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zu begreifen, und die Folgen danach würdigen zu können. Der Kurs der Staatspapiere und des Diskonto's ist freilich ein politischer Thermometer, aber man würde sich irren, wenn man glaubte, dieser Thermometer zeige den Siegesgrad der einen oder der anderen grosen Fragen, die jetzt die Menschheit bewegen. Das Steigen oder Fallen der Kurse beweist nicht das Steigen oder Fallen der liberalen oder servilen Partei, sondern die grössere oder geringere Hoffnung, die man hegt für die Pazifikation Europa's, für die Erhaltung des Bestehenden, oder vielmehr für die Sicherung der Verhältnisse, wovon die Auszahlung der Staats-chuldzinsen abhängt.

In dieser beschränkten Auffassung, bei allen möglichen Vorkommenheiten, sind die Börsenspekulanten bewunderungswürdig. Ungestört von allen geistigen Aufregungen haben sie ihren Sinn allein auf alles Faktische gewendet, und fast mit thierischem Gefühle, wie Wetterfrösche, erkennen sie, ob irgend ein Ereignis, das scheinbar beruhigend aussieht, nicht eine Quelle künfstiger Stürme seyn wird, oder ob ein grosses Misgeschick nicht am Ende dazu diene, die Ruhe zu konsolidiren. Bei dem Falle Warschau's frug man nicht: Wie viel Unheil wird für die Menschheit dadurch entstehen? sondern: Wird der Sieg des Kantschu's die Unruhestifter, d. h. die Freunde der Freiheit, entmuthigen? Durch die Bejahung dieser Frage stieg der Kurs. Erhielte man heute an der Börse plötzlich die telegraphische Nachricht, das Hr. Talleyrand an eine Vergeltung nach dem Tode glaube, so würden die französischen Staatspapiere gleich um

zehn Procent fallen; denn man könnte fürchten. er werde sich mit Gott zu versöhnen suchen, und dem Ludwig Philipp und dem ganzen Juste-milieu entsagen, und sie sakrifiziren, und die schöne Ruhe, deren wir jetzt geniessen, aufs Spiel setzen. Weder Seyn noch Nichtseyn, sondern Rn he oder Unruhe, ist die grosse Frage der Börse. Danach richtet sich auch der Diskonto. In unruhiger Zeit ist das Geld ängstlich. zieht sich in die Kisten der Reichen, wie in eine Festung, zurück, hält sich eingezogen; der Diskonto steigt. In ruhiger Zeit wird das Geld wieder sorglos, bietet sich preis, zeigt sich öffentlich, ist sehr herablassend; der Diskonto ist niedrig. So ein alter Louisd'or hat mehr Verstand als ein Mensch, und weiss am besten, ob es Krieg oder Frieden gibt. Vielleicht durch den guten Umgang mit Geld haben die Leute der Börse ebenfalls eine Art von politischem Instinkte bekommen, und während in der letzten Zeit die tiefsten Denker nur Krieg erwarteten, blieben sie ganz ruhig und glaubten an die Erhaltung des Friedens. Frug man einen derselben nach seinen Gründen, so liess er sich, wie Sir John, keine Gründe abzwingen, sondern behauptete immer: Das ist meine Idee.

In dieser Idee ist die Börse seitdem sehr erstarkt, und nicht einmal der Tod Periers konnte sie auf eine andere Idee bringen. Freilich; sie war längst auf diesen Fall vorbereitet, und zudem bildet man sich ein, sein Friedenssystem überlebe ihn und stehe fest durch den Willen des Könings. Aber diese gänzliche Indifferenz bei der Todesnachricht Periers hat mich widerwärtig berührt. Anstandshalber hätte die Börse

doch wenigstens durch eine kleine Baisse ihre Betrübniss an den Tag legen müssen. Aber nein, nicht einmal ein Achtel Prozent, nicht einmal ein Achtel Trauerprozent sind die Staatspapiere gefallen bei dem Tode Casimir Periers, des grossen Banquierministers!

