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342 E. Kornemann, Die Alliaschlacht und die ältesten Pontifikalannalen.

in der ältesten Chronik der Pontifices zurück, die per singulos dies ihre kurzen Aufzeichnungen eingetragen hatten. Bei den Ansätzen aber spielen die feriae publicae des alten Festkalenders, den die Pontifices zu bewahren hatten'), ebenso wie die Gründungstage und Gründungsjahre resp. die Dedikationsjahre der stadtrömischen Tempel 2) eine grosse Rolle. Dies sind die festen Punkte, von denen aus die Pontifices den Aufbau der altrömischen Geschichte unternommen haben. Die weitere Forschung wird nicht umhin können auf diese Zusammenhänge zwischen dem Festkalender und den ältesten Pontifikalannalen noch mehr zu achten als seither.

Und nun noch eins: K. J. Neumann hat jüngst noch geschrieben 3): vom Krieg gegen Veji ab, rund von 400 v. Chr. ab, gab es eine gesicherte, gleichzeitige Aufzeichnung wenigstens der Hauptereignisse römischer Geschichte. Und dieser Krieg selber war ein solches Hauptereignis“. Ich frage dagegen, ist die römische Geschichte des 4. Jahrhunderts, vor allem in der ersten Hälfte, wirklich quellenmässig so fundiert, dass wir diese Behauptung wagen dürfen), wenn wir für das grösste Ereignis dieses Jahrhunderts. die Gallierkatastrophe, nur den dies Alliensis noch als gesicherte Ueberlieferung betrachten können 5)? Was ich in den vorstehenden Zeilen den Fachgenossen zu unterbreiten mir erlaube, sollte doch, wenn die Beweisführung als zwingend anerkannt wird, sehr zur Vorsicht mahnen.

Tübingen.

1) Wissowa a. a. O. S. 441.

2) Allbekannt ist die Ansetzung des Republikanfangs in das Jahr der Dedikation des kapitolinischen Juppitertempels, wovon die ältere Tradition ausgegangen ist, vgl. O. Leuze, Jahrz. S. 326.

3) Weltgeschichte herausgeg. von J. v. Pflugk-Harttung I S. 382; ähnlich Enmann, Rhein. Mus. 57 S. 521 f.

4) Vgl. die der wahren Sachlage viel mehr entsprechenden Bemerkungen von Ed. Meyer, Apoph. S. 158. Auch bei Hülsen-Lindner a. a. O. S. 6 heisst es: „Die Katastrophe des 18. Juli reicht in eine Epoche zurück, aus welcher keine gleichzeitige Aufzeichnung, kein Denkmal, keine Inschrift zur Controle der Berichte späterer Geschichtsschreiber herangezogen werden kann“.

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5) Hierzu Ed. Meyer a. a. O. S. 159 schon richtig: Wollte aber jemand behaupten, dass alles, was wir über den Verlauf des Krieges lesen, auch in seiner ältesten Gestalt nichts sei als eine geschickt durchgeführte Erfindung, ..... dass wir uns mithin bei einer Rekonstruktion der römischen Geschichte dieser Zeit auf die allgemeinsten Umrisse zu beschränken hätten, so wüsste ich eine solche Ansicht nicht mit zwingenden Gründen zu widerlegen". Trotzdem geht Meyer, wie er dann weiter ausführt, den entgegengesetzten Weg und sucht aus Diodor den historischen Verlauf zu rekonstruieren. Keiner der Neueren ist also hier über Mommsen hinausgekommen.

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Wie hat Hannibal die Elefanten über die Rhone gesetzt? Von Joh. Philipp.

Ueber die Art, wie Hannibal im Jahre 218 seine Elefanten über die Rhone gebracht hat, sind wir durch die bei Polybius und Livius erhaltenen Schilderungen in allen Einzelheiten so genau unterrichtet wie selten über einen technischen Vorgang im Altertume. Dieser Umstand, zu dem noch die scheinbar völlige Uebereinstimmung beider Quellen hinzutritt, hat es wohl hauptsächlich bewirkt, dass die Darstellung noch nie einer sachlichen Kritik unterzogen worden ist, wiewohl diese eigentlich geradezu herausgefordert wird.

Wie Polybius sich die Vorgänge vorgestellt hat, ist ja klar. Starke Flösse werden als Anlände am Ufer fest verankert; davor werden freibewegliche angebunden; alle Flösse werden mit Erde beworfen. Dann werden die Tiere über die Anlände fort zur Fähre geführt, die Haltetaue gekappt und mittels bereitliegender Barken das freie Floss hinübergeschleppt. Ein neues Floss wird vor die Anlände gelegt, und der Vorgang von vorhin wiederholt sich.

Dem entspricht ganz die Schilderung des Livius, aber selbst wenn ich bei allen Autoren nichts weiter als diese Darstellung fände, würde ich sie vom praktischen Standpunkte unbedingt verwerfen. Wir befinden uns jedoch in einer weit günstigeren Lage, und es genügt eigentlich, das Problem aufzustellen, um seine Lösung sofort zu finden.

