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Epoche zu machen. Es wäre ebenso berechtigt, christliche Dogmen des 17. Jh. in das 12. zurückzuversetzen. Nun halten sich religiöse Ueberzeugungen allerdings mit wunderbarer Festigkeit; manche alt-heidnische Anschauung scheint unausrottbar zu sein. Wie also die Milesier selbst in späterer Zeit von ihrem Gotte gedacht haben, das lässt allerdings Rückschlüsse zu. Ich gebe, um dies festzustellen, zuerst eine Beschreibung des Heiligtums, soweit wir Bescheid wissen; in zweiter Linie interessiert uns seine Lage in Beziehung zu Altmilet, das sich mit der hellenistischen Stadt höchstens teilweise gedeckt hat.

Versetzen wir uns in die Zeit kurz, ehe der Mäander mit seinen lehmigen Fluten den ganzen Golf von Milet zu einer sumpfigen, fieberverseuchten Ebene gestaltete, so lag Milet1) auf einer nach Nordosten vorspringenden hügligen Halbinsel, die nicht nur an ihrer Wurzel 3 grosse offene Buchten schuf, sondern vor allem durch eine enge von Norden einschneidende Bucht fast in zwei Teile zerschnitten wurde, den zwar kleinen, aber ausgezeichneten Hafen der Stadt, den wir nach den zwei hellenistischen Wappenlöwen am Eingang die Löwenbucht zu nennen pflegen. Mit ca. 300 m Länge und 150 m Breite erreicht er allerdings nicht einmal Athens Miniaturhafen Munychia mit ca. 350 × 200 m; eine deutliche Vorstellung seiner Grösse gibt vielleicht die reizvolle Bucht von Porto Fino unweit Genua, die ungefähr die gleichen Masse hat. Dafür führte aber die Löwenbucht bis in das Herz der Stadt; denn unmittelbar am Südwestkai lag der ältere, hellenistische Markt, an der Südspitze das als Archiv dienende Delphinion, dessen Lage und Benutzung schon für seine zentrale Bedeutung spricht.

Das Heiligtum war ein Temenos von 50×61 m Grösse; innerhalb der ringsum laufenden Säulenhallen befand sich ein freier Platz von ehemals 30×47, später 34×47 m Areal, auf dem sich kein Tempel, wie man erwarten sollte, befunden hat. Dagegen fand sich in der Mitte, ein wenig in der Achse des Ganzen nach Ost-Süd-Ost verschoben, ein rundes Fundament, das man anfangs für die Reste eines Riesendreifusses hielt, wie ein solcher in der Westecke des Hafens tatsächlich gestanden hat. Doch heisst es im 5. Vorbericht S. 12: „Ferner ergab sich, dass die frühere Annahme,

1) Die beiden im gleichen Maßstab gehaltenen Skizzen werden das im Text Gesagte veranschaulichen. Sie enthalten nur das zu diesem Zwecke Erforderliche. Milet ist wiedergegeben nach der Wilskischen Karte, verbunden mit den Skizzen in Wiegands sechstem Bericht Berlin 1908, S. 5 und Taf. III. Das schraffierte Gebiet innerhalb des jetzigen Mäanderlaufes bezeichnet vermutungsweise die frühere Ausdehnung des Meeres; die ältere Stadtmauer ist verlängert, wie sie m. E. gelaufen sein dürfte.

Für Athen (S. 21) ist die Kiepertsche Karte, nr. 14 der formae orbis antiqui zugrunde gelegt. Nur der Deutlichkeit halber sind die im einzelnen ganz hypothetischen Demengrenzen angedeutet, wie sie im Text angenommen sind. Manches Fragezeichen musste der Deutlichkeit zuliebe fortbleiben.

auf dem kreisrunden Fundament in der Mitte des Delphinions habe ein grosser Dreifuss gestanden, irrtümlich ist. Dieses Fundament ist nämlich nicht, wie dann gefordert werden müsste, gleichmässig durchgeschichtet, sondern es ist nur ein Ringfundament, sodass angenommen werden muss, dass ein regelrechter, innen zugänglicher Rund bau, den wir in seinem Oberbau nicht kennen, auf dem Ring gestanden hat. Die Annahme, dass es sich um einen vollen Kernbau handelte, war dadurch mit veranlasst worden, dass der Ring über dem Fundament einer älteren Exedra errichtet ist, die jedoch nur halbkreisförmig war." Soweit der vorläufige Bericht, der freilich mehr die Neugier reizt als unsern Wissensdurst befriedigt.

