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tige Seiten der Poesie hinweist; allein als ein Werk, welches tiefer in den Gegenstand eindringe, läfst es sich nicht bezeichnen. Interessant an dem Buche ist aufser hübschen Bemerkungen im einzelnen die Fragestellung, wie ein litterarisches Urteil zu stande kommt. Dafs ein solches Urteil möglich ist, leugnen wir nicht, doch müfste es auf eine tiefere historische Einsicht in den geistigen Zusammenhang, in welchem ein litterarisches Werk erscheint, gegründet sein. Darauf ist, unserer Ansicht nach, in dem vorliegenden Buche nicht genügender Nachdruck gelegt. Ein Kapitel über die Formen der Litteratur ist hinzugefügt; auch hier könnte man Ausstellungen erheben; so ist z. B. auf S. 83 zwischen volkstümlicher und gelehrter Epik kein Unterschied gemacht. Trotz allem wird man sagen dürfen, dafs Büchern dieser Art manchmal beschieden ist, was wissenschaftlichen Leistungen versagt sein kann, Liebe zur Litteratur und Geschmack an derselben in weitere Kreise zu tragen.

Aberystwith (England).

W. Borsdorf.

Adolf Harnack, Geschichte der Kgl. Preufsischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Auftrage der Akademie bearbeitet. Ausgabe in einem Bande. G. Stilke, 1901. VIII, 790 S. M. 10.

Vor einigen Jahren suchte ich in einem Vortrag über 'Betrieb und Organisation der wissenschaftlichen Arbeit' darzulegen, wie auch die Gesamtarbeit der Forscher und Gelehrten sich nach gewissen Gesetzen entwickelt und unter neuen Bedingungen neue Formen sucht und findet. Welche besondere Bedeutung bei diesem Prozess den Akademien zukommt, suchte ich ebendort (S. 38) gegenüber vielfachem Skepticismus darzuthun. Diese Anschauung findet die schönste und willkommenste Bestätigung durch das glänzende Werk, in dem der berühmte Berliner Kirchenhistoriker nunmehr die Entwickelungsgeschichte auch der jüngsten Weltkirche, der wissenschaftlichen, so lebhaft gefördert hat wie längst die der christlichen.

Zwar ist es kein spielender Vergleich, wenn wir bei dem Geschichtschreiber der Berliner Akademie an den Patristiker erinnern. Ganz ungestraft wandelt man nicht von den Palmen des christlichen Orients zu den akademischen Palmen herüber. Wenn das meisterhafte Werk einen so ganz ungetrübten Eindruck nicht hinterlässt, wie Harnacks unnachahmliche Festrede am Gedenktag der Akademie, so liegt das daran, dass eben jener Charakter der Kirchengeschichte zuweilen hervortritt. Sie ist notwendigerweise, mag sie noch so objektiv sein wollen, einigermassen apologetisch; und sie kann es kaum vermeiden, schon in der Art und dem Umfang ihrer Namensnennung dem Satz einigermafsen zu huldigen: extra ecclesiam nulla salus. Das hat selbst Harnack nicht ganz überwunden. Die Proselyten des Chors, die auswärtigen Mitglieder, deren Wahl und Nicht wahl doch so bezeichnend ist, fast bleiben (trotz S. 449 u. ä. St.) ganz draufsen, und der einzige Darwin wird (S. 763) in einer Weise erwähnt, die bei dem künftigen Geschichtschreiber des nächsten

Säkulums unserer Akademie wohl auch dem heutigen das Prädikat eines 'Enthusiasten des Masses' (S. 339) zuziehen dürfte. Wer ganz draussen bleibt, existiert für dies Buch nur eben insoweit, als er nicht Mitglied wurde, und wäre er ein Lessing oder Winckelmann; nur Hegel glänzt trotz seiner Abwesenheit. Und doch, meine ich, gehört zu der Geschichte jeder Akademie auch die Geschichte des 'einundvierzigsten Stuhls'. Die Akademie hat gegen die grofsen Philosophen ihrer Zeit stets gekämpft; es hing das mit ihren besten Seiten zusammen: mit ihrer Neigung zu positiver wissenschaftlicher Arbeit. Sie hat gegen Leibniz intrigiert (damals gehörte ja die persönliche Intrigue noch zu der offiziellen Methode wissenschaftlicher Polemik!); sie hat, wie gerade Harnack vortrefflich zeigt, Kant stets angefochten; sie hat Hegels Aufnahme verhindert. Fichte und Schelling safsen in ihr; beide, als ihr Höhepunkt überschritten war. Zu Schopenhauers Zeit hatte sie Trendelenburg. Und wie undenkbar wäre etwa eine Aufnahme Nietzsches gewesen, obwohl auf ihn fast wörtlich gemünzt scheint, was Harnack (S. 466) schön über Schleiermacher sagt. Gerade aber weil die Berliner Akademie seit Friedrich d. Gr. sich rühmen darf, wirklich 'la coupole' zu sein, das hochragende Gewölbe, das dem ganzen stolzen Gebäude unserer wissenschaftlichen Arbeit Licht und Zier giebt und zugleich den Bau zusammenhält gerade deshalb sollte nicht ganz verschwiegen werden, welche Provinzen sich ihrer Herrschaft jeweils noch entzogen.