Nachdem Polybius den Bau der Anlände und der Fähre eingehend besprochen hat, legt er dar, in welcher Weise die Fähre hinübergeschafft werden soll. Man befestigt sie an Tauen, deren anderes Ende an Booten angeknüpft ist. Die Fähre soll also nicht selbst gerudert oder gestakt werden, vielmehr dienen die Boote dazu, sie gegen den Strom zu halten und hinüberzuschaffen 1).

Von diesem Strome hat er einige Kapitel vorher (III. 43. 3 u. 7—8) gesprochen. Er hat geschildert, wie Hannibal eigene Vorkehrungen hat treffen müssen, um die kleinen Fahrzeuge, die Einbäume, gegen die Kraft des Wassers zu schützen, indem er die grösseren Kähne oberhalb neben den kleinen herfahren liess. Einen wahren Kampf müssen sie gegen die 1) III. 46. 5.

Gewalt des Flusses ausstehen. An ein Querhinüberfahren ist garnicht zu denken, sondern die Steuerleute müssen schräg gegen die Strömung halten. Trotzdem werden sie etwas abgetrieben, sodass die Zurückgebliebenen am Ufer angstvoll nebenherlaufen. Wir haben eine sehr bewegte Schilderung, die uns über die Gewalt der Rhone nicht im Zweifel lassen kann.

Man lässt ja noch heute zum Schutze der kleinen Boote auf Flüssen die grösseren weiter oberhalb nebenherfahren, um die Gewalt des Wassers zu brechen, aber nur, wenn diese nicht allzuheftig ist. Bei gar zu grosser Stromgeschwindigkeit besteht die Gefahr, dass die grossen Boote infolge ihres grösseren Gewichtes und der grösseren Angriffsflächen auf die kleinen geworfen werden. Man hat nun daraus, dass Hannibal die kleinen Boote im Schutze der grossen rudern liess, schliessen wollen, dass die Strömung an jener Stelle nicht sehr reissend habe sein können. Dabei hat man aber übersehen, dass es sich hier um Einbäume handelt, d. h. um unbehauene Baumstämme, die eine grosse Reibung im Wasser haben und, gerade notdürftig für den Ruderer ausgehöhlt, ein unverhältnismässig grosses Gewicht haben, sodass sie mindestens ebenso schnell abgetrieben wurden wie die Boote. Uebrigens ein staunenswertes Unternehmen, über diesen Strom im Einbaum zu fahren.

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Denn die Rhone ist in der Tat ein sehr reissender Strom 1). Unterhalb Avignons noch nennt Hellwald sie wütend wie ein Stier beim Anblick des roten Tuches". Und mit Recht: noch bei Beaucaire, wo sie nach Neumann) ein gemächliches Tempo annimmt, ist ihre Stromgeschwindigkeit mehr als 21/2 m pro Sekunde 3). Was diese Zahl besagen will, mögen einige Daten erläutern. Der Rhein hat bei Bingerloch 3,42 m, bei Mannheim 1,50 m Geschwindigkeit; die Donau bei Wien 1,66-1,94 m, der Neckar bei Mannheim und der Unterlauf der Weichsel 0,90 m Geschwindigkeit in der Sekunde); die Norm ist 1 m, das Maximum 4 m etwa. Die Uebergangsstelle ist sicherlich oberhalb Beaucaires etwa bei Avignon oder Roquemaure anzunehmen, wenn auch der Ort nicht genau feststeht. Jedenfalls ist dort die Stromgeschwindigkeit noch bedeutend grösser, beträgt doch das Gefälle noch bei dem Ardèche-Einfluss 0,81 m auf den Kilometer gegen 0,6 m der Donau unterhalb Ulms und ein noch etwas geringeres des Rheines bei Strassburg.

Angesichts dieser Tatsachen erhebt sich nun die Frage, ob es mög

1) Friedrich v. Hellwald, Frankreich. Das Land und die Leute S. 572. Bei Lyon beginnt die Rhone sich fast senkrecht hinunterzustürzen und reisst die Schiffe, welche sich ihr anvertrauen, gewaltigen Laufes mit sich hinab. Bis Avignon behauptet sie sich als ein stolzer, königlicher Renner im vollen Schmucke seiner Gewässer".

2) C. Neumann, Zeitalter der punischen Kriege S. 276.

3) A. F. Drieu, Leitfaden für den praktischen Pontonnier. Deutsch von v. Echt. S. 53.

