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Lookoon

oder

über die Gränzen der Malerei und Poeste.

Mit beiläufigen Erläuterungen verschiedener Puncte der alten Kunstgeschichte.

Vorrede.

Erster Theil.
1766.

Der erste, welcher die Malerei und Poesie mit einander verglich, war ein Mann von feinem Gefühle, der von beiden Künsten eine ähnliche Wirkung auf sich verspürte. Beide, empfand er, stellen uns abwesende Dinge als gegenwärtig, den Schein als Wirklichkeit vor; beide täuschen, und beider Täuschung gefällt.

Υλη και τροποις μιμήσεως διαφέρουσι.

Ein zweiter suchte in das Innere dieses Gefallens einzudringen, und entdeckte, daß es bei beiden aus einerlei Quelle fließe. Die Schönheit, deren Begriff wir zuerst von körperlichen Gegenständen abziehen, hat allgemeine Regeln, die sich auf meh❘ rere Dinge anwenden laffen; auf Handlungen, auf Gedanken sowohl als auf Formen.

Ein dritter, welcher über den Werth und über die Vertheilung dieser allgemeinen Regeln nachdachte, bemerkte, daß einige mehr in der Malerei, andere mehr in der Poesie herrschten; daß also bei diesen die Poesie der Malerei, bei jenen die Malerei der Poesie mit Erläuterungen und Beispielen aushelfen könne.

Das erste war der Liebhaber; das zweite der Philosoph; das dritte der Kunstrichter.

Jene beiden konnten nicht leicht, weder von ihrem Gefühl, noch von ihren Schlüssen, einen unrechten Gebrauch machen. Hingegen bei den Bemerkungen des Kunstrichters beruht das Meiste in der Richtigkeit der Anwendung auf den einzelnen Fall; und es wäre ein Wunder, da es gegen Einen scharfsinnigen Kunstrichter funfzig wißige gegeben hat, wenn diese Anwendung jederzeit mit aller der Vorsicht wäre gemacht worden, welche die Waage zwischen beiden Künsten gleich erhalten muß.

Falls Apelles und Protogenes in ihren verlorenen Schriften von der Malerei, die Regeln derselben durch die bereits festgefeßten Regeln der Poesie bestätigt und erläutert haben, so darf man sicherlich glauben, daß es mit der Mäßigung und Genauigkeit wird geschehen seyn, mit welcher wir noch jetzt den Aristoteles, Cicero, Horaz, Quintilian, in ihren Werken, die Grundsäße und Erfahrungen der Malerei auf die Beredtsamkeit und Dichtkunst anwenden sehen. Es ist das Vorrecht der Alten, leiner Sache weder zu viel noch zu wenig zu thun.

Aber wir Neuern haben in mehrern Stücken geglaubt, uns weit über sie wegzuseßen, wenn wir ihre kleinen Luftwege in Lessing, Werke. II.

Πλουτ. ποτ. Αθ. κατα Π. ή κατα Σ. ἐνδ.

Landstraßen verwandelten; follten auch die kürzern und sicherern Landstraßen darüber zu Pfaden eingehen, wie sie durch Wildniffe führen.

Die blendende Antithese des griechischen Voltaire, daß die Malerei eine stumme Poesie, und die Poesie eine redende Malerei sey, stand wohl in keinem Lehrbuche. Es war ein Einfall, wie Simonides mehrere hatte, dessen wahrer Theil so einleuchtend ist, daß man das Unbestimmte und Falsche, welches er mit fich führt, übersehen zu müssen glaubt.

Gleichwohl übersahen es die Alten nicht. Sondern indem sie den Ausspruch des Simonides auf die Wirkung der beiden Künste einschränkten, vergaßen sie nicht einzuschärfen, daß, un geachtet der vollkommenen Aehnlichkeit dieser Wirkung, sie dennoch, sowohl in den Gegenständen als in der Art ihrer Nachahmung, (Y2ŋ nai toornis mundos) verschieden wären.

