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haften Wollustschauer des Tragischen ruft die unverständliche Sprache fremder Gebräuche, fremdartiger Empfindungen nicht hervor.

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Mit Recht also sage ich, der Rosamunden-Stoff ist spröde, sehr spröde, doch ganz unmöglich ist seine Verwerthung nicht. Eine wilde, düstere Dichternatur mag es vielleicht verstehen, uns mit unheimlicher Gewalt über uns selbst hinwegzuheben, uns auf einige Stunden lang mit den tausend Mitteln, über die das Theater verfügt, zu betäuben, uns alle Civilisation vergessen zu machen und das Verständniß unmenschlicher Sitten uns aufzudrängen. Wir sehen Alboin in den Anschauungen seines Volkes befangen, die Macht der Gewohnheit, die Ehrfurcht vor dem Herkommen beherrscht ihn, der Dichter schüttet gleich im Anfang alle Schauer über uns aus, wie uns Shakespeare im „Macbeth" mit den Herenscenen umspinnt, gegen die sich unser Verstand in heller Mittagsstunde sträubt, von denen wir aber unter dem Banne des Dichters nur zu sehr durchschauert werden. Hat Kruse es auch so gemeint, hat ihn jene Gluth beseelt, welche auch das härteste Material, wenn nicht zu einem allseitig befriedigenden, so doch zu einem imponirenden Kunstwerk zu gestalten weiß oder hat er mit selbstzufriedenem Leichtsinn drauflos gemeißelt, weil ihm ein Stein nicht mehr als der andere gilt und weil eine historische Ermordung für ihn wie für so viele andere Poeten das ist, was ein rothes Tuch für den Stier, auf das er losrennt ohne Halt und Besinnung? Sehen wir zu!

Rosamunde, Königin der Longobarden, stachelt einen gewissen Helmichis zur Ermordung ihres Gatten Alboin an, entflieht nach der That mit dem Mörder und wird zulezt von diesem selbst getödtet.

Das ist allerdings ein grellrothes Tuch, eine sehr traurige Geschichte, aber so nackt wie sie dasteht, noch kein Vorwurf zu einer Tragödie, ebensowenig wie irgend ein Mordprozeß bloß als solcher; erst in der Motivirung, welche uns die zwingende Nothwendigkeit klarlegt, daß Rosamunde in ihrer Situation und aus ihrem Charakter heraus so handeln mußte wie sie gehandelt, liegt die tragische Bedeutung des Stoffes. Hier ist der Punkt, wo der Dichter den Hebel ansehen muß.

Die Geschichte hat ihm ohne Frage diesmal gewaltig vorgearbeitet.

Rosamundens Vater ist unter dem Schwerte Alboins gefallen und sie selbst von dem Sieger in sein Ehebett gerissen. Welch' mächtige Empfindungen stoßen da zusammen, welcher Explosionsstoff häuft sich vor unsern Augen auf. Wirklich, eine Exposition trefflichster Art scheint wie von selbst gegeben. Wir begreifen, daß in der Seele einer Frau, deren natürlichsten Gefühle zu Boden getreten sind, der tiefste Haß, die heiligste Rachesehnsucht gegen ihren Gatten auflodern muß, wir begreifen, daß ihr schließlich kein anderes Mittel bleibt, um sich von dem schmachvollen Joche zu befreien, als christliche Resignation oder der Dolch. Und die Geschichte dichtet weiter. Sie erzählt uns von der grausen Banketscene, in welcher Alboin sein Weib aus dem Schädel des Vaters zu trinken nöthigt, und giebt damit den lezten Tropfen, dessen es bedurfte, um das mit Haß bis zum Rande gefüllte Herz der Gepidin überfließen zu machen, — gleich der Exposition ist demnach auch die Katastrophe klar und deutlich vorgezeichnet und die Geschichte einfach abzuschreiben, das ist die ganze Kunst des Dichters.

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Ich stelle alle Punkte zusammen, die in seinem Trauerspiel auf das Verhältniß Rosamundens zu Alboin nach der Ermordung Cunimunds Bezug haben. Aus Gesprächen des ersten Aktes erfahren wir, daß das Verhältniß zwischen beiden Gatten gerade nicht das beste von der Welt ist.

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„Sie ist eben launisch, fährt er fort, auch hat sie ihn nicht aus Liebe genommen; ihr Vater Cunimund wurde von Alboin erschlagen und mit dem Schädel ist es immerhin ein schändlich Ding. Die Königin erfuhr davon und das soll den Grund zu ihrer Kälte gelegt haben. Alboin hat sie außerdem noch verabsäumt.“