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Selbst Persönlichkeiten müssen es fühlen, wenn den Geschichtschreiber keine Kollegialität ihnen gegenüber zu dem Wohlwollen ermahnt, das er manchem Genossen fast überreichlich zu teil werden läfst. Wer Savignys 'Beruf unserer Zeit' (S. 667) 'epochemachend' nennt, ein Büchlein, das doch eigentlich nur die Schwächen der historischen Schule entblöfste, wer den braven Enthusiasten Rühs (S. 661) lediglich im 'schönen Profil' zeigt, während er doch mit seinem chauvinistischen Teutonismus und seinen geschichtsverderberischen Konstruktionen auch noch ein ganz anderes besafs, der sollte den armen Varnhagen, auf den seit Treitschke alles losschlägt, auch nicht nur nach seinen Schwächen beurteilen. Hand aufs Herz würde der Apostel Goethes auch dann ein ‘ausgehöhlter Litterat' (S. 657) heifsen, wenn ihm etwa sein Freund Humboldt einen Sitz in der Akademie verschafft hätte?

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Und auf der anderen Seite braucht dies ruhmvolle Institut so viel Apologetik? Nach der Vielseitigkeit seiner Interessen und Kenntnisse darf sich Harnack wohl zu jenen periodisch auftretenden Erben Leibnizens rechnen, die zum Heil der Akademie seiner Schöpfung nie auf die Dauer fehlten; ich nenne nur W. v. Humboldt, Schleiermacher, Mommsen. Bewundernd folgt seiner Kunst, die Leistungen aller Akademiker zu würdigen, selbst der, der etwa bei der Aufzählung von Dirichlets Verdiensten sich leider gar nichts zu denken vermag. Leibnizisch ist auch sein Organisationstalent; hat er doch die 'Adjunkten' der Akademie, die in einem frühen Vorschlag (S. 519) auftauchen, als 'wissenschaftliche Beamte' endlich durchgesetzt obgleich seinem eigenen Werk bedauerlicherweise der

wichtigste 'wissenschaftliche Beamte' fehlt: das Register. Aber nicht ganz so glücklich wirken andere Ähnlichkeiten mit dem grofsen Stifter. Zu oft weicht der Historiker dem Historiographen; eine Theodicee, eine unbedingte Rechtfertigung auch des vorhandenen Übels wird angestrebt. Mit wie merkwürdiger Weichheit wird die Härte Friedrich Wilhelms I. (S. 169 f., 185) verteidigt! Wir sind wohl überhaupt alle noch zu stark unter dem Bann von Carlyles 'stummem Dichter' und Schmollers 'gröfstem inneren König'; die Geschichtschreibung wird, um jenem wundersamen Charakter gerecht zu werden, doch wohl wieder ein paar Tropfen von Macaulays 'Königlichem Feldwebel' in die Mischung giefsen müssen. Weshalb soll man hier jenes Element von rohem Unbildungsdünkel, von ungelehrtem Bettelstolz verdecken, das der preussische Offizier und Junker doch leider gar nicht selten zur Klarlegung jener königlichen Dekrete und Randbescheide dargebracht hat? Und verträgt sich das unumschränkte Vertrauensvotum für die höhere Leitung (S. 467) mit den Bemerkungen, die Harnack selbst über die Massregeln unter Schuckmann (S. 484) und gar unter Eichhorn und Raumer (S. 681) vorbringen mufs? Müfste angesichts solcher Möglichkeit 'kurzsichtiger Bureaukraten' und ihres 'Misstrauens gegen die Wissenschaft' der naturrechtliche Satz nicht etwas vorsichtiger formuliert werden, den der Geschichtschreiber der Akademie (S. 435) einmal aus Rechtfertigung eines höchstens als That der Notwehr zu entschuldigenden Gewaltaktes ausspricht? 'Verliehene Rechte darf im Staat nur der behaupten, der sie richtig gebraucht.' Bei der Dehnbarkeit des Adverbs niemand kennt sie besser als ein Meister der Kirchengeschichte - würden all die Bemühungen der Akademie um ihre Grundrechte als ein überflüssiges Spiel erscheinen, die Statutenentwürfe der Niebuhr und der Fichte als eine zwecklose Zeitvergeudung, wenn die verliehenen Rechte auf dies eine Adverb hin verwirkt sein könnten. Dagegen ist die Rechtfertigung der Akademie in dem berühmten 'Fall Raumer' (S. 704) durchaus gelungen und im wesentlichen kaum anzufechten.