Völlig aber, als ob sich gar keine solche Verschiedenheit fände, haben viele der neuesten Kunstrichter aus jener Uebereinstimmung der Malerei und Poesie die crudesten Dinge von der Welt geschlossen. Bald zwingen sie die Poesie in die engern Schranken der Malerei; bald lassen sie die Malerei die ganze weite Sphäre der Poesie füllen. Alles, was der einen Recht ist, soll auch der andern vergönnt seyn; alles, was in der einen gefällt oder mißfällt, soll nothwendig auch in der andern gefallen oder mißfallen; und voll von dieser Idee, sprechen sie in dem zuversichtlichsten Tone die seichtesten Urtheile, wenn sie, in den Werken des Dichters und Malers über einerlei Vorwurf, die darin bemerkten Abweichungen von einander zu Fehlern machen, die sie dem einen oder dem andern, nachdem sie entweder mehr Geschmack an der Dichtkunst oder an der Malerei haben, zur Last | legen.

Ja diese Afterkritik hat zum Theil die Virtuosen selbst verführt. Sie hat in der Poesie die Schilderungssucht, und in der Malerei die Allegoristerei erzeugt, indem man jene zu einem redenden Gemälde machen wollen, ohne eigentlich zu wissen, was sie malen könne und solle, und diese zu einem stummen Gedichte, ohne überlegt zu haben, in welchem Maaßze sie allgemeine Begriffe ausdrücken könne, ohne sich von ihrer Bestimmung zu entfernen, und zu einer willkürlichen Schriftart zu werden.

Diesem falschen Geschmacke, und jenen ungegründeten 1

Urtheilen entgegen zu arbeiten, ist die vornehmste Absicht folgender | Aufsätze.

Sie sind zufälliger Weise entstanden, und mehr nach der Folge meiner Lectüre, als durch die methodische Entwickelung allgemeiner Grundsäße angewachsen. Es sind also mehr unordentliche Collectaneen zu einem Buche, als ein Buch.

„prägte. Griechenland hatte Künstler und Weltweise in einer „Person, und mehr als einen Metrodor. Die Weisheit reichte ,,der Kunst die Hand, und blies den Figuren derselben mehr „als gemeine Seelen ein, u. s. w.“

Die Bemerkung, welche hier zum Grunde liegt, daß der Schmerz sich in dem Gesichte des Laokoon mit derjenigen Wuth nicht zeige, welche man bei der Heftigkeit desselben vermuthen sollte, ist vollkommen richtig. Auch das ist unstreitig, daß eben hierin, wo ein Halbkenner den Künstler unter der Natur ge blieben zu seyn, das wahre Pathetische des Schmerzes nicht er

Doch schmeichle ich mir, daß sie auch als solche nicht ganz zu verachten seyn werden. An systematischen Büchern haben wir Deutschen überhaupt keinen Mangel. Aus ein paar angenommenen Worterklärungen in der schönsten Ordnung alles, was wir nur wollen, herzuleiten, darauf verstehen wir uns, troßreicht zu haben, urtheilen dürfte; daß, sage ich, eben hierin die einer Nation in der Welt.

Baumgarten bekannte, einen großen Theil der Beispiele in seiner Aesthetik, Gesners Wörterbuche schuldig zu seyn. Wenn mein Raisonnement nicht so bündig ist als das Baumgartensche, so werden doch meine Beispiele mehr nach der Quelle schmecken. Da ich von dem Laokoon gleichsam aussetzte, und mehrmals auf ihn zurückkomme, so habe ich ihm auch einen Antheil an der Aufschrift lassen wollen. Andere kleine Ausschweifungen über verschiedene Punkte der alten Kunstgeschichte, tragen weniger zu meiner Absicht bei, und sie stehen nur da, weil ich ihnen niemals einen bessern Platz zu geben hoffen kann.

Noch erinnere ich, daß ich unter dem Namen der Malerei, die bildenden Künste überhaupt begreife; so wie ich nicht dafür stehe, daß ich nicht unter dem Namen der Poesie, auch auf die übrigen Künste, deren Nachahmung fortschreitend ist, einige Rück sicht nehmen dürfte.

I.

Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke in der Malerei und Bildhauerkunft, seßt Herr Winkelmann in eine edle Einfalt und stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdruck. „So wie die Tiefe des Meeres, „fagt er,' allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag auch noch „so wüthen, eben so zeigt der Ausdruck in den Figuren der „Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele.“ ,,Diese Seele schildert sich in dem Gesichte des Laokoons, „und nicht in dem Gesichte allein, bei dem heftigsten Leiden. „Der Schmerz, welcher sich in allen Muskeln und Sehnen des „Körpers entdeckt, und den man ganz allein, ohne das Gesicht und „andere Theile zu betrachten, an dem schmerzlich eingezogenen „Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubt; dieser Schmerz, „sage ich, äußert sich dennoch mit keiner Wuth in dem Gesichte „und in der ganzen Stellung. Er erhebt kein schreckliches Ge„schrei, wie Virgil von seinem Laokoon singt; die Oeffnung des ,,Mundes gestattet es nicht: es ist vielmehr ein ängstliches und ,,beklemmtes Seufzen, wie es Sadolet beschreibt. Der Schmerz ,,des Körpers und die Größe der Seele sind durch den ganzen „Bau der Figur mit gleicher Stärke ausgetheilt und gleichsam „abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet wie des Sophokles „Philoktet: sein Elend geht uns bis an die Seele; aber wir „wünschten, wie dieser große Mann, das Elend ertragen zu „können.“

„Der Ausdruď einer so großen Seele geht weit über die ,,Bildung der schönen Natur. Der Künstler mußte die Stärke „des Geistes in sich selbst fühlen, welche er seinem Marmor ein

1 Von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunft. S. 21. 22.

Weisheit desselben ganz besonders hervorleuchtet.

Nur in dem Grunde, welchen Herr Winkelmann dieser Weisheit giebt, in der Allgemeinheit der Regel, die er aus diesem Grunde herleitet, wage ich es, anderer Meinung zu seyn.

Ich bekenne, daß der mißbilligende Seitenblick, welchen er auf den Virgil wirft, mich zuerst stußig gemacht hat; und nächst dem die Vergleichung mit dem Philoktet. Von hier will ich ausgehen und meine Gedanken in eben der Ordnung niederschreiben, in welcher sie sich bei mir entwickelt.

„Laokoon leidet, wie des Sophokles Philoktet." Wie leidet dieser? Es ist sonderbar, daß sein Leiden so verschiedene Eindrücke bei uns zurückgelassen. Die Klagen, das Geschrei, die wilden Verwünschungen, mit welchen sein Schmerz das Lager erfüllte, und alle Opfer, alle heilige Handlungen störte, erschollen nicht minder schrecklich durch das öde Eiland; und sie waren es, die ihn dahin verbannten. Welche Töne des Unmuths, des Jammers, der Verzweiflung, von welchen auch der Dichter in der Nachahmung das Theater durchhallen ließ. Man hat den dritten Aufzug dieses Stückes ungleich kürzer, als die übrigen gefunden. Hieraus sieht man, sagen die Kunstrichter, daß es den Alten um die gleiche Länge der Aufzüge wenig zu thun gewesen. Das glaube ich auch; aber ich wollte mich deßfalls lieber auf ein ander Exempel gründen, als auf dieses. Die jammervollen Ausrufungen, das Winseln, die abgebrochenen ἀ, ά, φεν, ἀτατται, ὦ μοι, μοι! sie gangen 3eilen volπαπα, παπα, aus welchen dieser Aufzug besteht, und die mit ganz andern Dehnungen und Absetzungen declamirt werden mußten, als bei einer zusammenhängenden Rede nöthig sind, haben in der Vorstellung diesen Aufzug ohne Zweifel ziemlich eben so lange dauern lassen, als die andern. Er scheint dem Leser weit kürzer auf dem Papiere, als er den Zuhörern wird vorgekommen seyn.

ler

Schreien ist der natürliche Ausdruck des körperlichen Schmerzes. Homers verwundete Krieger fallen nicht selten mit Geschrei zu Boden. Die geritte Venus schreit laut; 2 nicht um sie durch dieses Geschrei als die weichliche Göttin der Wolluft zu schildern, vielmehr um der leidenden Natur ihr Recht zu geben. Denn selbst der eherne Mars, als er die Lanze des Diomedes fühlt, schreit so gräßlich, als schrieen zehntausend wüthende Krieger zugleich, daß beide Heere sich entsetzen. 3

So weit auch Homer sonst seine Helden über die menschliche Natur erhebt, so treu bleiben sie ihr doch stets, wenn es auf das Gefühl der Schmerzen und Beleidigungen, wenn es auf die Aeußerung dieses Gefühls durch Schreien, oder durch Thränen,

1 Brumoy Theat. des Grecs T. II. p. 89.
3 Iliad. Ε. v. 343. Η δε μεγα ἰαχουσα –
3 Iliad. E. v. 859.

oder durch Scheltworte ankommt. Nach ihren Thaten sind es Geschöpfe höherer Art; nach ihren Empfindungen wahre Menschen.

