,,Ea, mein Herr, befahl: «Iß nicht und trink nicht!»" ,,Bringt ihn zurück auf seine Erde!" Es ist noch ein weiteres Fragment erhalten, das aber derartig zerbrochen ist, daß es eine verständliche Übersetzung nicht gestattet. Es scheint danach, als ob Anu, durch Eas Fürsprache bewogen, nunmehr dem Adapa (und seinen Nachkommen) für alle Zeiten die Weltherrschaft zusichert, nachdem er sich — wie oben erzählt durch seinen Gehorsam gegen Ea die Unsterblichkeit verscherzt hat. 1 Worte Anus. 2 Adapa. 9* 2. ETANAS HIMMELFAHRT Das fragmentarisch erhaltene Epos stammt größtenteils aus der Bibliothek Assurbanipals. Es beginnt mit einer Fabel vom Bündnis der Schlange und des Adlers. Durch seine Treulosigkeit gerät dieser in große Not: er wird von der Schlange in eine Grube geworfen, wo er dem Hungertode nahe ist. Zu dieser Zeit sucht der fromme Etana das,,Kraut des Gebärens", das seiner unfruchtbaren Gattin zu einem Sohne verhelfen soll; der Sonnengott Schamasch weist ihn an den Adler, der das Geheimnis kennt. Etana pflegt den Adler acht Monate und läßt sich dann von ihm zum Himmel emportragen, um das Wunderkraut zu holen. Doch von Angst überwältigt, stürzt Etana mit dem Adler zur Erde hinab! Der Schluß des Gedichtes ist nicht erhalten, so daß wir über Etanas Schicksal im Dunkeln bleiben. 10 Die Schlange tat ihren Mund auf und sagt zum Adler: ,,Wohlan, Freundschaft wollen wir schließen, Genossen wollen wir sein, ich und du!“ Der Adler tat seinen Mund auf und sagt zur Schlange: Vor Schamasch1, dem Helden, schwuren sie einen Eid: Wer die Grenzen des Schamasch übertritt, 15 Eine verirrte Waffe möge auf ihn fallen, Die Schlingen des Bannes des Schamasch mögen über ihn kommen und ihn fangen!" Sonnengott. 20 25 30 35 40 Nachdem sie den Eid geschworen, und die Erde es be= zeugt hatte, Machten sie sich auf und stiegen ins Gebirge empor. Einen ganzen Tag lang halten sie ihre Abmachungen. Der Adler friẞt, es kommen und fressen seine Jungen. Die Schlange frißt, es kommen und fressen ihre Jungen. Der Adler frißt, es kommen und fressen seine Jungen. Als sie den Fraß verzehrten, Als des Adlers Junge Sein Herz trieb ihn wurden des Adlers Junge groß und schlank. groß und schlank geworden waren, Böses in seinem Herzen, zu bösen Dingen: Die Jungen seines Gefährten zu fressen, trachtete er. Der Adler tat seinen Mund auf und sagt zu seinen Jungen: Ich will hinaufsteigen, am Himmel spähen, ,,Friß nicht, mein Vater, das Netz des Schamasch wird Die Schlingen des Bannes des Schamasch werden über dich Wer die Grenzen des Schamasch übertritt, böse schlagen!" 55 60 65 70 80 Er hörte nicht auf sie1, hörte nicht das Wort seines Jungen: Als die Schlange es bemerkte, sagt sie zu Schamasch: Zerstreut waren meine Jungen, und ich war nicht bei ihnen: Das Böse, das er tat, o Schamasch, vergilt ihm! Ist ja doch dein Netz, o Schamasch, die weite Erde, Wer konnte aus deinem Netz entrinnen lassen Das Flehen der Schlange hörte Schamasch; Schamasch tat seinen Mund auf und sagt zur Schlange: Auf Geheiß des Helden Schamasch ging die Schlange, Es gelangte die Schlange zu dem Wildochsen, 1 Die Kinder. 2 Vgl. die Erzählung vom Sturmvogel Zû (S. 151 ff.). Schlug ihre Wohnung auf in seinem Leibe. Allerlei Vögel des Himmels fuhren hinab, das Fleisch zu 85 Ahnte der Adler sein Unheil, Würde er kein Fleisch mit den Vögeln fressen! fressen. Der Adler tat seinen Mund auf und sagt zu seinen Jungen: und das Fleisch jenes Wildochsen fressen!" Ein Junges, ein hochgescheites, sagt zum Adler, seinem Vater, das Wort: 90 95 ,,Fahre nicht hinab, mein Vater; vielleicht lauert im Innern dieses Wildochsen die Schlange!" ... Er hörte aber nicht darauf, hörte nicht das Wort seines Jungen, Er fuhr hinab und stellte sich auf den Wildochsen. schaute sich nach vorn und nach hinten um, Musterte nochmals das Fleisch, schaute sich nach vorn und nach hinten um . . . Als er in das Innere hineinging, faßte ihn die Schlange 100 Der Adler tat seinen Mund auf Wie bei seinen Flügeln . . . und sagt zur Schlange: ein Bräutigam will ich dir Geschenke geben!" Die Schlange tat ihren Mund auf und sagt zum Adler: ,,Ließe ich dich los, wie könnte ich dann Schamasch oben Zerraufte ihn und warf ihn in eine Grube . |