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Gnade nur ein in den Kopf, Etliche bis in den Mund, Etliche auch noch bis in's Gefühl aber wo die Gnade gehindert wird, bis in den Willen vorzubringen, da wird wohl ein Schein gottseligen Lebens sein, aber die Kraft wird verleugnet, da ist Sandbau, aber kein Felsbau, da wird jenes Thun des lugen Baumeisters vergessen, von dem die Schrift sagt: „Und er grub tief." So kommt's nur zu oberflächlichem Wesen, weil man die Gnade vergeblich empfängt: Wer nicht im Kleinen treu ist, der ist auch nicht im Großen treu. Eine einzige herrschende Sünde, grob oder fein, muß den ganzen Fortgang des Wachsthums hemmen. So kann Haß und Unversöhnlichkeit gegen auch nur Einen Menschen, oder verborgene Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit, wo nicht redlich dagegen gekämpft wird, die von Gott geschenkten geistlichen Kräfte zerstören. Ein solcher Mensch stirbt an der geistlichen Auszehrung und Schwindsucht, denn weil er die geistliche Speise, soviel er auch zu sich nimmt, nicht richtig aneignet und nicht richtig umseßt, so geht alle Kraft verloren durch die Eine herrschende Sünde. Darum habe Acht, daß nur dn selbst nicht den Fortgang hinderst.

Denn Gott will ihn wahrlich geben an seinem Theil. Denn Gott ist ein Gott aller Gnade, nicht nur der Erstlingsgnade, sondern auch der Fortgangsgnade und der Vollendungsgnade. Im Blick auf diesen Gott ist Paulus getrost für seine Philipper: „Denn ich bin desselbigen in guter Zuversicht, daß, der in euch angefangen das gute Werk, der wird es auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi." Merke wohl: Pauli Zuversicht beruht nicht auf den Philippern, sondern auf Gott. Denn Er ist das A und das O, und Er giebt den Anfang und das Ende. Gottes Werk ist kein

thörichter Thurmbau, den er in der Mitte stecken ließe, sondern Er

hat es, um es hinauszuführen.

„Sein Werk kann Niemand hindern,

Sein' Arbeit darf nicht ruh'n,
Wenn er, was seinen Kindern

Ersprießlich ist, will thun.
Und ob gleich alle Teufel
Hie wollten widersteh'n,
So wird doch ohne Zweifel
Gott nicht zurüde geh'n.
Was er ihm vorgenommen
Und was er haben will,
Das muß doch endlich kommen
Zu seinem Zweck und Ziel."

Das ist ein tröstlicher Blick mitten in der eigenen Schwachheit, wenn man verzagt an aller eigenen Kraft, und im Blick auf

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alle Schwachheit rings umher in den Gemeinden, zu wiffen: „Getreu ist Er, der uns berufen hat, Er wird es auch thun.“ Er fann ja garnicht anders, wenn wir nur nicht widerstreben, wenn wir ihn nur wirken lassen; denn dazu hat Er ja das große Werk beschlossen und Alles, Alles gethan, den Sohn gesandt, den Geist gesandt, das Evangelium gesandt: Kommt, es ist Alles bereit" und nun sollte Er sich zurückziehen oder uns die Sache allein überlassen? Es ist wunderlich: Die feindseligen Juden scheuen sich nicht, dem Herrn, der sie allezeit versammeln wollte, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt, den Vorwurf in's Gesicht zu schleudern: „Wie lange hälst du unsere Seelen auf?" so doch Er mit der zartesten Liebe um ihre Seelen wirbt, wie er einmal unter sie ruft: Und ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben und volle Genüge hättet!" Hält denn Gott nicht mehr auf unsere Seele, als wir selbst? Wenn der Herr sagt: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" so geht daraus hervor, daß eine einzige Seele in Gottes Augen mehr gilt, als eine ganze Welt. Darum thut Er fort und fort Alles, um die Seele zu retten, und der Mensch geht so leichtfertig um mit seiner Seele und mit den Seelen Anderer! Nein, gerade aus dem göttlichen Blick auf das gute, große Werk Gottes erwächst die Zuversicht auf den Fortgang.

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III.

