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Es war im Jahr 1815, nach Christi Geburt, dass mir der Name Börne zuerst an's Ohr klang. Ich befand mich mit meinem seligen Vater auf der Frankfurter Messe, wohin er mich mitgenommen, damit ich mich in der Welt einmal umsehe; das sei bildend. Da bot sich mir ein grosses Schauspiel. In den sogenannten Hütten, oberhalb der Zeil, sah ich die Wachsfiguren, wilde Thiere, ausserordentliche Kunst- und Naturwerke. Auch zeigte mir mein Vater die grossen, sowohl christlichen als jüdischen Magazine, worin man die Waaren 10 Procent unter den Fabrikpreis einkauft, und man doch immer betrogen wird. Auch das Rathhaus, den Römer, liess er mich sehen, wo die deutschen Kaiser gekauft wurden, 10 Procent unter den Fabrikpreis. Der Artikel ist am Ende ganz ausgegangen. Einst führte mich mein Vater ins Lesekabinet einer der A oder Logen, wo er oft soupirte, Kaffee trank, Karten spielte und sonstige FreimaurerArbeiten verrichtete. Während ich im Zeitungslesen

vertieft lag, flüsterte mir ein junger Mensch, der neben mir sass, leise ins Ohr:

,,Das ist der Doctor Börne, welcher gegen die Commödianten schreibt!"

Als ich aufblickte, sah ich einen Mann, der, nach einem Journale suchend, mehrmals im Zimmer sich hin- und herbewegte und bald wieder zur Thür hinausging. So kurz auch sein Verweilen, so blieb mir doch das ganze Wesen des Mannes im Gedächtnisse, und noch heute könnte ich ihn mit diplomatischer Treue abkonterfeyen. Er trug einen schwarzen Leibrock, der noch ganz neu glänzte, und blendend weisse Wäsche; aber er trug dergleichen nicht wie ein Stutzer, sondern mit einer wohlhabenden Nachlässigkeit, wo nicht gar mit einer verdriesslichen Indifferenz, die hinlänglich bekundete, dass er sich mit dem Knoten der weissen Kravatte nicht lange vor dem Spiegel beschäftigt, und dass er den Rock gleich angezogen, sobald ihn der Schneider gebracht, ohne lange zu prüfen, ob er zu eng oder zu weit.

Er schien weder gross noch klein von Gestalt, weder mager noch dick, sein Gesicht war weder roth noch blass, sondern von einer angerötheten Blässe oder verblassten Röthe, und was sich darin zunächst aussprach, war eine gewisse ablehnende Vornehmheit, ein gewisses Dedain, wie man es bei Menschen findet, die sich besser als ihre Stellung fühlen, aber an der Leute Anerkenntniss zweifeln. Es war nicht jene ge

heime Majestät, die man auf dem Antlitz eines Königs oder eines Genies, die sich incognito unter der Menge verborgen halten, entdecken kann; es war vielmehr jener revolutionäre, mehr oder minder titanenhafte Missmuth, den man auf den Gesichtern der Prätendenten jeder Art bemerkt. Sein Auftreten, seine Bewegung, sein Gang, hatten etwas Sicheres, Bestimmtes, Charaktervolles. Sind ausserordentliche Menschen heimlich um flossen von dem Ausstrahlen ihres Geistes? Ahnet unser Gemüth dergleichen Glorie, die wir mit den Augen des Leibes nicht sehen können? Das moralische Gewitter in einem solchen ausserordentlichen Menschen wirkt vielleicht elektrisch auf junge noch nicht abgestun pfte Gemüther, die ihm nahen, wie das materielle Gewitter auf Katzen wirkt? Ein Funken aus dem Auge des Mannes berührte mich, ich weiss nicht wie, aber ich vergass nicht diese Berührung und vergass nie den Doctor Börne, welcher gegen die Commödianten schrieb.

Ja, er war damals Theaterkritiker und übte sich an den Helden der Bretterwelt. Wie mein UniversitätsFreund Dieffenbach, als wir in Bonn studirten, überall wo er einen Hund oder eine Katze erwischte, ihnen gleich die Schwänze abschnitt, aus purer Schneidelust, was wir ihm damals, als die armen Bestien gar entsetzlich heulten, so sehr verargten, später aber ihm gern verziehen, da ihn diese Schneidelust zu dem grössten Operateur Deutschlands machte: so hat sich auch Börne zuerst an Commödianten versucht, und manchen jugendlichen Uebermuth, den er damals be

ging an den Heigeln, Weidnern, Ursprüngen und dergleichen unschuldigen Thieren, die seitdem ohne Schwänze herumlaufen, muss man ihm zu Gute halten für die besseren Dienste, die er später als grosser politischer Operateur mit seiner gewetzten Kritik zu leisten verstand.

Es war Varnhagen von Ense, welcher etwa zehn Jahre nach dem erwähnten Begegnisse den Namen Börne wieder in meiner Erinnerung heraufrief, und mir Aufsätze des Mannes, namentlich in der „Wage” und in den „Zeitschwingen” zu lesen gab. Der Ton, womit er mir diese Lectüre empfahl, war bedeutsam dringend, und das Lächeln, welches um die Lippen der anwesenden Rahel schwebte, jenes wohlbekannte, räthselhaft wehmüthige, vernunftvoll mystische Lächeln, gab der Empfehlung ein noch grösseres Gewicht. Rahel schien nicht bloss auf literarischem Wege über Börne unterrichtet zu seyn, und wie ich mich erinnere, versicherte sie bei dieser Gelegenheit: es existirten Briefe, die Börne einst an eine geliebte Person gerichtet habe, und worin sein leidenschaftlicher hoher Geist sich noch glänzender als in seinen gedruckten Aufsätzen ausspräche. Auch über seinen Styl äusserte sich Rahel, und zwar mit Worten, die jeder, der mit ihrer Sprache nicht vertraut ist, sehr missverstehen möchte; sie sagte: Börne kann nicht schreiben, eben so wenig wie ich oder Jean Paul. Unter schreiben verstand sie nämlich die ruhige Anordnung, so zu sagen die Redakzion der Gedanken, die logische Zusammensetzung der Redetheile, kurz jene Kunst des

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