45 50 55 60 In ein zweites Tor führte er sie hinein, öffnete es weit und nahm fort die Gehänge ihrer Ohren. ,,Warum, Pförtner, nahmst du fort die Gehänge meiner Ohren?" ,,Tritt ein, Herrin; also sind der Unterweltsherrin Gebote." In ein drittes Tor führte er sie hinein, öffnete es weit und nahm fort die Ketten ihres Halses. Warum, Pförtner, nahmst du fort die Ketten meines Halses?" ,,Tritt ein, Herrin; also sind der Unterweltsherrin Gebote." In ein viertes Tor führte er sie hinein, öffnete es weit und nahm fort die Schmuckstücke ihrer Brust. ,Warum, Pförtner, nahmst du fort die Schmuckstücke meiner Brust?" ,Tritt ein, Herrin; also sind der Unterweltsherrin Gebote." In ein fünftes Tor führte er sie hinein, öffnete es weit und nahm fort den Geburtssteingürtel1ihrer Hüften. ,,Warum, Pförtner, nahmst du fort den Geburtssteingürtel meiner Hüften?“ ,,Tritt ein, Herrin; also sind der Unterweltsherrin Gebote." In ein sechstes Tor führte er sie hinein, öffnete es weit und nahm fort die Spangen ihrer Hände und Füße. ,,Warum, Pförtner, nahmst du fort die Spangen meiner Hände und Füße?" ,,Tritt ein, Herrin; also sind der Unterweltsherrin Gebote." In ein siebentes Tor führte er sie hinein, öffnete es weit und nahm fort das Schamtuch ihres Leibes. ,,Warum, Pförtner, nahmst du fort das Schamtuch meines Leibes?" ,,Tritt ein, Herrin; also sind der Unterweltsherrin Gebote." 1 Gürtel mit Zaubersteinen. Sobald als Ischtar nach Kurnugea hinabgestiegen, Erblickte Ereschkigal sie und zeigte ihren Mißmut vor ihr. Zu ihrem Boten Namtar1 sagt sie die Worte: ,,Wohlan, Namtar, schließ sie ein in meinem Palaste! Laß gegen sie los sechzig Krankheiten, Ischtar zu quälen: Krankheit der Augen gegen ihre Augen, gegen ihre Arme, gegen ihre Füße, gegen ihr Inneres, gegen ihren Kopf, Gegen sie allüberall, gegen ihren ganzen Leib!“ Nachdem die Herrin Ischtar nach Kurnugea hinab- 85 Da ging Papsukkal weinend vor Nannar", fließen seine Tränen: 1 „Ischtar ist zur Unterwelt hinabgestiegen, aber nicht wieder emporgekommen! 2 Pestgott. Im Himmel herrscht Besorgnis über das durch das Verschwinden der Liebesgöttin verursachte Aufhören jeglichen Liebeslebens. [Papsukkal ist hier vielleicht mit Tamuz, Ischtars Gatten, identisch.] Mondgott. 3 Meeres gott. 10 Ungnad, Babylonien 95 100 Nachdem nun Ischtar nach Kurnugea hinabgestiegen, Beugt sich der Mann nicht mehr über das Weib in der Gasse: Es schlief das Weib für sich allein.“ Ea in seinem weisen Herzen schuf ein Wesen, Schuf Asuschu-namir, einen Spielmann: ,,Geh, Asuschu-namir, nach Kurnugeas Tor richte Erhebe dein Haupt und richte den Sinn auf die Schläuche1: Es ging Asuschu-namir, nach Kurnugeas Tor richtete Die sieben Tore von Kurnugea öffneten sich vor ihm. Er erhob sein Haupt und richtete den Sinn auf die Als Ereschkigal dieses vernahm, Schlug sie sich auf den Schoß und biß sich auf den Finger*: 1 Es handelt sich vielleicht um Schläuche mit Lebenswasser, durch das Ischtar aus der Unterwelt befreit werden soll. Manches ist noch dunkel: jedenfalls verliert Ereschkigal die Macht über Ischtar. Hierher gehören vielleicht Vs. 128-132. Dieser ganze Abschnitt fehlt in den Originaltexten. 'Zeichen des Zornes. 8 105 110 115 ,,Du hast von mir etwas begehrt, was nicht begehrt werden darf. Wohlan, Asuschu-namir, ich will dich verfluchen mit schwerem Fluche, Will dir ein Los bestimmen, unvergeßlich für alle Zeiten: Ereschkigal öffnete ihren Mund und spricht, ,,Geh, Namtar, klopf in Egalgina an, schlagen!" 1 Poch an die Schwellen von funkelnden Steinen, Platz nehmen! Besprenge Ischtar mit Lebenswasser, und nimm sie von mir fort!" Da ging Namtar, klopfte in Egalgina an, Platz nehmen, 120 Besprengte Ischtar mit Lebenswasser und nahm sie fort. Aus dem einen Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück das Schamtuch ihres Leibes. Aus dem zweiten Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück die Spangen ihrer Hände und Füße. 1 Auch hier scheint eine Lücke zu klaffen. Ursprünglich wurde wohl erzählt' daß Asuschu-namir in den Himmel zurückkehrte und nun Tamuz in die Unterwelt hinabführte. Daran würde sich Vs. 133-140 gut anreihen: erst durch Tamuz' Flötenspiel bezaubert, befiehlt Ereschkigal (Vs. 111 ff.) die Freilassung der Ischtar. Niedre Gottheiten, hier als Richter der Unterwelt im Rechtspalast (Egalgina) der Unterwelt hausend gedacht. 10* 125 130 135 140 Aus dem dritten Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück den Geburtssteingürtel ihrer Hüften. Aus dem vierten Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück die Schmuckstücke ihrer Brust. Aus dem fünften Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück die Ketten ihres Halses. Aus dem sechsten Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück die Gehänge ihrer Ohren. Aus dem siebenten Tore führte er sie hinaus und gab ihr zurück das große Kopftuch ihres Hauptes. „Wenn sie dir ihre Freilassung nicht gewährt1, so wende Den Tamuz, ihren Jugendgeliebten, Freudenmädchen mögen ihren Zorn beschwichtigen!" * Als nun Belili ihre Schätze geholt hatte, Hörte sie die Klagetöne ihres Bruders; da warf Belili Mit den Edelsteinen füllte sie den Boden: ,,Mein einziger Bruder, tu' mir keinen Schaden! In den Tagen des Tamuz spielet auf der Flöte von Lapis- 1 Der Zusammenhang dieses Verses und der folgenden mit den vorhergehenden ist unklar. Tamuz ist der Geliebte der Ischtar-Venus, Belili seine Schwester, die hier mit Ereschkigal identisch zu sein scheint. Möglicherweise sind Vs. 128-132 hinter Vs. 101 einzureihen und gehören dann zur Rede Eas an Asuschu-namir. 2 Zu diesen Versen s. Anmerkung 1 auf S. 147. |