Hat so Paulus gedankt für den Anfang, hat er gute Zuversicht auf den Fortgang, so schließt er mit Gebet um die Vollendung. Auch da ist sein Blick aufwärts gerichtet, denn bei Gott sucht er, was seine Philipper bedürfen. Er bittet aber für sie um Wachsthum in der Heiligung. Denn unter dem Gesez des Wachsthums steht alles Leben in der Zeit; was nicht wächst, nimmt ab, welft und stirbt. Darum ist es das sehnliche Gebet Pauli, daß „die Liebe der Philipper reich werde in allerlei Erkenntnis und Erfahrung." Das sind tiefe Gebetsworte Pauli: Die Erkenntnis, die tiefe Gründung in der Schrift, das zusammenhängende Verstehen des Werkes Gottes, das Eindringen in die Reichsgedanken Gottes soll die Liebe des Christen bereichern, und was er in der Erkenntnis an göttlicher Wahrheit gefunden, das soll zur praktischen Erfahrung kommen; und dieses Erleben der erkannten Wahrheit am eigenen Herzen und ihre Uebung im täglichen Leben, dies zusammenhängende Wirken für das Reich Gottes, dieses Vordringen aus dem Kopf in den Willen, aus den Gedanken in die That, das soll wiederum die Liebe bereichern.

Denn Liebe ohne Erkenntnis ist maßlos, Erkenntnis ohne Erfahrung ist leblos, Erfahrung ohne Erkenntnis ist haltlos, Erkenntnis ohne Liebe ist fruchtlos. Wie köstlich ist dagegen dieser Kreislauf des innern Lebens, um welchen Paulus bittet. Jeder Fortschritt in der Erkenntnis soll zu einem Fortschritt in der innern Erfahrung führen, jeder Fortschritt in der Erfahrung wird neues Licht in der Erkenntnis wecken, und durch diese lebendige Wechselwirkung wird die Liebe des Christen immer reicher werden, weil sie an der Erkenntnis ihre Nahrung und an der Erfahrung ihre Aufgabe hat und beide einander fordern und fördern.

In diesem betenden Blick hebt Paulus zuleßt sein Auge auf das Ziel dieses Wachsthums in der Heiligung. Er begehrt seine Philipper von Gott geschmückt zu sehen mit christlicher Weisheit, mit christlicher Lauterkeit und christlicher Fruchtbarkeit. Die christliche Weisheit besteht ihm in der Prüfung und dem Verstehen des Willens Gottes, in der Durchbildung der christlichen Persönlichkeit, da der einzelne Mensch lernt den allgemeinen Gotteswillen für sich anzuwenden und zu erkennen, wie derselbe in seinem Beruf und Stande sich im Einzelnen zu gestalten hat. Die christliche Lauterkeit besteht ihm in der Durchsichtigkeit des Christen vor Gott und Menschen, woran er in seinem Grundwesen erkannt werden soll, sodaß sein unsträflicher Wandel eine lebendige Predigt von der erfahrenen Gnade Gottes und ein durchschimmerndes Zeugnis von dem guten Werk Gottes an ihm sein und nicht durch Anstoß verdunkelt werden soll. Die christliche Weisheit ist das Verstehen, die christliche Lauterkeit das Verständlichwerden des Christen, oder das Sichverständlichmachen nach dem Besten, was er hat. Wo aber christliche Weisheit und christliche Lauterkeit zusammen kommen, da wird es an christlicher Fruchtbarkeit nicht fehlen, und Paulus wünscht und betet, daß seine Philipper erfüllet sein möchten damit, daß nicht nur einige wenige Aepfel am Baum hängen, die man mühsam unter den Blättern suchen muß, sondern daß der Baum so voll davon hängt, daß jedem vorübergehenden Wanderer das Herz lacht, wenn er die rothbackigen Aepfel sieht und etliche auf den Weg fallen für ihn, ja, wenn du willst, auch für die bösen Buben, die mit Stöcken darnach schlagen und mit Steinen darnach werfen.

So steht das Werk Gottes an den Seelen vor dem Auge Pauli; mit Dank hebt er an über den großen Anfang, mit Zuversicht fährt er fort über den gewissen Fortgang, und mit Gebet endigt er um die herrliche Vollendung, die ihm ausmündet in den großen Tag der Zukunft Christi, an welchem der Herr offenbaren wird, was

er hier im Verborgenen an uns erarbeitet, wie er unter allem
Schutt des Stückwerks aus uns armen Sündern etwas gemacht
hat zu Lobe seiner herrlichen Gnade. Ihm sei Ehre in Ewigkeit.
Das ist der Gottheit Wunderwerk
Und seines Herzens Augenmerk,

Ein Meisterstück, aus Nichts gemacht,
So weit hat's Christi Blut gebracht.
Hier forscht und betet an, ihr Seraphim,
Bewundert uns und dankt und jauchzet Ihm.
Amen.