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Hat der Oberbau wirklich existiert, so ist er, da sich keine Spur davon gefunden hat, von Holz gewesen. Als Gebäude kann er mit der Tholos von Epidauros, derjenigen von Delphi und dem von Pomtow entdeckten Rundbau ebendort verglichen werden und kann die gleiche musikalische Bestimmung gehabt haben. Man hat vielfach die Deutung, die H. Thiersch diesen Rundbauten gegeben hat, abgelehnt; und doch ist es merkwürdig, gerade in dem Heiligtum wieder einen Rundbau von fast 10 m Durchmesser anzutreffen, zu dem die bekannte milesische Sängergilde in einem ganz besonderen Verhältnis stand1). Ein Kulttempel kann es

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1) Vgl. jedoch die mindestens ebenso wahrscheinliche Vermutung, die S. 25 in anderem Zusammenhang begründet werden wird.

keinesfalls gewesen sein, zumal da sich in einer älteren Epoche etwas anderes dort befunden hatte. Westlich vor dem Rundbau befindet sich in der Achse des Temenos der grosse Altar und zwischen beiden zwei Exedren, endlich seitwärts drei kleinere Altäre, darunter einer für Zeus Soter, einer für Artemis, vor dem grossen Altar ein solcher für Hekate 1) und östlich des Rundbaues ein rundes tiefes Marmorgefäss von 2 m Durchmesser, fast ebensoviel Rätsel wie Gegenstände.

Heben wir das Wesentliche heraus, so haben wir einen ummauerten Bezirk mit Altar vor uns, in den später ein Rundbau hineingebaut ist. Für das Alter der Anlage ist entscheidend, dass die Ausgräber den grossen Altar sowie den der Hekate dem 6. Jh. zuweisen. Falls diese Stücke also nicht aus einem älteren Heiligtum dorthin übertragen sind, was mir recht unwahrscheinlich vorkommt, ist das Heiligtum älter, als die Zerstörung der Stadt von 494. Ueber die Lage von Altmilet lehren uns aber die Funde, dass sich in spätmykenischer Zeit die Ansiedlung nicht am Delphinion, sondern an der nach Nordwesten geöffneten sog. Theater-Bucht befunden hat, da ungefähr, wo später das Atheneheiligtum lag. Südwestlich davon liegt in einer Entfernung von ca. 1 km die alte Akropolis, die im wesentlichen erst in griechisch-archaischer Zeit besiedelt gewesen zu sein scheint. Später hat dann eine völlige Verschiebung des Zentrums der Stadt nach der Löwenbucht hin stattgefunden. Wir zweifeln nicht, dass nur die Zerstörung von 494 eine so starke Veränderung des Stadtbildes und des ganzen Stadtplanes hervorgerufen haben kann, wenn auch die Tendenz dazu schon vorher vorhanden gewesen sein mag. Damit ist zunächst ein fester Punkt gewonnen. Weiter führt folgende Beobachtung: Die vorpersische Siedelung war zunächst unbefestigt, dann ward die Akropolis auf dem Kalabaktepe geschaffen; sie war zuerst kretisch), dann ionisch. Es liegt nahe, die unbefestigte Stadt, die etwas mehr als ein Fischerdorf gewesen sein dürfte, mit der kretischen Siedelung, die Akropolis mit dem ionischen Milet zu identifizieren, da sich die Muster nachweisen lassen, die die Kolonisten jedesmal aus ihrer Heimat mitgebracht haben.

