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Krieg führen will, muss alle möglichen Gifte vertragen können, nicht bloss plumpen Arsenik, sondern auch einschläferndes phantastisches Opium, und gar das schleichende Aquatofana der Verläumdung! Wie gefällt Ihnen der Knabe, der so lange Beine hat und ein so unzufrieden aufgestülptes Näschen? Den jückt es vielleicht, ein Catilina zu werden, er hat auch lange Finger und er wird einmal den Ciceros unserer Republik, den gepuderten Vätern des Vaterlandes, eine Gelegenheit geben, sich mit langen schlechten Reden zu blamiren. Der dort, der arme kränkliche Bub, möchte gewiss weit lieber die Rolle des Brutus spielen... Armer Junge, Du wirst keinen Cäsar finden, und musst Dich begnügen, einige alte Perücken mit Worten zu erstechen, und wirst Dich endlich, nicht in Dein Schwert, sondern in die Schelling'sche Philosophie stürzen und verrückt werden! Ich habe Respekt für diese Kleinen, die sich den ganzen Tag für die hochherzigsten Geschichten der Menschheit interessiren, während ihre Väter nur für das Steigen oder Fallen der Staatspapiere Interesse fühlen, und an Caffebohnen und Cochenille und Manufakturwaaren denken! Ich hätte nicht übel Lust, dem kleinen Brutus dort eine Tüte mit Zuckerkringeln zu kaufen. . . Nein, ich will ihm lieber Brantewein zu trinken geben, damit er klein bleibe. . . Nur so lange wir klein sind, sind wir ganz uneigennützig, ganz heldenmüthig, ganz heroisch... Mit dem wachsenden Leib schrumpft die Seele immer mehr ein . . . Ich fühle es an mir selber... Ach, ich bin ein grosser Mann gewesen, als ich noch ein kleiner Junge war!"

Als wir über den Römerberg kamen, wollte Börne mich in die alte Kaiserburg hinaufführen, um dort die goldene Bulle zu betrachten.

,,Ich habe sie noch nie gesehen," seufzte er,,,und seit meiner Kindheit hegte ich immer eine geheime Sehnsucht nach dieser goldnen Bulle. Als Knabe machte ich mir die wunderlichste Vorstellung davon und ich hielt sie für eine Kuh mit goldnen Hörnern; später bildete ich mir ein, es sey ein Kalb, und erst als ich ein 'grosser Junge ward, erfuhr ich die Wahrheit, dass sie nemlich nur eine alte Haut sey, ein nichtsnützig Stück Pergament, worauf geschrieben steht, wie Kaiser und Reich sich einander wechselseitig verkauften. Nein, lasst uns diesen miserabelen Contrakt, wodurch Deutschland zu Grunde ging, nicht betrachten; ich will sterben, ohne die goldne Bulle gesehen zu haben."

Ich übergehe hier ebenfalls die bitteren Nachbemerkungen. Es gab ein Thema, das man nur zu berühren brauchte, um die wildesten und schmerzlichsten Gedanken, die in Börne's Seele lauerten, hervorzurufen; dieses Thema war Deutschland und der politische Zustand des deutschen Volkes. Börne war Patriot vom Wirbel bis zur Zehe und das Vaterland war seine ganze' Liebe.

Als wir denselben Abend wieder durch die Judengasse gingen, und das Gespräch über die Insassen derselben wieder anknüpften, sprudelte die Quelle des

Börne'schen Geistes un so heiterer, da auch jene Strasse, die am Tage einen düsteren Anblick gewährte, jetzt aufs Fröhlichste illuminirt war, und die Kinder Israel an jenem Abend, wie mir mein Cicerone erklärte, ihr lustiges Lampenfest feierten. Dieses ist einst gestiftet worden zum ewigen Andenken an den Sieg, den die Makabäer über den König von Syrien so heldenmüthig erfochten haben.

