5 10 15 20 25 ZWEITE TAFEL Als nunmehr Tiâmat ihr Werk so vollendet, Da schritt sie zum Kampf mit den göttlichen Kindern; 1 Doch Ea1 erfuhr, was klug sie geknüpfet. Als diese Dinge Ea hörte, von Schmerzen geängstigt, „Unsre Mutter Tiâmat, uns tödlich hassend, Es gehn ihr zur Seite Sie sammelten sich, selbst die, so ihr schufet. zur Seite Tiâmats schreitend, Tobend, planend, ruhelos Tag und Nacht, Die Chaosmutter, die alles gebildet, gebar Riesenschlangen Füllte mit Gift statt mit Blut ihren Leib. Wütende Drachen von schrecklichem Anblick, Den bäumenden Leibern gibt's kein Widerstehen. 9 1 Vgl. bereits Erste Tafel, Z. 17 ff., 55 ff. o D. i. Tiâmat. 30 35 40 45 50 Ins Feld führt sie Ottern, Basilisken und Molche, Gar mächtig gebeut sie, Widersetzen nicht kennend, Das Heer zu führen, die Truppe zu leiten, Durch Zauber geweiht, bist du hoch nun erhoben, Der Götter Herrschaft hab' dir ich gegeben! Erhaben sei du, mein erkorener Gatte; Sei herrlich gepriesen von den Göttern der Tiefe." Sie legt an die Brust ihm die Tafeln des Schicksals: Und Kingu, erhaben, als Allgott jetzt waltend, ,,Tut auf nun den Mund, um den Brand zu ersticken! Als Anschar nun hört' von Tiâmats Rasen, unruhig sein Herz. Schlug er sich den Schenkel', biß sich in die Lippen; Betrübt war sein Sinn, Doch endlich spricht er, sein Wehgeschrei lassend: ,,O Ea, mein Sohn, zieh aus zum Streite: 1 Zeichen der Wut. Hast du ja doch Mummu und Apsû erschlagen; Nun töte auch Kingu, der vor ihr1 einherzieht!“ In der folgenden Lücke von fast 20 Zeilen wurde wohl erzählt, wie Ea sich aus Furcht weigert, den Kampf auf sich zu nehmen; Anschar wendet sich deshalb an seinen Sohn Anu2. 75 Anschar befahl jetzt, Anu zu rufen; Daß ihr Zorn sich lege, ihr Herz sich beruhige! daß Ruhe sie halte!" Da gehorchte Anu dem Wort seines Vaters, 80 Die Bahn, den Weg zu ihr schlug er ein. Doch als er sich nahte, ihre Pläne ergründend, Vergaß er des Widerstands: er wich zurück! In ihrer Ratlosigkeit weisen die Götter jetzt Ea an seinen Sohn Marduk, der dem Vater an Weisheit gleich ist. Ea soll diesem von Tiâmats Empörung berichten und ihn als Kämpfer für die Götter gewinnen. Hören wir, was Ea zu seinem Sohne redet: 110 ,,Sohn Marduk, vernimm das Wort deines Vaters, Da freute der Herr sich der Worte des Vaters, 115 Als Anschar ihn sah, ward froh er im Herzen, Den Mund ihm küssend, vergißt er der Sorgen. 1 Tiâmat. 2 Erste Tafel, Z. 14. Wenn die Ergänzung richtig ist, so handelt es sich um ein Zauberwort. Der Herr, bab. Bêl, ist ständige Bezeich< nung Marduks, des Stadtgottes von Babylon. 3 Ungnad, Babylonien 120 125 130 135 140 „O, Vater1, verzag' nicht, nein öffne die Lippen; deinen Wunsch zu erfüllen! nein öffne die Lippen; deinen Wunsch zu erfüllen!" ,,Ist jemals ein Mann dir entgegengetreten? jetzt freu' dich und juble; „O Vater der Götter, auf Tiâmats Nacken! jetzt freu' dich und juble; auf Tiâmats Nacken!" ,,Mein Sohn, der du kennst aller Weisheit Wege, Wohlan, schreite eilends zum Zug gegen jene; Da freute der Herr sich der Worte des Vaters &; „O Herrscher und Schicksal der großen Götter, 5 In Upschukkinak setzt froh euch zusammen: Nicht hinfällig werden was jemals ich schaffe, das Wort meiner Lippen!" 1 4 Anschar spricht. 9,,Vater“ hier wie 1 Marduk redet jetzt mit Anschar. oft ,,Ahnherr". Los - Stellung (im Rat der Götter). Der Ort, wo die Lose (Geschicke) bestimmt werden. 5 DRITTE TAFEL Den Mund auftuend, spricht Anschar die Worte ,,Vezier Kaka, du Freud' meines Herzens, Zu Lachmu und Lachamu1 will ich dich senden! 10 Das Los dann bestimmen für Marduk, den Retter! 15 20 Mach auf dich, o Kaka, und tritt vor sie hin, Und was ich dir sage, Euer Sohn Anschar verkündige ihnen: entsandte mich hierher; Seines Herzens Geheiß läßt er mich verkünden: Unsre Mutter Tiâmat, uns tödlich hassend, 1 Das ältere Götterpaar; s. erste Tafel, Z. 10. 3* |