Noch ein Punkt bleibt, in dem man wohl gegen die Apologie Einspruch erheben möchte. Harnack gebraucht (S. 789) das Wort 'Wissenschaftspolitik'; wie denn auch sonst glückliche Ausdrücke nicht fehlen ('die reaktionären Fortschrittsleute' S. 389), noch auch geistreich-ironische Wendungen (gegen die Fanatiker der Wirtschaftsrechnungen S. 673; gegen die 'sublimen Grundsätze' moderner Klassikerausgaben S. 682). Erkennt man jenem Wort, wie wir es thun, seine volle Berechtigung zu darf man dann nicht (trotz S. 781) zweifeln, ob diese Politik der Akademie nicht doch lange Zeit zu sehr von jenem Geist des Kosmopolitismus beherrscht blieb, dem sie freilich auch ihre grofse Gesinnung mit verdankt? Waren wirklich Anregungen zur Förderung deutscher Sprach- und Altertumskunde nicht früher und nicht in weiterem Umfang möglich?

Wir haben mit der Offenheit, die ein Werk von solcher Bedeutung des Gegenstandes und der Behandlung fordert, unsere Bedenken nicht verschwiegen. Freudig können wir nun zu herzlichstem Lob oder, da dieser Ausdruck unbescheiden scheinen möchte, zu entschiedener Aufzählung

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der grofsen Vorzüge übergehen kürzer, weil das Lob des Buches weniger Einschränkungen und Begründungen fordert als die Bedenken. Das Wichtigste ist die meisterhafte Disposition mit ihrer überzeugenden Klarheit und, sie begründend, die glänzende Charakteristik bestimmter Zeitströmungen wie der um 1700 (S. 83), der, in der 'das neue subjektive Element' (S. 463) die 'Schöpfer der Geisteswissenschaften im 19. Jahrhundert' (S. 467) beseelte, oder der heutigen trüberen Stimmung (S. 593). Dann jene erstaunliche Umsicht, die alles bringt und erörtert, wo es am besten geeignet scheint die Frage der Universalität' (S. 468), wie die über die Stellung des Monarchen zur Wissenschaft (S. 589), die des Verhältnisses zum öffentlichen Leben (S. 581, 734), wie die Beurteilung der Festreden (S. 704). Dabei fallen auf weite Gebiete oft helle Streiflichter: wie beleuchtet die geistreiche Erklärung des alten Preisaufgaben wesens (S. 302) den ganzen Wechsel des wissenschaftlichen Betriebes von der Zeit der Aufklärung bis zur Gegenwart!

Hinter der Charakteristik der Kollektivpersönlichkeiten steht die der Individuen vielleicht etwas zurück. Selbst Persönlichkeiten von so aufreizend interessanter Eigenart wie Buch (S. 558), Ehrenberg (S. 625), Lachmann (S. 646) kommen nicht recht heraus, und eine etwas zu ‘akademische Zeichnung scheint mir in Ranke (S. 672) die eigenartigsten Momente zu verwischen. Weshalb übrigens hier die Aufrichtigkeit ungenannter Gegner (S. 674; ist Treitschke gemeint?) anzweifeln? Verträgt sich ein gewisser moralischer Latitudinarismus gegenüber der Person, wie man ihn Ranke schuld giebt, nicht trefflich mit entschiedener Parteinahme gegenüber den 'grofsen Mächten'? Hat doch Harnack selbst in der Art, wie er einerseits die Persönlichkeiten, andererseits die Richtungen behandelt, eine ähnliche Verschiedenheit der Objektivitäten gezeigt. Und steht nicht Mommsen, der auch bei ihm als die gröfste Kraft in der neueren Akademie glänzend hervortritt ('die Arbeit an dem Werk ist seitdem niemals unterbrochen worden, weil Mommsen sie leitete' S. 694), den 'Recensenten der Weltgeschichte' (S. 673) so nahe, dass auch unserem Autor die Einwürfe gegen Rankes 'Indifferentismus' begreiflich sein sollten?

