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n die graue Dämmerung längstvergangener Jahrtausende führt uns die Betrachtung der babylonisch-assyrischen Kul

tur und damit auch der Religion dieses Kulturkreises zurück, in eine Zeit, in die die israelitische Sage die Erschaffung der Welt und die Taten der ersten Urväter verlegt. Gewiß verliert sich auch die babylonische Vorgeschichte in die Weite des Mythus. Wie in Israel ist auch hier die große Flut, die alles Leben vertilgte1, ein Markstein auf der Bahn der üppig blühenden Sage. Man erzählte sich, wie nach Erschaffung der gegenwärtigen Welt zehn3 Urväter das Land beherrschten, deren Regierungszeiten eine schwindelnde Höhe erreichten: zwischen 10800 und 64800 Jahren bewegen sich die Zahlen für diese sagenhaften ersten Herrscher, die insgesamt nicht weniger als 432000 Jahre lang ihr Volk beglückten.

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Da brach die Sintflut herein, aus der sich nur der fromme Xisuthros* mit den Seinigen rettete. Aber immer noch bleiben wir in der Zeit der Sage. Die nach der Flut gegründeten Reiche von Kisch und Uruk stehen zum Teil noch unter Herrschern, die den Reihen der Götter entnommen sind, wenn auch die Ge samtzahl aller Regierungsjahre dieser Dynastien auf etwa 20000 zusammenschmilzt.

Hiermit endet aber die sagenhafte Vorzeit: in Ur, der Stadt, die die israelitische Überlieferung zur Heimatstadt Abrahams macht, gründet ein Fürst Mesannipada ein Reich, das den Anspruch erheben darf, das erste geschichtlich nachweisbare Reich auf babylonischer Erde gewesen zu sein. Wir sind hier mit in die letzten Jahrhunderte des fünften Jahrtausends gelangt, und nunmehr folgt Reich auf Reich in gutüberlieferter Folge, die, nur noch durch wenige Lücken gestört, bis in die Tage der Arsakiden (seit 141 v. Chr.) hinabführt.

Denkmäler aus der Zeit des vierten Jahrtausends sind noch

1 Siehe S. 102 ff. Diese Überlieferung geht auf Berossus (um 280 v. Chr.) zurück. 4 › Also die gleiche Zahl wie in der hebräischen Sage. D. i. bab. Atrachasis, gewöhnlich Ut-napischti genannt. In der Nähe von Babylon. • In Südbabylonien.

1 Ungnad, Babylonien

sehr spärlich. Das hat aber seinen Grund in der Geschichte der Ausgrabungen in Babylonien: sind doch gerade die Stätten, die die Sitze jener alten Fürsten gewesen sind, noch fast unbe rührt vom Spaten geblieben. Ur selbst, ebenso Uruk und Kisch haben bisher nur wenige Zeugnisse für die Geschichte Babyloniens herausgegeben, die naturgemäß nicht viel von der in größerer Tiefe verborgenen Kunde älterer Zeiten ahnen lassen. Von andern Orten, die den Mittelpunkt führender Reiche des vierten Jahrtausends gebildet haben, wie Awan und Akschak, wissen wir noch nicht einmal die genaue geographische Lage. Welch ein reiches Feld für die Tätigkeit künftiger altertumsliebender Geschlechter!

Für die Erforschung der babylonischen Kultur der ältesten Zeit sind die Ausgrabungen zweier Ruinenhügel von hervorragender Bedeutung gewesen; einer von diesen begrub die alte Stadt Girsu - Lagasch unter sich, der andre das heilige Nippur, das religiöse Zentrum des Landes während des vierten und teilweise auch während des dritten Jahrtausends. Hier haben die Expeditionen der Universität von Pennsylvania, dort die der französischen Regierung reiche Erfolge gezeitigt, so daß uns die Entwicklung Babyloniens seit dem Ausgang des vierten Jahrtausends im großen und ganzen klar vor Augen liegt.

