65 5 Löse meine Sünden, so will ich dich huldigend preisen! Dein Herz möge dem Herzen der Mutter gleich, die mich geboren, sich beruhigen! Der Mutter gleich, die mich geboren, dem Vater gleich, der mich erzeugte, möge es sich beruhigen! 6. UNSCHULDSPSALM1 Ich gelangte zu langem Leben, schritt über die bestimmte so ist es böse, ja böse! mein Recht finde ich nicht. doch er zeigte mir sein Antlitz Und wende ich mich umher, nicht: Zu meiner Göttin betete ich, doch erhebt sich ihr Haupt nicht. Der Wahrsager bei der Opferschau gab keine Deutung; Bei der Opferspende konnte der Orakelbefrager kein Urteil für mich erwirken. Ich wandte mich an den Totenbeschwörer, doch ließ er mich keine Antwort hören; Der Beschwörer konnte durch Zauber meinen Bann nicht 10 Was für sonderbare Dinge allenthalben! lösen. 15 1 Wie einen, der die Opferspende dem Gotte nicht be reitete, Und der beim Mahle der Göttin nicht gedachte! Flehen, Von dem der Gottestag vernachlässigt, der Opfertag nicht beachtet worden, 1 Hauptsächlich aus Assurbanipals Bibliothek bekannt. 15* 20 25 30 35 40 Der nachlässig war, der Götter Sprüche mißachtete, Der leichtfertig bei seinem ehrwürdigen Gotte schwur, an Gebet und Flehen, Ich dachte selbst nur Der Tag der Nachfolge der Göttin war meine Herzensfreude, war mein Reichtum und Glück. Die Huldigung des Königs war meine Freude, Ich lehrte mein Land, Gottes Namen zu achten, unterwies ich meine Leute. machte ich göttergleich, lehrte ich das Volk. Fürwahr, ich meinte, daß Gott dies angenehm sei: Wer lernt den Willen der Götter im Himmel kennen, Wer abends noch lebte, ist morgens tot, Und urplötzlich stöhnt er wie ein Klagemann! Jeden Augenblick ändert sich der Leute Sinn: Sind sie satt, so stellen sie sich ihrem Gotte gleich. Im Glück reden sie davon, zum Himmel emporzusteigen, * Ein böser Geist ist aus seinem Schlupfwinkel hervor Es entbrannte der Schmerz, schlimm ward die Krankheit. Zu meinem Gefängnis ward das Haus; In die Kette meines Fleisches waren meine Arme gelegt, In die Fesseln meines eignen Leibes waren meine Füße gestürzt! Die Verheerung an mir ist schmerzlich, der Schlag gewaltig: Mit einer Peitsche hat er mich geschlagen, die voller Stacheln war; 2 Mit einem Stock hat er mich durchbohrt, dessen Spitze gewaltig war. Den ganzen Tag verfolgt mich der Verfolger; Durch Überanstrengung sind aufgelöst meine Gelenke, Meine Gliederschmerzen haben den Beschwörer in Verlegenheit gesetzt, Und meine Vorzeichen hat der Wahrsager nicht deuten können. 1 Schmerz und Krankheit. Der böse Geist. 75 80 Der Wahrsager hat nicht aufgeklärt das Wesen meiner Hand, Meine Göttin erbarmte sich meiner nicht, noch trat sie mir zur Seite. Geöffnet war der Sarg, man nahm schon meine Kostbar- Ehe ich noch tot war, war die Totenklage schon fertig! worden!" Mein Feind hörte es, und es strahlte sein Antlitz, Ich aber kannte eine Zeit, wo meiner ganzen Familie 1 In einem weiteren Gedicht, das sich sehr lückenhaft an das mitgeteilte an= schließt, wurde geschildert, wie der fromme Dulder doch schließlich Heilung fand. D. LEICHENLIEDER Lieder, wie sie die Babylonier bei der Bestattung ihrer Toten sangen, sind uns nicht überliefert. Dagegen gibt es eine größere Anzahl ,,mythischer" Leichenlieder, in denen das Dahinsterben der Natur beklagt wird. Während die Göttin Ischtar das weibliche Prinzip in der Natur darstellte, galt als das männliche der Geliebte der Ischtar, Tammuz, der in der Blüte der Jugend zur Unterwelt hinabfahren mußte, allem Blühen und Gedeihen auf Erden ein Ende bes reitend. Die Texte sind altsumerisch (3. Jahrtausend), wurden aber auch später noch abgeschrieben und ins Akkadische übersetzt. 5 10 1 1 Über den Fernen1 erhebt sich Wehklage, Ach, über meinen Sohn, den Fernen, erhebt sich Weh klage, Über meinen Damu1, den Fernen, erhebt sich Wehklage, Über meinen Hohenpriester, den Fernen, erhebt sich Wehklage, Über die glänzende Zeder, wo seine Mutter ihn gebar, 2 Wehklage um des Mannes Haus erhebt sich, Wehklage erhebt sich! Wehklage um des Mannes Stadt erhebt sich, Wehklage erhebt sich! Die Wehklage gilt den Kräutern, die Früchte nicht hervorbringen, Die Wehklage gilt dem Getreide, das Ähren nicht hervorbringt. Die Vorratskammer ist ein Besitz, der Besitz nicht her 2 vorbringt, 1 D. i. Tammuz, der fern in der Unterwelt weilt. Eanna ist der Tempel der Ischtar. Alles irdische Gedeihen hört mit Tammuz' Tode auf. |