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,,Ich habe noch diesen Morgen, setzte Börne hinzu, ihn bewundert, als ich in diesem Buche, das hier auf meinem Tische liegt er zeige auf Thiers Revolutionsgeschichte, die vortreffliche Anekdote las, wie Napoleon zu Udine eine Entrevue mit Kobentzel hat, und im Eifer des Gesprächs das Porzelan zerschlägt, das Kobentzel einst von der Kaiserin Catharina erhalten, und gewiss sehr liebte. Dieses zerschlagene Porzelan hat vielleicht den Frieden von Campo Formio herbeigeführt. Der Kobentzel dachte gewiss: mein Kaiser hat soviel Porzelan, und das giebt ein Unglück, wenn der Kerl nach Wien käme und gar zu feurig in Eifer geriethe: das beste ist, wir machen mit ihm Friede. Wahrscheinlich in jener Stunde, als zu Udine das Porzelanservice von Kobentzel zu Boden purzelte und in lauter Scherben zerbrach, zitterte zu Wien alles Porzelan, und nicht bloss die Kaffekannen und Tassen, sondern auch die chinesischen Pagoden, sie nickten mit den Köpfen vielleicht hastiger als je, und der Friede wurde ratifizirt. In Bilderläden sieht man den Napoleon gewöhnlich, wie er auf bäumendem Ross den Simplon besteigt, wie er mit hochgeschwungener Fahne über die Brücke von Lodi stürmt u.s. w. Wenn ich aber ein Maler wäre, so würde ich ihn darstellen, wie er das Service von Kobentzel zerschlägt. Das war seine erfolgreichste That. Jeder König fürchtete seitdem für sein Porzelan, und gar besondere Angst überkam die Berliner wegen ihrer grossen Porzelanfabrik. Sie haben keinen Begriff davon, liebster Heine, wie man durch den Besitz von schönem Por

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zelan im Zaum gehalten wird. Sehen Sie z. B. mich, der ich einst so wild war, als ich wenig Gepäck hatte und gar kein Porzelan. Mit dem Besitzthum, und gar mit gebrechlichen Besitzthum kommt die Furcht und die Knechtschaft. Ich habe mir leider vor kurzem ein schönes Theeservice angeschafft die Kanne war so lockend prächtig vergoldet auf der Zuckerdose war das eheliche Glück abgemalt, zwei Liebende, die sich schnäbeln auf der einen Tasse der Katharinenthurm, auf einer andern die Konstablerwache, lauter vaterländische Gegenden auf den übrigen Tassen. Ich habe wahrhaftig jetzt meine liebe Sorge, dass ich in meiner Dummheit nicht zu frei schreibe und plötzlich flüchten müsste. Wie könnte ich in der Geschwindigkeit all' diese Tassen und gar die grosse Kanne einpacken? In der Eile könnten sie zerbrochen werden, und zurücklassen möchte ich sie in keinem Falle. Ja wir Menschen sind sonderbare Käutze! Derselbe Mensch, der vielleicht Ruhe und Freude seines Lebens, ja das Leben selbst aufs Spiel setzen würde, um seine Meinungsfreiheit zu behaupten, der will doch nicht gern ein paar Tassen verlieren, und wird ein schweigender Sklave, um seine Theekanne zu conserviren. Wahrhaftig, ich fühle, wie das verdammte Porzelan mich im Schreiben hemmt, ich werde so milde, so vorsichtig, so ängstlich. Am Ende glaub' ich gar, der Porzelanhändler war ein östreichischer Polizeiagent und Metternich hat mir das Porzelan auf den Hals geladen, um mich zu zähmen. Ja, ja, desshalb war es so wohlfeil und der Mann war so beredsam. Ach! die Zuckerdose mit dem ehelichen Glück war eine so süsse

...

Lockspeise! Ja, je mehr ich mein Porzelan betrachte, desto wahrscheinlicher wird mir der Gedanke, dass es von Metternich herrührt. Ich verdenke es ihm nicht im Mindesten, dass man mir auf solche Weise beizukommen sucht. Wenn man kluge Mittel gegen mich anwendet, werde ich nie unwirsch; nur die Plumpheit und die Dummheit ist mir unausstehlich. Da ist aber unser frankfurter Senat

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Ich habe meine Gründe, den Mann nicht weiter sprechen zu lassen, und bemerke nur, dass er am Ende seiner Rede mit gutmüthigem Lachen ausrief:

„Aber noch bin ich stark genug, meine Porzelanfesseln zu brechen, und macht man mir den Kopf warm, wahrhaftig, die schöne vergoldete Theekanne fliegt zum Fenster hinaus mitsammt der Zuckerdose und dem ehelichen Glück und dem Katharinenthurm und der Konstablerwache und den vaterländischen Gegenden, und ich bin dann wieder ein freier Mann, nach wie vor!"

