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Wie haben nun Polybius und Livius diesen Silenus-Bericht übernommen? Hat Livius ihn aus Polybius oder nicht?

Wir machten vorhin schon auf einige Widersprüche des Polybius und auf Unklarheiten in seinem Berichte aufmerksam. Die Boote liegen schon da, verankert das entspricht gut unserem Verfahren, aber nicht dem des Polybius. Die Kähne sollen mittels der Taue das Floss gegen den Strom halten: auch das ist bei unserm Verfahren der Fall, nicht bei dem des Polybius, der sich das übrigens bei unbefangener Ueberlegung und in voller Kenntnis der Stärke der Strömung (er erwähnt sie ja selber) auch sagen konnte. Dadurch gerade soll das Floss hinübergeschafft werden: nach unserer Annahme ist dem so, nicht nach der des Polybius, denn bei ihm werden sie durch Rudern transportiert. Was er also geschrieben hat, ist so, wie es dasteht, richtig und zwar so richtig, dass wir daraus den wahren Sachverhalt rekonstruieren konnten ist so, wie er es auffasst, falsch. Er hat also diese Worte nicht aus sich selber niedergeschrieben, sondern sie aus seiner Quelle ganz genau übernommen: endlich eine Stelle, an der nach meiner Meinung ganz einwandfrei nachgewiesen werden kann, dass auch Polybius seine Quelle wörtlich abschreibt. Andrerseits hat er, was er nicht verstand, fortgelassen z. B. die Bemerkung, die Strömung habe die Tiere hinübergeschafft, hat er doch hier so scharf abgeschnitten, dass der letzte Gedanke τὸ πολύ geradezu durchgerissen ist.

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Livius weicht nun in mehreren Punkten von Polybius ab. Zunächst gibt er für die Brücke ein Maß: etwa 16 m breit und 32 m lang, Polybius sagt allgemein: sehr gross“, ràs μɛɣiotas, das Naber 1), wie wir jetzt sagen dürfen, zu unrecht verworfen hat. Dass Livius die Zahl sich ausgedacht haben soll, ist undenkbar; viel eher lässt sich annehmen, dass Polybius an den Maßen Anstoss nahm, da sie für das Schleppverfahren in der Tat bedenklich hoch sind: er ersetzte sie einfach durch ein allgemeines sehr gross". Ferner hat Livius, wie schon erwähnt, eine treffende Bemerkung über die Vorrichtung, mittels deren das Floss hinübergeht, während Polybius dafür nur wieder einen allgemeinen Vergleich zwischen Brücke und Anlände anstellt. Es ist ja wohl zu erklären, dass der Abschreiber ungenauer ist als seine Quelle, aber kaum, dass er genauer ist als diese. Das rapere, von dem Livius mit Vorliebe spricht, und das doch durchaus in seine Darstellung nicht passen will, hat Polybius seiner Anschauung gemäss in razέos dлéoлaσar abgeschwächt: für die Quelle zu wenig, für sich zuviel. Livius lässt die Fähre zurückkehren, und zwar unterbricht diese Bemerkung die gemäss dem Polybius fortlaufende Erzählung; der vorsichtige Polybius hat gefunden, dass neue Flösse verwendet wurden: ohne zu forschen, warum dies geschehen sei, übernimmt

1) Polybiana in Mnemosyne, 1857. S. 120.

er es, und zwar an anderer Stelle, als die Notiz des Livius über die Rückkehr der Flösse steht. Ueberhaupt gibt Livius unserer Interpretation Fingerzeige, wo Polybius uns im Stiche lässt.

Wir sehen also, dass Livius gerade an den Stellen, an denen Polybius eine Korrektur vornehmen zu müssen glaubt, um die Quelle mit seiner Anschauung zu vermitteln, dieser Quelle und somit der Wahrheit wegen der gutgläubigen Uebernahme weit näher steht. Es ist demnach ganz ausgeschlossen, dass dieser Bericht des Livius aus Polybius geflossen ist. Nun bestehen aber zwischen beiden partienweise fast wörtliche Uebereinstimmungen, von denen einige als Beispiel gegeben seien.

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προτείνοντες εἰς τὸν πόρρον . . . in amnem porrexerunt. πρὸς τὸ μὴ παρωθεῖσθαι κατὰ τὸν ne secunda aqua deferretur ποταμόν . . . .

ἤγον δύο προθέμενοι θηλείας

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praegredientibus feminis acti...

διακόψαντες τοὺς δεσμούς οἷς resolutis vinculis quibus adnera erat προσήρτηντο πρὸς τὰς ἄλλας

διαταραχθέντα τὰ ζῷα

περιεχόμενα πανταχόθεν ὑπὸ τοῦ

ρεύματος ἀπεδειλία καὶ μένειν ἠναγκάζετο κατά χώραν.

urguentes inter se trepidationis aliquantum edebant

quietem ipse timor circumspectantibus aquam fecisset.

