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finden, so wird es um uns nur trüber und dunkler, je mehr wir ihn studiren, und diese Finsterniß wird mit den Jahren immer zunehmen, weil seine Anspielungen auf bestimmte, im Leben und in der Literatur 1) augenblicklich herrschende Eigenheiten vorzüglich gerichtet waren. Unter meiner Sammlung befinden sich einige seiner gedruckten Bogen, wo er an dem Rande eigenhändig die Stellen citirt 2) hat, auf die sich seine Andeutungen beziehen. Schlägt man sie auf, so giebt es abermals ein zweideutiges Doppellicht, das uns höchst angenehm erscheint, nur muß man durchaus auf das Verzicht thun, was man ge= wöhnlich Verstehen 3) nennt. Solche Blätter verdienen auch deswegen Sibyllinisch genannt zu werden, weil man sie nicht an und für sich betrachten kann, sondern auf Gelegenheit warten muß, wo man etwa zu ihren Orakeln seine Zuflucht nehme. Jedesmal, wenn man sie aufschlägt, glaubt man etwas Neues zu finden 4), weil der einer jeden Stelle inwohnende Sinn uns auf eine vielfache Weise berührt und aufregt."

Wenn diese Betrachtung Goethe's über Hamann auch nicht eine völlig befriedigende zu nennen ist, wofür er sie auch selbst keineswegs angesehen haben wollte, indem er meint, erst dann, wenn diese wichtigen Dokumente wieder vor den Augen des Publikums liegen,“ (er schrieb dies längst vor dem Erscheinen der Hamann'schen Schriften) möchte es Zeit sein, über den Verfasser, dessen Natur und Wesen das Nähere zu besprechen;"

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1) Leben und Literatur find bei Hamann so innig mit einander verflochten, daß eine Erklärung seiner Schriften unausbleiblich eine gleichmäßige Be= rücksichtigung beider erfordert, mithin beide ein unzertrennliches Ganzes bilden.

2) Solche Citate hatten wohl nicht immer den von Goethe angegebenen Zweck: Sie waren nicht selten Zusäße, die oft erst aus einer spätern Lectüre hervorgegangen waren, aber auf eine merkwürdige Weise mit den Gedanken Hamann's übereinstimmten, ja dieselben ergänzten und näher bestimmten.

3) Diese Ansicht Goethe's wird in einem über Hamann sehr bedeutende Betrachtungen enthaltenden Buche: Grund-Begriff Preußischer Staats- und Rechts-Geschichte von Carl Friedrich Ferdinand Sieße. Berl. 1829. S. 453 ff. näher beleuchtet.

4) Ist dies nicht die Eigenschaft aller Erzeugnisse des Genies?

so wird man es doch höchlich bedauern, daß er seinen Vorsatz „eine Herausgabe der Hamann'schen Werke entweder selbst zu besorgen oder wenigstens zu befördern" nicht ausgeführt habe.

Goethe beginnt einen Aufsaß „Antikes“ 1) überschrieben so: ,,Der Mensch vermag gar manches durch zweckmäßigen Gebrauch einzelner Kräfte, er vermag das Außerordentliche durch Verbindung mehrerer Fähigkeiten; aber das Einzige, ganz unerwartete leistet er nur, wenn sich die sämmtlichen Eigenschaften gleichmäßig in ihm vereinigen. Das leßte war das glückliche Loos der Alten, besonders der Griechen in ihrer besten Zeit; auf die beiden ersten sind wir Neuern vom Schicksal angewiesen.“

Wenn man hiemit die vorhergehende Charakteristik Hamann's zusammen hält, so ergiebt sich, daß Goethe ihm wenigstens seinem Streben nach eine durchaus antike Natur zuerkennt. Noch so manches andere, welches Goethe in diesem Aufsaß in Bezug auf Winckelmann sagt, paßt auch auf ein Haar auf Hamann. Wir haben bereits oben gesehen, daß Moses Mendelssohn in der Recension der Socrat. Denkw. ihn mit Winckelmann verglichen hat und daß dieser Vergleich das einzige Schmeichelhafte für ihn darin war. Aus Goethe's Munde würde ihm eine Bestätigung desselben gewiß noch ungleich willkommener gewesen sein.