Ich weiß es, wir feinern Europäer einer klügern Nachwelt, wissen über unsern Mund und über unsere Augen besser zu herrschen. Höflichkeit und Anstand verbieten Geschrei und Thränen. Die thätige Tapferkeit des ersten rauhen Weltalters hat sich bei uns in eine leidende verwandelt. Doch selbst unsere Urältern waren in dieser größer als in jener. Aber unsere Urältern waren Barbaren. Alle Schmerzen verbeißen, dem Streiche des Todes mit unverwandtem Auge entgegen sehen, unter den den Bissen der Nattern lachend sterben, weder seine Sünde noch den Verlust seines liebsten Freundes beweinen, sind Züge des alten nordischen Heldenmuthes.' Palnatoko gab seinen Jomsburgern das Gesetz, nichts zu fürchten, und das Wort Furcht auch nicht einmal zu nennen.

Nicht so der Grieche! Er fühlte und fürchtete sich; er äußerte seine Schmerzen und seinen Kummer: er schämte sich keiner der menschlichen Schwachheiten; keine mußte ihn aber auf dem Wege nach Ehre, und von Erfüllung seiner Pflicht zurückhalten. Was bei dem Barbaren aus Wildheit und Verhärtung entsprang, das wirkten bei ihm Grundsäße. Bei ihm war der Heroismus wie die verborgenen Funken im Kiesel, die ruhig schlafen so lange teine äußere Gewalt sie weckt, und dem Steine weder seine Klarheit noch seine Kälte nehmen. Bei dem Barbaren war der Heroismus eine helle fressende Flamme, die immer tobte, und jede andere gute Eigenschaft in ihm verzehrte, wenigstens schwärzte.

2

Wenn Homer die Trejaner mit wildem Geschrei, die Griechen hingegen in entschlossener Stille zur Schlacht führt, so merken die Ausleger sehr wohl an, daß der Dichter hierdurch jene als Barbaren, diese als gesittete Völker schildern wollen. Mich wundert, daß sie an einer andern Stelle eine ähnliche charakte ristische Entgegenseßzung nicht bemerkt haben. Die feindlichen Heere haben einen Waffenstillstand getroffen; sie sind mit Verbrennung ihrer Todten beschäftigt, welches auf beiden Theilen nigt ohne Sbränen abgeht; δακρυα θερμα χεοντες. 2lber Brianus verbietet feinen Στojanert au meinen; οὐδ' εἰα κλαιειν Пpianos ueras. Er verbietet ihnen zu weinen, sagt die Dacier, weil er besorgt, fie möchten sich zu sehr erweichen, und morgen mit weniger Muth an den Streit gehen, Wohl; doch frage ich: warum muß nur Priamus dieses besorgen? Warum ertheilt nicht auch Agamemnon seinen Griechen das nämliche Verbot? Der Sinn des Dichters geht tiefer. Er will uns lehren, daß nur der gesittete Grieche zugleich weinen und tapfer seyn könne, indem der ungesittete Trojaner, um es zu seyn, alle Menschfigteit vorher erftiden mijfe. . Νεμεσσωμαι γε μεν οὐδεν naiiv, läßt er an einem andern Ort3 den verständigen Sohn des weisen Nestors sagen.