τινὰ δὲ ἀπέρριψεν αὐτὰ εἰς τὸν excidere etiam quidam in flumen. ποταμόν.

Da wir nun vorhin gesehen haben, wie genau auch Polybius seiner Quelle folgt, selbst wenn sie eigentlich nicht im Einklange mit seiner Auffassung steht, da ferner Livius seinen Bericht nicht aus Polybius geschöpft haben kann, so bleibt, wenn man die ganze Uebereinstimmung beider Autoren, über den Bericht hin verteilt, erklären will, nur der Schluss übrig, dass Polybius sich genau so eng und fast wörtlich an seine Quelle anzulehnen pflegt, wie Livius es tu t. Wir haben hier eine Stelle, an der diese Tatsache, die soviel umstritten ist, endlich einmal, wie ich meine, einwandfrei festgestellt werden kann, eben weil beide wiedergegeben haben, was sie eigentlich nicht recht verstanden, und das gilt vielleicht schon für Coelius als Quelle des Livius. Wir gewinnen aber auch gleichzeitig einen für beide charakteristischen Maßstab dafür, wie sie sich gegen ihre Quellen verhalten: Polybius vorsichtig, überlegend, alles mit seiner Ansicht möglichst in Einklang setzend, lieber fortlassend, was er nicht versteht; Livius oberflächlich, ungenau, unbesorgt aus sich heraus Zusätze zur Darstellung der Quelle machend.

Was uns eine Vergleichung der Uebereinstimmungen nie mit Sicher

354 J. Philipp, Wie hat Hannibal die Elefanten über die Rhone gesetzt? heit lehren kann, hat uns hier ein verschiedener Grad der Fehlerhaftigkeit und des aus Missverständnissen geflossenen Korrektur-Bedürfnisses gezeigt.

An sich ist ja garnicht so wunderbar, dass ein technischer Bericht ohne beigelegte Zeichnung von Laien missverstanden wird und besonders, wenn ähnliche Verfahren wie hier das Schleppen von Flössen sicherlich eine ganz geläufige Vorstellung des Lesers ist. Aber gerade weil das Schleppen der Flösse garnicht solche Seltenheit ist und sicherlich auch damals nicht war, wäre ja ganz unauffindbar, warum ein Mann sich die Zeit nimmt, in einem Geschichtsbuche mit solcher Ausführlichkeit darüber zu handeln, wie Silenus es getan hat. Ueber den Ebro-Uebergang beispielsweise erfahren wir garnichts weiter als die Tatsache selber; der Bau der Pobrücke nach der Schlacht am Ticinus wird gleichermaßen nur erwähnt. Nun erst verstehen wir, dass das Unternehmen ein ganz ausserordentliches und in diesem Kapitel der Kriegsgeschichte einzig dastehendes ist, wohl wert, dass man seiner Ueberlieferung einen grösseren Raum zugestand, und würdig, der Rheinbrücke Caesars an die Seite gestellt zu werden.

Berlin.

355

Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Marcus.

Von Anton v. Premerstein.

Vorbemerkung.

Die nachstehenden Kapitel, welche durch die fortlaufende Beziehung auf Griechenland und den griechischen Osten zusammengehalten werden, sollen eine Reihe von Studien über die Regierung des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus eröffnen, die ich in zwangloser Folge in dieser Zeitschrift zu veröffentlichen gedenke. Der trümmerhafte Charakter der Ueberlieferung über diese so wichtige Epoche wird es rechtfertigen, wenn die Einzelprüfung der Zeugnisse einen breiten Raum einnimmt.

I.

Zum Partherkrieg unter L. Verus.

1. Der Legat Saturninus.

Lukian лç dεi ior. ovyyo. 21 sagt von einem der Historiker des Partherkrieges, die er verspottet: ἠξίωσεν οὗτος καὶ τὰ ὀνόματα μεταποιῆσαι τὰ Ῥωμαίων καὶ μεταγράψαι ἐς τὸ ̔Ελληνικόν, ὡς Κρόνιον μὲν Σατουρνίνον λέγειν, Φρόντιν δὲ τὸν Φρόντωνα, Τιτάνιον δὲ τὸν Τιτιανὸν καὶ ἄλλα πολλῷ γελοιότερα. Der hier genannte Saturninus, offenbar ein höherer römischer Befehlshaber, wurde bisher vermutungsweise für identisch gehalten mit dem P. Furius Saturninus, Consul suffectus im J. 161'). Ich glaube eine andere, wahrscheinlichere Gleichung vorschlagen zu können und gehe dabei von einer Ehreninschrift aus Troesmis (Moesia inferior) aus.