Als die Begründer der babylonischen Kultur sind die Sumerer anzusehen, die sich selbst als Ureinwohner des Landes betrach teten, wenn es auch möglich ist, daß sie in urvordenklichen Zeiten aus andern Gegenden in das Gebiet des Euphrat und Tigris eingewandert sind. Die Denkmäler stellen sie als eine kleine, untersetzte Rasse dar mit etwas schräg gestellten Augen, gerader feiner Nase, scharf hervortretenden Backenknochen und ver hältnismäßig niedriger Stirn, so daß man an eine Verwandtschaft mit mongolischen Völkern zu denken geneigt ist. Hauptund Barthaar wurden in der Regel kurz abgeschoren oder ab rasiert. Ihre Sprache weist keine nähere Verwandtschaft zu irgendwelchen andern Sprachgruppen auf; indes scheinen

manche Anzeichen auch hier eine Verbindung mit den mongo lisch-türkischen Völkern zu befürworten. Sie sind die Erfinder der Keilschrift und haben durch diese Geistestat ihre Kultur späteren Jahrtausenden erhalten.

Diese Kultur muß schon ein ziemlich festes Gepräge gehabt haben, als die Völkerwanderungen der Semiten gegen Ende des vierten Jahrtausends die Einheitlichkeit der alten Bevölke rung in Frage stellte und später ganz zerstörte. Als einer jener semitischen Häuptlinge bald nach 3000 v. Chr. das erste semitische Reich auf nordbabylonischem Boden mit der Hauptstadt Akkad gründete, nannten sie sich hinfort Akkader und ihre Sprache akkadisch. Mit Ausnahme ihrer Sprache, die sie auf Kosten des Sumerischen zur Geltung zu bringen verstanden, haben diese Semiten oder Akkader der älteren sumerischen Kultur keine wesentlichen Elemente hinzuzufügen gewußt. Da sie bei ihrer Einwanderung in Babylonien noch Nomaden waren, war ja auch ihre Kultur derjenigen der alten seẞhaften Bevölke rung ohne Zweifel unterlegen.

as Verständnis der babylonischen Religion wird durch eine Übersicht über die politische Entwicklung des Landes an Klarheit gewinnen. Die ältere Geschichte Babyloniens zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit der griechischen Geschichte. Hier wie dort treffen wir eine Anzahl kleinerer Staatengebilde an, meist nur aus einer Stadt mit dem sie umgebenden Acker- und Weideland bestehend, von denen jedes eifersüchtig darauf be dacht war, die Hegemonie an sich zu reißen und die andern Kleinstaaten zu unterjochen. Unter diesen Umständen nimmt es nicht wunder, daß der Sitz der obersten Gewalt sich bald in dieser bald in jener Stadt befindet. Die wichtigsten dieser Stadtkönigtümer waren die folgenden: Kisch in der Nähe des späteren Babylon (Bâbili), Uruk (heute Warka), Ur (heute Mukaijar), Awan (Lage unbekannt), Adab (heute Bismaja), Akschak (Lage unbekannt) und Kesch (Lage unbekannt). Jeder dieser Orte war der Verehrung einer größeren Gottheit

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geweiht: in Uruk verehrte man den Himmelsgott, in Ur den Mond, in Kesch und Adab die große Göttermutter usw. Dazu kamen noch einige Orte, die in ältester Zeit keine rein politische Bedeutung gespielt zu haben scheinen. Vor allem gilt dieses von Nippur, der Kultstätte des Gottes Enlil, des Herrn der Länder. Nie war Nippur der Sitz eines Königs, dennoch nahm es eine hervorragende Stelle in der älteren babylonischen Geschichte ein als religiöser Mittelpunkt: Enlil, der Herr der Länder, der zwar neben sich keinen irdischen Machthaber duldete, verlieh aber doch dem jeweiligen Könige die Patesiwürde oder die Stellvertretung seiner göttlichen Herrschaft auf Erden. So war Nippur das babylonische Rom, dessen „Papst" dem irdischen Herrscher erst die göttlichen Weihen verlieh, und deshalb führte es auch den stolzen Beinamen,,das Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde". Andre Orte, die im wesentlichen nur kulturelle aber keine politische Bedeutung gehabt haben, waren Eridu, die Stadt des Wassergottes Enki oder Ea, und Larsa, wo sich ein Heiligtum des Sonnengottes befand; letzteres wurde erst um 2000 v. Chr. der Sitz eines selbständigen Staates.