,,Sehen Sie," sagte Börne,,,das ist der 18te October der Juden, nur dass dieser makabäische 18te October mehr als zwei Jahrtausende alt ist, und noch immer gefeiert wird, statt dass der leipziger 18te October noch nicht das funfzehnte Jahr erreicht hat, und bereits in Vergessenheit gerathen. Die Deutschen sollten bei der alten Madame Rothschild in die Schule gehen, um Patriotismus zu lernen. Sehen Sie hier, in diesem kleinen Hause wohnt die alte Frau, die Lätizia, die so viele Finanzbonaparten geboren hat, die grosse Mutter aller Anleihen, die aber trotz der Weltherrschaft ihrer königlichen Söhne noch immer ihr kleines Stammschlösschen in der Judengasse nicht verlassen will, und heute wegen des grossen Freuden festes ihre Fenster mit weissen Vorhängen geziert hat. Wie vergnügt funkeln die Lämpchen, die sie mit eigenen Händen anzündete, um jenen Siegestag zu feiern, wo Judas Makabäus und seine Brüder eben so tapfer und heldenmüthig das Vaterland befreiten, wie in unsern Tagen Friedrich Wilhelm, Alexander und Franz II. Wenn die gute Frau diese Lämpchen betrachtet, treten ihr die Thränen in die alten Augen, und sie erin

nert sich mit wehmüthiger Wonne jener jüngeren Zeit, wo der selige Meyer Anschel Rothschild, ihr theurer Gatte, das Lampenfest mit ihr feierte, und ihre Söhne noch kleine Bübchen waren und kleine Lichtchen auf den Boden pflanzten, und in kindischer Lust darüber hin- und hersprangen, wie es Brauch und Sitte ist in Israel!"

,,Der alte Rothschild," fuhr Börne fort, der Stammvater der regierenden Dynastie, war ein braver Mann, die Frömmigkeit und Gutherzigkeit selbst. Es war ein mildthätiges Gesicht mit einem spitzigen Bärtchen, auf dem Kopf ein dreieckig gehörnter Hut, und die Kleidung mehr als bescheiden, fast ärmlich. So ging er in Frankfurt herum, und beständig umgab ihn, wie ein Hofstaat, ein Haufen armer Leute, dener er Allmosen ertheilte oder mit gutem Rath zusprach; wenn man auf der Strasse eine Reihe von Bettlern antraf mit getrösteten und vergnügten Mienen, so wusste man, dass hier eben der alte Rothschild seinen Durchzug gehalten. Als ich noch ein kleines Bübchen war, und eines Freitags Abends mit meinem Vater durch die Judengasse ging, begegneten wir dem alten Rothschild, welcher eben aus der Synagoge kam; ich erinnere mich, dass er, nachdem er mit meinem Vater gesprochen, auch mir einige liebreiche Worte sagte, und dass er endlich die Hand auf meinen Kopf legte, um mich zu segnen. Ich bin fest überzeugt, diesem Rothschild'schen Segen verdanke ich es, dass späterhin, obgleich ich ein deutscher Schriftsteller wurde, doch niemals das baare Geld in meiner Tasche ganz ausging."

Ich kann nicht umhin, hier die Zwischenbemerkung einzuschalten, dass Börne immer im behaglichen Wohlstande lebte, und sein späterer Ultraliberalismus keineswegs, wie bei vielen Patrioten, dem verbissenen Ingrimm der eigenen Armuth beizumessen war. Obgleich er selber reich war, ich sage reich, nach dem Maassstabe seiner Bedürfnisse, so hegte er doch einen unergründlichen Groll gegen die Reichen. Obgleich der Segen des Vaters auf seinem Haupte ruhte, so hasste er doch die Söhne, Meyer Amsel Rothschild's Söhne.

Wie weit die persönlichen Eigenschaften dieser Männer zu jenem Hasse berechtigten, will ich hier nicht untersuchen; es wird an einem anderen Orte ausführlich geschehen. Hier möchte ich nur der Bemerkung Raum geben, dass unsere deutschen Freiheitsprediger eben so ungerecht wie thöricht handeln. wenn sie das Haus Rothschild wegen seiner politischen Bedeutung, wegen seiner Einwirkung auf die Interessen der Revoluzion, kurz wegen seines öffentlichen Charakters, mit so viel Grimm und Blutgier anfeinden. Es giebt keine stärkere Beförderer der Revoluzion als eben die Rothschilde . . . und was noch befremdlicher klingen mag: diese Rothschilde, die Banquiers der Könige, diese fürstlichen Seckelmeister, deren Existenz durch einen Umsturz des europäischen Staatensystems in die ernsthaftesten Gefahren gerathen dürfte, sie tragen dennoch im Gemüthe das Bewusstseyn ihrer revoluzionären Sendung. Namentlich ist dieses der

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