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setzen; ebenso verschmolzen auch die weiblichen Gottheiten mehr oder weniger, so daß man in späterer Zeit zwischen Göttinnen wie Ischtar, Anunit, Innanna und Nanâ kaum mehr einen Unterschied machte.

Andere Gottheiten wurden in verwandtschaftliche Beziehun gen zu besonders hervorragenden Gestalten des Pantheons gesetzt, wobei neben theologisch-mythologischen Spekulationen auch politische Verhältnisse eine Rolle gespielt haben können. So galt z. B. der Mondgott Sin als Sohn des Erdgottes Enlil, und der Sonnengott Schamasch als Sohn des Mondgottes. Sehr leicht konnte es dabei geschehen, daß durch Verwendung verschiedener Systeme Verwirrung hervorgerufen wurde. So sahen wir, daß die Göttin Nanâ von Uruk als Tochter des Himmelsgottes Anu galt; dagegen hielt man Ischtar, die gleichzeitig auch die Göttin des Planeten Venus war, für eine Tochter des Mondgottes. Als nun Nanâ und Ischtar identifiziert wurden, finden wir diese Göttin bald als Tochter Anus, bald als Tochter Sins bezeichnet.

Wie die Griechen dachten sich auch die Babylonier das Leben der Götter ganz nach der Art des menschlichen: die Himmlischen sind zwar unsterblich, aber nicht frei von Leidenschaften und sogar Fehlern, wenn man auch zugeben muß, daß die babylonischen Götter viel würdigere und ernstere Gestalten sind als die leichtlebigen Bewohner des Olymps. Aber dieser Unterschied ist lediglich in der Verschiedenheit des Charakters beider Völker begründet. Für den Babylonier bildet die Familie den Angelpunkt des Lebens, um den sich alles dreht. Deshalb konnte er sich seine Götter auch nur als Mitglieder von Götterfamilien vorstellen. Neben dem Hauptgott der Stadt steht daher dessen Gattin oder, wenn es sich um eine Göttin handelt, deren Gatte, der dann, wie z. B. Schulpaë, der Gatte der Götterherrin Ninmach, nur eine bescheidene Rolle spielt. Häufig sind die Göttergemahlinnen bloße Reflexe der männlichen Gottheit, wie schon ihre Namen zeigen, die vielfach aus dem Namen des Gatten gebildet sind: so steht neben Anu dessen Gemahlin Antu,

neben Enlil dessen Gemahlin Ninlil u. a. m. Der ehelichen Ver einigung des Götterpaares, die in der Regel als die Vereinigung des in der Natur waltenden männlichen und weiblichen Prinzips aufgefaßt wurde, dachte man sich Söhne und Töchter entsprossen, die gleichfalls Familienbande schließen und Kinder erzeugen konnten. Da die Götter wie auch jeder irdische Herrscher einer Schar von Dienern bedurften, die man sich als niedere göttliche Wesen vorstellte, so schwoll der göttliche Haushalt oft genug zu einer stattlichen Gemeinschaft an. Die babylonischen Theologen haben sich bemüht, diese Verhältnisse in Götterlisten darzustellen, von denen uns eine Anzahl erhalten ist. Wenn auch vieles darin auf künstlicher Systematisierung späterer Zeiten beruht, so bilden diese Verzeichnisse doch eine wesentliche Hilfe für die Rekonstruktion des Pantheons.