Zur Vervollständigung des Bildes, welches sich Goethe von der Eigenthümlichkeit Hamann's entwirft, führen wir noch eine Stelle aus dem Jahre 1825 über ihn an. Nachdem Goethe von Napoleon bemerkt, daß er der Idee alle Wirklichkeit abgesprochen, fährt er fort: Höchst bemerkenswerth bleibt es immer, daß Men= schen, deren Persönlichkeit fast ganz Idee ist, sich so äußerst vor dem Phantastischen scheuen. So war Hamann, dem es unerträglich schien, wenn von Dingen einer andern Welt 2) gespro

1) Werke XXXVI, 19 aus dem 1805 herausgekommenen Buche „Winckel= mann und sein Jahrhundert.“

2) Dieser §. über Dinge einer andern Welt ist eine nicht mit abgedruckte Beilage zu dem Briefe an Jacobi v. 7. Mai 1788. Er ist bei Gelegenheit einer Stelle aus dem Spinoza-Büchlein entstanden.

chen wurde. Er drückt sich gelegentlich darüber in einem gewissen Paragraphen aus, den er aber, weil er ihm unzulänglich schien, vierzehnmal variirte und sich doch immer wahrscheinlich nicht genug that."

Nachdem Hamann durch Herder über Goethe nähere Kunde erhielt und mit seinen Schriften bekannt wurde, fühlt er sich nicht weniger zu dem leßtern hingezogen, als dieser zu ihm. Sein Göz von Berlichingen, der einige Jahre später erschien (1772), fand bei Hamann so warme Anerkennung, wie nur bei einem der Zeitgenossen. Er begrüßte darin die Morgenröthe unserer dramatischen Literatur.

Dieses Meisterwerk stand damals wie noch jezt an ächt deutschem Gehalt unerreicht da. Des Vergleiches wegen führen wir das Urtheil des großen Königs in seiner Abhandlung de la litterature Allemande über das Goethesche Stück an, welche indessen erst zehn Jahre später erschien. Es lautet: On peut pardonner à Shakespeare ces écarts bizarres, car la naissance des arts n'est jamais le point de leur maturité. Mais voilà encore un Goetz de Berlichingen qui paroît sur la scène, imitation détestable de ces mauvaises pièces anglaises et le Parterre applaudit et demande avec enthousiasme la répétition de ces dégoûtantes platitudes. Je sais, qu'il ne faut disputer des gouts; cependant permettez moi. de vous dire, que ceux qui trouvent autant de plaisir aux Danseurs de corde aux marionettes qu'aux Tragédies de Racine, ne veulent que tuer le temps.

Hamann verfolgte Goethe's Autorschaft mit theilnehmender Wärme. Am wenigsten hatten Werther's Leiden seinen Beifall und er scheint ähnlich wie Lessing darüber gedacht zu haben, welcher an den Gegenstand des Stückes den Maßstab des Alterthums legte und eine ähnliche Auffassung desselben bei den Alten undenkbar hielt. Auch im Vergleich zu Shakespeare's Romeo und Julie meinte er, daß Werther's Leiden nur im Canzlei-Styl der Liebe geschrieben seien. Dagegen wußte Hamann Goethe's

Prometheus und die Vögel desto inniger zu genießen. Mendelssohn hat bekanntlich den ersteren für ein elendes Gedicht erklärt, ihm scheint dagegen gerade in der Härte der Form, die dem Gegenstande so angemessen ist, eine große Schönheit zu liegen. Mit welchem Entzücken er bei Jacobi die Vögel gelesen, erzählt uns dieser ausdrücklich.

Einige Jahre vor seinem Tode schreibt er noch an Jacobi, der sowohl gegen Herder als Goethe mitunter in gespanntem Verhältniß gestanden hat: „Ich liebe Goethe, ohne ihn zu ken= nen, aber Herder muß man kennen, wenn man ihn, wie er es verdient, lieben soll."

