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ascetischen, bildfeindlichen, vergeistigungssüchtigen Trieben, oder Menschen von lebensheiterem, entfaltungsstolzem und realistischem Wesen. So gab es Hellenen in deutschen Prädigerfamilien, und Juden, die in Athen geboren und vielleicht von Theseus abstammen. Der Bart macht nicht den Juden, oder der Zopf macht nicht den Chrlsten, kann man hier mit Recht sagen. Börne war ganz Nazarener, seine Antipathie gegen Goethe ging unmittelbar hervor aus seinem nazarenischen Gemüthe, seine spätere politische Exaltazion war begründet in jenem schroffen Ascetismus, jenem Durst nach Märtyrthum, der überhaupt bei den Republikanern gefunden wird, den sie republikanische Tugend nennen und der von der Passionssucht der früheren Christen so wenig verschieden ist. In seiner spätern Zeit wendete sich Börne sogar zum historischen Christenthum, er sank fast in den Katholizismus, er fraternisirte mit dem Pfaffen Lamenais und verfiel in den widerwärtigsten Kapuzinerton, als er sich einst über einen Nachfolger Goethe's, einen Pantheisten von der heitern Observanz, öffentlich aussprach. Psychologisch merkwürdig ist die Untersuchung, wie in Börne's Seele allmählig das eingeborene Christenthum emporstieg, nachdem es lange niedergehalten worden von seinem scharfen Verstand und seiner Lustigkeit. Ich sage Lustigkeit, gaité, nicht Freude, joie; die Nazarener haben zuweilen eine gewisse springende gute Laune, eine witzige eichkätzchenhafte Munterkeit, gar lieblich kapriziös, gar süss, auch glänzend, worauf aber bald eine starre Gemüthsvertrübung folgt: es fehlt ihnen die Majestät der Genussseligkeit, HEINE, Börne.

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die nur bei bewussten

Göttern gefunden wird.

Ist aber in unserem Sinne kein grosser Unterschied zwischen Juden und Christen, so existirt dergleichen desto herber in der Weltbetrachtung frankfurter Philister; über die Missstände, die sich daraus ergeben, sprach Börne sehr viel und sehr oft während den drei Tagen, die ich ihm zu Liebe in der freien Reichsund Handelsstadt Frankfurt am Mayn verweilte.

Ja, mit drolliger Güte drang er mir das Versprechen ab, ihm drei Tage meines Lebens zu schenken, er liess mich nicht mehr von sich, und ich musste mit ihm in der Stadt herumlaufen, allerlei Freunde besuchen, auch Freundinnen, z. B. Madame Wohl auf dem Wollgraben. Diese Madame Wohl auf dem Wollgraben ist die bekannte Freiheitsgöttin, an welche späterhin die Briefe aus Paris adressirt wurden. Ich sah eine magere Person, deren gelblich weisses, pockennarbiges Gesicht einem alten Matzekuchen glich. Trotz ihrem Aeussern und obgleich ihre Stimme kreischend war, wie eine Thüre, die sich auf rostigen Angeln bewegt, so gefiel mir doch alles, was die Person sagte; sie sprach nämlich mit grossem Enthusiasmus von meinen Werken. Ich erinnere mich, dass sie ihren Freund in grosse Verlegenheit setzte, als sie ausplaudern wollte, was er ihr bei unserm Eintritt ins Ohr geflüstert; Börne ward roth wie ein Mädchen, als sie, trotz seiner Bitten, mir verrieth, er habe sich geäussert: mein Besuch sey für ihn eine grössere Ehre, als wenn ihn Goethe besucht hätte. Wenn ich jetzt bedenke, wie

schlecht er schon damals von Goethe dachte, so darf ich mir jene Ausserung nicht als ein allzugrosses Compliment anrechnen.

Ueber das Verhältniss Börne's zu der erwähnten Dame erfuhr ich damals eben so wenig Bestimmtes, wie andere Leute. Auch war es mir gleichgültig, ob jenes Verhältniss warm oder kühl, feucht oder trocken war. Die böse Welt behauptete, Herr Börne sässe bei Madame Wohl auf dem Wollgraben so recht in der Wolle; die ganz böse Welt zischelte: es herrsche zwischen beiden nur eine abstrakte Seelen-Verbindung, ihre Liebe sey platonisch.