CIL III 775 (= 6183; Dessau n. 1116): P. Vigellio Raio Plario Saturnino Atilio Braduano Aucidio Tertullo leg(ato) Aug(usti) ordo Troesmen(sium) ex decreto suo.

Der hier Geehrte, der wegen des Fellens von pr(o) pr(aetore) im Titel nicht Statthalter von Untermoesien, sondern Legionslegat gewesen sein wird, ist schon in der Prosopographie 2) mit Recht gleichgesetzt wor

1) E. Napp, De rebus imp. M. Aurelio in Oriente gestis (Bonnae 1879) 73 f., dem J. Jung, Fasten der Prov. Dacien 15 zu n. 16; A. Stein, R. E. III 1844 zustimmen; vgl. auch Prosopogr. II 102 zu n. 407. 2) III 433 f. n. 434.

den dem Vigellius Saturninus procos. Africae im Juli 180 (also für das J. 180/1). Das Konsulat dieses Mannes kann unter Annahme des üblichen Intervalls frühestens 165/6 angesetzt werden; im Hinblick jedoch darauf, dass in jenen Jahren der Pest und des Krieges von den Konsularen viele vorzeitig starben) und die Ueberlebenden rascher zur prokonsularischen Losung gelangten'), dürfen wir mit dem Suffektkonsulat etwa bis ins J. 170, mit dem Legionskommando, auf welches vielleicht noch ein anderes prätorisches Amt folgte, beiläufig in die Jahre 166-168 hinuntergehen.

Ein Legionslegat, den die hier als Ordo bezeichnete Vertretung der Canabae von Troesmis 3) ehrt, kann wohl nur die Legio V Macedonica befehligt haben, welche bis zum Ausmarsch in den Partherkrieg (J. 162) 4) dort ihr Hauptquartier hatte, und von der auch nach der Rückkehr aus dem Osten, als sie nach Dacia Porolissensis verlegt wurde 5), mindestens starke Abteilungen in Troesmis sich aufhalten mussten, um das aufgegebene Lager abzubrechen und die Uebersiedlung zu bewerkstelligen. Beim Ausmarsch nach dem Orient (J. 161/2) war P. Martius Verus Legat der Legion und führte sie wahrscheinlich während des ganzen Krieges, bis zu seinem Konsulat (März 166), in der letzten Zeit allerdings als selbständiger Befehlshaber mit erweiterter Kompetenz (dux) (s. darüber unten Abschnitt III). Nach dem oben angenommenen Zeitansatz (J. 165-168) dürfte Vigellius Saturninus der unmittelbare Nachfolger des Martius Verus gewesen sein; er wird die Legio V Macedonica im J. 166 nach dem Westen zurückgeführt und ihre Uebersiedlung aus Troesmis nach Dacien (Potaissa) geleitet haben. Als Kommandanten der abziehenden, mit Troesmis bisher aufs engste verwachsenen Truppe wird ihn der dortige Ordo geehrt haben 6). Die Annahme, dass er schon vor der Uebernahme der Legionslegation im Partherkriege tätig war und daher mit dem von Lukian ge

1) Vita Marci 13, 5; 22,7; Ammianus Marc. XXXI 5, 14. Ueber die dadurch verursachten Lücken in den Priesterkollegien um J. 170: H. Dessau, Eph. epigr. III p. 227; R. Egger, Oesterr. Jahreshefte IX Beibl. 70 mit A. 14.

2) Q. Pompeius Senecio Sosius Priscus, cos. ord. 169, erhielt kurz vor seinem Tode (180), also wohl Ende 179, durchs Los das Prokonsulat von Asia.

3) Municipium wurde die Lagerstadt erst unter Septimius Severus; s. E. Kornemann, Klio VII (1907) 94, 3; J. Jung, Oesterr. Jahreshefte XII (1909) Beibl. 143 f., 10. 4) Vgl. CIL III 6169; dazu E. Ritterling, Rhein. Mus. LIX 193 f.; meine Bem. Wiener Eranos zur 50. Phil.-Vers. (1909) 264.

5) Dazu Wiener Eranos S. 268. In den Anfängen des germanisch-sarmatischen Krieges, im J. 168/9, wurde die Legion vielleicht zeitweilig wieder nach Moesia inferior zurückgezogen: ebd. S. 269 Anm.

6) In entsprechender Weise hat Jung a. a. O. Sp. 143 f. die Ehreninschrift CIL III 776 = 6195 gedeutet, die einem Lagerpräfekten der Legio V Macedonica vom ordo Troesmensium gesetzt ist. Bei diesem Denkmal ist allerdings genauere zeitliche Bestimmung unmöglich, so dass es sehr wohl noch vor die Verlegung der Legion fallen könnte.

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