Auf eine Eigentümlichkeit muß noch hingewiesen werden. Mehrfach begegnet es, daß der Sohn der Hauptgottheit einer Stadt in einer andern Stadt selbst als Hauptgott verehrt wird. So ist Enlils Sohn Nimurta der höchste Gott von Girsu-Lagasch, wo er den Namen Ningirsu (d. i. Herr von Girsu) führt. Marduks Sohn Nabû ist Hauptgott von Borsippa, und Marduk selbst, der Gott von Babylon und spätere Hauptgott des Reiches, ist ja seinerseits ursprünglich ein Gott von Eridu, wo er als Sohn Eas eine große Rolle in dem dort üblichen Beschwörungskult spielt. Hier können kaum Identifikationen einst verschiedener Gottheiten vorliegen; denn der Charakter der in Betracht kommenden Götter ist kein so allgemeiner, daß eine Gleichsetzung mit ähnlichen Gestalten des Pantheons auf der Hand lag, wie das bei Sonnen-, Mond- oder Wettergottheiten ja so leicht mög lich ist. Im Gegenteil finden wir, daß die betreffenden Gottheiten ihren Charakter ändern, wenn sie zu Hauptgottheiten andrer Orte werden: Marduk von Eridu, der Vermittler zwischen Ea und den Menschen, der große Entsühner, ist eine ganz andre Gestalt als Marduk, der Herr von Babylon und Herrscher der Götter, und trotzdem sind sie eins. Das läßt sich wohl nur so erklären, daß die beiden Orte, in denen der gleiche Gott (das

eine Mal als Vater, das andre Mal als Sohn) verehrt wird, einst durch gewisse politische Bande verknüpft waren; und da es sich dabei zum Teil um weit von einander entfernte Orte handelt, liegt die Annahme nahe, daß die Stadt, in der der Sohn zum Hauptgott ward, eine Kolonie der Stadt war, in der der Vater als oberster Gott verehrt wurde. Geschichtliche Beweise für die Richtigkeit unserer Annahme lassen sich allerdings noch nicht erbringen.

Gegenüber den himmlischen Götterwesen, die man unter der Bezeichnung Igigi zusammenfaßt, nehmen die Götter der Un terwelt, die Anunnaki, eine besondere Stellung ein. Ihre Herrscherin ist Ereschkigal oder Allatu, die freudlose Königin, und ihr Gemahl der Pestgott Nergal, der durch List und Gewalt sich den Thron des Totenreiches eroberte1. Allerdings haben die babylonischen Theologen auch hier versucht, genealogische Brücken zu schlagen. Wenn sie aber Nergal bald als Sohn Anus, bald als Sohn Enlils und bald als Sohn Eas bezeich nen, so ergibt sich schon aus diesem Schwanken, wie sekundär die Verknüpfung der chthonischen Gottheiten mit den himm lischen ist.

Wie sich die Babylonier das finstere Reich der Toten, das Arme und Reiche, Gute und Böse in gleicher Weise zu einem schattenhaften Dasein vereint, dachten, ergibt sich am besten aus den mitgeteilten literarischen Stücken, auf die der Leser verwiesen sein mag.

Wir wollen hier keine ermüdende Schilderung der einzelnen Gottheiten geben; es mag genügen, wenn wir die Alten selbst reden lassen, und zu diesem Zwecke wollen wir den Schluß der Gesetzsammlung König Hammurapis anführen, in dem der Fluch der einzelnen Götter auf jeden künftigen ungerechten Herrscher herabbeschworen wird. Aus diesen Flüchen, die an die einzelnen Gottheiten gerichtet sind, ergibt sich ein klares Bild ihres Wirkungskreises. Wir lesen:

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1 Vgl. den Mythus auf S. 149. Gilgamesch-Epos VII (S. 86) und XII (S. 114Æ.); Nergal und Ereschkigal (S. 149); Ischtars Fahrt in die Unterwelt (S. 142 ff.).

Wenn (ein künftiger Herrscher) auf meine Worte, die ich auf mein Denkmal geschrieben, nicht achtgibt, vielmehr meine Flüche miẞachtet und die Flüche der Götter nicht fürchtet, sondern das Recht, das ich gegeben, tilgt, meine Worte unterdrückt, meine Darstellungen ändert, meinen Namenszug auslöscht und seinen hinschreibt oder auch einen andern dazu veranlaßt, dem Be treffenden, sei er nun König oder Herr oder Vizekönig oder sonst eine beliebige Person, möge

Anu, der Große, der Vater der Götter, der meine Regierung berief, den königlichen Glanz nehmen, sein Zepter zerbrechen, sein Schicksal verfluchen!

