ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

C. GILGAMESCH-EPOS UND SINTFLUTSAGE

1. DAS GROSSE GILGAMESCH EPOS MIT DER
SINTFLUTSAGE

Da as Gilgamesch-Epos ist das größte nationale Epos der Babylo nier: es behandelt die Abenteuer und Fahrten des Gilgamesch, eines alten Königs von Uruk in Südbabylonien, vor allem sein heißes aber vergebliches Bemühen, dem Tode zu entrinnen, das ihn bis an das Ende der Welt zu Ut-napischti führt, dem babylonischen Noah, der mit den Seinigen allein der großen Sintflut entkam. In das Gedicht sind so viele mythologisch-religiöse Stoffe eingewebt, daß wir es, soweit es der Erhaltungszustand ermöglicht, vollständig wiedergeben wollen. Dazu kommt noch, daß Gilgamesch früh mit dem Sonnengotte identifiziert wurde; dieser Umstand hat manche Forscher veranlaßt, das ganze in zwölf Tafeln eingeteilte Gedicht als eine Verherrlichung des Laufs der Sonne durch die zwölf Tierkreiszeichen aufzufassen. Wenn sich auch allerlei astrale Gedanken in dem Epos finden, so läßt sich ihre konsequente Durchführung nicht ohne große Schwierigkeiten verwirklichen.

Die zwölf Tafeln, deren elfte die Sintfluterzählung enthält, sind uns größtenteils aus Abschriften der Zeit König Assurbanipals (668 bis 626 v. Chr.) bekannt; doch sind auch einige der Form nach abweichende Texte aus älterer Zeit erhalten; der frühste, noch in sumerischer Sprache geschriebene, gehört vielleicht der 2. Hälfte des 3. Jahrtausends an. Leider sind noch ganze Teile des Gedichts unbekannt oder so lückenhaft überliefert, daß sich eine Übersetzung hier nicht geben läßt.

Augenscheinlich hat das Epos eine größere Menge ursprünglich selbständiger Einzelsagen zu einem Sagenkranz verbunden; so treten unter anderen als solche Einzelsagen deutlich hervor: die Freundschaft zwischen Gilgamesch und dem Wildling Engidu, die Kämpfe gegen den Unterdrücker Humbaba, Gilgameschs Vorgehen

gegen den Kult der Liebesgöttin Ischtar, die Sintflutsage und Gil gameschs Suchen nach dem ewigen Leben.

Eine kurze Inhaltsangabe sei hier beigefügt:

I. 1–52. Prooemium: Preis des Helden Gilgamesch.

61-91. Auf die Bitten der unter Gilgameschs Tyrannenherrschaft leidenden Bewohner von Uruk erschaffen die Götter den Wildling Engidu, der Gilgameschs Tatendurst in andre Bahnen lenken soll.

92-286. In behaglicher Breite wird ausgeführt, wie Engidu durch eine Dirne aus dem Gebirge, seiner Heimat, in die Stadt gelockt wird, und wie in ihm das Verlangen erwacht, Gilgamesch kennen zu lernen und zu besiegen.

II. Kampf zwischen Gilgamesch und Engidu. Beide schließen Freundschaft und planen gemeinsam einen Zug gegen den mächtigen König Humbaba, den Schützer des heiligen Zedernwaldes.

III. Vorbereitungen zum Zuge gegen Humbaba.

IV. Die Freunde ersteigen den Zedernberg. Engidus Träume. Das Parktor und der Wächter.

V. Die Besiegung Humbabas.

VI. Gilgamesch weist die Anträge der Liebesgöttin Ischtar ab und macht diese sich dadurch zur Feindin.

VII. Engidus Todesahnungen.

VIII. Engidus Tod und Gilgameschs Klage.

IX. Gilgamesch beschließt, zu Ut-napischti zu wandern. Seine Abenteuer bei den Skorpionmenschen, seine Wanderung durch den Himmelsberg, seine Ankunft im Edelsteingarten.

X. Gilgamesch bei der Meergöttin Siduri; sein Gespräch mit UrSchanabi, dem Schiffer des Ut-napischti. Er fährt mit diesem über das Meer zu Ut-napischti. Seine Ankunft bei diesem.

XI. 1–205. Ut-napischti erzählt dem Gilgamesch die Geschichte der Sintflut.

206-326. Gilgamesch gelingt es weder den Schlaf zu überwinden, noch das Lebenskraut in die Heimat zu bringen. Er kehrt daher nach Uruk zurück, ohne das ewige Leben gefunden zu haben.

XII. Gilgamesch beschwört Engidus Geist aus der Unterwelt herauf und erhält durch diesen Kunde vom Leben nach dem Tode.

5*

5

10

51

61

ERSTE TAFEL

Er war's, der alles sah bis an des Landes Grenzen,

[blocks in formation]

Der da durchschaute allzumal die tiefsten Geheimnisse,
Der Weisheit Decke, die alles verhüllt.

