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„Ich habe jezt Lust meine Bibliothek in Ordnung zu bringen. Thun Sie mir die Freundschaft, lieber Herder, und schicken Sie mir doch wenigstens ein Verzeichniß von denen, die Sie noch von mir haben; und was Sie nicht mehr brauchen, erwarte ich durch Herrn Hartknoch. Sobald mir Gott ein wenig häusliche Ruhe geben wird, denke ich mit neuem Muthe wieder anzufangen und durch mein langes åtɛɣɛw 1) nichts versäumt zu haben. Kant's Metaphysik der Moral hält mich in Erwartung; von Lambert hört man nichts neues. Rousseau's Dict. de Musique ist heraus, aber noch nicht hier zu sehen. Jerusalems erfter Band ist tief unter meiner Erwartung, ob ihn wieder Cramer übertreffen sollte? Schreiben Sie mir doch auch einmal wieder. Ich habe den Camoens und die alten griechischen Autores musicos hier ertappt; auf Demosthenes in Danzig Commission gegeben, aber nichts erhalten“ u. s. w. So vielseitig streckte er seine geistigen Fühlhörner aus!

Am 29. August zeigte Hamann in der Königsberger Zeitung die Uebersetzung des kleinen satyrischen Romans des Herrn von Voltaire,,der Mann von vierzig Thalern" an. Nachdem er den Titel erklärt hat, giebt er folgende treffende Charakteristik des Verfassers: "Bei allem Geleier seiner alten Weisen, daß Voltaire selbst so wißig ist, mit der Schwäche seiner zweiten Kindheit zu entschuldigen, muß man den Leichtsinn und Muthwillen seiner Einbildungskraft und Schreibart bewundern, von der man sagen kann, daß ihr Feuer nicht verlischt und ihr Wurm nicht stirbt. Die Verdienste dieses wahren Lucifers unsers Jahrhunderts sind in Ansehung gewisser Länder und ihrer traurigen Dummheit unstreitig eben so groß, als sein Character ein leuchtendes Beispiel von der Scheinheiligkeit des Unglaubens ist, der frechere Tartüffe als der Aberglaube selbst hervorbringt.“

Noch einmal vor Ablauf des Jahres 1768 trat Hamann

1) ἀνέχου και απέχου (sustine et abstine). 3η Siefe beiben Botte glaubte Erictet alle Lebensregeln zusammenfassen zu können. A. Gellii noctes

lib. 17 c. 19.

gegen die Kloßianer auf den Kampfplag. Ein Geistes- oder vielmehr Intriguen-Genosse des Herrn Geheimrath, Friedrich Just. Riedel, hatte ein Buch geschrieben unter dem Titel: Ueber das Publikum. Briefe an einige Glieder desselben. Gegen den Schluß der Anzeige heißt es, nachdem Hamann die ganze Seichtigkeit dieser Schrift aufgedeckt hat: D, eine Herkatombe für dies Theorem 1) unsers Publicisten! und noch eine Prämie für den, der uns erklären fann, was in aller Welt den Herrn R. bewogen haben mag, einige Abhandlungen, die zur Erläuterung, Verbesserung und Ergänzung der allgemeinen Grundsäße im ersten Theile seiner Theorie dienen sollen, unter dem aufgeblasenen Titel: über das Publikum herauszugeben? und warum er seine Briefe nicht lieber an eilf seiner Zuhörer gerichtet, für deren Gebrauch sie weit angemessener und anständiger gewesen wären. Der Verfasser erkennt seine höflichen Grobheiten, womit er dem Herrn Bodmer begegnet, was soll das Publikum aber zu den groben Höflichkeiten sagen, womit er zehn unserer berühmtesten Schriftsteller beleidigt?"

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Uebrigens war Hamann keineswegs damit zufrieden, daß Herder sowohl als Lessing ihre weit besser zu verwendenden Kräfte an einen Kloß verschwendeten. Ueber Lessing schreibt er seinem Freunde: Lessings Briefwechsel sagt nichts als was man dem Klotz bei seinem ersten Auftreten ansehen können; er thäte besser an den zweiten Theil seines Laocoon zu denken. Einige Monate später sagt er in der Anzeige von Herder's Kritischen Wäldern: „Wir wünschen, daß ein L-sf-ng oder H-rd-r, anstatt den Herrn Geheimrath Kl-ß in dem so kurzen Genuß seines Lustri zu betrüben, ihre Muße und Talente vielmehr zu vollendeten Werken sammeln und erhalten, und die Verdienste eines Winckelmann und den Ruhm seines Vaterlandes, um die Lauterkeit

1) "Herr R. hat durch die Algebra eine allgemeine Formel für die Proportional-Größe jeder beliebigen Nachwelt erfunden, nämlich: wie sich verhalten unsre Väter vor 20 Jahren zu uns: also auch wir gegen unsre Kinder nach 2000 Jahren."

und Macht der deutschen Sprache, um die Wiederherstellung des griechischen und attischen Geschmacks an weiser Ruhe, sittsamen Nachdruck, sorgfältiger Nachlässigkeit, ungezwungener Würde u. f. w. übertreffen möchten."

Auch scheint es, daß er sich in Herder's politische Freundschaft mit Nicolai und namentlich seiner Theilnahme an der Allg. Deutschen Bibliothek, die er mit vielen Auffäßen bereicherte, nicht finden konnte. Er fand diese Zeitschrift so schlecht, daß er sich kaum überwinden konnte, die Herderschen Stücke darin aufzufuchen. Er bittet ihn daher, lieber die Königsberger Zeitung mit seinen Beiträgen zu erfreuen.

