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die Personen in ihren Gesinnungen steigen, als daß sie fallen. Es ist schicklicher, daß ein zärtlicher Charakter Augenblicke des Stolzes hat, als daß ein stolzer von der Zärtlichkeit sich fortreißen läßt. Jener scheint sich zu erheben, dieser zu sinken. Eine ernsthafte Königin, mit gerunzelter Stirn, mit einem Blick, der Alles scheu und zitternd macht, mit einem Tone der Stimme, der allein ihr Gehorsam verschaffen könnte, wenn die zu verliebten Klagen gebracht wird und nach den kleinen Bedürfnissen ihrer Leidenschaft seufzt, ist fast, fast lächerlich." Und Alboin mit gerunzelter Stirn, mit einem Blick, der Alles scheu und zitternd macht, mit einem Tone der Stimme, der allein ihm Gehorsam verschaffen könnte - so soll er doch sein, Herr Kruse! - wenn der zu verliebten Klagen gebracht wird, ob der nicht fast, fast lächerlich wird? Ein gemüthlicher Polterer und Raisonneur, innerlich unwahr, - fast lächerlich, wahrlich, die Wagschale Alboins beginnt bedenklich zu sinken. Aber so unglaublich auch die That bei dem Charakter des rücksichtsvollen schwachen Kruse'schen Alboin ist, so begeht, - so führt er sie doch aus, so muß es doch ein ein Motiv wenigstens geben, welches den Zwiespalt der Natur“ erklärt. Scheuen wir also keine Mühe, suchen wir die Spuren mit Indianersinnen auf. Rosamunde hat den König und sein Volk verächtlich behandelt, seine Bildung verspottet und dieser es lange lange hindurch schweigend ertragen, obwohl es ihn, den Eroberer Italiens und Kenner der neueren Philosophie, tief und bitter wurmen mußte. Aber sie wiederholt ihre Lästerungen bei einem feierlichen Gelage, einem Verbrüderungsfeste der Wälschen und Deutschen, auf welchem sich der Longobardenherrscher in seinem vollen Glanze zu zeigen gedachte:

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„Sie wandte sich und drehte mir den Rücken,

Und überhört' absichtlich, was ich sprach.
Sie spottete ganz laut mit Helmichis

Ob unser alten narbevollen Krieger,

Mehr werth als Cäsar's neunte Legion.

Das wurmte mich! Auch trieb der Wein den Zorn

Aus mir heraus. Genug, ich wollte zeigen,
Daß ich gewillt nicht bin, der Väter Sitte
Im Lande der Besiegten zu verläugnen.
Da ließ ich den unsel'gen Becher kommen .

Er sagt also ganz deutlich: Ich war betrunken, völlig betrunken und dabei reizte sie mich noch mit höhnischen Worten, die Hoffärtige, mich und meine alten Krieger.

Die Trunkenheit ist allerdings ein neues Motiv für die Tragödie, ein ganz originelles Ur-Kruse'sches Motiv, das weder bei Sophokles, noch bei Shakespeare, weder bei Alfieri, noch bei Calderon, weder bei Goethe, noch bei Schiller zum Vorschein gekommen ist. Ob auch ein glückliches Motiv? Ganz gewiß nicht, wenn das Drama auf der Basis der Selbstbestimmung seiner Charaktere beruht. Sind doch die Personen der Tragödie nicht Schachfiguren, die von einer geheimnißvollen überirdischen Macht nach Belieben hin- und hergeschoben werden, sondern sie stellen sich selber ein festes Ziel vor Augen, nach welchem sie hinstreben, sich jeden Augenblick ihrer That bewußt. Der Held gräbt sein Grab mit eigener Hand,