Enlil, der Herr, der die Geschicke bestimmt, dessen Befehl unwandelbar ist, der mein Königtum groß macht, möge ununter drückbare Wirren als Veranlassung seines Untergangs in seiner Wohnstätte gegen ihn entfachen! Qualvolle Regierung, an Zahl beschränkte Tage, Jahre der Teuerung, unerleuchtbare Finsternis und augenblicklichen Tod möge er ihm zum Schicksal bestimmen! Den Untergang seiner Stadt, die Auflösung seines Volkes, die Unterdrückung seines Königtums, die Tilgung seines Namens und Gedächtnisses im Lande möge er mit dem gewichtigen Ausspruch seines Mundes befehlen!

Ninlil', die große Mutter, deren Geheiß in Ekur2 gewichtig ist, die Fürstin, die gnädige Fürsprache für mein Sinnen und Trachten einlegt, möge an der Stätte des Gerichts und der Entscheidung vor Enlil seine Sache schlecht machen! Verheerung seines Landes, Untergang seines Volkes, Ausschüttung seines Lebens gleich Wasser, möge sie Enlil, dem Könige, in den Mund legen!

Ea, der große Fürst, dessen Schicksalsbestimmungen an der Spitze gehen, der Weise der Götter, der alles Erdenkliche weiß, der meine Lebenszeit lang macht, möge Verstand und Weisheit ihm nehmen und ihn in Vergessenheit führen! Seine Ströme

1 Ninlil ist die Gemahlin Enlils (s. S. 15); sie ist aber hier bereits mit der Götterherrin Nin hursag gleichgesetzt, wie die Bezeichnung große Mutter" lehrt. Tempel Enlils in Nippur.

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2 Ungnad, Babylonien

möge er an der Quelle verstopfen, in seinem Lande möge er Brotkorn, das Leben des Volkes, nicht gedeihen lassen!

Schamasch, der große Richter1 des Himmels und der Erde, der die Lebewesen rechtleitet, der Herr, meine Zuversicht, möge sein Königtum stürzen, ihm sein Recht nicht geben, seinen Weg in die Irre gehen lassen, die Grundlage seines Volkes ins Wanken bringen, bei seiner Opferschau ein böses Omen von der Ausrottung der Wurzel seines Königtums und dem Untergang seines Volkes ihm zuteil werden lassen! Die unheilvolle Prophezeiung des Schamasch möge ihn eilends treffen: oben unter den Lebenden möge er ihn ausrotten, unten in der Unterwelt möge er seinen Totengeist nach Wasser schmachten lassen!

Sin, der Herr des Himmels, der Gott, der mich geschaffen, dessen Glanz unter den Göttern aufstrahlt, möge Krone und Königsthron ihm nehmen, möge als schwere Buße seine große Strafe, die aus dem Körper nicht weicht, ihm auferlegen, die Tage, Monate und Jahre seiner Regierung ihn in Qual und Jammer dahinbringen lassen, die Last der Königswürde ihm gewaltig machen, Leben, das mit dem Tode ringt, zum Schicksal ihm bestimmen!

Adad, der Herr des Überflusses, der Verwalter von Himmel und Erde, mein Helfer, möge die Regengüsse am Himmel und die Hochflut am Quellorte ihm nehmen, sein Land durch Teuerung und Hungersnot zugrunde richten, über seiner Stadt grollend donnern, und sein Land in eine Sintflutruine verwandeln!

Zababa", der starke Held, der erstgeborene Sohn von Ekur, der zu meiner Rechten einhergeht, möge in der Schlacht seine Waffe zerbrechen, den Tag ihm in Nacht verwandeln und seinen Feind auf ihn treten lassen!

Innanna, die Herrin von Schlacht und Kampf, die meine

1 Der Sonnengott, der alles erleuchtet, gilt auch als Entdecker aller bösen Taten und daher als göttlicher Richter. Gleichzeitig ist er der Offenbarer der göttlichen Geheimnisse und somit der Gott der Wahrsagekunst. Zababa, der Kriegsgott von Kisch, wird mit Nimurta, dem Sohne Enlils, gleichgesetzt.

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