Lessing stand jezt im Begriff, nach Rom zu reisen. Er hatte in Erfahrung gebracht, daß Herder's Kritische Wälder unter der Presse seien, und daß darin auch sein Laocoon besprochen werde. Er ließ ihn daher durch Nicolai ersuchen, ihm den Aushängebogen seiner Wälder zur Ansicht zukommen zu lassen. „Denn sonst,“ fügt er hinzu,,,dürfte ich sie wohl sobald nicht zu lesen erhalten. Ich denke in Rom andre Arbeit vor mir zu finden."

Hamann's zunehmende Kränklichkeit. Verhältniß zu Herder. Erstes Auftreten Starck's in Königsberg. Reichardt und Lenz. Gewissensehe. Herder's Abreise von Riga. Schritte gegen das unrechtmäßige Verfahren bei der Curatel seines Bruders.

Das Jahr 1769 war für Hamann, wie es scheint, unter feinen günstigen Aussichten und glücklichen Verhältnissen angebrochen. In gegenwärtiger Krisis meines Glücks und meiner Gesundheit," schreibt er an Herder, - denn ich brauche seit vierzehn Tagen die China ist an nichts zu denken, und wenn ich mich und meinen Bruder ansehe, tröste ich mich aus Rous

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seau mit einem weisen Ausspruché seines Mylords: Un homme est déja utile à l'humanité par cela seul qu'il existe."

Es waren manche Umstände eingetreten, die Hamann die Besorgniß einflößten, Herder möge in seiner Freundschaft gegen ihn erkaltet sein. Er wußte wie empfindlich ihm die Anfechtungen, die ihm seine Autorschaft und insbesondere die Fragmente zugezogen hatten, waren, und daß man ihn als einen Anhänger einer Hamann'schen Secte oder Clubs verschrieen hatte. Auch die lange Unterbrechung ihres Briefwechsels beunruhigte ihn; um so willfommener war ihm das Eintreffen eines wenn auch undatirten Briefes. Er beantwortet denselben sofort am 17. Januar 1769.

,,Lieber Herder! Gestern eben Ihren Brief sine die et consule erhalten,“ schreibt er ihm. „Sie können leicht denken, wie unerwartet mir Ihr Schreiben gewesen; weil ich wirklich mit verzweifelten Anschlägen gegen Sie schwanger ging und beinahe entschlossen war, ein Klogianer zu werden, um mich an Ihnen rächen zu können. Ich verdenke es Keinem nicht, mir böse zu sein, am wenigsten meinen guten Freunden; aber ich fordere in diesem Fall wenigstens eine Erklärung, wenigstens zu meinem Unterricht und meiner Besserung, die der Beleidigte oder sich dafür haltende Theil schuldig ist, weil ich ihn immer als den Obermann des Beleidigers ansehe, der die schönste Gelegenheit in Händen hat, vernünftiger und tugendhafter als der Beleidiger zu sein und sich des Leztern Fehler immer zu Nuß machen kann.“

Aber auch selbst unter diesen etwas mißlichen Umständen kann Hamann seine wohlwollende Aufrichtigkeit gegen den Freund nicht verleugnen. Er giebt daher Herder folgenden gerade unter den jezigen Verhältnissen gewiß sehr nüßlichen, und von einer sehr genauen Kenntniß seines Freundes zeugenden Rath: „Was den Autor selbst betrifft, so fürchten Sie sich eben so ein Lobredner Anderer zu sein, als den Ihrigen zu trauen. Ab hoste consilium! Ich habe des Hamburger Nachrichters Geschwäß mit eben so viel Andacht gelesen, als der Berliner ihres mit Küßel. Von Seiten des Gewissens und der Leidenschaften betrachtet, ist die Autorschaft keine

Kleinigkeit, und diese beiden Pole haben mehr auf sich als Wiß und Gelehrsamkeit; doch hier überlasse ich Sie Ihrer eignen Erfahrung."

Herder scheint Hamann über seine Ansichten in Betreff der Genesis befragt zu haben und dieser antwortet: „Moses! seine Geschichte und Philosophie ist immer eine Urkunde, aber schwerer als Hesiod zu entziffern.“

Ich weiß kaum ein lebendig Wort mehr von dem, was ich über diese Materie gedacht und imaginirt habe. Sie ist aber mein Lieblingsthema gewesen, von dem ich so voll war, daß ich übrig genug zu haben glaubte, ich weiß nicht wie viel Jahre daran zu wenden. So wahr ist, daß es Gedanken giebt, die man nur einmal in seinem Leben hat und nicht Meister ist, wieder hervorzubringen. Gewesen sind sie, und Spuren müssen davon noch im Gehirn sein; aber in welcher cellula mag der Vater der Lebensgeister wissen.“

Nun erschienen auch Herder's Kritische Wälder, ohne daß der Verfasser Hamann davon benachrichtigt hatte. Dieser erläßt daher an des Königs Geburtstage am 24. Januar aus Kanters Laden eine Beschwerde- und Drohschrift, mit dem Ausruf beginnend: ,,Ach! Hochverrath! Hochverrath! Ihre Kritischen Wäldchen sind hier, und was das Aergste, noch habe ich sie nicht gelesen noch lesen können.",,Genannt oder ungenannt, aber digito monstrari: hic est!) müssen Sie in der Königsberger gelehrten Zeitung."

Dieses Vorhaben wurde denn auch am 6. Februar desfelben Jahres in Ausführung gebracht, in einem Aufsatz, der vorzüglich wegen der schönen Charakteristik Winckelmann's, sowie des,,Gottschedii bifrontis und Thersitis litterati" lesenswerth ist.

In demselben Monat erschien noch eine andere Anzeige und zwar eines Buches, das mit dem ebengenannten eine ganz verschiedenartige Tendenz hatte, nämlich die Preisschrift eines P. P. Gulden, Polizei der Industrie oder Abhandlung von

1) Persius I. 28.

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