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das ist die Signatur einer Tragödie und ohne sie eine tragische Schuld nicht denkbar. Daraus geht aber auch hervor, daß ein Wahnsinniger niemals der Held einer Tragödie sein kann, da nicht einmal der Siouxindianer, nicht einmal die einfache bürgerliche Gerechtigkeit um wie viel weniger die unendlich höher stehende poetische Gerechtigkeit, ihm eine Schuld zur Last legen oder eine Strafe für sein Verbrechen fordern wird. Auch der Trunkene ist ein Wahnsinniger, auch der Trunkene taumelt in einem Zustande der Bewußtlosigkeit hin, in welchem er keine Rechenschaft über seine Thaten abgeben kann. Und ist nicht solch eine That auch eine That des Augenblicks, ein einzelner Moment im Leben, eine einmalige Wallung der Natur, und wie reimt sich dieselbe mit der dramatischen Unentrinnbarkeit, wie mit der Forderung, daß die Schuld aus dem Charakter in seiner ganzen Allgemeinheit hervorwachsen muß, daß sie die letzte Spitze sein soll, in welcher alle Linien des Charakters zusammenlaufen. Und wenn man noch weiter gehen, wenn man die würdelose Sphäre betrachten wollte, in welche uns Kruse mit einem trunkenen Helden hinabzieht, ein pöbelhaftes Straßenmotiv,

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nein, lieber einen Schleier darüber, die ganze

Sache verdient wirklich kein Wort der Widerlegung mehr!

Stellt sich so auf der einen Seite der Kruse'sche Alboin als eine völlig haltlose, passive, innerlich unwahre, triviale, kurz

völlig undramatische Figur dar, so ist die Kruse'sche Rosamunde auf der anderen Seite ebenso kleinlich, unwürdig und nicht minder unwahr.

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Ein Weib, welches den Vater an seinem Mörder rächt, ist uns gewiß verständlich, aber wir müssen auch sehen, daß dieser Gedanke der Rache von Anfang an sein Empfinden bis in die lezten Fasern durchtränkt. Der naturgemäße Anfang einer Rosamundentragödie beginnt mit der Ermordung Cunimunds; in wenigen Strichen zeichne uns der Dichter das innige liebevolle Verhältniß zwischen Vater und Tochter, ersterer fällt unter der Hand der Feinde, verzweifelnd bricht Rosamunde an seinem Leichnam zusammen und nun eröffne uns der Dichter auf irgend eine Weise die grauenhafte Perspective: eben dieser Mörder zwingt die tödtlich verlegte Rosamunde in sein Ehebett. Ein grausamer, qualvoller Akt, aber bis zum Ueberfließen von dramatischem Blute angefüllt. Um den Charakter des Alboin zu mildern und keinen Abscheu vor ihm aufkommen zu lassen, schildere der Dichter - und die Geschichte kann ihm nicht ganz Unrecht geben die heiße leidenschaftliche Liebe eines wilden, rauhen, aber innerlich gesunden Naturmenschen, der immer wieder verschmäht, endlich alle Schranken niederreißt und mit der Gewalt des Schwertes seine schöne Beute erobert. Freilich, um das zu schildern, bedarf es einer dämonischen Poesie und von der hat unser Dichter gewiß am allerwenigsten abbekommen. Aber erst dann sehen wir mit unseren leiblichen Augen das ganze Unglück dieses Ehebundes, und wir müssen es sehen, um es zu glauben, Worte sind im Orte leerer Schall und unsere Ohren dagegen nur zu bald taub. Ja, wenn wir es bei Kruse nur hörten! Zwei Akte läuft seine Rosamunde wie eine überspannte Gouvernante umher und jammert, daß sie, das so hoch gebildete Frauenzimmer, an einen so ungeschliffenen Menschen verheirathet sei und im dritten deklamirt sie ein paar nichtssagende Verse, wie verrätherisch sie an ihrem Vater und dem Gepidenvolke gehandelt habe. Und dieses nervöse, verzärtelte, eingebildete Frauenzimmer will die Rachegöttin mit bluttriefendem Dolche spielen. Herunter mit der Maske, gute Dame, hervor mit der Nachthaube unter dem Brünhildenhelm und ein Mehlsüppchen für Dich und Deinen Schöpfer.

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Im fünften Akte tritt Alboin seine Rolle an Helmichis ab. Hat Kruse es absolut nicht verstanden, das Verhältniß zwischen Rosamunde und Alboin auch nur einigermaßen dichterisch zu begreifen, so artet in der Darstellung der Rosamunden-Helmichis-Affaire seine Ohnmacht und Halbheit geradezu in hellen Unverstand aus. In hellen Unverstand, ich schreibe das Wort wohlbedacht und ohne jede Sucht nach Uebertreibung nieder.

