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in der Seine findet, hinbringt und ausstellt, und wo man also die Angehörigen, die man vermisst, aufzusuchen pflegt.

An oben erwähntem Tage, den 8. Juni, begaben sich so viele Menschen nach der Morgue, dass man dort Queue machen musste, wie vor der grossen Oper, wenn Robert-le-Diable gegeben wird. Ich musste dort fast eine Stunde lang warten bis ich Einlass fand, unl hatte Zeit genug jenes trübsinnige Haus, das vielmehr einem grossen Steinklumpen gleicht, ausführlich zu betrachten. Ich weiss nicht was es bedeutet, dass eine gelbe Holzscheibe mit blauem Mittelgrund, wie eine grosse brasilianische Kokarde, vor dem Eingang hängt. Die Hausnummer ist 21, vingt-un. Drinnen war es melancholisch anzusehen, wie ängstlich einige Menschen die ausgestellten Todten betrachteten, immer fürchtend, denjenigen zu finden, den sie suchten. Es gab dort zwei entsetzliche Erkennungsscenen. Ein kleiner Junge erblickte seinen todten Bruder, und blieb schweigend, wie angewurzelt stehen. Ein junges Mädchen fand dort ihren todten Geliebten und fiel schreiend in Ohnmacht. Da ich sie kannte hatte ich das traurige Geschäft, die Trostlose nach Hause zu führen. Sie gehörte zu einem Putzladen in meiner Nachbarschaft wo acht junge Damen arbeiten, welche sämmtlich Republikanerinnen sind. Ihre Liebhaber sind lauter junge Republikaner. Ich bin in diesem Hause immer der einzige Royalist.

Zwischennote zu Artikel IX.

(Geschrieben den 1. Oktober 1832)

Die in vorstehenden Artikel unterdruckte Stelle bezog sich zunächst auf den deutschen Adel. Je mehr ich aber die neuesten Tageserscheinungen überdenke, desto wichtiger dünkt mir dies Thema, und ich muss mich nächstens zu einer gründlichen Besprechung desselben entschliessen. Wahrlich, es geschieht nicht aus Privatgefühlen; ich glaube es in der jüngsten Zeit bewiesen zu haben, dass meine Befehdung nur die Prinzipien und nicht leiblich unmittelbar die Person der Gegner betrifft. Die Enragés des Tages haben mich deshalb in der letzten Zeit als einen geheimen Bundesgenossen der Aristokraten verschrien, und wenn die Insurektion vom 5. Junius nicht scheiterte, wäre es ihnen leicht gelungen, mir den Tod zu bereiten, den sie mir zugedacht. Ich verzeihte ihnen gern diese Narrheit, und nur in meinem Tagsbericht vom 7. Junius ist mir ein Wort darüber entschlüpft. Der Partheigeist ist ein eben so blindes wie rasendes Thier.

Es ist aber mit dem deutschen Adel eine sehr schlimme Sache. Alle Constitutionen, selbst die beste,

können uns nichts helfen, so lange nicht das ganze Adelthum bis zur letzten Wurzel zerstört ist. Die armen Fürsten sind selbst in der grössten Noth, ihr schönster Wille ist fruchtlos, sie müssen ihren heiligsten Eiden zuwider handeln, sie sind gezwungen der Sache des Volks entgegen zu wirken, mit einem Worte: sie können den beschworenen Constitutionen nicht treu bleiben, so lange sie nicht von jenen älteren Constitutionen befreit sind, die ihnen der Adel als er seine waffen herrliche Unabhängigkeit ein büsste, durch die seidenen Künste der Courtisanerie abzugewinnen wusste; Constitutionen, die als ungeschriebene Gewohnheitsrechte tiefer begründet sind als die gedrucktesten Löschpapierverfassungen; Constitutionen, deren Codex jeder Krautjunker auswendig weiss, und deren Aufrech haltung unter die besondere Obhut jeder alten Hofkatze gestellt ist; Constitutionen, wovon auch der absoluteste König nicht das geringste Titelchen zu verletzen wagt ich spreche von der Etiquette.