Bei Periers Begräbniss zeigte sich wie bei seinem Tode die kühlste Indifferenz. Es war ein Schauspiel wie jedes andere; das Wetter war schön, und Hunderttausende von Menschen waren auf den Beinen, um den Leichenzug zu sehen, der sich lang und gleichgültig, über die Boulevards, nach Pere-LaChaise dahinzog- Auf vielen Gesichtern ein Lächeln, auf andern die laueste Werkeltagstimmung, auf den meisten nur Ennui. Unzählig viel Militair, wie es sich kaum ziemte für den Friedensheld des Entwaffnungssystems. Viel Nationalgarden und Gendarmen. Dabei auch die Kanoniere mit ihren Kanonen, welche letztere mit Recht trauern konnten, denn sie hatten gute Tage unter Perier, gleichsam eine Sinekur. Das Volk betrachtete Alles mit einer seltsamen Apathie; es zeigte weder Hass noch Liebe; der Feind der Begeisterung wurde begraben, und Gleichgültigkeit bildete den Leichenzug. Die einzigen wahrhaft Betrübten unter den Leidtragenden waren die beiden Söhne des Verstorbenen, die in langen Trauermänteln und mit blassen Gesichtern hinter dem Leichenwagen gingen. Es sind zwei junge Menschen, etwa in den Zwanzigen, unterzetzt, etwas ründlich, von einem Aeuszern, das vielmehr Wohlhabenheit als Geist verräth; ich sah sie diesen Winter auf allen Bällen, lustig und

frischbäckig. Auf dem Sarge lagen dreifarbige Fahnen, mit schwarzem Krepp umflort. Die dreifarbige Fahne hätte just nicht zu trauern brauchen bei Casisimir Periers Tod. Wie ein schweigender Vorwurf lag sie traurig auf seinem Sarg, die Fahne der Freiheit, die durch seine Schuld so viele Beleidigungen erlitten. Wie der Anblick dieser Fahne, so rührte mich auch der Anblick des alten Lafayette bei dem Leichenzuge Periers, des abtrünnigen Mannes, der doch einst so glorreich mit ihm gekämpft unter jener Fahne.

Meine Nachbarn, die dem Zuge zuschauten, sprachen von dem Leichenbegängnisse Benjamin Constants. Da ich erst ein Jahr in Paris bin, so kenne ich die Betrübniss, die damals das Volk an den Tag legte, nur aus der Beschreibung. Ich kann mir jedoch von solchem Volksschmerz eine Vorstellung machen, da ich kurz nachher dem Begräbnisse des ehemaligen Bischoffs von Blois, des Conventionnel Grégoire, zugesehen. Da waren keine hohen Beamten, keine Infanterie und Kavallerie, keine leeren Trauerwagen voll Hoflakaien, keine Kanonen, keine Gesandten mit bunten Livreen, kein offizieller Pomp. Aber das Volk weinte, Schmerz lag auf allen Gesichtern, und obgleich ein starker Regen wie mit Eimern vom Himmel herabgoss, waren doch alle Häupter unbedeckt, und das Volk spannte sich vor den Leichenwagen, und zog ihn eigenhändig nach dem Mont-Parnasz. Gregoire, ein wahrer Priester, stritt sein ganzes Leben hindurch für die Freiheit und Gleichheit der Menschen jeder Farbe und jedes Bekenntnisses; er ward immer ge

hasst und verfolgt von den Feinden des Volks, und das Volk liebte ihn und weinte, als er starb.

Zwischen zwei bis drei Uhr ging der Leichenzug Periers über die Boulevards; als ich um halb acht von Tische kam, begegnete ich den Soldaten und Wagen, die vom Kirchhofe zurückkehrten. Die Wagen rollten jetzt rasch und heiter; die Trauerflöre waren von der dreifarbigen Fahne abgenommen; diese und die Harnische der Kuirassire glänzten im lustigsten Sonnenschein; die rothen Trompeter, auf weissen Rossen dahintrabend, bliesen lustig die Marseillaise; das Volk, bunt geputzt un lachend, tänzelte nach den Theatern; der Himmel, der lange umwölkt gewesen, war jetzt so lieblich blau, so sonnenduftig; die Bäume glänzten so grünvergnügt; die Cholera und Casimir Perier waren vergessen, und es war Frühling.

Nun ist der Leib begraben, aber das System lebt noch. Oder ist es wirklich wahr, dass jenes Sys'em nicht eine Schöpfung Periers ist, sondern des Königs? Einige Philippisten haben diese Meinung zuerst geäussert, damit man der selbstständigen Kraft des Königs vertraue; damit man nicht wähne, er stehe rathlos an dem Grabe seines Beschützers; damit man an der Aufrechthaltung des bisherigen Systems nichts zweifle. Viele Feinde des Königs bemächtigen sich jetzt dieser Meinung; es kommt ihnen ganz erwünscht, dass man jenes unpopulaire System früher als den 13. März datirt, und ihm einen allerhöchsten Stifter zuschreibt, dem dadurch die allerhöchste Verantwortlichkeit erwächst. Freunde und Feinde vereinigen sich hier manchmal, um die Wahrheit zu verstümmeln. Ent

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