Zunächst ist oft mit dem Ausdrucke der Verwunderung betont, dass die kretischen Städte, soweit sie altminoisch sind, keine Spur von Befestigung zeigen. Man hat wohl im Knosos von Bastionen gesprochen, ohne indes ernst zu nehmende Festungswerke gefunden zu haben. Nun liegen diese Städte oder Paläste mitten im Lande, Milet am Meere; aber auch von kleinen Seestädten haben wir durch die Entdeckung von Gurnia

1) Hekate ist die Herrin Kariens, vgl. Roscher Lex. der Mythol. I. 2, 1885, wo sie eine Menge altoriginaler Kulte hat. Man könnte ja auch so konstruieren: Hekate nach Hesiod Theog. 439 Göttin des Fischfangs, gestellt zum Delphinsgott. Aber der Delphin ist gerade der Fisch, den man nicht fängt, weil er zu nichts nütze ist, daher seine Heiligkeit!

2) Vgl. das kretische Milatos.

an der Küste, sowie von Ansiedelungen auf den kleinen Felsinseln Psyra und Mochlos östlich der Bai von Mirabello eine Anschauung bekommen, die wir auf Milet übertragen dürfen. Als Hafen diente eine offene Bucht, vom Lande aus war ein Angriff nicht zu gewärtigen: so entbehrte man nicht, was man nicht brauchte.

Und Milet ist nicht die einzige kretische Kolonie jener Zeit; in langer Reihe ziehen sich gleichartige Spuren von Ephesos südlich die Küste entlang bis nach Kypros und Palästina, Kolonien, die nach dem einmütigen Zeugnis der Funde sämtlich erst nach der Zerstörung der kretischen Paläste, nach 1400 gegründet sind. Weiter nördlich reichen die Spuren, soweit wir bisher wissen, nicht, während die Besetzung von Lykien mit in diese scheinbar systematische Kolonisation hineingehört, wenn wir es dem Herodot wenigstens glauben, dass die Lykier vor Alters aus Kreta gekommen sind". Nehmen wir einmal die Hypothese an, dass es Achäer waren, die um 1400 Zentralkreta besetzten und dort die zerstörten Paläste zum Teil wieder bewohnten, so wäre es verständlich, in diesem Vorstoss nach Osten das Ausweichen der altkretischen Bevölkerung zu erkennen, die infolge von Uebervölkerung ohne nachhaltigen Widerstand den Eindringlingen Platz machte und sie z. T. nach sich zog. Dieses neue Kolonialreich ist erst dem folgenden Schube der griechischen Stämme in der ionischen Wanderung unterlegen. So tritt v. Salis mit Recht entschieden dafür ein, dass sich in Milet (und nicht bloss da) die Lücke schliesst, die für unser Wissen noch immer zwischen der mykenischen und archaisch-griechischen Kultur klafft und durch die Forschungen von Fimmen eher vergrössert als verkleinert ist. Die grossen Veränderungen im Inneren Kleinasiens, die sich im Vordringen der Karer, Lyder, Myser nachhaltig der Küste mitteilen, helfen die Zeit zu füllen, während der wir ein jahrhundertelanges Vegetieren der kretischen Ansiedelungen, ein langsames Ausleben ihrer Kultur in der Tat annehmen können. Geblieben sind sie; denn das Delphinion ist, wenn schon das kretische Milatos 1) denselben Gott verehrte, nicht erst von den Ioniern gegründet. Die Einwohner müssen sich sowohl mit den Karern wie mit den Ioniern gut vertragen haben, denen beiden sie durch ihre Handelsbeziehungen wohl unentbehrlich waren.

Die Hellenen sind den Wegen, wie die Kreter sie gewiesen, allenthalben gefolgt. So folgt der Ostwanderung der Philister die teilweise Besetzung von Kypros durch Achäer, so der von Herodot erzählten Westwanderung die Besetzung Italiens und Siziliens, wenn auch geraume Zeit später; auch den Weg nach Kyrene werden die Kreter schon gekannt haben, wie die Kämpfe mit den Aegyptern und die Sage bei Herodot IV 151 zeigt. So haben Griechen, die sich offenbar nicht bloss auf Kreta mit den alten Bewohnern eingelebt hatten, im allmählichen Zuzug neben die kretischen offenen

1) Der Kult ist nicht unmittelbar bezeugt, aber nach Kret. Ap. S. 15 f. mit Sicherheit zu erschliessen.