Es ist merkwürdig, daß unter den wenigen Trauerspielen, die aus dem Alterthume auf uns gekommen sind, sich zwei Stücke finden, in welchen der körperliche Schmerz nicht der kleinste Theil des Unglücks ist, das den leidenden Helden trifft. Außer dem Philoktet, der sterbende Herkules. Und auch diesen läßt Sophokles klagen, winseln, weinen und schreien. Dank

1 Th. Bartholinus de causis contemptae a Danis adhuc gentilibus mortis, cap. 1.

2 Iliad. H. v. 424.

3 Odyss. A. 195.

sey unsern artigen Nachbarn, diesen Meistern des Anständigen, daß nunmehr ein winselnder Philoktet, ein schreiender Herkules, die lächerlichsten unerträglichsten Personen auf der Bühne seyn würden. Zwar hat sich einer ihrer neuesten Dichter' an den Philoktet gewagt. Aber durfte er es wagen, ihnen den wahren Philoktet zu zeigen?

Selbst ein Laokoon findet sich unter den verlorenen Stücken des Sophokles. Wenn uns das Schicksal doch auch diesen Laotoon gegönnt bätte! Aus den leichten Erwähnungen, die seiner einige alte Grammatiker thun, läßt sich nicht schließen, wie der Dichter diesen Stoff behandelt habe. So viel bin ich versichert, daß er den Laokoon nicht stoischer als den Philoktet und Herkules, wird geschildert haben. Alles Stoische ist untheatralisch; und unser Mitleiden ist allezeit dem Leiden gleichmäßig, welches der interessirende Gegenstand äußert. Sieht man ihn sein Elend mit großer Seele ertragen, so wird diese große Seele zwar unsere Bewunderung erwecken, aber die Bewunderung ist ein kalter Affekt, dessen unthätiges Staunen jede andere wärmere Leidenschaft, sowie jede andere deutliche Vorstellung ausschließt.

Und nunmehr komme ich zu meiner Folgerung. Wenn es wahr ist, daß das Schreien bei Empfindung körperlichen Schmerzes, besonders nach der alten griechischen Denkungsart, gar wohl mit einer großen Seele bestehen kann: so kann der Ausdruc einer solchen Seele die Ursache nicht seyn, warum dem ungeachtet der Künstler in seinem Marmor dieses Schreien nicht nachahmen wollen, sondern es muß einen andern Grund haben, warum er hier von seinem Nebenbuhler, dem Dichter, abgeht, der dieses Geschrei mit bestem Vorsaße ausdrückt.

II.

Es sey Fabel oder Geschichte, daß die Liebe den ersten Versuch in den bildenden Künsten gemacht habe: so viel ist gewiß, daß sie den großen alten Meistern die Hand zu führen nicht müde geworden. Denn wird jetzt die Malerei überhaupt als die Kunst, welche Körper auf Flächen nachahmt, in ihrem ganzen Umfange betrieben: so hatte der weise Grieche ihr weit en gere Gränzen gesetzt und sie bloß auf die Nachahmung schöner Körper eingeschränkt. Sein Künstler schilderte nichts als das Schöne; selbst das gemeine Schöne, das Schöne niederer Gattungen, war nur sein zufälliger Vorwurf, seine Uebung, seine Erholung. Die Vollkommenheit des Gegenstandes selbst mußte in seinem Werke entzücken; er war zu groß, von seinen Betrach tern zu verlangen, daß sie sich mit dem bloßen kalten Vergnülgen, welches aus der getroffenen Aehnlichkeit, aus der Erwägung seiner Geschicklichkeit entspringt, begnügen sollten; an seiner Kunst war ihm nichts lieber, dünkte ihm nichts edler, als der Endzweck der Kunst.

„Wer wird dich malen wollen, da dich niemand sehen will,“ sagt ein alter Epigrammatist 2 über einen höchst ungestalteten Menschen. Mancher neuere Künstler würde sagen: „Sey so „ungestalten wie möglich; ich will dich doch malen. Mag dich schon niemand gern sehen: so soll man doch mein Gemälde „gern sehen; nicht in so fern es dich vorstellt, sondern in so fern

1 Chataubrun.

2 Antiochus. (Antholog. libr. II. cap. 4.) Harduin über den Plinius (lib. 35. sect. 36. p. m. 698.) legt dieses Evigramm einem Piso bet. Es findet sich aber unter allen griechischen Epigrammatisten keiner dieses Namens.

,,es ein Beweis meiner Kunst ist, die ein solches Scheufal so „ähnlich nachzubilden weiß."