Börne's Humor, wovon ich eben ein sprechendes Beispiel gegeben, unterschied sich von dem Humor Jean Paul's dadurch, dass letzterer gern die entferntesten Dinge ineinanderrührte, während jener, wie ein lustiges Kind, nur nach dem Nahliegenden griff, und während die Phantasie des konfusen Polyhistors von Bayreuth in der Rumpelkammer aller Zeiten herumkramte und mit Siebenmeilenstiefeln alle Weltgegenden durchschweifte, hatte Börne nur den gegenwärtigen Tag in Auge und die Gegenstände, die ihn beschäf

tigten, lagen alle in seinem räumlichen Gesichtskreis. Er besprach das Buch, das er eben gelesen, das Ereigniss, das eben vorfiel, den Stein, an den er sich eben gestossen, Rothschild, an dessen Haus er täglich vorbeiging, den Bundestag, der auf der Zeil residirt, und den er ebenfalls an Ort und Stelle hassen konnte, endlich alle Gedankenwege führten ihn zu Metternich. Sein Groll gegen Goethe hatte vielleicht ebenfalls örtliche Anfänge; ich sage Anfänge, nicht Ursachen; denn wenn auch der Umstand, dass Frankfurt ihre gemeinschaftliche Vaterstadt war, Börne's Aufmerksamkeit zunächst auf Goethe lenkte, so war doch der Hass, der gegen diesen Mann in ihm brannte und immer leidenschaftlicher entloderte, nur die nothwendige Folge einer tiefen in der Natur beider Männer begründeten Differenz. Hier wirkte keine kleinliche Schelsucht, sondern ein uneigennütziger Widerwille, der augebornen Trieben gehorcht, ein Hader, welcher, alt wie die Welt, sich in allen Geschichten des Menschengeschlechts kund giebt, und am grellsten hervortrat in dem Zweikampfe, welchen der judäische Spiritualismus gegen hellenische Lebensherrlichkeit führte, ein Zweikampf, der noch immer nicht entschieden ist und vielleicht nie ausgekämpft wird: der kleine Nazarener hasste den grossen Griechen, der noch dazu ein griechischer Gott war.

Das Werk von Wolfgang Menzel war eben erschienen, und Börne freute sich kindisch, dass jemand gekommen sey, der den Muth zeige so rücksichtlos gegen Goethe aufzutreten.

,,Der Respekt" setzte er naiv hinzu,,,hat mich immer

davon abgehalten, dergleichen öffentlich auszusprechen. Der Menzel, der hat Muth, der ist ein ehrlicher Mann, und ein Gelehrter; den müssen sie kennen lernen, an dem werden wir noch viele Freude erleben; der hat viel Courage, der ist ein grundehrlicher Mann, und ein grosser Gelehrter! An dem Goethe ist gar nichts, er ist eine Memme, ein serviler Schmeichler und ein Dilettant."

Auf dieses Thema kam er oft zurück; ich musste ihm versprechen, in Stuttgart den Menzel zn besuchen, und er schrieb mir gleich zu diesem Behufe eine Empfehlungskarte, und ich höre ihn noch eifrig hinzusetzen: der hat Muth, ausserordentlich viel Courage, der ist ein braver, grund ehrlicher Mann und ein grosser Gelehrter!

Wie in seinen Aeusserungen über Goethe, so auch in seiner Beurtheilung anderer Schriftsteller, verrieth Börne seine nazarenische Beschränktheit. Ich sage nazarenisch, um mich weder des Ausdrucks „jüdisch” noch,,christlich" zu bedienen, obgleich beide Ausdrücke für mich synonym sind und von mir nicht gebraucht werden, um einen Glauben, sondern um ein Naturell zu bezeichnen. „Juden" und „Christen" sind für mich ganz sinnverwandte Worte im Gegensatz zu „Hellenen,” mit welchem Namen ich ebenfalls kein bestimmtes Volk, sondern eine sowohl angeborne als angebildete Geistesrichtung und Anschauungsweise bezeichne. In dieser Beziehung möchte ich sagen: alle Menschen sind entweder Juden oder Hellenen, Menschen mit

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