Am dreinndzwanzigsten Sonntag nach Trinitatis.

Philipper 3, 17-21.

Folget mir, liebe Brüder, und sehet auf die, die also wandeln, wie ihr uns habt zum Vorbilde. Denn Viele wandeln, von welchen ich euch oft gesagt habe, nun aber sage ich auch mit Weinen, die Feinde des Kreuzes Christi, welcher Ende ist die Verdammnis, welchen der Bauch ihr Gott ist und ihre Ehre zu Schanden wird, derer die irdisch gesinnet sind. Unser Wandel aber ift im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm unterthänig machen.

Jeder Christ kommt in seinem Leben an Kreuzwege, wo er fich für oder gegen Christus entscheiden muß. Es ist nicht ein Tag wie der andere im Leben des Christen, sondern es giebt Entscheidungszeiten und Stunden, welche oft auf lange hinaus den Gang eines Menschen bestimmen, je nachdem er sich dem Lichte oder der Finsternis zuwendet. Im Leben der Jünger Jesu war der Tag, als der Herr sie von ihren Fischerneßen in seine Nachfolge rief, eine solche Stunde, die ihrem ganzen Leben eine andere Richtung gab, wo Annehmen oder Ablehnen des Russ über Zeit und Ewigkeit für fie entschied. Aber auch, nachdem sie drei Jahre dem Meister nachgefolgt waren, erneute sich für sie jene Stunde, wo sie an den Kreuzweg geriethen, wo für Judas die Frage hieß: Entweder dem Mammon entsagen oder Jesum verrathen, und für Petrus es galt: Entweder bekennen und Schmach tragen, oder verleugnen und den Herrn verlieren. Auch in Abrahams Leben, nachdem er längst den Herrn durch seinen Glauben gepriesen und den Sohn der Verheißung

empfangen hatte, kam die Stunde von Morija, wo der Herr ihn versuchte, ob er Gott mehr liebte als seinen Isaak.

In solchen Entscheidungszeiten aber reift nur und greift sich zusammen, was vorher in der Tiefe des Gemüths gewachsen ist. Je nachdem vorher in stiller Treue dem Herrn gedient oder dem eignen Ich gelebt worden, je nachdem vorher die ganze Richtung des Sinnes, der innere Wuchs, die ganze Entwickelung der Persönlichkeit sich gestaltet hat, darnach fällt die Entscheidung aus, ob man links oder rechts am Kreuzwege sich wendet. Hier liegt der tiefe Ernst eines verborgenen Wandels vor Gottes Angesicht, des innern Losseins von den Dingen dieser Erde und die Bedeutung der Treue im Kleinen für die Entscheidung im Großen, daß mit Recht gesagt worden ist: Wer das Kleine thut, als wär' es etwas Großes, dem schenkt Gott die Gnade, daß er das Große thut, als wär' es etwas Kleines.

Darum soll ein Christ täglich durch Gottes Geist und Gottes Wort sich innerlich richten lassen, damit er richtig seine Wahl treffen kann, so oft die Stunde der Entscheidung, des Bekennens oder Verleugnens, des Nachfolgens oder Abwendens, des entschlossenen Entsagens oder des feigen Verrathens an ihn herantritt. Denn der Kreuzweg, an den wir Alle kommen, ist Christi Kreuz in der einen oder andern Gestalt. So laßt uns denn betrachten aus unserm Text:

Die Scheidung der Geister an Christi Kreuz:

die Feinde des Kreuzes Christi,

die Freunde des Kreuzes Christi.

O, Herr Jesu Christe, der Du Deine Kinder um Dich sammeln willst, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, der Du nicht willst, daß eins verloren werde, laß uns die Hirtenstimme Deiner erbarmenden Liebe hören, gieb Deinem Knechte eine feurige Zunge und Deiner Gemeinde ein lauschend Ohr und ein offenes Herz, daß wir vernehmen, was der Geist der Gemeinde sagt. Amen.

I.

Hebe deine Augen auf gen Golgatha und siehe die Bewegung unter dem Kreuz, wie da eine mächtige Scheidung sich vollzieht: die Jünger fliehen, Maria und Johannes bleiben; die Kriegsknechte spotten, der fromme Hauptmann bekennt; die Hohenpriester und Schriftgelehrten höhnen den König Israels als offene Feinde,

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