In diesem Jahre bezog Hamann nach einem zweijährigen Aufenthalte im Hause des Tribunal-Rath Bondeli die von ihm gekaufte Wohnung am alten Graben No. 758. Sie lag in der Nähe des Amtsgebäudes, hinter welchem sich die von Hamann mehrfach erwähnte Wiese befand. Bei dem Ankauf und Ausbau des Hauses war ihm Buchhändler Kanter sehr behülflich. Der Kaufpreis betrug zwar nur 1000 ß, indessen war er gezwungen ein Nebengebäude, welches früher zu diesem Grundstück gehört hatte, aber an seinen Nachbar veräußert war, zu 400 $ wieder zu erwerben. Außerdem mußten auf Reparaturen 600 $ verwandt werden. Ich beziehe diesen Michaelis," schrieb er am 13. Sept. 1770 an Moses Mendelssohn, „ein kleines Häuschen, das ich in der Nachbarschaft meines Bureau, von dem ich jezt eine halbe Meile weit wohne, die ich viermal des Tages den ganzen Sommer habe laufen müssen, gekauft habe. Wiewohl ich mir wenig Bequemlichkeit und Vortheil bei dieser neuen Einrichtung vorstellen kann, so verspreche ich mir doch wenigstens etwas mehr Ruhe und Stetigkeit. Ich schmeichle mir noch immer, da bereits so viele meiner Ahndungen eingetroffen, noch einen Sabbat in meinem Alter zu erleben, der mich wieder verjüngen wird, und wo ich mit einem Schriftsteller 1) Ihrer Na

1) Sirach 33, 17.

tion werde rühmen können, der leßte aufgewesen zu sein, wie einer der im Herbste nachlieset, und dennoch meine Kelter gefüllt zu haben.“ Seit der Bewohnung dieses Hauses finden wir auf dem Titel seiner Schriften oder bei der Unterschrift „haussäßig am alten Graben No. 758."

Hamann hatte seinen Sohn am 16. Mai 1770 von dem englischen Arzte Motherby, dessen Bekanntschaft er wahrscheinlich seinem Freunde Green verdankte, inoculiren lassen. Man sieht, daß dieses Präservativ zu der Zeit noch nicht allgemein gebräuchlich war, denn Hamann glaubt dasselbe Moses Mendelssohn noch besonders anrathen und empfehlen zu müssen. „Vergeben Sie es einem alten Freunde," schreibt er ihm in demselben Briefe, „der sich ehemals um ihre Buhlschaft 1) bekümmerte, daß er sich nach 7 oder 10 Jahren ein wenig Ihrer Vaterschaft annehmen darf. Wenn Sie Ihre Kinder lieb haben, und für selbige noch die Plage der Blattern fürchten müssen, so tragen Sie keinen Augenblick Bedenken, sie dem geschickten und würdigen Mann, dem englischen Arzte anzuvertrauen, den ich hiedurch zugleich Ihrer sympathetischen, philosophischen und ästhetischen Denkungsart auf das nachdrücklichste empfehle."

Ueber seine eigne Lage giebt er dann dem Freunde gleichfalls Auskunft. „Gesetzt, daß Sie auch eben nicht neugierig wären, liebster Freund, sich um meine gegenwärtige Verfassung zu erkundigen, so werden Sie es theils meinem Mangel an Welt, theils meiner Hypochondrie zu gut halten, mich hierüber zu erklären. Es geht jezt im vierten Jahre, daß ich bei der hiesigen Provinzial-Accise und Zolldirection als Secrétaire - traducteur stehe. Ich bin den ganzen Tag so besezt mit Arbeit, daß ich für meine Augen und meine Gesundheit fürchten muß und daß, wenn ich zu Hause komme, ich nicht mehr weiß, ob und was ich anfangen soll. Indessen wohnt noch immer in meinem Busen die Erbsünde der Lesesucht und einer gewissen unbestimmten

1) Man erinnere sich, daß Hamann früher in Bezug auf dieselbe eine Prophezeiung aussprach.

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