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Was mich betrifft, so interessirt mich bei ausgezeichneten Leuten der Gegenstand ihrer Liebesgefühle immer weniger, als das Gefühl der Liebe selbst. Letzteres aber das weiss ich muss bei Börne sehr stark gewesen seyn. Wie später bei der Lekture seiner gesammelten Schriften, so schon in Frankfurt durch manche hingeworfene Aeusserung, merkte ich, dass Börne zu verschiedenen Jahrzeiten seines Lebens von den Tücken des kleinen Gottes weidlich geplagt worden. Namentlich von den Qualen der Eifersucht weiss er viel zu sagen, wie denn überhaupt die Eifersucht in seinem Charakter lag, und ihn, im Leben wie in der Politik, alle Erscheinungen durch die gelbe Lupe des Misstrauens betrachten liess. Ich erwähnte, dass Börne zu verschiedenen Zeiten seines Lebens von Liebesleiden heimgesucht worden.

,Ach," seufzte er einmal wie aus der Tiefe Schmerzlicher Erinnerungen,,,in spätern Jahren ist diese Leidenschaft noch weit gefährlicher als in der Jugend. Man sollte es kaum glauben, da sich doch mit dem Alter auch unsere Vernunft entwickelt hat, und diese uns unterstützen könnte im Kampfe mit der Leidenschaft. Saubere Unterstützung! Merken Sie sich das: die Vernunft hilft uns nur, jene kleinen Kaprizen zu bekämpfen, die wir auch ohne ihre Intervenzion bald überwinden würden. Aber sobald sich eine grosse wahre Leidenschaft unseres Herzens bemächtigt hat, und un'terdrückt werden soll, wegen des positiven Schadens, der uns dadurch bedroht, alsdann gewährt uns die Vernunft wenig Hülfe, ja, die Canaille, sie wird alsdann sogar eine Bundesgenossin des Feindes, und anstatt unsere materiellen oder moralischen Interessen zu vertreten, leiht sie dem Feinde, der Leidenschaft, alle ihre Logik, alle ihre Sillogismen, alle ihre Sophismen, und dem stummen Wahnsinn liefert sie die Waffe des Wortes. Vernünftig, wie sie ist, schlägt sich die Vernunft immer zur Parthei des Stärkern, zur Parthei der Leidenschaft, und verlässt sie wieder, sobald die Force derselben durch die Gewalt der Zeit oder durch das Gesetz der Reakzion gebrochen wird. Wie verhöhnt sie alsdann die Gefühle, die sie kurz vorher so eifrig rechtfertigte! Misstrauen Sie, lieber Freund, in der Leidenschaft immer der Sprache der Vernunft, und ist die Leidenschaft erloschen, so misstrauen Sie ihr ebenfalls, und seyen Sie nicht ungerecht gegen ihr Herz !"

Nachdem Börne mir Madame Wohl auf dem Wollgraben gezeigt, wollte er mich auch die übrigen Merk

würdigkeiten Frankfurts sehen lassen, und vergnügt im gemüthlichsten Hundetrapp, lief er mir zur Seite, als wir durch die Strassen wanderten. Ein wunderliches Ansehen gab ihm sein kurzes Mäntelchen und sein weisses Hütchen, welches zur Hälfte mit einem schwarzen Flor umwickelt war. Der schwarze Flor bedeutete den Tod seines Vaters, welcher ihn bei Lebzeiten sehr knapp gehalten, ihm jetzt aber auf einmal viel Geld hinterliess. Börne schien damals die angenehmen Empfindungen solcher Glücksveränderungen noch in sich zu tragen, und überhaupt im Zenith des. Wohlbehagens zu stehen. Er klagte sogar über seine Gesundheit, d. h. er klagte, er werde täglich gesünder und mit der zunehmenden Gesundheit schwänden seine geistigen Fähigkeiten. „Ich bin zu gesund und kann nichts mehr schreiben,” klagte er im Scherz, vielleicht auch im Ernst, denn bei solchen Naturen ist das Talent abhängig von gewissen krankhaften Zuständen, von einer gewissen Reizbarkeit, die ihre Empfindungsund Ausdrucksweise steigert, und die mit der eintretenden Gesundheit wieder verschwindet. „Er hat mich bis zur Dummheit kurirt," sagte Börne von seinem Arzte, zu welchem er mich führte, und in dessen Haus ich auch mit ihm speiste.

Die Gegenstände, womit Börne in zufällige Berührung kam, gaben seinem Geiste nicht bloss die nächste Beschäftigung, sondern wirkten auch unmittelbar auf die Stimmung seines Geistes, und mit ihrem Wechsel stand seine gute oder böse Laune in unmittelbarer Verbindung. Wie das Meer von den vorüberziehenden

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