4) Handbuch für Ingenieurswissenschaften III. Wasserbau.

lich ist, das Floss über den Strom zu rudern. Man denkt zunächst an eine Zahl vor das Floss gelegter Boote, die, schräg gegen den Strom anrudernd, das Floss hinter sich her zum andern Ufer schleppen. Schon die einzelnen Boote hatten Mühe gehabt, sich im Strome zu halten, und nun hing hinter ihnen eine gewaltige Last, die infolge der Grösse der auf dem Wasser liegenden Fläche mit ihren vielen Unebenheiten eine sehr starke Reibung verursachte. Aber abgesehen davon dieser Zug wirkt ja wie ein Hebelwerk, dessen längerer Arm, das Floss, den kürzeren, die Boote, mit aller Gewalt in die Stromrichtung zieht. Es ist vielleicht möglich, die Grösse der Last zu berechnen und nun, die Menschenkraft in den Booten addierend, zu sagen: Hannibal brauchte nur so und soviel Boote vorzulegen, dann musste es gehn." Das ist in der Theorie sehr schön, aber es stimmt nicht zur praktischen Anwendung. Wenn das eine Boot anzog, dann holten in anderen die Ruderer gerade zum Schlage aus: das hemmte, statt zu fördern. Wollte man wirklich durch die Zahl der Boote einen Effekt haben, so hätten alle Boote im Takte rudern müssen. Es sind mir Versuche aus Sportkreisen bekannt, unter etwa fünf gut ausgebildeten Mannschaften durch Uebungen Gleichtakt zu erzielen; aber bei allen musste man die Versuche einstellen. Und hätte Hannibal mit seinen Soldaten und etwa dem fünffachen jener Zahl von Booten da so etwas improvisieren sollen? Es ist nicht möglich, dass die Boote auf diese Art die von Polybius geforderte Bedingung erfüllen: das Floss gegen die Gewalt des Stromes zu halten 1). Es muss nach alledem als gänzlich ausgeschlossen gelten, dass das Floss über diesen Strom geschleppt worden ist, und Offiziere der technischen Waffe haben mir die Versicherung gegeben, dass nicht einmal ein Dampfboot dies Unternehmen hätte zur Ausführung bringen können.

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Wir stehen also vor der Frage: Wie hat Hannibal das Floss in Wahrheit hinübergeschafft?" Nun ganz genau so, wie Polybius es beschreibt, wenn auch nicht so, wie er es aufgefasst hat. Wir erinnern uns, dass er von den Booten verlangt, sie sollten dem Flosse einen Halt gegen die Strömung geben." Wenn sie sich selbst bewegen, können sie das nicht; folglich müssen sie verankert gewesen sein, und das Floss war keine Fähre, sondern eine sogenannte fliegende Brücke, d. h. es wurde nicht hinübergeschleppt, sondern von der Strömung hinübergetrieben.

Das muss in folgender Weise geschehen sein. Ueber den ganzen Strom hin waren in bestimmten Abständen die Kähne (C1, C2, C3 etc. s. Skizze auf S. 346), vielleicht des besseren Haltes halber stets mehrere an einem Punkte,

1) Drieu, Leitfaden f. d. prakt. Pontonnier S. 97. Diese schwimmenden Körper (sc. Flösse) können auf so schnellfliessenden Gewässern (gemeint ist die Donau bei Ebersdorf: Stromgeschwindigkeit 1,66 m in der Sekunde) nicht nach Gefallen bewegt werden. Es empfahl sich, für unsere Zwecke ein älteres Werk zugrunde zu legen, da die moderne Technik ja meist mit ganz andern Mitteln arbeitet.

Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 3.

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fest verankert. Von dem der Anlände zunächst befindlichen (C1) waren mehrere starke Taue, das sogenannte Giertau, zum beweglichen Flosse (B) hingezogen und zwar in der Mitte der Breitseite etwa an zwei Punkten befestigt. Da diese Taue (a) vielleicht nicht in genügender Länge vorhanden waren, sicherlich aber um die schweren Taue1) besser zu stützen, waren in Abständen Boote zwischengeschaltet (b). Sobald nun die Stricke, die Floss

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2

C, D Richtung der

A. Anlände. B. Fliegende Brücke. C, C, C, verankerte Boote.
Strömung. E. Wendepunkt, Auswechselung der Taue a, und a. F. Wendepunkt,
Auswechselung der Taue a und a. a, a, a Giertaue. b, b, b, Boote zu Unter-
stützung der Giertaue. c. Boote zur Unterstützung von C, C, C. d. Schwertbalken
der fliegenden Brücke. e. Anker. f. Verankerung der Anlände. a. Neigungswinkel
der Anlände zum Ufer.

und Anlände verbanden, gekappt waren, wurde natürlich das Floss in
einem Kreisbogen, dessen Radius das Giertau und dessen Mittelpunkt die
verankerten Kähne (C1) waren, stromab getrieben, bis es in gleicher Strom-

1) Das Giertau muss erfahrungsgemäss 11/2 mal so lang sein als die Sehne des beschriebenen Kreisbogens. Leitf. f. d. prakt. Pont. S. 88.

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