Verdecktes enthüllte er,

brachte er Kunde,

Verwahrtes sah er,
Von der Sintflut Vorzeit
Ging einen fernen Weg,
Schrieb auf eine Tafel die ganze Mühsal.

Er ließ bauen die Mauer
Vom heiligen Eanna,

Legte den Grund er,

sich mühend und quälend,

des umfriedigten Uruk;

dem reinen Tempel,

dem Erz gleich an Stärke,

Einen Wehrgang bauend, den die Mannen nicht verlassen.

*

Zwei Drittel an ihm sind Gott, ein Drittel an ihm ist
Mensch;

Seines Leibes Gestalt kommt keiner sonst gleich!

*

*

Nicht läßt Gilgamesch den Sohn zum Vater,

Tag und Nacht die Mauer bauend;

Er ist der Hirt

des umfriedigten Uruk,

Er ist der Hirt

65

70

und Schützer des Volkes,

Stark und herrlich,

kundig der Weisheit!

Nicht läßt Gilgamesch die Jungfrau zum Geliebten,
Die Heldentochter, die Erwählte des Edlen!

Ihre Klagen hörten die großen Götter,

Die Götter des Himmels riefen den Herrn von Uruk': ,,Du hast doch erschaffen den gewaltgen Wildstier, den Helden Gilgamesch;

1 Der Herr von Uruk ist der Himmelsgott Anu.

75

80

85

Er hat nicht seinesgleichen im ganzen Lande!

Nicht läßt Gilgamesch den Sohn zum Vater,
Tag und Nacht die Mauer bauend;

Er ist der Hirt des umfriedigten Uruk,

Er ist der Hirt und Schützer des Volkes,

Stark und herrlich, kundig der Weisheit!

Nicht läßt Gilgamesch die Jungfrau zum Geliebten,
Die Heldentochter, die Erwählte des Edlen!"

Ihr Wehklagen hörte der erhabene Anu;

Man rief Aruru1, die große Göttin:

,,Du, Aruru, schufst manchen Helden,

Jetzt schaffe einen, der jenem gleich ist!

Sie mögen miteinander wetteifern, daß Uruk zur Ruhe

Als Aruru dieses vernahm,

Schuf sie in ihrem Herzen ein Ebenbild Anus;

Aruru wusch ihre Hände,

Lehm kniff sie ab und spie darauf.

Sie bildete Engidu, schuf einen Helden,

Einen herrlichen Sproß,

kommt!"

einen Kämpen Nimurtas 2.

Bedeckt war mit Haar

sein ganzer Körper,

Er trug das Haupthaar wie ein Weib;

Das Gebilde seines Haupthaars sproßte wie Nisaba3.
Er wußte nichts von Land und Leuten,

An Kleidung gleichend dem Gott der Herden!

Mit den Gazellen ißt er Kräuter,

[blocks in formation]

Mit dem Gewimmel des Wassers ist froh sein Herz.

[ocr errors]

1 Aruru ist die schaffende Muttergöttin. a Der Gott des Krieges. Die Göttin des Getreides; auch

= Getreide.

95

100

105

110

Einem Jäger, einem Fänger,

Stellte er sich entgegen vor der Tränke.
Einen Tag, einen zweiten und dritten

Stellte er sich ihm entgegen vor der Tränke.

Es sah ihn der Jäger, da ward sein Antlitz entsetzt:
Ohne sein Vieh ging er hinein in sein Haus;

Er ward betrübt, entsetzt, er schrie;

Sein Herz ward voll Furcht, sein Antlitz verstört,
Wehe zog ein in sein Herz,

Einem Wandrer ferner Wege glich er an Aussehen.

Der Jäger tat seinen Mund auf, spricht und sagt zu seinem Vater:

„Mein Vater, ein Mann, der vom Gebirge gekommen, Zeigt sich gar mächtig hier im Lande,

Einem Kämpen Anus an Kräften gleichend.

Er geht beständig einher im Gebirge,

Beständig weilt er beim Vieh,

Beständig streift er umher vor der Tränke!

Von Furcht ergriffen, kann ich ihm nicht nahen;
Gefüllt hat er meine Gruben, die ich selbst gegraben,
Ausgerissen meine Fallen, die ich selbst gelegt!

Er ließ mir entkommen das Vieh, das Gewimmel des

Er erlaubt mir nicht, der Jagd zu obliegen!"

Feldes,

Sein Vater tat seinen Mund auf, spricht und sagt zum

,,Geh hin zum Herrscher von Uruk, Gilgamesch;

Jäger:

Er wird dir eine Dirne1 geben, führe sie mit dir!

120

Wenn dann das Vieh dahinzieht zur Tränke,

1 Gemeint ist eine Priesterin der Liebesgöttin Ischtar.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »