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wie vorher die Flucht ergreift, und dieses Spiel bestän dig wiederholend, dennoch niemals weiter kommt .. Auch die Menschheit bewegt sich nach den Gesetzen von Ebb und Fluth, und vielleicht auch auf die Geisterwelt übt der Mond seine syderischen Einflüsse.

Es ist heute junges Licht, und trotz aller wehmüthigen Zweifelsucht, womit sich meine Seele hin- und herquält, beschleichen mich wunderliche Ahnungen... Es geschieht jetzt etwas ausserordentlich in der Welt... Die See riecht nach Kuchen, und die Wolkenmönche sahen vorige Nacht so traurig aus, so betrübt ...

Ich wandelte einsam am Strand in der Abenddämmerung. Ringsum herrschte feyerliche Stille. Der hochgewölbte Himmel glich der Kuppel einer gothischen Kirche. Wie unzählige Lampen hingen darin die Sterne; aber sie brannten düster und zitternd. Wie eine Wasserorgel rauschten die Meereswellen; stürmische Choräle, schmerzlich verzweiflungsvoll, jedoch mitunter auch triumphirend. Ueber mir ein luftiger Zug von weissen Wolkenbildern, die wie Mönche aussahen, alle gebeugten Hauptes und kummervollen Blickes dahinziehend, eine traurige Prozession ... Es sah fast aus als ob sie einer Leiche folgten... Wer wird begraben? Wer ist gestorben? sprach ich zu mir selber Ist der grosse Pan todt?

Helgoland, den 6. August.

Während sein Heer mit den Longobarden kämpfte, sass der König der Heruler ruhig in seinem Zelte und spielte Schach. Er bedrohte mit dem Tode denjenigen, der ihm eine Niederlage melden würde. Der Späher, der, auf einem Baume sitzend, dem Kampfe zuschaute, rief immer: wir siegen! wir siegen! bis er endlich laut aufscufzte: „Unglücklicher König! Unglückliches Volk der Heruler!" Da merkte der König, dass die Schlacht verloren, aber zu spät! Denn die Longobarden drangen zu gleicher Zeit in sein Zelt und erstachen ihn...

Eben diese Geschichte las ich im Paul Varnefrid, als das dicke Zeitungspaquet mit den warmen, glühend heissen Neuigkeiten vom festen Lande ankam. Es waren Sonnenstrahlen, eingewickelt in Druckpapier, und sie entflammten meine Seele, bis zum wildesten Brand. Mir war als könnte ich den ganzen Ocean bis zum Nordpol anzünden mit den Gluthen der Begeisterung und der tollen Freude, die in mir loderten. Jetzt weiss ich auch, warum die ganze See nach Kuchen roch. Der Seine-Fluss hatte die gute Nachricht unmittelbar ins Meer verbreitet, und in ihren Kristallpalästen haben die schönen Wasserfrauen, die von jeher allem Heldenthum hold, gleich einen Thee-dansant

gegeben, zur Feyer der grossen Begebenheiten, und deshalb roch das ganze Meer nach Kuchen. Ich lief wie wahnsinnig im Hause herum, und küsste zuerst die dicke Wirthin, und dann ihren freundlichen Seewolf, auch umarmte ich den preussischen Justizkommissarius, um dessen Lippen freylich das frostige Lächeln des Unglaubens nicht ganz verschwand. Sogar den Holländer drückte ich an mein Herz . . . Aber dieses indifferente Fettgesicht blieb kühl und ruhig, und ich glaube, wär ihm die Juliussonne in Person um den Hals gefallen, Mynheer würde nur in einen gelinden Schweiss, aber keineswegs in Flammen gerathen seyn. Diese Nüchternheit in Mitten einer allgemeinen Begeisterung ist empörend. Wie die Spartaner ihre Kinder vor der Trunkenheit bewahrten, indem sie ihnen als warnendes Beyspiel einen berauschten Heloten zeigten: so sollten wir in unseren Erziehungsanstalten einen Holländer füttern, dessen sympathielose, gehäbige Fischnatur den Kindern einen Abscheu vor der Nüchternheit einflössen möge. Wahrlich diese holländische Nüchternheit ist ein weit fataleres Laster als die Besoffenheit eines Heloten. Ich möchte Mynherr prügeln...

Aber nein, keine Excesse! Die Pariser haben uns ein so brillantes Beyspiel von Schonung gegeben. Wahrlich, Ihr verdient es frey zu seyn, Ihr Franzosen, denn Ihr tragt die Freyheit im Herzen. Dadurch unterscheidet Ihr Euch von Euren armen Vätern, welche sich aus jahrtausendlicher Knechtschaft erhoben, und bey allen ihren Heldenthaten auch jene wahnsinnige

Greuel ausübten, worüber der Genius der Menschheit sein Antlitz verhüllte. Die Hände des Volks sind diesmal nur blutig geworden im Schlachtgewühle gerechter Gegenwehr, nicht nach dem Kampf. Das Volk verband selbst die Wunden seiner Feinde, und als die That abgethan war, ging es wieder ruhig an seine Tagesbeschäftigung, ohne für die grosse Arbeit auch nur ein Trinkgeld verlangt zu haben!

,,Den Sklaven, wenn er die Kette bricht,

Den freyen Mann, den fürchte nicht!"

Du siehst wie berauscht ich bin, wie ausser mir, wie allgemein ich zitire Schillers Glocke.

...

Und den alten Knaben, dessen unverbesserliche Thorheit so viel Bürgerblut gekostet, haben die Parirer mit rührender Schonung behandelt. Er sass wirklich beim Schachspiel, wie der König der Heruler, als die Sieger in sein Zelt stürzten. Mit zitternder Hand unterzeichnete er die Abdankung. Er hat die Wahrheit nicht hören wollen. Er behielt ein offnes Ohr nur für die Lüge der Höflinge. Diese riefen immer: wir siegen! wir siegen! Unbegreiflich war diese Zuversicht des königlichen Thoren . . . Verwundert blickte er auf, als das Journal-des-Debats, wie einst der Wächter während der Longobardenschlacht plötzlich aufrief: malheureux roi! malheureuse France!

Mit ihm, mit Carl X., hat endlich das Reich Carls des Grossen ein Ende, wie das Reich des Romulus sich endigte mit Romulus Augustulus. Wie einst ein neues Rom, so beginnt jetzt ein neues Frankreich.

Es ist mir alles noch wie ein Traum; besonders der Name Lafayette klingt mir wie eine Sage aus der frühesten Kindheit. Sitzt er wirklich jetzt wieder zu Pferde, kommandirend die Nazionalgarde? Ich fürchte fast, es sey nicht wahr, denn es ist gedruckt. Ich will selbst nach Paris gehen, um mich mit leiblichen Augen davon zu überzeugen... Es muss prächtig aussehen, wenn er dort durch die Strassen reitet, der Bürger beider Welten, der göttergleiche Greis, die silbernen Locken herabwallend über die heilige Schulter . . Er grüsst mit den alten lieben Augen die Enkel jener Väter, die einst mit ihm kämpften für Freyheit und Gleichheit... Es sind jetzt sechzig Jahr, dass er aus Amerika zurückgekehrt mit der Erklärung der Menschheitsrechte, den zehn Geboten des neuen Weltglaubens, die ihm dort offenbart wurden unter Kanonnendonner und Blitz. . . Dabey weht wieder auf den Thürmen von Paris die dreyfarbige Fahne und es klingt die Marseillaise!

Lafayette, die dreyfarbige Fahne, die Marseillaise... Ich bin wie berauscht. Kühne Hoffnungen steigen leidenschaftlich empor, wie Bäume mit goldenen Früchten und wilden, wachsenden Zweigen, die ihr Laubwerk weit ausstrecken bis in die Wolken . . . Die Wolken aber im raschen Fluge entwurzeln diese Riesenbäume und jagen damit von dannen. Der Himmel hängt voller Violinen und auch ich rieche es jetzt, die See duftet nach frischgebackenen Kuchen. Das ist ein beständiges Geigen da droben in himmelblauer Freudig

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