Durch die Etiquette liegen die Fürsten ganz in der Gewalt des Adels, sie sind unfrei, sie sind unzurechnungsfähig, und die Treulosigkeit, die einige derselben bei den letzten Ordonnanzen des Bundestags beurkundet, ist, wenn man sie billig beurtheilt, nicht ihrem Willen sondern ihren Verhältnissen beizumessen. Keine Constitution sichert die Rechte des Volks; so lange die Fürsten gefangen liegen in den Etiquetten des Adels, der, sobald die Casteninteressen ins Spiel kommen, alle Privatfeindschaften bei Seite setzt und als Corps verbündet ist. Was vermag der Einzelne, der Fürst, gegen jenes Corps, das in Intriguen geübt ist, das alle

muss

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fürstlichen Schwächen kennt, das unter seinen Mitgliedern auch die nächsten Verwandten des Fürsten zählt, das ausschliesslich um dessen Person seyn darf, dergestalt, das der Fürst seine Edelleute, selbst wenn er sie hasst, durchaus nicht von sich weisen kann, dass er ihren holden Anblick ertragen muss, dass er sich von ihnen ankleiden, die Hände waschen und lecken lassen muss, dass er mit ihnen essen, trinken und sprechen denn sie sind hoffähig, durch Erbrang zu jenen Hofchargen bevorzugt, und alle Hofdamen würden sich empören und dem armen Fürsten sein eigenes Haus verleiden, wenn er nach seines Herzens Gefühlen handelte und nicht nach den Vorschriften der Etiquette. So geschah es, dass König Wilhelm von England, ein wackerer, guter Fürst, durch die Ränke seiner noblen Umgebung, aufs kläglichste gezwungen ward, sein Wort zu brechen und seinen ehrlichen Namen zu opfern und der Achtung und des Vertrauens seines Volkes auf immer verlustig zu werden. So geschah es, dass einer der edelsten und geistreichsten Fürsten, die je einen Thron geziert, Ludwig von Bayern, der noch vor drei Jahren der Sache des Volkes so eifrig zugethan war, und allen Unterjochungsversuchen seiner Noblesse so fest widerstand, und ihre frondirende Insolenz und Verläumdungen so heldenmüthig ertrug: dass dieser jetzt, müd und entkräftet, in ihre verrätherische Arme sinkt und sich selber untreu wird! Armes Herz, das einst so ruhmsüchtig und stolz war, wie sehr muss dein Muth gebrochen seyn, dass du, um von einigen störrigen Unterthanen nicht mehr durch Widerrede inkomodirt zu werden, deine eigne unabhängige Ober

herrschaft aufgabest, und selbst ein unterthäniger Vasall wurdest, Vasall deiner natürlichen Feinde, Vasall deiner Schwäger!

Ich wiederhole, alle geschriebene Constitutionen können uns nichts helfen, so lange wir das Adelthum nicht von Grund aus vernichten. Es ist nicht damit abgethan, dass man durch diskutirte, votirte und sanktionirte und promulgirte Gesetze die Privilegien des Adels annullirt; dieses ist an mehreren Orten geschehen, und dennoch herrschen dort noch immer die Adelsinteressen. Wir müssen die herkömmlichen Missbräuche im fürstlichen Haushalt vertilgen, auch für das Hofgesinde eine neue Gesindeordnung einführen, die Etiquetten zerbrechen, und um selbst frei zu werden, mit der Fürstenbefreiung, mit der Emanzipation der Könige, das Werk beginnen. Die alten Drachen müssen verscheucht werden von dem Quell der Macht. Wenn Ihr dieses gethan habt, seyd wachsam, damit sie nicht nächtlicherweile wieder heran kriechen und den Quell vergiften. Einst gehörten wir den Königen, jetzt gehören die Könige uns. Daher müssen wir sie auch selbst erziehen, und nicht mehr jenen hochgeborenen Prinzenhofmeistern überlassen, die sie zu den Zwecken ihrer Caste erziehen und an Leib und Seele verstümmeln. Nichts its den Völkern gefährlicher, als jene frühe Umjumkerung der Kronprinzen. Der beste Bürger werde Prinzenerzieher, durch die Wahl des Volks, und wer verrufenen Leumunds ist, oder nur im geringsten bescholten, werde gesetzlich entfernt von der Person des jungen Fürsten. Drängt er sich dennoch hinzu, mit jener unverschämten Zudringlichkeit, die dem Adel

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