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Die Geschichte, wie wir sie nach Gibbon erzählt haben, läßt uns allerdings über das innere Wesen der beiden Personen in ihrem Betragen zu einander recht unklar und ermangelt der schlagenden, tiefen Motivirung für die plötzliche Ermordung des Helmichis durch dessen Geliebte. Rosamunde spielt eine häßliche, abschreckende Rolle und wenn wir sie uns als ein barbarisches Weib darstellen, welches mit dem Dolch und Giftbecher wie ein Kind mit der Puppe spielt, und sofort jeden, dessen sie überdrüssig geworden, mit falter Ueberlegung und auf die kürzeste Weise aus der Welt schafft, so passen wir sie allerdings der rohen Zeit der Völkerwanderung, der Zeit der Völkerschlächtereien ganz trefflich an. Mit einem solchen Charakter ist aber für das Drama nichts gethan, und es tritt nunmehr an den Dichter die bedeutsame Aufgabe heran, deren Erfüllung allein einen geschichtlichen Stoff für die Poesie reizvoll und fruchtbar macht, die historischen Begebenheiten uns menschlich näher zu bringen und die bloßen Fakta mit einander zu verknüpfen, die dargebotenen Charaktere aus dem Zufälligen, Wirklichen, einmal Geschehenen herauszuheben, und an dessen Stelle einen gemeingültigen Inhalt zu setzen, der uns als wahrscheinlich und nothwendig erscheint.“ (Aristoteles, „Ueber die Dichtkunst", Cap. 18. 7.) Kruse bringe uns also in seinem fünften Aufzuge die Ueberzeugung bei, daß die Langobardenkönigin aus ihrem Charakter und ihrer Stellung heraus nicht anders handeln konnte, daß die Ermordung des Helmichis als nothwendige Folge aus der Vergangenheit organisch herauswachsen mußte. Ob ihm das gelungen ist, ob er es verstanden haben wird, dunkle Partieen der Geschichte aufzuhellen, während ihn das sonnenflare Licht anderwärts so sehr geblendet hat?!

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Auf seinem Zuge nach Italien ließ, wie uns der Dichter erzählt, Alboin die Königin wohlbedeckt und von Helmichis als

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„Reisemarschall" begleitet - poetae ipsissimum verbum - im Rücken des Heeres gemächlich hinterdrein ziehen. Die Wahl des Helmichis ist keine zufällige, denn er hat Rom kennen gelernt und die „feinsten Sitten" von allen Longobardenführern angenommen; „als Mann für Frauen" sucht er daher die Königin möglichst zu zerstreuen und zu vergnügen, liest mit der für Bildung schwärmenden" Frau die Dichter Latiums, und man weiß auch aus den Zeiten des frommen Mönches Ekkehard und der Francesca von Rimini her, daß solch ge= meinschaftliche Dichterlektüre bedenkliche Gefahren in sich birgt. So hat sich auch Helmichis an den schönen Augen Rosamundens entzückt und andererseits in der Königin ein gewisses Faible für sich, den gebildeten Herrn Reisemarschall, entzündet. Bei der Ankunft in Pavia nennt sie ihn ihren „werthen Reisefreund“ und fordert ihn auf, sie auch ferner im Lateinischen zu unterrichten, ja nach der Eroberung von Aquileja, bei der Besichtigung der Trümmer und Schutthaufen hat sich die Königin sogar auf seinen Arm gestüßt, „Das schickt sich nicht," sagt Peredeus, es ist also wohl ein Zeichen von Vertraulichkeit gewesen.

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prahlt Helmichis ganz unverhohlen vor einer der Frauen der Königin, die nebenbei seine Geliebte ist, und man wundert sich nur darüber, mit welch naiver Unverhohlenheit der kluge Mann seine ehebrecherischen Absichten aller Welt erzählt. Zu Ende eines Besuches, den er der Herrin macht, begleitet ihn diese gnädig und huldvoll bis zur Thür, - und das sollen nicht nach dem Codex unserer modernen Gesellschaft Zeichen von Liebesgunst sein? Wahrlich, die Schlange des Ehebruchs lauert bereits versteckt im Hintergrunde, wenn auch einstweilen noch alles so höflich und anständig hergeht, als lebte man nicht in einer Zeit, da alle Bande gelöst schienen, Reiche über Nacht zusammenstürzten, wilde Völkerschaaren verwüstend hierhin und dorthin zogen, die raffinirteste Sinnlichkeit und feinste Cultur mit der rohesten Barbarei und unbeleckten Natur zusammenstieß, sondern

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