Flecken ihre Bergstädte gelegt. Der Burgenbau war, wie die Praxis im Mutterlande zeigt, dort eine altbewährte Kunst; und zwar zeigen die älteren Burgen fast alle einen übereinstimmenden Typus: der Burgberg ist mäßig hoch, wie die Aspis in Argos, wie Mykene, das Heraion und Athen erkennen lassen, doch höher als die flachen Hügel der vorgriechischen. Siedlungen; erst Akrokorinth und die Kastelle von Argos und Orchomenos sind Beispiele der späteren Hochburg. Nicht alles Volk wird auf der Burg haben wohnen können; so bildet sich die Unterstadt, die wir deutlich in Athen (vgl. S. 19) erkennen können. Auch Argos, Tiryns, Mykene sind so angelegt, ebenso Megara, Aphidnai, Theben, Krisa u. a. m. Kommt das Meer irgendwo in Frage, so wohnt man nicht unmittelbar am Wasser 1), aus Furcht vor der infolge mangelnder Seepolizei blühenden Seeräuberei, die einen Hauptsitz in Karien gehabt hat; eine leidlich geschützte Bucht wie die von Phaleron bei Athen in nicht allzugrosser Entfernung gilt für genügend; erst später hat man die Vorzüge eines geschlossenen Hafens wie des Piräus schätzen gelernt.

Bei Milet lag die Sache insofern anders, als bereits eine Niederlassung bestand. Man brauchte nur den nicht weit gelegenen Kalabaktepe zu besetzen, um ganz in heimischer Weise leben und doch die Vorteile des Seeverkehrs geniessen zu können. Seeräubereien waren in dem Heimatlande dieses Handwerks nicht zu befürchten, da man entweder selbst beteiligt war oder sich wehren konnte. So hat das älteste griechische Milet sich neben die alte Siedelung unter Benutzung der Burg gelegt und nur den Markt in der Unterstadt am Atheneheiligtum 2) an dem Punkte gehabt, auf den noch heute die Feststrasse von Didyma her hinweist, ehe sie den Knick nach dem neuen Markt macht. Zwar lässt das erhaltene Stück Stadtmauer vermuten, dass sie nicht kreisförmig um die Akropolis lief, sondern als Sperrmauer die ganze Halbinsel abschloss, so wie es um 540 die Knidier gegen Harpagos haben machen wollen, und wie es nicht viel früher Miltiades auf dem Chersones nach

1) Die Hinunterverlegung ans Meer ist von Paus. 3. 2. 7 auf Kreta ausdrücklich unter König Alkamenes von Sparta kurz vor Ol. 1. 1 bezeugt.

2) Das Atheneheiligtum der kretischen Kolonie, das gleiche in Ephesos und Priene, Athene im homerischen Troia, ihre häufige Verehrung auf Kreta gerade als Polisuchos und in der singulären und altertümlichen Form der Muttergottheit (vgl. S. 17 Anm. 2), an die auch das alte Kultbild auf der Burg von Athen erinnert, vgl. Frickenhaus A. M. 1908, S. 17 ff. legen den Gedanken nahe, hier ursprüngliche Eigenschaften der Göttin zu vermuten, deren Name mit den Mitteln der griechischen Sprache noch nicht erklärt ist und auch wohl nie erklärt werden wird. Die ungriechische Herkunft der Athene wird uns weiter noch beschäftigen. Wenn wir so gezwungen werden, unsere bisherige Vorstellung von der lanzenschwingenden, aus dem Haupte des Zeus geborenen Jungfrau erheblich zu reduzieren, so erfordert das eine gewisse Bereitwilligkeit, um das Trägheitsmoment des Traditionellen zu überwinden. Aber die Tatsachen sprechen zu deutlich und können eben aus der traditionellen Vorstellung heraus nicht erklärt werden.

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