Wenn es im fünften und vierten Jahrtausend auch einzelnen Städten gelang, die Herrschaft über ganz Babylonien an sich zu reißen, so blieb diese doch wohl auf das eigentliche Babylonien, d. h. das Land am Unterlauf des Euphrat und Tigris, beschränkt. Das wurde anders als (um 2900 v. Chr.) ein semitischer Fürst Scharrukîn oder Sargon in Nordbabylonien ein Reich mit der Hauptstadt Akkad1 gründete. Ihm gelang es, nicht nur Babylonien seiner Herrschaft untertan zu machen, sondern er eroberte auch die umliegenden Länder, nämlich Elam (Südwestpersien) im Osten, Subartu (Nordmesopotamien) im Norden und Amurru (Palästina und Westsyrien) im Westen. So wurde Babylonien, das nunmehr auch den Namen Akkad führt, eine Weltmacht.

Fast 200 Jahre bestand dieses Reich. Schließlich zerfiel es

1 Siehe o. S. 3.

mehr und mehr; ja Babylonien wurde die Beute eines fremden Volkes, der Gutäer, die über ein Jahrhundert lang das Land unterjochten. Erst allmählich erholte es sich wieder, bis es unter einer mächtigen in Ur regierenden Fürstenfamilie eine zweite Blütezeit erlebte. Unter König Schulgi (um 2400 v. Chr.) stand die Macht Babyloniens der unter Scharrukîn gewonnenen wohl nur wenig nach.

Wieder folgte der Blütezeit ein Verfall; diesmal war es der östliche Nachbar, Elam, der Babyloniens Einheit zersprengte: das Land zerbröckelte wieder in einzelne Staatengebilde, die sich mehr oder weniger feindlich gegenüber standen. In dieser Zeit gelang es einem semitischen Nomadenhäuptling, ein Reich mit der Hauptstadt Bâbili (Babylon) zu gründen; eine Reihe kluger Fürsten aus seinem Geschlecht verstanden es, die Macht des neuen Staates zu mehren, bis es endlich (um 2000 v. Chr.) dem begabtesten unter ihnen glückte, ganz Babylonien wieder unter einer Hand zu vereinigen, ja sogar das alte Weltreich Scharrukîns und Schulgis wieder aufzurichten. Dies war Hammurapi, dessen bewundernswürdige Gesetzgebung seinen Ruhm bis in unsere Tage erhalten hat.

Für die Religionsgeschichte ist die Errichtung dieses Reiches mit der Hauptstadt Bâbili noch besonders wichtig: der Stadtgott von Bâbili, Marduk, der bisher keine besondere Bedeutung gehabt hatte, war nunmehr der Gott der politischen Hauptstadt. Während man bisher die religiöse Stellung Enlils, des Gottes von Nippur, niemals zugunsten des Gottes einer poli tischen Hauptstadt anzugreifen versucht hatte, wagten es jene Herrscher der Dynastie Hammurapis-hauptsächlich wohl dieser letztere selbst, - Enlil durch Marduk zu ersetzen und somit Bâbili auch zum religiösen Mittelpunkt des Landes zu machen. Zu dieser Zeit entstand das große Weltschöpfungsgedicht1, das die Ansprüche der neu erkorenen Hauptgottheit sozusagen religionsgeschichtlich begründen sollte. Alle Ansprüche Enlils wurden auf Marduk übertragen oder mit andern Worten: Mar= 1 Siehe S. 25 ff.

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