Freilich ist der Hang zu dieser üppigen Prahlerei mit leidigen Geschicklichkeiten, die durch den Werth ihrer Gegenstände nicht geadelt werden, zu natürlich, als daß nicht auch die Grie chen ihren Pauson, ihren Pyreicus sollten gehabt haben. Sie hatten sie; aber sie ließen ihnen strenge Gerechtigkeit widerfahren. Pauson, der sich noch unter dem Schönen der gemeinen Natur hielt, deffen niedriger Geschmack das Fehlerhafte und Häßliche an der menschlichen Bildung am liebsten ausdrückte,1 lebte in der verächtlichsten Armuth. 2 Und Pyreicus, der Barbierstuben, schmußige Werkstätte, Esel und Küchenkräuter, mit allem dem Fleiße eines niederländischen Künstlers malte, als ob dergleichen Dinge in der Natur so viel Reiz hätten und so selten zu erblicken wären, bekam den Zunamen des Rhyparographen, des Kothmalers; obgleich der wollüftige Reiche seine Werke mit Gold aufwog, um ihrer Nichtigkeit auch durch diesen eingebildeten Werth zu Hülfe zu kommen.

3

Die Obrigkeit selbst hielt es ihrer Aufmerksamkeit nicht für unwürdig, den Künstler mit Gewalt in seiner wahren Sphäre zu erhalten. Das Gesetz der Thebaner, welches ihm die Nachahmung ins Schönere befahl und die Nachahmung ins Häßz- | lichere bei Strafe verbot, ist bekannt. Es war kein Gesetz wider den Stümper, wofür es gemeiniglich, und selbst vom Junius," gehalten wird. Es verdammte die griechischen Ghezzi; den unwürdigen Kunstgriff, die Aehnlichkeit durch Uebertreibung der häßlichern Theile des Urbildes zu erreichen; mit einem Worte, die Carricatur.

5

Aus eben dem Geifte des Schönen war auch das Gesetz der Hellanodiken gefloffen. Jeder Olympische Sieger erhielt eine Statue; aber nur dem dreimaligen Sieger ward eine Jkonische gesetzt. Der mittelmäßigen Portraits sollten unter den Kunstwerken nicht zu viel werden. Denn obschon auch das Portrait ein Ideal zuläßt, so muß doch die Aehnlichkeit darüber herrschen; es ist das Ideal eines gewissen Menschen, nicht das Ideal eines Menschen überhaupt.

1 Jungen Leuten, befiehlt daher Aristoteles, muß man seine Gemälde nicht zeigen, um ihre Einbildungskraft, so viel wie möglich, von allen Bildern des Häßlichen rein zu halten. (Polit. libr. VIII. cap. 5. p. 526. Edit. Conring.) Herr Boden will zwar in dieser Stelle anstatt Pauson, Pausanias gelesen wissen, weil von diesem bekannt sey, daß er unzüchtige Figuren gemalt habe (de Umbra poetica, comment I. p. XIII.). Als ob man es erst von einem philosophischen Gesetzgeber lernen müßte, die Jugend von dergleichen Reizungen der Wolluft zu entfernen. Er hätte die bekannte Stelle in der Dichtkunst (cap. II.) nur in Vergleichung ziehen dürfen, um seine Vermuthung zurück zu behalten. Es giebt Ausleger (z. E. Kühn, über den Aelian Var. Hist. lib. IV. cap. 3.), welche den Unterschied, den Aristoteles daselbst zwischen dem Polygnotus, Dionysius und Pauson angiebt, darin seßen, daß Polygnotus Götter und Helden, Dionyfius Menschen und Pauson Thiere gemalt habe. Sie malten allesammt menschliche Figuren, und daß Pauson einmal ein Pferd malte, beweist noch nicht, daß er ein Thiermaler gewesen, wofür ihn Herr Boden hält. Ihren Rang bestimmten die Grade des Schönen, die sie ihren menschlichen Figuren gaben, und Dionysius konnte nur deßwegen nichts als Menschen malen, und hieß nur darum vor allen andern der Anthropograph, weil er der Natur zu sklavisch folgte, und sich nicht bis zum Ideal erheben konnte, unter welchem Götter und Helden zu malen, ein Religionsverbrechen gewesen wäre.