H. u. J. Hart, Kritische Waffengänge.

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Diese Harmlosigkeiten erfahren wir aus drittem Mund, aber wir wissen, was im Drama aus dem Munde Dritter kommt, hat nicht den Werth eines Heckenpfennigs, wir glauben nicht einmal den Worten des Helden selbst, sondern nur ihren Thaten, nur ihren Thaten. Und was bietet uns sonst der erste Akt? Alboin erklärt, daß seine Frau ihn drücke wie ein schöner, aber zu enger Schuh, Rosamunde erwartet, er werde sie bei seinem Einzuge in Pavia am Thore begrüßen und an ihrer Seite durch die Stadt ziehen; da das aber nicht geschieht, so ist sie nach der Aussage ihrer Hofdame Euphrosyne ärgerlich geworden und es wird ihre Laune nicht verbessern, wenn sie erfährt, daß der König sie nicht einmal am Eingange des Palastes empfängt, sondern lieber in die Rathsversammlung gegangen ist. Und wirklich tritt Rosamunde voller Zorn auf. „Allerdings bin ich gewohnt, daß mein Gemahl mich verabsäumt, aber mich so vor allem Volke zu erniedrigen, das ist empörend. Die Rohheit, von der ich täglich Zeuge sein muß, widert mich an, wahrhaftig, wer tapfer ist, braucht deshalb noch nicht den Wein aus dem Schädel seines Feindes zu trinken. Wie auf einer wüsten Insel lebe ich, unter Wilde verschlagen." Ab mit ihren Frauen. Gleich darauf kommt Alboin zurück, „Wo ist die Königin? ich habe sie in der lezten Zeit nicht viel gesehen und sie wird mir ein wenig schmollen. Aber der Schmuck, den mir da die Römer gebracht haben, wird ihre Laune schon übergolden. Ich schenke ihr Pavia zum Nadelgeld, o wenn ich ihre Liebe nur damit erkaufen könnte.“ „Nun, wo bleibt die Königin?" fragt er den Diener, welchen er abgeschickt, sie herbeizucitiren. Sie will nicht kommen." Schüßt sie Ermüdung von der Reise vor ?" "Nein, sie sagte nur das eine, daß sie nicht kommen wolle." „Sie will nicht kommen, sie will mir trogen, sie verachtet mich? Ha, wir Barbaren sind ihr nicht gut genug; sie führt fremde Sitten bei uns ein, dieses Weib. Aber ich will ihr zeigen, daß ich König bin der Gepiden und Longobarden; fort mit den Geschenken, Zeit ist's, daß ich den Herrscher wieder herausbeiße."

"

Mit einer wahren Beängstigung blättere ich den Akt zurück. Und doch, das ist alles, was uns über diese beiden Menschenseelen Auskunft gibt, ich habe nichts Wichtiges ausgelassen und fast mit

Kruse's eigenen Worten citirt. Rosamunde haßt also den Alboin, weil er ihr nicht gebildet genug ist und weil er sie verabsäumt ! Verabsäumt? Kruse hat es durch hundert Kritiker versiegelt und verbrieft bekommen, daß er ein gewaltiger Menschenkenner ist und das Menschenherz in seinen unzugänglichsten Klüften durchstöbert hat. Nun, an die hundert Kritiker darf ich mich wol nicht wenden, aber ich wende mich an jeden fühlenden Mann, an jede fühlende Frau. Verabsäumt! Rosamunde, deren Vater von Alboin erschlagen ist, welche den Mörder haßt und verabscheut und doch von ihm zur Heirath gezwungen wurde, ich bin kein Menschenkenner wie Kruse, aber ich meine, dieser Rosamunde könne nichts angenehmer sein, als wenn sich der Herr Gemahl zehntausend Schritte von ihr entfernt hielte und sie niemals auch nur mit dem Hauch seines Mundes berührte.

Nicht gebildet genug! Aber, Herr Kruse, das ist allerhöchstens ein Lustspielmotiv, wollten Sie doch manchmal nur so philosophisch sein, wie es die Geschichte ist, der Sie im Aeußerlichen so sklavisch nachtrotten.

Vielleicht aber holt der zweite Akt nach, was der erste versäumt. „Ich bin so heiter, erklärt Rosamunde, wie man in einer erzwungenen Ehe sein kann. Sicherlich hätte ich den nicht zum Manne genommen, der mich zur Waise machte."

„Allerdings seid Ihr neuerdings sehr aufgeregt und heute habt Ihr Euch sogar geweigert, bei dem Schmause, der die Deutschen und Wälschen verbrüdern soll, an Alboins Seite Plaß zu nehmen."

dame zu hören,

Ja,

Beim rohen Männermahl! Beim Tischgelag!

Allein wer könnte Zartgefühl erwarten

Von einem halben Wilden?

Zartgefühl, Zartgefühl! Glaubt man nicht eine nervöse SalonSalondame und Rosamunde, diese wilde, leidenschaftliche Fürstin, eine der furchtbarsten Frauengestalten der Geschichte, die mit doppelter Blutschuld beladen ins Grab stieg.

Der König sendet noch einmal und bittet Rosamunde, am GeLage theilzunehmen. Aber die Königin will nicht.

Ich bin so viel wie er!

Ich bin die Erbin des Gepidenreichs.

Für mich ist dieser König nichts als ein

Thronräuber!

Und dennoch gehorcht sie dem Thronräuber, sobald er zum dritten Male schickt und sie merkt, daß der ungebildete Gemahl Ernst macht. Aber sie geht mit einer Drohung.

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Und sie geht

in ihr Toilettenzimmer, um sich für das Fest zu schmücken, wie sich ein Backfisch für den ersten Ball pußt. Warum? will sie eine Eroberung machen, will sie Alboin gefallen, will sie den Gästen eine Ehre anthun? Doch sie verachtet den König, sie verachtet seine Zechbrüder, sie brütet über düsteren Racheplänen, Herr Kruse ist, wie gesagt, ein feiner Kenner des menschlichen Herzens, aber ich meine, Rosamunde dächte in solchen Augenblicken der Schmach an etwas anderes, als die Kokette zu spielen. Doch nein, Kruse's Rosamunde kehrt wirklich bald darauf aus dem Toilettenzimmer zurück, in „großem Schmuck". "Ich gehe," sagt sie stolz an Helmichis vorüberrauschend,

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Ich gehe nur,

Weil Du mich bittest, nicht weil er befiehlt.

Nichts mehr, nichts weniger.

Wenn das nicht Renommage ist! Sie geht nur, um Helmichis einen Gefallen zu thun, aber Helmichis sagt ja selbst, es sei eine

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