Übrigens ist es ja nur natürlich, dafs in den Plenarsitzungen der einzelne ein wenig hinter der Tafel verschwindet. Von dem Mittel, die Mitglieder aneinander zu charakterisieren, hat Harnack nur selten Gebrauch gemacht (Bekker und Meineke S. 649; Gerhard und Panofka S. 652; auch die Br. Grimm S. 696 und Müllenhoff und Scherer, für dessen schönen Nekrolog wir unseren herzlichsten Dank noch eigens aussprechen, S. 742). Vielleicht widerstrebte es ihm überhaupt, wie es manchmal wenigstens scheint, die Persönlichkeiten zu betrachten: er läfst sie gern hinter dem Werk zurücktreten, wo nicht (wie bei Leibniz S. 134, 164 u. ö.) das Eingehen auf den Charakter ganz unvermeidlich ist (ähnlich bei Alexander v. Humboldt an verschiedenen Stellen, besonders S. 541). Doch treten immerhin einzelne Figuren wie der ehrwürdige Süfsmilch oder Lambert (S. 228) plastisch hervor.

Die Hauptsache bleibt doch die Charakteristik und Biographie dieser

glorreichen Gesamtpersönlichkeit: der Berliner Akademie. Noch hat keine ihrer Genossinnen einen solchen Geschichtschreiber gefunden. Dies Werk genügt schon als wissenschaftliches Kunstwerk, um von den Leistungen der Akademie, deren neueste Blüte es ist, die denkbar höchste Vorstellung zu geben. Berlin.

Richard M. Meyer.

Friedrich Panzer, Hilde-Gudrun. Eine sagen- und litterargeschichtliche Untersuchung. Halle a. S., Max Niemeyer, 1901. XV, 452 S. M. 12.

Die wissenschaftliche Litteratur über unsere Heldensage hat in dem vorliegenden Buche eine Bereicherung erfahren, die zu dem Besten gehört, was sie aufzuweisen hat. Die Absicht seines Verfassers ist es, das Kudrunepos durch eingehende Analyse seiner Form und seines Stoffes als das einheitliche Werk eines Dichters zu erweisen. Im Verlaufe seiner Untersuchung wird aber bei so vielen Fragen verweilt und überall so reiches Material herbeigeschafft, dafs auch derjenige den Wert der Arbeit nicht wird bestreiten können, der das letzte Ziel, das sie sich steckt, nicht für erreicht hält. Allein die Zahl dieser Zweifler dürfte nicht allzu grofs sein; und jedenfalls haben die Theorien Müllenhoffs und anderer Forscher, die das Gedicht in einen alten und echten Kern und unechte Zusätze jüngeren Ursprunges zerlegen wollten, hier einen Stofs erlitten, den sie kaum verwinden werden.

Das geschieht vor allem durch den ersten Teil seines Werkes, in dem Panzer es so gut wie ganz den Thatsachen überlässt, für sich zu sprechen. Es stellt sich dabei heraus, dafs die Eigentümlichkeiten des Gedichtes in Sprache, metrischer Form und Stil ganz gleichmässig den im Sinne Müllenhoffs echten wie den unechten Strophen zukommen. Die Frage der Widersprüche findet eingehende und sachgemässe Erörterung, die es klarlegt, dafs ihnen eine Beweiskraft für die Annahme von Interpolationen in unserem Falle nicht zukommt. Eine nicht minder tiefgreifende Untersuchung der Charakterschilderung des Gedichtes zeigt nicht nur die vollendete Meisterschaft der Dichtung auf diesem Gebiete im Gegensatze zu ihren Schwächen in Stil und Komposition, sondern auch die folgerichtige und gleichmässige Zeichnung der Charaktere in allen ihren Partien. Endlich wird das Verhältnis des Kudrunepos zu älteren Gedichten, zum Nibelungenlied, zur Klage, zu Wolfram und zum Rother besprochen, deren unverkennbare Einflüsse sich über 'echte' und 'unechte' Strophen erstrecken und zwar derart, dafs was besonders wichtig ist 'unechte' aus derselben älteren Quelle geflossen sind wie ihre 'echte' Umgebung.

Dem Nachweis, dafs auch in Bezug auf inhaltliche Abhängigkeit der Dichtung von ihren Quellen zwischen 'echten' und 'unechten' Textstellen Grenzen nicht bestehen, ist der zweite, weitaus umfänglichere Teil des Buches gewidmet. Diese letzte Absicht tritt aber naturgemäfs oft in den Hintergrund, und da die gesamte Überlieferung des Stoffes und alle seine

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