2 Aristophanes Plut. v. 602. et Acharnens. v. 854.

8 Plinius lib. XXX. sect. 37. Edit. Hard.

4 De Pictura vet. lib. II. cap. IV. §. 1.

5 Plinius lib. XXXIV. sect. 9.

Wir lachen, wenn wir hören, daß bei den Alten auch die Künste bürgerlichen Geseßen unterworfen gewesen. Aber wir haben nicht immer Recht, wenn wir lachen. Unstreitig müssen sich die Gesetze über die Wissenschaften keine Gewalt anmaßen, denn der Endzweck der Wissenschaften ist Wahrheit. Wahrheit ist der Seele nothwendig; und es wird Tyrannei, ihr in Befriedigung dieses wesentlichen Bedürfnisses den geringsten Zwang anzuthun. Der Endzweck der Künfte hingegen ist Vergnügen, und das Vergnügen ist entbehrlich. Also darf es allerdings von dem Gesetzgeber abhängen, welche Art von Vergnügen, und in welchem Maaße er jede Art desselben verstatten will.

Die bildenden Künste insbesondere, außer dem unfehlbaren Einfluffe, den sie auf den Charakter der Nation haben, sind einer Wirkung fähig, welche die nähere Aufsicht des Gesetzes heischt. Erzeugten schöne Menschen schöne Bildsäulen, so wirkten diese hinwiederum auf jene zurück, und der Staat hatte schönen Bildsäulen schöne Menschen mit zu verdanken. Bei uns scheint sich die zarte Einbildungskraft der Mütter nur in Ungeheuern zu äußern.

1

Aus diesem Gesichtspunkte glaube ich in gewissen alten Erzählungen, die man geradezu als Lügen verwirft, etwas wahres zu erblicken. Den Müttern des Ariftomenes, des Aristodamas, Alexanders des Großen, des Scipio, des Augustus, des Galerius, träumte in ihrer Schwangerschaft allen, als ob sie mit einer Schlange zu thun hätten. Die Schlange war ein Zeichen der Gottheit; und die schönen Bildsäulen und Gemälde eines Bacchus, eines Apollo, eines Merkurius, eines Herkules, waren selten ohne eine Schlange. Die ehrlichen Weiber hatten des Tages ihre Augen an dem Gotte geweidet, und der verwirrende Traum erweckte das Bild des Thieres. So rette ich den Traum und gebe die Auslegung Preis, welche der Stolz ihrer Söhne und die Unverschämtheit des Schmeichlers davon machten. Denn eine Ursache mußte es wohl haben, warum die ehebrecherische Phantasie nur immer eine Schlange war.

Doch ich gerathe aus meinem Wege. Ich wollte bloß fest. sehen, daß bei den Alten die Schönheit das höchste Gesetz der bildenden Künste gewesen sey.

Und dieses festgesetzt, folgt nothwendig, daß alles andere, worauf sich die bildenden Künfte zugleich mit erstrecken können, wenn es sich mit der Schönheit nicht verträgt, ihr gänzlich weichen, und wenn es sich mit ihr verträgt, ihr wenigstens untergeordnet seyn müssen.

Ich will bei dem Ausdrucke stehen bleiben. Es giebt Leidenschaften und Grade von Leidenschaften, die sich in dem Gesichte durch die häßlichsten Verzerrungen äußern, und den ganzen Körper in so gewaltsame Stellungen seßen, daß alle die schönen Linien, die ihn in einem ruhigern Stande umschreiben, verloren gehen. Dieser enthielten sich also die alten Künstler entweder ganz und gar, oder seßten sie auf geringere Grade herunter, in welchen sie eines Maaßes von Schönheit fähig sind.

1 Man irrt sich, wenn man die Schlange nur für das Kennzeichen einer medicinischen Gottheit hält. Juftinus Martyr (Apolog. Il pag. 55. Edit. Sylburg.) sagt ausdrücklich: naga navti tuw voμζομενων παρ' ὑμιν θεων, ὄφις συμβολον μέγα και μυςήριον avaɣgaqetai; und es wäre leicht eine Reihe von Monumenten an zuführen, wo die Schlange Gottheiten begleitet, welche nicht die geringste Beziehung auf die Gesundheit haben.

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